Erschienen in:
01.04.2011 | Aktuelles aus Diagnostik und Therapie
Botulinum-Neurotoxin in der Behandlung der Spastizität im Erwachsenenalter
Ein interdisziplinärer deutscher 10-Punkte-Konsensus 2010
verfasst von:
Prof. Dr. J. Wissel, M. auf dem Brinke, M. Hecht, C. Herrmann, M. Huber, S. Mehnert, I. Reuter, A. Schramm, A. Stenner, C. van der Ven, M. Winterholler, A. Kupsch
Erschienen in:
Der Nervenarzt
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Ausgabe 4/2011
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Zusammenfassung
Spastizität ist neben Paresen und sensiblen sowie neuropsychologischen Störungen eine wichtige Ursache für funktionell relevante Behinderungen bei Erwachsenen mit Schäden des zentralen Nervensystems. So zeigen bis zu 30% der Patienten nach Schlaganfall im frühen Verlauf bereits eine Spastizität in leichter bis mittlerer Ausprägung, die bei schweren Verläufen mit konsekutiven Beeinträchtigungen des betroffenen Muskel- und Bindegewebes einhergehen kann. Zahlreiche Studien und Metaanalysen belegen, dass lokale Injektionen von Botulinum-Neurotoxin Typ A (BoNT-A) durch eine dosisabhängige Verminderung des Muskeltonus und Verbesserung der passiven Beweglichkeit auch passive Funktionsverbesserungen (z. B. Erleichterung der Pflege und Hygiene) erreichen, gerade auch bei wiederholten Behandlungen. Länderspezifische Unterschiede bei der Zulassung in Europa sowie die oft patientenferne Administration im deutschen Gesundheitswesen erschweren jedoch die Bereitstellung dieser Therapie, sodass eine Aktualisierung von bereits existierenden Positionspapieren erforderlich erscheint. In dieser Stellungnahme wird in Anlehnung an kürzlich erschienene englischsprachige Publikationen eine deutschsprachige interdisziplinäre Aktualisierung in Form eines 10-Punkte-Konsensus zur Verfügung gestellt. Durch Aufarbeitung und Bewertung der existierenden Literatur und Abstimmung mit betroffenen Fachgesellschaften soll die Kommunikation mit Entscheidungs- und Kostenträgern erleichtert werden.
Vor Einleitung einer BoNT-A-Behandlung bei Spastizität sollte auf der Basis einer klinischen Evaluation ein realistisches patientenindividuelles Behandlungsziel vorzugsweise in einem multiprofessionellen Behandlungskontext formuliert werden. Zur lokalen Spastikbehandlung bei Schlaganfallpatienten sind in Deutschland derzeit drei Präparate zugelassen: Botox® (Pharm Allergan, Ettlingen, BRD), Dysport® (Ipsen Pharma, Ettlingen, BRD) und Xeomin® (Merz Pharm., Frankfurt/Main, BRD). Generell konnte die Sicherheit der BoNT-A-Behandlung in einer Metaanalyse nachgewiesen werden. Die Dosierung und Muskelauswahl sollte sich jeweils an den individuellen Symptomen orientieren. Die BoNT-A-Injektion sollte zielgenau, kontrolliert und mit begleitenden Therapien koordiniert erfolgen. Kontrollierte Studien belegen in ausgesuchten Patienten auch funktionell relevante Verbesserungen aktiver Funktionen (Hand- und Armfunktion, Gehen). Kombinationen von BoNT-A mit zeitlich abgestimmten weiteren Maßnahmen wie Redressionen und modernen neurorehabilitativen Therapien zeigen zusätzlich verbesserte Ergebnisse im Vergleich zur alleinigen BoNT-A-Behandlung.