Sichere und stabile Fixierung metaphysärer sowie epiphysärer Frakturen (Salter-Harris I–IV) mittels korrekter Bohrdraht(Kirschner[K]-Draht)-Osteosynthese, in der Folge als K‑Draht-Osteosynthese (OS) bezeichnet.
Indikationen
Gemäß der AO(Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen)-Kinderklassifikation der langen Röhrenknochen (AO Pediatric Comprehensive Classification of Long-Bone Fractures [PCCF]) alle Salter-Harris- und metaphysären Frakturen sowie Frakturen des Fuß- und Handskelettes, unabhängig von der Repositionsart, geschlossen oder offen, sofern eine Adaptationsosteosynthese eine hinreichende Stabilität zulässt. Eine K‑Draht-OS erfordert immer eine zusätzliche Fixierung/Ruhigstellung in einem Gipsverband.
Kontraindikationen
Alle diaphysären Frakturen, sofern ein K‑Draht nicht im Sinne der Markraumschienung verwendet wird. Nicht korrekt reponierte respektive nicht reponierbare Frakturen.
Operationstechnik
Nach geschlossener oder offener, möglichst anatomischer Reposition werden unter Durchleuchtungskontrolle 1, 2, gelegentlich 3 K-Drähte pro Fragment eingebracht. Wichtig ist dabei, dass die K‑Drähte das zu fixierende Fragment sowie das Hauptfragment (Metaphyse) optimal fassen. Es muss daher möglich sein, mit dem Durchleuchtungsgerät eine streng seitliche sowie korrekte anteroposteriore Aufnahme machen zu können. Dabei ist darauf zu achten, dass man das Gerät in die entsprechende Ebene schwenken kann. Ein Drehen der Extremität sollte auf ein Minimum beschränkt werden. Durch eine zusätzliche Manipulation zwecks Durchleuchtung könnten die zuvor optimal reponierten Fragmente erneut dislozieren. Dies wiederum kann zu einer schlechten K‑Draht-Fixierung führen. Je nach Morphologie der Fraktur, Größe der Fragmente und Lokalisation der Fraktur (Humerus, Unterarm, Femur oder Tibia, Hand oder Fuß) muss die K‑Draht-Technik angepasst werden. Diese kann sein: monolateral gekreuzt, monolateral divergierend auf- oder absteigend oder die häufigste angewendete aufsteigend gekreuzte Technik. Die K‑Drähte werden in der Regel über Hautniveau belassen und umgebogen. Somit können sie ohne erneute Narkose in der Ambulanz entfernt werden. Man muss sich bewusst sein, dass der K‑Draht weder eine Kompressions- noch eine Neutralisations-OS ist, sondern immer nur eine Adaptation. Daher braucht eine K‑Draht-OS immer eine zusätzliche Ruhigstellung mittels Gips oder konfektionierter Schiene.
Weiterbehandlung
Ruhigstellung im Gipsverband für 4 bis 5 Wochen abhängig vom Alter.
Ergebnisse
Bei technisch optimal durchgeführter Fixation und korrekter Indikation für eine K‑Draht-OS sowie adäquater Nachbehandlung sind die Ergebnisse sehr gut bis gut.
Hinweise
Wissenschaftliche Leitung
K. Dresing, Göttingen
F. Unglaub, Bad Rappenau
Zeichnungen
H.J. Schütze, Köln
Lernziele
Nach der Lektüre dieses Beitrags …
kennen Sie die Indikationen für eine Kirschner(K)-Draht-Osteosynthese (OS),
wissen Sie, welche Segmente des Skelettes für K‑Draht-OS geeignet sind,
können Sie die verschiedenen K‑Draht-Konfigurationen beschreiben,
sind Sie in der Lage, die biomechanischen Eigenschaften einer K‑Draht-OS zu erklären.
Vorbemerkungen
Aufgrund der Morphologie des Kinderskelettes entstehen Frakturen zu einem überwiegenden Teil, bis zu 70 % [1], in den epiphysären respektive metaphysären Regionen der langen Röhrenknochen. Obwohl die Mehrzahl dieser Frakturen konservativ, also ohne interne Stabilisierung, behandelt werden kann, wird doch in gewissen Fällen eine sichere und dem kindlichen Skelett angemessene Osteosynthese benötigt. Die weltweit meistverbreitete Stabilisierung epimetaphysärer Frakturen im Kindesalter erfolgt dabei mit Bohrdrähten verschiedener Dicke und mit glatter Oberfläche, sog. Kirschner-Drähte. Kirschner beschrieb diese OS-Technik erstmals 1909 [2, 3]. Die von ihm beschriebene Technik hat sich bis heute trotz vieler moderner Implantate und Techniken als Standard halten können.
Obwohl die Kirschner-Draht-Osteosynthese prinzipiell als einfache Technik angesehen wird, sind dennoch gewisse biomechanische Gegebenheiten zu kennen und zu berücksichtigen. Zudem müssen auch die korrekten technischen Prinzipien eingehalten werden. Wie die tägliche Erfahrung jedoch zeigt, besteht hier eine nicht unwesentliche Wissens- und Handhabungslücke (Abb. 1).
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Untersuchungen haben gezeigt, dass Erwachsenentraumatologen, die mehrheitlich offene Vorgehen durchführen, deutlich mehr Probleme mit dieser Fixierungstechnik haben als Kindertraumatologen, für die diese Technik sozusagen „tägliches Brot“ ist [4]: Je öfter jemand diese Technik anwendet, desto bessere Ergebnisse werden erzielt [4, 5]. Für eine optimale Platzierung und somit auch suffiziente Stabilisierung ist jedoch primär eine perfekte, weitgehend anatomische Reposition der Fragmente essenziell. Denn es gilt der einfache Grundsatz: „Nur wenn ein K‑Draht in beiden Fragmenten fixiert ist, ist eine suffiziente Stabilität möglich.“ Somit besteht das Hauptproblem dieser Fixierungsmethode in der verbleibenden Instabilität bei ungenügender Reposition. Dies ist bei der am häufigsten mittels K‑Draht-Osteosynthese versorgten suprakondylären Humerusfraktur exemplarisch zu beobachten. Eine ungenügende Reposition kombiniert mit daraus folgender insuffizienter Stabilisierung sind die Hauptgründe eines zunehmenden Rotationsfehlers [6, 7]. Dieser Fehler „per se“ ist nicht das eigentliche Problem, sondern die damit verbundene ungenügende Auflagefläche der Fragmente, was dann zu einer Verkippung und damit verbunden zu einem unschönen „Cubitus varus“ führt (Abb. 2).
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Im Weiteren ist darauf zu achten, dass aufgrund des geschlossenen Vorgehens keine iatrogenen Nerven- und Gefäßschäden produziert werden. Dies wiederum ist eine der häufigsten Begleitkomplikationen bei der suprakondylären Humerusfraktur.
Die in der AO(Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen)-Kinderklassifikation beschriebene Definition der Epimetaphyse stellt gleichzeitig das optimalste Segment für die K‑Draht-Osteosynthese dar. Es ist unbedingt darauf zu achten, dass nur Frakturen, die innerhalb des „metaphysären Quadrates“ liegenden Bereiches für diese Fixation geeignet sind. Bereits Frakturen im Bereich der Grundlinie sind mit dem Bohrdraht problematisch zu fixieren (Abb. 3; [9]).
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Wie in Abb. 4 dargestellt, eignen sich folgende Segmente für diese Fixationsmethode am besten:
proximaler Humerus,
distaler Humerus,
distaler Radius,
distales Femur,
proximale Tibia,
distale Tibia.
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Ergänzend kommen Kombinationen von Fixierungen wie die Zuggurtungsosteosynthese der proximalen Ulna sowie Frakturen im Hand- und Fußskelett hinzu [10].
Im Folgenden möchten wir die biomechanischen Eigenschaften einer K‑Draht-OS im Generellen beschreiben sowie die unterschiedlichen Fixationstechniken, die Besonderheiten der verschiedenen oben gezeigten Segmente, vorstellen. Werden all diese erwähnten Punkte berücksichtigt, steht einer erfolgreichen K‑Draht-OS nichts mehr im Wege. Die K‑Draht-Fixation sollte in jedem Falle intraoperativ bewegungsstabil sein; sie braucht postoperativ immer eine zusätzliche Gipruhigstellung. Leider sehen wir zu oft eine ungenügende Stabilisierung, die wir gerne nur als „betrachtungsstabil“ bezeichnen (Abb. 5). Demzufolge nennen wir solche Osteosynthesen „Frakturmanipulation mit interner Dekoration“.
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Operationsprinzip und -ziel
Das Operationsprinzip besteht darin, mithilfe von 2 oder maximal 3 K-Drähten, die dem Fragment und dem Alter des Kindes angepasst sein sollten, geschlossen oder offen reponierte, metaepiphysäre Frakturen zu stabilisieren [7]. Erstes und oberstes Ziel bleibt jedoch, eine solche Fraktur primär geschlossen zu reponieren und im Gipsverband ruhigzustellen. Dies setzt eine gute Handfertigkeit in der Reposition sowie dem Anlegen eines perfekten Gipsverbandes voraus. Die immer mehr vernachlässigte Schulung dieser beiden Methoden führt dazu, dass bei ungenügender Reposition schnell auf eine K‑Draht-OS gewechselt wird. Man muss sich jedoch bei jedem, auch noch so kleinen Eingriff bewusst sein, dass auch solche Eingriffe ein nicht zu vernachlässigendes Komplikationsrisiko haben, wie z. B. oberflächliche Infektionen bis hin zur Osteomyelitis (Abb. 6) oder Wachstumsstörungen bei Penetration der Fuge (Abb. 7). Daher sind die Indikationen zur Osteosynthese immer sorgfältig zu überlegen [11, 12]. Ziel einer K‑Draht-OS muss es ein, eine sichere, zumindest intraoperativ bewegungsstabile, Fixation zu erreichen.
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Vorteile
Sicherung der Reposition
Prävention einer sekundären Dislokation
Dadurch anatomisch und funktionell gute Heilung
Nachteile
Implantatentfernung entweder in Sedation oder bei subkutan belassenen Drähten in Kurznarkose
Alle Frakturen der in Abb. 4 dargestellten Skelettregionen kommen für eine K‑Draht-Fixierung infrage. Die Indikation, ob die reponierte Fraktur mittels K‑Draht stabilisiert werden muss, hängt von verschiedenen Faktoren ab:
Alter des Kindes: Je älter das Kind, umso eher sollte eine Fraktur sicher stabilisiert werden, da das Modelling-Potenzial geringer wird,
Größe des Fragments,
Morphologie der Fraktur; schräg verlaufende Frakturflächen lassen sich nur schwer ohne interne Fixierung halten und gelten deshalb auch bei guter anatomischer Reposition als potenziell instabil,
schwere Schwellungszustände, die eine alleinige externe Gipsfixierung erschweren,
vorangegangene Repositionsversuche: Kommt es nach konservativer Behandlung zu einer sekundären Dislokation, sollte bei einer allfälligen Revision eine K‑Draht-Fixierung vorgenommen werden.
Kontraindikationen
Frakturen des metadiaphysären Übergangs (Quadrat über der Fuge der AO-Kinderklassifikation in Abb. 3)
Diaphysäre Frakturen (sofern der K‑Draht nicht als Markraumschienung verwendet wird; Abb. 8)
Stabile Frakturen
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Patientenaufklärung
Offene Aufklärung der Eltern/des Kindes über alle möglichen Behandlungsverfahren inklusive Verwendung eines externen Fixateurs
Verfahrenswechsel von geschlossener auf offene Reposition
Allgemeine Operationsrisiken
Postoperative Pflege der perkutanen K‑Draht-Eintrittsstellen
Pflege des Gipsverbandes
Mögliche residuelle Fehlstellungen oder Fehlfunktionen
Heilungsdauer
Metallentfernung
Physiotherapie nur in Ausnahmefällen
Operationsvorbereitungen
Aktuelles Unfallröntgenbild in 2 Ebenen: Man muss sich jedoch bewusst sein, dass solche Bilder immer nur „Momentaufnahmen“ sind und dass durch jede Manipulation, besonders unter Narkose, sich die Fraktur anders darstellen kann.
Bei unklaren Situationen bezüglich Reponierbarkeit und Stabilisierung immer in Operationsbereitschaft arbeiten; d. h. nicht nur im Gipsraum reponieren. Dadurch können kritische Situationen umgangen respektive Kompromisse vermieden werden. Damit ist gemeint, dass man schlechte Stellungen oder ungenügende Stabilität nicht akzeptieren sollte, nur weil man die Möglichkeit zur K‑Draht-Fixation nicht hat.
K‑Drähte 1,6 mm oder 2,0 mm für die obere Extremität; 2,5 mm oder 3,0 mm für untere Extremität. Prinzipiell muss die Bohrdrahtdicke jedoch dem Alter und der Fragmentgröße angepasst sein
Bohrmaschine
Gipsmaterial
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Anästhesie und Lagerung
Intubationsnarkose; Relaxation erleichtert die Reposition, besonders für die untere Extremität.
In der Regel normale Rückenlage, dies gilt für die obere wie auch untere Extremität.
Röntgenstrahldurchlässiger Armtisch respektive Operationstisch mit freier Durchleuchtungsmöglichkeit (Abb. 11a, b):
Standardmäßig wird die Extremität auf dem röntgenstrahldurchlässigen Arm‑/Operationstisch gelagert.
Es ist wichtig, vor Beginn der Reposition zu prüfen, ob der Bildverstärker frei unter dem Hand- oder Operationstisch bewegt werden kann und damit die erforderliche Position erzielt wird.
Der Laser am Strahler zur strahlungsfreien Positionierung des C‑Arms, gepulstes Röntgen und die maximale Einblendung der Schlitz- bzw. Irisblende sind gefordert.
Wird die Extremität ausnahmsweise direkt auf den steril abgedeckten Bildwandler (Abb. 11c, d; [13]) gelagert (Berner Schule), kann der Laser nicht verwendet werden, da er abgedeckt ist. Die Zentrierung auf die Fraktur erfolgt unter Röntgenstrahlung. Dabei muss jedoch eine höhere Strahlenbestrahlung in Kauf genommen werden, die jedoch durch die kürzere Durchleuchtungszeit beim erfahrenen Operateur und bei höherer Bildqualität deutlich kompensiert wird. Über längere Röntgenzeit beim weniger Erfahrenen wird in der Literatur berichtet.
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Biomechanik von Kirschner-Drähten
Bei der Verwendung von Kirschner-Drähten muss man sich immer bewusst sein, dass es sich dabei um eine Adaptationsosteosynthese handelt und niemals um eine Kompressions- oder Neutralisationsosteosynthese, wie sie Schrauben oder Platten sind. Es geht darum, die Fragmente in einer möglichst optimalen Weise stabil zueinander zu halten. Deshalb ist praktisch immer additiv eine zusätzliche Gipsruhigstellung vorzunehmen.
Selbst im Gipsverband können sich K‑Drähte durch die Mikrobewegungen und größeren Bewegungen im Gips auslockern. Deshalb ist der Anordnung der K‑Drähte besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Leider wird diesem Aspekt zu oft nicht Rechnung getragen; davon zeugen die doch recht häufigen sekundären Fehlstellungen trotz K‑Draht-Fixierung. Dabei sind die beiden häufigsten beobachteten Fehler:
parallel eingebrachte Drähte,
zu nahe beieinanderliegende Drähte, die eigentlich nur die Wirkung eines einzelnen Drahtes haben (Abb. 12a, b).
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Die optimale Anordnung von K‑Drähten ist deshalb, je nachdem ob diese nur von einer Seite oder beidseitig eingebracht werden,
auf- oder absteigend gekreuzt,
monolateral gekreuzt,
monolateral divergierend,
wobei immer darauf geachtet werden muss, dass die jeweiligen Kreuzungsstellen nicht auf Frakturhöhe liegen respektive bei divergierender Technik außerhalb des Knochens (Abb. 17 und 28).
Einfluss der Kirschner-Draht-Stärke
Der Durchmesser des K‑Drahtes hat einen hohen Einfluss auf die Stabilität. Dabei steht man jedoch im Konflikt mit möglicher Schädigung der Wachstumsfuge, sofern diese gekreuzt werden muss. In diesem Fall ist ein mehrmaliges Bohren unbedingt zu vermeiden. Es ist somit ratsamer, einen etwas dickeren Bohrdraht zu nehmen, der sich präzise zielen und einbringen lässt, als zu feine Bohrdrähte, die dann ungünstig liegen und wiederholt eingebohrt werden müssen (Abb. 13).
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Die Tab. 1 zeigt die Relation der am häufigsten gebrauchten K‑Draht-Durchmesser zu dessen Fläche: Als Wert 100 % haben wir den Ø 1,6 mm genommen.
Tab. 1
Auflistung der Flächen (Basis für Zugfestigkeit) eines Kirschner Drahtes (F = π r2)
Drahtdurchmesser
Fläche
Verhältnis zu 2,0 mm Draht
Verhältnis zu 1,6 mm Draht
[mm]
[mm2]
[–]
[–]
1
0,785
0,250
0,391
1,2
1,131
0,360
0,563
1,6
2,011
0,640
1,000
2
3,142
1,000
1,563
2,5
4,909
1,563
2,441
3
7,069
2,250
3,516
Somit hat ein 2,0-mm-K-Draht eine 25 % höhere Zugfestigkeit als einer von 1,6 mm.
Für die Beugefestigkeit hingegen, die sich aus der 3. Potenz des Radius berechnen lässt, ist der Einfluss des Durchmessers von noch größerer Bedeutung. Wie in Tab. 2 zu sehen ist, ist der Unterschied in der Festigkeit zwischen 1,6 und 2,0 mm praktisch 100 %, zwischen 1,6 und 3,0 mm mehr als 600 %.
Tab. 2
Auflistung der Widerstandsmomente gegen Biegung (Basis für Biegesteifigkeit) eines Kirschner Drahtes (Wb = π/4 r3)
Drahtdurchmesser
Widerstandsmoment gegen Biegung
Verhältnis zu 2,0 mm Draht
Verhältnis zu 1,6 mm Draht
[mm]
[mm3]
[–]
[–]
1
0,098
0,125
0,244
1,2
0,170
0,216
0,422
1,6
0,402
0,512
1,000
2
0,785
1,000
1,953
2,5
1,534
1,953
3,815
3
2,651
3,375
6,592
Einfluss der Kirschner-Draht-Spitze
Die Geometrie der K‑Draht-Spitze hat einen wesentlichen Einfluss auf das Einbringen des Drahtes. Die meistverbreitete Spitzenart ist die Trokarspitze. Diese hat eine 3‑eckige (oder gelegentlich 4‑eckige) Form, die nur knapp geschliffen und nicht anderweitig speziell geformt ist. Sie gleicht somit praktisch einer normalen Nagelspitze mit 3 Flächen (Abb. 14a). Diese Spitzenform erschwert das sehr tangentiale Einbohren des Drahtes. Deshalb sollte man immer zuerst weitgehend rechtwinklig zur Knochenoberfläche mit dem Bohren beginnen und erst, wenn eine genügende Vertiefung respektive ein Loch entstanden ist, den Draht tangential absenken. Da diese Spitze auch nicht sehr scharf ist, erzeugt sie auch sehr viel Hitze. Deshalb sollte man während des Einbohrens mit Wasser kühlen und/oder oszillierend bohren.
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Daneben finden wir auch verbreitet die sog. Bajonettspitze; diese zeichnet sich durch einen einseitigen, flächigen Schliff aus und ist bedeutend schärfer als die Trokarspitze; sie ist auch als „Ilizarov-Bohrdraht-Spitze“ bekannt (Abb. 14b).
Zu diesen Spitzenformen bieten einige Hersteller auch Bohrdrähte mit einer 2‑spiraligen, sehr kurzen bohrerähnlichen Spitze an (Abb. 14c).
Einfluss der Kirschner-Draht-Ausrichtung auf die Stabilität
Da, wie bereits erwähnt, mit den K‑Drähten keine Kompression erzeugt werden kann, ist die Anordnung respektive die Ausrichtung der K‑Drähte von entscheidender Bedeutung. Werden die K‑Drähte korrekt gesetzt, kann eine relative Stabilität erreicht werden, die das Verschieben der Fragmente verhindert. In den nachfolgenden Grafiken soll dies bildlich veranschaulicht werden (Abb. 15 und 16; [14]).
Wie bereits anfangs erwähnt, ist die Kirschner-Draht-Osteosynthese nicht belastungsstabil, sollte jedoch in jedem Falle lagerungs- bis bewegungsstabil sein je nach Lokalisation der Fraktur, Größe der fixierten Fragmente sowie Alter des Kindes. Deshalb sind postoperativ folgende Punkte zu beachten:
gute, wenn möglich noch intraoperative, gipsfreie Röntgendokumentation,
zusätzliche Ruhigstellung in Gipsschiene (einfach oder doppelseitig) oder in zirkulärem Gipsverband. Gelegentlich kommen auch kommerziell erhältliche Produkte zur Anwendung,
an der unteren Extremität vorzugsweise zirkuläre Verbände, gespalten,
über die Haut hinausragende (perkutan eingebrachte) K‑Drähte sollten den Gips nicht berühren, deshalb
immer Gipsfenster um den K‑Draht herum,
Anlernen der Eltern für die Gips- allfällig K-Draht-Pflege,
Hospitalisation je nach Schwere des Traumas oder gemäß klinikinternen Vorgaben, meist 1 bis 3 Tage,
erste klinische und radiologische Kontrolle bei Kindern bis 4/5 Jahren nach 4 Wochen, bei älteren Kindern nach 5 Wochen,
unter leichter Sedation oder mit Schmerzmitteln ambulante Entfernung der Kirschner-Drähte, sofern perkutan eingebracht, ansonsten Planung für Entfernung in Kurznarkose,
weitere Nachkontrolle 3 Monate postoperativ zwecks funktioneller Prüfung der Beweglichkeit, da es sich immer um gelenknahe Verletzungen handelt.
Fehler, Gefahren, Komplikationen
Auf die Fehler einer K‑Draht-Osteosynthese wurde anhand der Abbildungen und Abbildungstexte schon mehrmals hingewiesen. Zusammenfassend sollen nochmals hervorgehoben werden:
falsche Indikation (Fraktur außerhalb des metaphysären Quadrates, Abb. 3),
keine optimale respektive korrekte Reposition der Fragmente vor der OS,
Nicht-Fassen der Fragmente,
falsches oder suboptimales Einbohren der K‑Drähte,
suboptimale K‑Draht-Dicke,
biomechanisch nicht korrekte Anordnung der K‑Drähte (gekreuzt oder monolateral divergierend),
Nicht-Beachtung der Drittel- respektive Viertel-Regel,
die Gefahren der K‑Draht-OS sind v. a. der Repositionsverlust mit allfälligem anatomisch wie funktionell schlechtem Ergebnis,
Gefahr einer Nerven- oder Gefäßschädigung, besonders am Ellbogen zu beachten,
die Kombination Gipsverband und perkutan herausragende K‑Drähte bringt immer die Gefahr einer oberflächlichen, im schlimmsten Fall tiefen Infektion mit sich,
unabhängig vom fixierten Fragment respektive von der fixierten Fraktur ist ein Repositionsverlust mit entsprechender anatomischer Fehlstellung respektive Funktionseinbuße immer als schwerwiegende Komplikation anzusehen,
Drahtbruch,
Auswandern des Drahtes.
Ergebnisse
Unter Berücksichtigung der Anwendungshäufigkeit der K‑Draht-Osteosynthese wie vorgängig beschrieben, nicht grob fahrlässige Fehler begangen werden, sind die Resultate dieser Methode als sehr gut anzusehen. Das größte Problem besteht darin, dass man diese OS als zu einfach ansieht und sich die wichtigsten Punkte einer optimalen Fixation nicht immer wieder vor Augen führt. Im Weiteren werden zu gravierende, meist auch radiologisch dokumentierte Fehlstellungen akzeptiert unter der Annahme, dass das kindliche Skelett dies schon „Ausbügeln“ wird [11, 15, 16, 17].
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
Gemäß den Richtlinien des Springer Medizin Verlags werden Autoren und Wissenschaftliche Leitung im Rahmen der Manuskripterstellung und Manuskriptfreigabe aufgefordert, eine vollständige Erklärung zu ihren finanziellen und nichtfinanziellen Interessen abzugeben.
Autoren
T. Slongo: A. Finanzielle Interessen: T. Slongo gibt an, dass kein finanzieller Interessenkonflikt besteht. – B. Nichtfinanzielle Interessen: Pensionierter Kindertraumatologe/Kinderorthopäde, aktuell noch tätig als Senior Consultant for Paediatric Trauma and Orthopaedics, University Children’s Hospital, Dept. of Paediatric Surgery, Bern.
Wissenschaftliche Leitung
Die vollständige Erklärung zum Interessenkonflikt der Wissenschaftlichen Leitung finden Sie am Kurs der zertifizierten Fortbildung auf www.springermedizin.de/cme.
Der Verlag
erklärt, dass für die Publikation dieser CME-Fortbildung keine Sponsorengelder an den Verlag fließen.
Für diesen Beitrag wurden vom Autor keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Ob bei einer Notfalloperation nach Schenkelhalsfraktur eine Hemiarthroplastik oder eine totale Endoprothese (TEP) eingebaut wird, sollte nicht allein vom Alter der Patientinnen und Patienten abhängen. Auch über 90-Jährige können von der TEP profitieren.
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Update Orthopädie und Unfallchirurgie
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