Erschienen in:
01.09.2007 | Medizin aktuell
Warum 37°C?
Evolutionäre Grundlagen der Thermoregulation
verfasst von:
Prof. Dr. D. Singer
Erschienen in:
Die Anaesthesiologie
|
Ausgabe 9/2007
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Zusammenfassung
Die Homöothermie steht am Ende eines Evolutionsprozesses, in dem jeder Anstieg des Sauerstoffangebots mit einer Zunahme des Energieumsatzes beantwortet und damit auch neue Abhängigkeiten geschaffen wurden. In Anpassung an die winterliche Nahrungsknappheit hat sich in gemäßigten Zonen der Winterschlaf entwickelt, der mit einer kontrollierten Absenkung der Körpertemperatur bis nahe 0°C einhergeht. Er bildet somit das eindrucksvollste Beispiel dafür, dass bei Homöothermen nicht nur die Körperschale poikilotherm ist, sondern auch die Körperkerntemperatur den Umgebungsbedingungen variabler angepasst werden kann, als vielfach angenommen. Allerdings stellen die natürlichen Torpiditätszustände anders als die klinische Hypothermie keine kältebedingte Stoffwechseldrosselung, sondern eine endogene Umsatzreduktion mit konsekutiver Temperatursenkung dar. Als stoffwechselsuppressiver Faktor wurde u. a. der pH-Wert diskutiert, der bei winterschlafenden Säugetieren – im Gegensatz zu den passiven Fluktuationen in der poikilothermen Körperschale (α-stat) – durch relative Hypoventilation bei 7,4 konstant gehalten wird (pH-stat). Bei der klinischen Hypothermie bestimmt die Temperatur insofern über die Umsatzrate, als es je nach Erhalt oder Ausschaltung der Thermoregulation entweder zu einer kältegegenregulatorischen Steigerung (akzidentelle Hypothermie) oder zu einer kältebedingten Drosselung der Stoffwechselrate (induzierte Hypothermie) kommt. Dagegen wird die absolute Hypothermietoleranz – wie ebenfalls am Beispiel des Winterschlafes erkennbar wird – eher von einem einheitlichen Minimalumsatz als von der artspezifischen Körpertemperatur bestimmt, bei der dieser je nach Körpergröße und Grundumsatz erreicht wird. Dementsprechend sollte die Hypothermie auch weniger nach dem Grad der Abkühlung als vielmehr nach den metabolischen Auswirkungen beurteilt werden, die sie in Abhängigkeit von den jeweiligen Rahmenbedingungen hervorruft.