Erschienen in:
01.09.2009 | Originalien
Dignität von Glomus-caroticum-Tumoren
Literaturübersicht und klinische Erfahrungen
verfasst von:
Dr. D. Grotemeyer, S.M. Loghmanieh, S. Pourhassan, T.A. Sagban, F. Iskandar, P. Reinecke, W. Sandmann
Erschienen in:
Die Chirurgie
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Ausgabe 9/2009
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Zusammenfassung
Einleitung
Glomus-caroticum-Tumoren sind seltene Paragangliome (Inzidenz 0,012%), die von sympathischen Fasern im Bereich der Karotisbifurkation ausgehen und ein sehr langsames Wachstum haben. Symptomatisch werden sie durch lokale mechanische Kompression benachbarter Gefäß- und Nervenstrukturen. Ziel dieser Arbeit ist es, Diagnostik, Therapie und Verlauf der an der Universität Düsseldorf behandelten Patienten mit Glomustumoren darzustellen und anhand einer Nachuntersuchung, Aussagen über die Rezidivhäufigkeit und Dignität in der Langzeitbeobachtung zu treffen.
Patienten und Methoden
Eingeschlossen in diese retrospektive Studie wurden alle Patienten, die von Januar 1988 bis Juni 2008 an einem Glomustumor behandelt wurden. Zur Nachuntersuchung wurde bei den Patienten eine aktuelle Anamnese, eine Sonographie und Duplexsonographie durchgeführt. Zudem wurde der standardisierte Fragebogen EORTC QLQ-C30 in Verbindung mit dem Zusatzbogen EORTC QLQ-H&N35 ausgefüllt.
Ergebnisse
In dem untersuchten Patientenkollektiv von 36 Patienten (36% Männer, 64% Frauen; durchschnittliches Lebensalter 48,33 Jahre, Spannweite 17–78 Jahre) fand sich eine lokale Schwellung am Hals als Hauptsymptom bei 16 Patienten; Schluckbeschwerden bzw. Heiserkeit traten bei jeweils 5 Patienten auf. Bei einem Patienten bestand präoperativ ein Horner-Syndrom. Insgesamt fanden sich 22 Glomustumoren auf der rechten Seite (52,38%) und 20 Tumoren auf der linken Halsseite (47,62%). Bei 6 Patienten (16,67%) bestand beidseitig ein Glomustumor, von denen 3 im Verlauf beidseitig resiziert wurden und weitere 3 Patienten in der Verlaufskontrolle sind, sodass bei 36 Patienten insgesamt 39 Glomustumoren operativ behandelt wurden. Bei allen 39 Operationen (Primäroperation n=34, Rezidivoperationen n=5) wurden die Glomustumoren makroskopisch in toto reseziert. Vagusanteile wurden in 3 Fällen (7,69%, Shamblin II n=1, Shamblin III n=1) mitreseziert, Gefäßresektionen waren bei 10 Operationen notwendig. Die Überlebensraten der dokumentierten Patienten lagen nach einem Jahr bei 100%, nach 2 Jahren bei 96,3% und nach 5 Jahren bei 92,6%. Bei 2 Patienten wurde ein lokales Rezidiv diagnostiziert; ein Patient wurde nachoperiert und bei einem Patienten besteht eine seit 14 Jahren nicht größenprogrediente Schwellung in der Karotisgabel, die bisher konservativ belassen wurde. Die periphere Nervenschädigung betrug im Langzeitverlauf 12,0% (3/25). Anamnestische oder klinische Hinweise für eine lokale oder periphere Metastase eines Glomustumors haben sich bei keinem Patienten ergeben.
Schlussfolgerungen
Die operative Exstirpation bleibt der einzige kurative Heilungsansatz bei Glomus-caroticum-Tumoren mit einer perioperativen Letalität von 0%. Die Morbidität mit Auftreten eines zentral-neurologischen Defizits ist unter Ausnutzung gefäßchirurgischer Techniken gering (2,56%). Die Radikalität der Resektion findet Ausdruck in der Häufigkeit perioperativer peripher-neurologischer Defizite von 64,10%. Im Langzeitverlauf senkt sich die permanente periphere Nervenbeteiligung auf 12,0%. Aufgrund eines potenziell infiltrierenden und metastatischen Wachstums sind Glomus-caroticum-Tumoren als semimaligne einzuschätzen und damit eine operative Indikationsstellung bei Diagnosestellung indiziert. Ob die Inzidenz dieses seltenen Karotisgabeltumors aufgrund zunehmender Routinediagnostik der Kopf- und Halsregion durch Ultraschall und Schnittbilddiagnostik ansteigt, bleibt abzuwarten.