Erschienen in:
28.01.2016 | Psychotherapie | Übersichten
Psychiatrie als praktische Wissenschaft
Überlegungen nach Wolfgang Wieland (1933–2015)
verfasst von:
Prof. Dr. M. Jäger, M. E. Wigand, T. Becker
Erschienen in:
Der Nervenarzt
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Ausgabe 1/2017
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Zusammenfassung
Vor dem Hintergrund historischer und aktueller Kritik am Fach Psychiatrie und Psychotherapie als medizinische Fachdisziplin erfolgt eine Auseinandersetzung mit den medizintheoretischen Überlegungen des Arztes und Philosophen Wolfgang Wieland. In dessen Beiträgen wird die Medizin als praktische Wissenschaft angesehen, deren Ziel die Begründung vernünftigen Handelns ist. Im Mittelpunkt dieses Modells steht die Diagnose, mit deren Hilfe der einzelne Fall unter allgemeine Gesetzmäßigkeiten subsumiert wird. Aus dieser Zuordnung lassen sich dann die wesentlichen Handlungsoptionen beispielsweise im Sinne von Therapieentscheidungen ableiten. Das Fach Psychiatrie und Psychotherapie wird dadurch zur medizinischen Disziplin, dass es dieses von Wieland beschriebene grundlegende Modell ärztlichen Denkens und Handelns übernimmt. Allerdings sind die Limitationen dieses Ansatzes zu berücksichtigen. So ist es insbesondere im psychiatrisch-psychotherapeutischen Kontext wichtig, trotz Orientierung an allgemeinen Gesetzmäßigkeiten der Individualität des einzelnen Patienten ausreichend gerecht zu werden. Weiterhin erscheint es bedeutsam, die Grenzen des Faches Psychiatrie und Psychotherapie als medizinische Disziplin zu beachten, was auch eine kritische Auseinandersetzung mit dem psychiatrischen Krankheitsbegriff erfordert.