Erschienen in:
14.06.2019 | Autopsie | Originalien
Lochfrakturen der Schädelbasis durch dislozierte Mandibulaköpfchen
verfasst von:
F. Holz, M. A. Verhoff, M. Kettner, F. Ramsthaler, T. E. N. Ohlwärther, PD Dr. C. G. Birngruber
Erschienen in:
Rechtsmedizin
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Ausgabe 5/2019
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Zusammenfassung
Hintergrund
Der Schädel stellt häufig das Ziel interpersoneller Gewalt dar und weist infolge von schweren (tödlichen) Unfällen nicht selten Verletzungen auf. Bestimmte Frakturmuster des Gehirnschädels lassen sich unter rekonstruktiven Gesichtspunkten interpretieren. Publikationen hierzu thematisieren diesbezüglich jedoch eher Frakturen des Schädeldachs als jene der Schädelbasis.
Material und Methoden
Ein aktueller Sektionsfall, bei dem es durch ein disloziertes Mandibulaköpfchen zu einer Lochfraktur der Schädelbasis gekommen war, gab Anlass zu einer retrospektiven Auswertung von Obduktionsfällen aus den Instituten für Rechtsmedizin in Frankfurt am Main, Gießen und Homburg (Saar) in einem Zehnjahreszeitraum. Darüber hinaus erfolgte eine Literaturrecherche über die Metadatenbank PubMed.
Ergebnisse
Im Auswertungszeitraum von 2009 bis 2018 wurden in den genannten rechtsmedizinischen Instituten 10.733 gerichtliche Obduktionen durchgeführt. Es fanden sich lediglich 2 Fälle von Lochfrakturen der Schädelbasis, bei denen jeweils das intakte Unterkieferköpfchen im Sinne einer zentralen Kiefergelenkluxation in die mittlere Schädelgrube eingedrungen war. Bei beiden Verstorbenen war ein Sturzgeschehen ursächlich, die Lochfraktur, für sich betrachtet, jedoch nicht todesursächlich. Die Literaturrecherche erbrachte mehrere klinische Fallberichte, systematisch aufgearbeitete Fallserien und Übersichtsarbeiten sowie eine rechtsmedizinische Kasuistik.
Diskussion
Als Hauptursache der superioren bzw. zentralen Kiefergelenkluxationen werden Verkehrsunfälle angesehen. Die in der klinischen Fachliteratur beschriebenen, mit dieser Fraktur einhergehenden typischen Symptome (Malokklusion mit einem unilateral offenen und kontralateralen Kreuzbiss, fixierte Mandibulastellung) können postmortal durch Rigor mortis und Dunsung der Gesichtsweichteile überlagert werden und fallen somit bei der äußeren Leichenschau ggf. nicht auf.
Schlussfolgerung
Bei dieser besonderen Lochfraktur der Schädelbasis handelt es sich um eine äußerst seltene Verletzung, die – analog zur Schädelbasisringfraktur – als Sonderform einer Biegungsfraktur der Schädelbasis betrachtet werden kann. Ihr Auftreten lässt rekonstruktive Aussagen zum Unfall- bzw. Tatgeschehen zu. Als Verletzungsmechanismus ist die Fortleitung einer von vorn unten auf das Kinn einwirkenden stumpfen Gewalteinwirkung anzusehen.