Kommentar
Bisher wurde Lorlatinib in der Zweitlinie nach erfolgloser Therapie mit Tyrosinkinaseinhibitoren der ersten bzw. zweiten Generation zugelassen. Wie präklinische sowie Phase-I- und -II-Studien vermuten ließen, zeigte sich Lorlatinib auch in den Zwischenergebnissen der Phase-III-Studie überlegen gegenüber der Therapie mit Crizotinib, dem Tyrosinkinaseinhibitor der ersten Generation. Die inzwischen entwickelten Tyrosinkinaseinhibitoren der zweiten Generation konnten in Studien jedoch bereits ebenfalls eine Überlegenheit gegenüber Crizotinib zeigen [
5,
6]. Obwohl ein direkter Vergleich zwischen verschiedenen Studien von Natur aus aufgrund des unterschiedlichen Studienaufbaus sowie untersuchter Populationen nur eingeschränkte Aussagekraft besitzt, zeigte Lorlatinib einen mindestens genauso großen Effekt im Vergleich zu Crizotinib wie Tyrosinkinaseinhibitoren der zweiten Generation. Das PFS nach 12 Monaten lag mit 78 % bei Lorlatinib sogar oberhalb des PFS unter Alectinib oder Brigatinib mit 68,4 % bzw. 67 %. Verglichen mit der Crizotinibtherapie zeigte Lorlatinib mit einer Hazard Ratio von 0,28 ein 72 %ig niedrigeres Risiko für eine Krankheitsprogression oder Tod. Alectinib und Brigatinib präsentierten im Vergleich zur Crizotinibtherapie nur ein 53 %ig bzw. 51 %ig niedrigeres Risiko für ein solches Ereignis [
5,
6].
Eine Metastasierung ins Gehirn ist ein häufiges und prognosebestimmendes Problem innerhalb der Gruppe des ALK-positiven NSCLC [
7]. Lorlatinib zeigte im Vergleich zu Crizotinib eine überlegene Wirksamkeit auf eine vorliegende Gehirnmetastasierung. Vorangegangene Studien zu Crizotinib hatten bereits eine schlechte Überwindung der Blut-Hirn-Schranke festgestellt [
8]. Lorlatinib wurde als Tyrosinkinaseinhibitor der dritten Generation gezielt mit Eigenschaften für eine hohe intrakranielle Verfügbarkeit entwickelt. Auch Tyrosinkinaseinhibitoren der zweiten Generation weisen ein besseres intrakranielles Ansprechen im Vergleich zu Crizotinib auf. Die Ansprechraten messbarer Gehirnmetastasen auf die Therapie mit Alectinib bzw. Brigatinib zeigten sich vergleichbar mit dem in der CROWN-Studie erreichten Ansprechen unter Lorlatinib. Trotz vergleichbarer Ansprechraten präsentierte Lorlatinib höhere Raten an intrakraniellen Komplettremissionen im Vergleich zu Alectinib und Brigatinib [
5,
6]. Es werden weitere Studien benötigt, um die Wirksamkeit von Lorlatinib im Vergleich zu Tyrosinkinaseinhibitoren der zweiten Generation zu erkennen.
Die hohen intrakraniellen Ansprechraten der weiterentwickelten Tyrosinkinaseinhibitoren werfen zwangsläufig die Frage auf, welche Rolle die Strahlentherapie in der künftigen Behandlung des fortgeschrittenen NSCLC mit ZNS-Befall spielt. Durch den Einsatz weiterentwickelter Tyrosinkinaseinhibitoren wie Lorlatinib in der Erstlinie könnte möglicherweise eine Ganzhirnbestrahlung erst zeitlich verzögert oder überhaupt ganz vermieden werden [
8]. Auch könnten durch Tyrosinkinaseinhibitoren Therapiesituationen erreicht werden, die wieder für die besser verträgliche stereotaktische Radiochirurgie zugänglich sind [
7].
Im Vergleich zu Crizotinib zeigte Lorlatinib häufiger höhergradige unerwünschte Nebenwirkungen. Das Nebenwirkungsprofil deckte sich mit den bereits unter Lorlatinib beschriebenen Ereignissen. Bei der doch recht hohen Rate an schwerwiegenden Nebenwirkungen gilt es jedoch zu beachten, dass es sich bei über der Hälfte dieser Fälle um erhöhte Werte für Cholesterin, Triglyzeride oder beides handelte, beide können erfolgreich medikamentös behandelt werden. Kritischer hingegen sind die kognitiven Nebenwirkungen unter Lorlatinib. Doch konnte gezeigt werden, dass diesen mit einer Dosisanpassung befriedigend begegnet werden kann [
9]. Trotz des Vorliegens der beschriebenen Nebenwirkungen verbesserte die Lorlatinibtherapie in Summe die Lebensqualität im Vergleich zur Ausgangslage.
Trotz der breiteren Wirksamkeit von Lorlatinib konnten auch unter der Therapie bereits Resistenzmechanismen identifiziert werden. Dabei entwickeln ca. 35 % der Patienten Mischresistenzmutationen im ALK-Gen unter sequenzieller Therapie mit Tyrosinkinaseinhibitoren. Analysen zum Auftreten von Resistenzen unter der Therapie von Tyrosinkinaseinhibitoren lassen vermuten, dass die Anwendung aufeinander folgender Tyrosinkinaseinhibitoren zu einer stärkeren Bildung von Mischmutationen führt mit erhöhter Therapieresistenz. Unter Umständen könnte daher eine direkte Behandlung mit Lorlatinib zu einem länger anhaltenden klinischen Ansprechen führen, da sequenzielle Mutationen weniger häufig bei therapienaiven Patienten auftreten. Die breite Wirksamkeit von Tyrosinkinaseinhibitoren der dritten Generation in der Erstlinie könnte damit die schrittweise verlaufende Anhäufung von Resistenzmutationen verhindern [
10]. Es gilt also die Überlegenheit von Lorlatinib in der Erstlinie durch eine möglicherweise geringere Resistenzentwicklung und damit längeren Wirkung im Vergleich zu den Tyrosinkinaseinhibitoren der zweiten Generation nachzuweisen.
Fazit
Lorlatinib stellt mit dem breiten Wirkungsspektrum sowie der guten intrakraniellen Wirksamkeit ein vielversprechendes Medikament in der zukünftigen Behandlung des fortgeschrittenen ALK-positiven NSCLC dar. Die hohen intrakraniellen Ansprechraten reduzieren die Notwendigkeit einer Ganzhirnbestrahlung. Jedoch werden weitere Daten benötigt, um die Überlegenheit von Lorlatinib gegenüber Tyrosinkinaseinhibitoren der zweiten Generation zu belegen und die Sicherheit des Medikaments weitergehend zu überprüfen. Angesichts der schnellen Entwicklung von Resistenzmutationen gewinnt die genetische Charakterisierung der Tumoren als Grundlage individueller Therapiekonzepte an Bedeutung.
Johanna Richter, Kiel
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