Hintergrund und Fragestellung
Folter findet weltweit statt, u. a. in Syrien, Irak, Afghanistan [
1] – Ländern also, aus denen Menschen fliehen, um in Deutschland Asyl zu beantragen [
3]. Laut einer Studie von Schröder et al. geben 19 % der aus den oben genannten Ländern geflüchteten Menschen an, Folter erfahren zu haben; 15,4 % hätten Folter, Tötungen und sexualisierte Gewalt mitangesehen; 15,7 % seien in Lager‑, Geisel- oder Isolationshaft gewesen [
29] (Mehrfachnennungen waren möglich).
Folter ist sehr vielgestaltig. Grob lassen sich physische und psychische Foltermethoden unterscheiden, wenngleich physische Folter immer auch eine psychische Komponente aufweist. Mögliche Foltermethoden umfassen (neben zahlreichen anderen) stumpfe Gewalt, simuliertes Ertränken, Scheinhinrichtungen und sexualisierte Gewalt [
10].
So unterschiedlich Folter ist, so vielfältig sind auch ihre Folgen. Menschen mit Foltererfahrung weisen häufig traumareaktive Krankheitsbilder, beispielsweise eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), oder andere psychische Folgen wie Depressionen oder Suchterkrankungen auf [
17,
28,
34]. Auch somatische Folgen wie Funktionseinschränkungen, Nervenschädigungen oder Schmerzen können auftreten [
23,
24,
32]. Für eine angemessene Versorgung dieser Patient:innen ist zunächst ein frühes Erkennen Betroffener erforderlich, um insbesondere eine Weiterleitung in spezialisierte Versorgungsstrukturen zu ermöglichen. Dadurch wird auch die Gefahr einer Chronifizierung verringert und die Chance auf Rehabilitation erhöht.
Grundsätzlich unterscheidet sich die Versorgung von Menschen mit Foltererfahrung nicht von der „anderer“ Gewaltopfer [
2,
26]. Die Versorgung von Menschen mit Foltererfahrung weist jedoch Besonderheiten auf: Zum einen liegt das Gewalterleben typischerweise weiter in der Vergangenheit, sodass in der Regel keine frischen Befunde bzw. aufgrund der zeitlichen Latenz oder der angewandten Foltermethode keine bzw. nur wenige (sichtbare) Befunde erhoben werden können, die zudem häufig unspezifisch sind [
5,
11]. Zum anderen sprechen die wenigsten Betroffenen ausreichend gut Deutsch, sodass die Anamneseerhebung nahezu immer mithilfe von Sprachmittlung erfolgen muss [
18]. Außerdem sind psychische Auffälligkeiten vielgestaltig und eine Verbalisierung wird neben einer Sprachbarriere auch durch Scham und Gedächtnis- oder Konzentrationsstörungen erschwert [
19,
34].
Neben der Relevanz der angemessenen medizinischen Versorgung ist auch zu berücksichtigen, dass sich aus dem Foltererleben Rechte hinsichtlich eines Schutzstatus oder eines Abschiebeverbots ergeben. Es gilt zudem das Gebot des Non-Refoulement, d. h. der Anspruch auf Nicht-Zurückweisung in einen Staat, in dem Folter oder andere Menschenrechtsverletzungen drohen (UN-Antifolterkonvention, Artikel 3). Gemäß EU-Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU und EU-Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU haben schutzbedürftige Personen Anspruch auf besondere Verfahrensgarantien [
8,
9]. Auch aus strafrechtlicher Perspektive ist der Nachweis von stattgehabter Folter bedeutsam: Jüngst wurde am OLG Koblenz ein ehemaliger syrischer Geheimdienstmitarbeiter der Beteiligung an Folter in Syrien – auf Basis des Weltrechtprinzips – schuldig gesprochen [
31]. Als Partner in lokalen Versorgungsnetzwerken hat die Arbeit rechtsmedizinischer Institute mit ihrer Kernaufgabe der klinischen Rechtsmedizin, zu welcher auch die Untersuchung von Menschen mit Foltererleben zu zählen ist [
25], insbesondere bei der Frage der Objektivierung erlittener Folter große Bedeutung [
12,
30].
Hinsichtlich des frühzeitigen Erkennens von Foltererleben kommt dem Gesundheitssystem eine Schüsselrolle zu. Der geschützte und vertrauensvolle Kontakt zu Ärzt:innen, gerade in Aufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete, aber auch zu Pfleger:innen, Rettungssanitäter:innen oder Psycholog:innen als wesentlicher Teil des medizinischen Versorgungsteams in solchen Einrichtungen, bildet hierfür die Grundlage. Wir untersuchten, ob ein Training zum Erkennen von Folter und Folterfolgen zu mehr Handlungssicherheit des versorgenden medizinischen Personals, insbesondere in Aufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete, im Umgang mit Menschen mit Foltererfahrung führt, wie das medizinische Personal selbst seine Rolle bei der Versorgung von Menschen mit Foltererfahrung einschätzt und insbesondere, welche Herausforderungen in diesem Kontext gesehen werden.
Die durchgeführten Trainings waren in das von der EU durch den Asyl-, Migrations- und Integrationsfond geförderte Projekt „in:Fo – interdisziplinär: Folterfolgen erkennen und versorgen“ (
www.folterfolgen-erkennen.de) eingebettet, dessen Ziel die Verbesserung der Versorgung von Menschen mit Foltererfahrung war.
Methoden
Curriculum-Erstellung
Ausgehend von einer Literaturanalyse und bereits entwickelten Schulungen zu Gewalt und Folter (u. a. [
11,
13,
21]) erstellten wir entlang Kerns „six step approach“ [
16] ein dreistündiges Trainingsmodul, konzipiert für 9 bis 12 Teilnehmer:innen. Die Trainings wurden beobachtend begleitet und nach jeder Durchführung angepasst, wobei die Grundstruktur im Hinblick auf die Vergleichbarkeit beibehalten wurde. Die Trainings wurden interdisziplinär (Rechtsmedizin, Psychologie) ausgearbeitet und vermittelten die in Tab.
1 aufgeführten, übergeordneten Inhalte. Die Themenblöcke „Foltermethoden/-folgen“ und „Körperliche Untersuchung und Dokumentation“ umfassten einen kurzen Überblick über forensische Traumatologie, Hinweise dazu, wann Narbenbilder auffällig sind und wie diese dokumentiert werden können. Zur Optimierung der Nachhaltigkeit des Trainings wurden den Teilnehmer:innen Handouts zur Verfügung gestellt.
Tab. 1
Übergeordnete Themenblöcke des entwickelten dreistündigen Trainingsmoduls
Prävalenz und Vorkommen von Folter |
Foltermethoden, Folterfolgen |
Mögliche (physische) Behandlungsanlässe, mit denen sich Betroffene ärztlich vorstellen |
Traumafolgestörungen/psychische Symptome |
Anamnese bei Verdacht auf Folter/Gewalt, Screening |
Umgang mit schwierigen Gesprächs- oder Untersuchungsmethoden (beispielsweise Dissoziation) |
Sprachmittlung |
Körperliche Untersuchung und Befunddokumentation |
Verweisen von Betroffenen |
Selbstfürsorge |
Trainings
Im Zeitraum von April 2019 bis Dezember 2020 wurden 11 Trainings mit 118 Teilnehmer:innen durch eine:n rechtsmedizinische:n Dozent:in durchgeführt. Die Trainings waren fokussiert auf Ärzt:innen und anderes medizinisches Personal. Allerdings wurde auch für weitere Berufsgruppen, die für Geflüchtete wichtige Bezugspersonen darstellen können (z. B. Sozialbetreuer:innen), eine Teilnahme ermöglicht. Diese Berufsgruppen wurden nicht in die Auswertung des Trainingserfolgs einbezogen. Eine Übersicht über Trainingsteilnehmer:innen und -orte ist Tab.
2 zu entnehmen.
Tab. 2
Übersicht über die Trainingsteilnehmer:innen und -orte
Beruf | 20 Ärzt:innen 54 Angehöriger anderer medizinischer Berufe (Pfleger:innen, Rettungssanitäter:innen, Psycholog:innen) 38 Personen anderer Berufsgruppen (darunter 28 Sozialbetreuer:innen, 2 Einrichtungsleiter) 6 ohne Angabe |
Berufserfahrung |
Medizinisches Personal gesamt | 0 bis 48 Jahre, davon 13 ≤1 Jahr und 14 ≥30 Jahre (1 ohne Angabe) |
Ärzt:innen | 0 bis 48 Jahre, davon 7 ≤1 Jahr und 7 ≥30 Jahre (1 ohne Angabe) |
Trainingsorte | 9 Trainings für Erstaufnahmeeinrichtungen (EAE) und zentrale Unterbringungseinrichtungen (ZUE) 1 Training für eine psychiatrische Klinik 1 Training für eine Versorgungseinrichtung für Menschen mit Foltererleben (online) |
Auswertung – methodischer Ansatz
Die Wirksamkeit des Moduls hinsichtlich der Handlungssicherheit der Teilnehmer:innen und der Frage, wie sie selbst ihre Rolle bei der Erkennung und Versorgung von Menschen mit Foltererfahrung einstufen, wurde mit einem „Mixed-methods“-Ansatz überprüft: Von den Teilnehmer:innen wurden zum einen Fragebogen vor (T0) und nach dem Training (T1) ausgefüllt; zum anderen beantworteten sie nach dem Training schriftlich 3 Reflexionsfragen. Alle Daten wurden pseudonymisiert. Vor Durchführung der Trainings wurde ein positives Votum der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf eingeholt (2019-405-ProspDEuA).
Quantitative Auswertung
Die Fragebogen erfassten neben der Evaluation formaler Gesichtspunkte u. a. die Aspekte Vorwissen, Handlungssicherheit, Wichtigkeit der eigenen Rolle und Schwierigkeiten. Die Antwortmöglichkeiten waren entsprechend einer 5‑stelligen Likert-Skala oder dichotom ja/nein vorgegeben, kombiniert mit der Möglichkeit handschriftlicher Ergänzungen. Am Ende des Fragebogens bestand die Möglichkeit, einen Freitextkommentar zu schreiben.
Neben einer deskriptiven Statistik wurden hinsichtlich der Handlungssicherheit in Bezug auf den Umgang mit psychisch traumatisierten bzw. gefolterten Patient:innen bei 2 abhängigen nichtnormalverteilten Stichproben (T0 und T1) 2‑seitige Wilcoxon Matched Pair Tests mit einem Signifikanzniveau von p < 0,001 durchgeführt.
Die Fragebogen wurden mit SPSS (Released 2019. IBM SPSS Statistics for Windows, Version 26.0., IBM Corp., Armonk, NY, USA) ausgewertet; es wurden Median (Mdn) und Mittelwert (M) bestimmt.
Qualitative Auswertung
Um weitere für die Teilnehmer:innen wichtige und in den Fragebogen möglicherweise noch nicht genannte Aspekte strukturiert zu evaluieren, wurden die quantitative Methode um eine qualitative ergänzt. Drei Fragen sollten von den Teilnehmer:innen nach dem Training schriftlich als Freitext beantwortet werden: „Wo können die heute gelernten Inhalte zu Folter in Ihrem Arbeitsalltag umgesetzt werden? Wie schätzen Sie Ihre Rolle als medizinische Fachkraft beim Erkennen und Weiterleiten von Menschen mit Foltererleben ein? Wo sehen Sie Schwierigkeiten?“ Die Antworten der Reflexionsfragen wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Kuckartz ausgewertet, d. h., es erfolgte eine systematische Analyse anhand eines Kategoriensystems. Dabei wurden zunächst aus den gestellten Fragen 3 Hauptkategorien gebildet: Anwendbarkeit, Rollenverständnis, Schwierigkeiten. Da einige Teilnehmer:innen für von ihnen benannte Schwierigkeiten auch Lösungsstrategien beschrieben, wurde „Lösungsmöglichkeiten“ als weitere Hauptkategorie gebildet. Die Subcodes, also die Unter-Auswertungskategorien der genannten Hauptkategorien, wurden anhand des Materials aus den Antworten der Teilnehmer:innen gebildet. Nach Erstellung des Kategoriensystems (Hauptkategorien und Subcodes) wurden die Antworten der Teilnehmer:innen anhand des Kategoriensystems geordnet (kodiert). Als Unterstützung wurde hierfür MaxQda (MAXQDA, Software für qualitative Datenanalyse, 1989 – 2021, VERBI Software. Consult. Sozialforschung GmbH, Berlin, Deutschland) genutzt.
Neben der qualitativen Auswertung diente der Reflexionsbogen auch dem Bewusstmachen der Trainingsinhalte und ihrer Anwendbarkeit und insofern der Nachhaltigkeit des Trainings.
Diskussion
Angesichts der hohen Prävalenz von Folter unter Geflüchteten (6–45 %) [
4,
7,
20] und der weltweiten Verbreitung von Folter ist davon auszugehen, dass primärversorgende Ärzt:innen und medizinisches Personal im Allgemeinen eine relevante Anzahl von Menschen mit Foltererfahrung unter ihren Patient:innen haben – insbesondere natürlich diejenigen, die viele Geflüchtete versorgen, beispielsweise in Unterkünften für Asylbewerber:innen. Die Trainingsteilnehmer:innen der vorliegenden Untersuchung verstanden ihre Rolle in diesem Kontext generell als wichtig. Als Gründe wurden beispielsweise das geschützte Umfeld und das besondere Vertrauensverhältnis im Rahmen medizinischer Kontakte genannt.
Da Gewalt per se einen gesundheitlichen Risikofaktor [
15] und Folter dahingehend keine Ausnahme darstellt, kommt dem (frühen) Erkennen und Weiterleiten an spezialisierte Versorgungsstrukturen eine hohe Relevanz zu. Im Hinblick auf die anzunehmend hohe Prävalenz von erlebter Folter unter Geflüchteten kann ein Screening sinnvoll sein [
6,
22,
27]. Obwohl im Rahmen der hier durchgeführten Trainings Vorbehalte bzw. Schwierigkeiten beim Ansprechen von Foltererleben benannt wurden, gaben einige Teilnehmer:innen dennoch danach an, die Frage nach Gewalt/Folter mit ins „Interview“ aufnehmen zu wollen. Insbesondere auch die teilnehmenden Ärzt:innen sahen hier eine Anwendungsmöglichkeit der im Training vermittelten Inhalte.
Trainings zur Gewaltopferversorgung sind insbesondere in Bezug auf häusliche Gewalt schon länger etabliert und zeigen gute Ergebnisse hinsichtlich des Förderns von Handlungssicherheit [
13]. Auch in unserer Studie konnten wir zeigen, dass durch die Teilnahme an einem Training die subjektive Handlungssicherheit im Umgang mit Menschen mit Foltererfahrung signifikant steigt und die Unsicherheit, die richtigen Worte zu finden, sinkt. Auch gaben die Teilnehmer:innen an, das im Training Gelernte im Arbeitsalltag anwenden zu können. Der Anstieg der subjektiv eingeschätzten Handlungssicherheit betraf insbesondere das nichtärztliche Personal, während die Handlungssicherheit in der Gruppe der Ärzt:innen durch das Training nicht anstieg. Mit Blick auf die medizinischen Versorgungsangebote in den Aufnahmeeinrichtungen und den sehr engen Kontakt des nichtärztlichen Personals mit Geflüchteten, die potenziell Folter erlebt haben, ist dies eine wichtige Erkenntnis. Dass die subjektiv empfundene Handlungssicherheit bei der Gruppe der Ärzt:innen nicht anstieg, lässt sich möglicherweise auf die für diese Zielgruppe seit einiger Zeit vermehrten Angebote zur Versorgung von Patient:innen mit Gewalterleben, eine prominentere Positionierung des Themas im humanmedizinischen Pflichtcurriculum sowie möglicherweise auf die Erfahrung der teilnehmenden Ärzt:innen (etwa ein Drittel gab 30 oder mehr Jahre Berufserfahrung an; 70 % gaben an, bereits Menschen mit Foltererfahrung behandelt zu haben) zurückführen.
Bezüglich des Aspekts des Umgangs mit psychisch traumatisierten Patient:innen zeigten sich keine signifikanten Unterschiede vor und nach dem Training (sowohl in der Gesamtgruppe als auch unter den Ärzt:innen), was sich möglicherweise darauf zurückführen lässt, dass etwa die Hälfte der Teilnehmer:innen vor dem Training angab, dazu bereits eine Fortbildung erhalten zu haben.
Im Gegensatz dazu gab nur rund ein Siebtel der Teilnehmer:innen an, im Vorfeld eine Fortbildung zum Thema Folter besucht zu haben, wenngleich 48 Teilnehmer:innen (also etwa 65 %) angaben, bereits Menschen mit Foltererfahrung behandelt zu haben. Hier besteht angesichts der Schlüsselrolle des Gesundheitspersonals Handlungsbedarf. Angesichts der Expertise bei der Beurteilung von physischer Gewalt sowie der Erfahrung aus Trainings und mehreren, z. T. bereits langjährigen (Modell‑)Projekten zur Gewaltopferversorgung allgemein, kann dieser Bedarf zweifelsfrei nur unter Beteiligung der Rechtsmedizin gedeckt werden – idealerweise in Kooperation mit psychosozialen Partner:innen.
Auffällig bei der qualitativen Auswertung war, dass einige Teilnehmer:innen in der Reihenfolge zunächst Schwierigkeiten erläuterten und anschließend die chronologisch erstgestellten Fragen beantworteten. Auch waren hier die meisten Textstellen kodiert. Beides spricht dafür, dass die Teilnehmer:innen das Thema – trotz des Trainingsangebots – als herausfordernd ansehen.
Mit Blick auf die Ergebnisse der quantitativen Auswertung konnte ein Großteil der genannten Schwierigkeiten durch das Training zwar minimiert werden, z. B. die Unsicherheit, ob potenziell Betroffene überhaupt angesprochen werden sollten oder die Angst vor einer Retraumatisierung. Andere Schwierigkeiten bleiben jedoch nahezu unverändert bestehen. Dies betraf v. a. die zeitlichen Ressourcen und die Sprachmittlung, wobei nach dem Training sogar mehr Teilnehmer:innen das knappe Zeitkontingent als Schwierigkeit benannten als vor dem Training. Während in manchen Kontexten eine laienhafte Sprachmittlung, beispielsweise durch Angehörige oder Mitbewohner:innen, ausreichen mag, ist beim Thema Folter eine professionelle Sprachmittlung unabdingbar [
34]. Die Organisation – und entsprechend die Übernahme der Kosten – von Sprachmittlung sowie die Vergrößerung von zeitlichen Ressourcen des Personals bedürfen struktureller/politischer Lösungen. Auch die Weiterleitung an Versorgungsstrukturen und deren begrenzte Kapazitäten (u. a. in der Psychiatrie) sowie die Etablierung und Pflege solcher Netzwerke stellen eine Herausforderung dar. Damit gleichen die Ergebnisse dieser Studie denjenigen zur Versorgung von Gewaltopfern allgemein [
14].
Spezielle Schwierigkeiten bestehen in Erstaufnahmeeinrichtungen: So ist hier die Verweildauer kurz, und es gilt das Asylbewerberleistungsgesetz, welches nur die Behandlung akuter Erkrankungen vorsieht. Aus medizinischer Sicht ist dies jedoch problematisch. Ein in den Trainings mit den Teilnehmer:innen erarbeiteter Lösungsansatz bestand darin, mit dem Einverständnis des/der Patient:in die positive Folteranamnese in der Krankenakte zu dokumentieren, damit diese in der Folgeeinrichtung sofort bekannt ist und zeitnah darauf reagiert werden kann.
Insofern zeigt unsere Untersuchung, dass von ärztlicher Seite und anderem medizinischen Personal die Wichtigkeit der eigenen Rolle mit Blick auf Personen, die Folter erlebt haben, erkannt und angenommen wird. Dahingehend fokussierte Trainingsangebote vermögen gerade im nichtärztlichen Bereich die Handlungssicherheit zu steigern, grundsätzlich bestehen aber für alle Berufsgruppen Schwierigkeiten, die sich durch solche Schulungen nicht lösen lassen. Vielmehr bleiben aufgrund dieser Schwierigkeiten die Empfehlungen der Düsseldorfer Erklärung an politische Entscheidungsträger:innen, beispielsweise hinsichtlich einer ausreichenden Finanzierung von qualifizierter Sprachmittlung, der Versorgungsstrukturen für Menschen mit Foltererfahrung mit niedrigschwelligen Angeboten sowie des Schaffens von Versorgungsanreizen in der Regelversorgung, hochaktuell [
33].
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