Erschienen in:
30.12.2022 | Übersicht
Neurobiologie und Traumaforschung als Alternativen zur Aussagepsychologie?
Zur Frage neuer Möglichkeiten für die Glaubhaftigkeitsbegutachtung
verfasst von:
Prof. Dr. Michaela Pfundmair, Prof. Dr. Matthias Gamer
Erschienen in:
Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie
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Ausgabe 1/2023
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Zusammenfassung
Aussagepsychologische Begutachtungen kommen im deutschen Rechtssystem häufig zur Anwendung, wenn Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen vorliegen. Dabei wird einzelfallorientiert überprüft, ob eine Aussage anders als durch eigenes Erleben entstanden sein könnte. Sind die Unwahrhypothesen abzuweisen, bleibt als einzig naheliegende Erklärung, dass die Aussage auf wahrem Erleben beruht. Diese Methode ist auch in einem Grundsatzurteil des BGH festgehalten. Allerdings wird in Politik und Gesellschaft immer wieder diskutiert, ob neurobiologische Erkenntnisse der Traumaforschung die Aussagepsychologie nicht ergänzen oder sogar ersetzen müssten. Im vorliegenden Beitrag werden diese Überlegungen kritisch diskutiert. Insgesamt erscheinen sie nicht gerechtfertigt: Die Erkenntnisse der empirischen Traumaforschung stehen der aussagepsychologischen Herangehensweise nicht entgegen, sondern fügen sich, im Gegenteil, nahtlos darin ein. Aus wissenschaftlicher Perspektive erscheint zudem irrig, dass Neurobiologie und Traumaforschung Alternativen zur Aussagepsychologie sein könnten. Nichtsdestotrotz sind fundierte Kritik und Verbesserungsvorschläge für die Weiterentwicklung der aussagepsychologischen Methode richtig und wichtig.