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Erschienen in: Die Psychotherapie 2/2024

Open Access 15.02.2024 | Psychotherapie | Übersichten

Psychedelika-assistierte Psychotherapie

Erfahrungen mit der beschränkten medizinischen Anwendung von LSD, MDMA und Psilocybin in der Schweiz

verfasst von: Dr. phil. H. D. Aicher, Dr. med. Y. Schmid, Dr. med. P. Gasser

Erschienen in: Die Psychotherapie | Ausgabe 2/2024

Zusammenfassung

Seit den späten 1990er-Jahren erfahren Psychedelika eine Renaissance und ziehen international vermehrt die Aufmerksamkeit auf sich. Es gibt zunehmend wissenschaftliche Studien, die sich mit den Möglichkeiten und Risiken der Psychedelika-assistierten Therapie (PAT) befassen. Seit 2014 werden auf der Grundlage von Ausnahmebewilligungen der Schweizer Gesundheitsbehörde (Bundesamt für Gesundheit, BAG) im Rahmen der beschränkten medizinischen Anwendung im Einzelfall Lysergsäurediethylamid (LSD), 3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin (MDMA) und Psilocybin therapeutisch angewendet. Auf Basis dieser gesetzlich verankerten Ausnahmemöglichkeit wurden in den letzten 9 Jahren über 1000 Ausnahmebewilligungen an etwa 60 Therapeut*innen erteilt und schätzungsweise 2000 bis 3000 Behandlungen mit Psychedelika durchgeführt. Dieser Beitrag soll einen Einblick in die aktuelle Behandlungspraxis der PAT in der Schweiz bieten. Antragsverfahren, Indikation, Überlegungen zur transdiagnostischen Perspektive sowie die Gestaltung des Behandlungsrahmens und Settings – etwa die Phasen einer PAT, die psychotherapeutische Einbettung oder die Wahl für ein Einzel- oder Gruppensetting – werden diskutiert. Die Integration von PAT in die Psychotherapie könnte neue Möglichkeiten für die Behandlung psychischer Störungen eröffnen. Die Erfahrung in der Schweiz kann Impulse für die internationale Praxis der PAT setzen. Gleichzeitig befindet sich auch die Situation in der Schweiz in ständiger Weiterentwicklung. Durch das zunehmende Interesse an der PAT entstehen neue Herausforderungen. Auch die Weiterbildung der Therapeut*innen wird in diesem Zusammenhang thematisiert. Von zentraler Relevanz sind ethische Standards und Maßnahmen für die Qualitätssicherung, etwa durch kollegialen Austausch und Vernetzung in Intervision, Supervision und Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen, aber auch systematische Erfassungen der PAT mithilfe von Fragebogen oder Patientenregister.
Hinweise
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Seit den späten 1990er-Jahren nimmt das Interesse an der Erforschung von Psychedelika zu, sodass das Schlagwort der „psychedelischen Renaissance“ geprägt wurde. Es gibt zunehmend wissenschaftliche Arbeiten, die die Möglichkeiten und Risiken der Psychedelika-assistierten Therapie (PAT) untersuchen. Seit 2014 werden basierend auf Ausnahmebewilligungen der Schweizer Gesundheitsbehörde (Bundesamt für Gesundheit, BAG) im Einzelfall Lysergsäurediethylamid (LSD), 3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin (MDMA) und Psilocybin therapeutisch angewendet. In den vergangenen 9 Jahren wurden über 1000 Bewilligungen an etwa 60 Therapeut*innen erteilt und schätzungsweise 2000 bis 3000 PAT durchgeführt.

Kontext Schweiz

Der Einsatz psychedelischer Substanzen für therapeutische Zwecke erlebte in den 1950er- bis in die frühen 1970er-Jahre eine intensive Phase der Anwendung und Erforschung. Es folgte weltweit eine Phase des Verbots und einer daraus resultierenden „Eiszeit“ mit einer Verlagerung in den psychedelischen Untergrund, also nichtlegale Kontexte. Auch nach den Verboten der Psychedelika (in der Schweiz im Jahr 1975 LSD, Psilocybin und Meskalin sowie im Jahr 1985 MDMA) war es in der Schweiz trotz relativ restriktiver Gesetzgebung möglich, Humanforschungsprojekte mit Psychedelika durchzuführen. Nach Mitte der 1990er-Jahre gab es eine „psychedelische Renaissance“ (Sessa 2012): Die Grundlagenforschung mit Psychedelika (v. a. Psilocybin durch F. Vollenweider) und 2005 auch die klinische Forschung mit MDMA (v. a. P. Oehen) wurden wieder aufgenommen. Im internationalen Kontext hatte die Schweiz damit eine Vorreiterrolle in diesem Gebiet inne. Bereits in den Jahren 1988–1993 wurde einigen Ärztinnen und Ärzten vom BAG die Bewilligung erteilt, Patient*innen mit LSD und MDMA zu behandeln. Über diese Zeit wurde eine katamnestische Untersuchung durchgeführt (Gasser 1994, 1996).
Im Jahr 2014 stellte das BAG erneut erste Einzelfallbewilligungen aus, die es ermöglichten, LSD und MDMA, sowie ab 2021 auch Psilocybin, für therapeutische Zwecke außerhalb von klinischen Studien einzusetzen. Diese Ausnahmebewilligungen beruhen auf Artikel 8, Absatz 5 des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG): In Ausnahmefällen kann für die Stoffe der obersten Verbotsstufe (Verzeichnis d der Betäubungsmittelverzeichnisverordnung, BetmVV-EDI) eine Bewilligung erteilt werden, wenn dies der „beschränkten medizinischen Anwendung“ von schwerwiegenden Erkrankungen dient. Zum Teil wurde für diese Behandlungen der Begriff „compassionate use“ verwendet. (Regulatorisch bezieht sich dieser jedoch auf eine vorübergehende Anwendung eines noch nicht zugelassenen Medizinalprodukts bei Patient*innen außerhalb einer parallel-laufenden Zulassungsstudie.). In letzter Zeit wird der Gebrauch der rechtlich zutreffenden Bezeichnung „beschränkte medizinische Anwendung“ üblicher. Auch der international zunehmend anerkannte Begriff „Psychedelika-assistierte Therapie“ (PAT) wird verwendet.
Zum Zeitpunkt Oktober 2023 war es nach dem Kenntnisstand der Autoren neben der Schweiz weltweit nur in wenigen Ländern legal mit Bewilligungen der offiziellen nationalen Behörden möglich, eine PAT außerhalb von klinischen Studien in einem therapeutischen Kontext durchzuführen. In Australien dürfen seit dem 01.07.2023 ausgewählte Therapeut*innen MDMA zur Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) und Psilocybin zur Behandlung von Depressionen einsetzen (Haridy 2023). In Kanada haben ausgewählte Therapeut*innen die Genehmigung, Psilocybin bei der Behandlung von Palliativpatient*innen zu verwenden. Darüber hinaus sind in Mexiko und Kanada Kliniken aktiv, die sich auf die Anwendung des atypischen Psychedelikums Ibogain zur Behandlung von Opioidabhängigkeit spezialisiert haben. In südamerikanischen Ländern wie Brasilien, Peru oder Kolumbien gibt es vermehrt Einrichtungen, die den schamanischen und indigenen Gebrauch des psychedelischen Pflanzensuds Ayahuasca mit psychotherapeutischen Ansätzen verknüpfen. In einigen Ländern (z. B. in den US-Staaten Oregon und Colorado) ist die Verwendung psychoaktiver Pflanzen und Pilze inzwischen legalisiert, aber explizit nicht für den medizinisch-therapeutischen Gebrauch.
Das BAG ermöglicht seit bald 10 Jahren, dass PAT in begrenztem Umfang durchgeführt werden kann: Seit 2014 wurden in der Schweiz über 1000 Ausnahmebewilligungen für die beschränkte medizinische Anwendung an etwa 60 Therapeut*innen erteilt. In dieser Zeitspanne fanden schätzungsweise etwa 3000 Psychedelika-Behandlungen unter Verwendung von MDMA, LSD und Psilocybin statt. Aktuelle Daten sind für die Jahre 2016 bis einschließlich November 2023 verfügbar. In diesem Zeitraum wurden insgesamt 1051 Ausnahmebewilligungen erteilt, sowohl für Erstbewilligungen als auch für Fortsetzungen der Behandlungen. Dabei entfielen 351 Genehmigungen auf MDMA, 338 auf LSD und in den Jahren 2021–2023 wurden 362 Genehmigungen für Psilocybin erteilt, wie vom BAG (Stand: Dezember 2023) mitgeteilt (Abb. 1). Im Jahr 2019 gab das BAG einen Expertenbericht in Auftrag, der Informationen über den aktuellen Stand und die Entwicklungsszenarien der Behandlung mit Psychedelika liefert (Liechti 2019). Schmid und Kollegen (2020) publizierten 2020 Resultate über akute subjektive Effekte in der PAT für den Zeitraum 2014–2018, basierend auf den Daten der Begleitforschung im Rahmen der Qualitätssicherung.

Antrags- und Behandlungspraxis in der Schweiz

Das BAG regelt den Umgang mit nichtzugelassenen Betäubungsmitteln für die beschränkte medizinische Anwendung. Bei der derzeit in der Schweiz durchgeführten PAT handelt es sich um Ausnahmebewilligungen für die beschränkte medizinische Anwendung von verbotenen Betäubungsmitteln. Dazu müssen die folgenden Kriterien kumulativ erfüllt sein (Bundesrat 2018):
  • „die Patientinnen und Patienten leiden an einer meist unheilbaren Krankheit,
  • ihre Leiden können durch die Einnahme des verbotenen Betäubungsmittels gemildert werden,
  • die bestehenden Therapiemöglichkeiten sind ausgeschöpft, bzw. es gibt keine alternativen Behandlungsmöglichkeiten und
  • die Abgabe des verbotenen Betäubungsmittels ermöglicht der Patientin und dem Patienten beispielsweise eine unabhängigere Lebensweise, weil eine stationäre Behandlung vermieden werden kann.“
Damit ist die PAT keine Behandlung der ersten Wahl, sondern kommt nur für Personen in Betracht, die bereits mehrere andere psychotherapeutische, psychopharmakologische und/oder alternative Therapien ohne nachhaltigen Erfolg angewandt haben. Auch bei Erfüllung der oben genannten Voraussetzungen besteht kein Anspruch auf die Erteilung der Ausnahmebewilligung.

Antragsstellung

Ärzt*innen mit einer Berufsausübungsbewilligung (i. d. R. Fachärzt*innen für Psychiatrie und Psychotherapie) können einen Antrag auf eine Ausnahmebewilligung für die beschränkte medizinische Anwendung von MDMA, LSD und Psilocybin stellen. Zusätzlich wird bei der Bewilligungsvergabe auch auf das Vorliegen weiterer Aspekte geachtet, wie beispielsweise die psychotherapeutische Einbettung (für primär psychiatrische Indikationen), die aktive Vernetzung der Antragssteller*innen in Fachgesellschaften – bisher hauptsächlich die Schweizerische Ärztegesellschaft für Psycholytische Therapie (SÄPT) – und die Einbindung in Inter- und Supervision. Im Antrag findet sich eine kurze, aber schlüssige Anamnese betreffend des Leidens, weswegen eine PAT durchgeführt werden soll, mit einer entsprechenden Diagnose. Ausschlusskriterien und somatische Risiken sind geprüft, und eine schriftliche Einverständniserklärung des/der Patient*in liegt vor.
Die Ausnahmebewilligungen sind jeweils für eine/n einzelne/n Patient*in für eine bestimmte Substanz (MDMA, Psilocybin oder LSD) gültig und haben eine Laufzeit von einem Jahr, wobei die Möglichkeit zur Verlängerung besteht, sofern dies aufgrund des therapeutischen Prozesses indiziert ist. Die Entscheidung bezüglich der Dosierung der Substanz, der Frequenz der psychedelischen Sitzungen, des Settings sowie der Form und Intensität der begleitenden Psychotherapie obliegt dem/der Inhaber*in der Ausnahmebewilligung im Rahmen der individuellen Therapiegestaltung. Teile der Behandlung, nicht jedoch die letztliche Verantwortung, können von der/dem Bewilligungsinhaber*in an entsprechend mit der PAT vertraute, auch nichtärztliche Kollegen*innen – etwa Psychotherapeut*innen – delegiert werden.
Merke.
Die Ausnahmebewilligungen sind jeweils für eine/n einzelne/n Patient*in und eine bestimmte Substanz (MDMA, Psilocybin oder LSD) gültig.

Indikation

Für die in der PAT verwendeten Substanzen liegen derzeit keine genehmigten veröffentlichten Arzneimittelinformationen als gesetzliche Grundlage für die Indikationsstellung vor. Grundsätzlich werden Ausnahmebewilligungen jedoch primär bei den derzeit am besten erforschten Indikationen wie Depression, PTBS und Angststörungen erteilt. Entsprechend sind dies auch die häufigsten Diagnosen, die in der PAT aktuell behandelt werden. Ausnahmebewilligungen sind jedoch nicht auf spezifische Diagnosen beschränkt, und bei überzeugender Darlegung einer möglichen Wirksamkeit für die betreffende Indikation und Erfüllung der Kriterien für eine beschränkte medizinische Anwendung wurden im Einzelfall auch weitere Indikationen durch das BAG bewilligt. Darüber hinaus sind Anträge auf Anwendungen möglich, die nicht im strengen Sinne einen psychotherapeutischen Schwerpunkt haben, etwa die Behandlung von primären Kopfschmerzerkrankungen wie Migräne und Clusterkopfschmerzen mit LSD, die Anwendung von LSD bei chronischen Schmerzen oder das Microdosing von LSD bei Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom (ADHS). In Einzelfällen hat das BAG entsprechende Behandlungen genehmigt. Auch bei Microdosing muss die Abgabe der Substanz allerdings unter Aufsicht der Ärztin /des Arztes erfolgen, da die Betäubungsmittel den Patient*innen nicht nach Hause mitgegeben werden dürfen.

Transdiagnostische Perspektive

Psychedelika scheinen ein transdiagnostisches Potenzial zu haben (Kočárová et al. 2021). Dies bedeutet, dass Psychedelika nicht nur dazu verwendet werden, spezifische kategoriale Diagnosen zu behandeln, sondern in der PAT vielmehr gemeinsame zugrunde liegende Mechanismen von psychischen Störungen bearbeitet werden. Dazu gehören u. a. Vertrauensverlust, kognitive Einengung, emotionale Blockaden, ein Gefühl der Entfremdung von sich selbst und anderen, sozialer Rückzug und Isolation oder auch psychodynamische Faktoren, also beispielsweise unbewusste Konflikte, frühe Beziehungsstörungen und Bindungstraumata.

Behandlungsrahmen

Derzeit übersteigt die Nachfrage nach PAT in der Schweiz das verfügbare Angebot bei Weitem. Daher gibt es inzwischen vermehrt direkte Anfragen von Patienten*innen bezüglich einer PAT bei Behandler*innen. Es ist jedoch auch möglich, dass ein/e Behandler*in nach vorheriger (psychotherapeutischer) Therapie die Möglichkeit einer PAT vorschlägt, falls er oder sie diese für potenziell indiziert hält und entweder die Therapie selbst durchführt oder die/den Patienten*in an eine/n Kollegen*in überweist.
Je nach Schweregrad und Art der Erkrankung kann eine stationäre Behandlung in Bezug auf Sicherheit und Wirksamkeit Vorteile bieten. In den meisten Fällen ist jedoch eine ambulante Behandlung möglich und sowohl therapeutisch als auch wirtschaftlich sinnvoll.
Die jeweilige Frequenz der Substanzsitzungen und die spezifische Vorgehensweise hängen von der individuellen Problematik der/des Patienten*in sowie von der Grundausbildung und Methodik der/des Therapeut*in ab. Eine Nachbefragung (Gasser 1996) ergab, dass Patienten*innen von ambulant durchgeführter PAT im Schnitt 3 Jahre psychotherapeutisch behandelt wurden, in dieser Zeit 70 Gesprächstherapiestunden absolvierten und 7 Substanzerfahrungen (MDMA und/oder LSD) machten. In einer aktuelleren retrospektiven Untersuchung zeigte sich, dass Patienten*innen im Durchschnitt alle dreieinhalb Monate an einer Substanzsitzung mit LSD oder MDMA teilnahmen (Mittelwert und Standardabweichung der Tage zwischen Substanzsitzungen: 105 ± 51; Range 35 bis 343 Tage), und zwar nach 3 bis 10 Psychotherapiesitzungen ohne Substanzeinnahme (Schmid et al. 2020).
Merke.
Patienten*innen nahmen im Durchschnitt alle dreieinhalb Monate an einer Substanzsitzung teil.

Einzel- und Gruppensetting

Bis heute erfolgen die meisten Behandlungen im Einzelsetting, bei dem ein/eine Patient*in und eine oder gelegentlich auch Begleitpersonen anwesend sind. Allerdings werden zunehmend Behandlungen in Gruppensettings durchgeführt (Schmid et al. 2020; Gasser 2021; Oehen und Gasser 2022) mit üblicherweise mindestens 2 – meist gegengeschlechtlichen – Therapeut*innen. Soweit den Autoren bekannt ist, variieren die Gruppengrößen zwischen 3 und 12 Teilnehmer*innen. Es kann vorkommen, dass im Rahmen derselben Gruppensitzung einige Patienten*innen MDMA einnehmen und andere Psilocybin oder LSD. Dies lässt sich erfahrungsgemäß gut kombinieren und ermöglicht eine individualisierte Behandlung auch im Gruppensetting. Üblicherweise gibt es mindestens eine gemeinsame Vorbereitungssitzung, oft am Abend vor der Substanzerfahrung, und eine gemeinsame Integrationssitzung, oft am Morgen nach der Substanzerfahrung oder einige Tage später. Einige Therapeut*innen arbeiten darüber hinaus mit kontinuierlichen gruppentherapeutischen Treffen zwischen den Substanzbehandlungen. Das Gruppensetting bietet u. a. den Vorteil, dass neben den therapeutischen Begleitpersonen noch andere Personen, die ebenfalls eine psychedelische Erfahrung machen und mit denen das Erlebnis geteilt werden kann, anwesend sind. Insbesondere während der Nachbesprechungen äußern Patienten*innen häufig, dass die Anwesenheit weiterer Teilnehmer*innen als hilfreich empfunden wird, da sie als Vorbilder, Modelle oder Unterstützung dienen können. Der Austausch wird oft als bereichernd und inspirierend empfunden, und es wird die Erfahrung gemacht, mit dem eigenen Leid oder den eigenen Problemen nicht allein zu sein. Von einigen Personen kann das Gruppensetting jedoch als überwältigend empfunden werden oder aus anderen Gründen ungeeignet sein.
Im Einzelsetting können die Gestaltung des Rahmens und der Ablauf der Substanzbehandlung stärker individuell auf den/die Patient*in abgestimmt werden. Zudem erhält die/der Patient*in die volle Aufmerksamkeit der/des Behandler*in. Für einige Patienten*innen, auch je nach Störungsbild, ist dies ein Vorteil, insbesondere am Anfang einer Behandlung. Es gibt auch Patienten*innen, die sich durch die Anwesenheit anderer Patienten*innen gehemmt fühlen, sensible Erfahrungen zu teilen. Auch da kann ein Einzelsetting hilfreich sein.
Die Entscheidung, ob ein Gruppensetting infrage kommt oder das Einzelsetting geeigneter ist, wird immer im Vorfeld gemeinsam mit den Patienten*innen geklärt. Im Verlauf einer Behandlung, wenn mehrere Substanzsitzungen über einen längeren Zeitraum stattfinden, kann dies auch angepasst werden.

Psychotherapeutische Einbettung

Die Behandlung psychischer Störungen erfordert einen geeigneten Behandlungsrahmen. Dies trifft auch bei der PAT im Rahmen von Behandlungen primär psychiatrischer Indikationen zu. Ob Psychedelika während eines psychotherapeutischen Prozesses eingesetzt werden sollen oder unabhängig von einer Psychotherapie rein pharmakologisch wirken, wird aktuell international diskutiert (Goodwin et al. 2023; Grinspoon und Doblin 2001; Koslowski et al. 2021). Die Behandlungspraxis primär psychiatrischer Indikationen in der Schweiz orientiert sich klar am Verständnis einer PAT als Psychotherapie; diese ist also üblicherweise in einen laufenden Psychotherapieprozess eingebettet.
Aus der Psychotherapieforschung ist bekannt, dass die Wirksamkeit von Psychotherapie zu einem großen Teil auf schulenunspezifischen, allgemeinen Faktoren beruht (Grawe 2004; Orlinsky und Howard 1967; Rogers 1949; Wampold und Imel 2015). Dazu gehören die Qualität der therapeutischen Beziehung, das Vertrauen der/des Patienten*in in den/die Therapeut*in und die Behandlung sowie die therapeutische Haltung, die von Empathie, Wertschätzung, Kohärenz, Integrität und Authentizität geprägt ist. Es ist anzunehmen, dass diese Faktoren auch in der PAT von entscheidender Bedeutung sind und womöglich den Behandlungserfolg stark beeinflussen (Murphy et al. 2022). Die PAT wird mit verschiedenen psychotherapeutischen Ansätzen und Methoden kombiniert. Die Autoren sehen diesen vielfältigen fachlichen Hintergrund der derzeit PAT-Praktizierenden als wertvolle Bereicherung, sowohl für die Patienten*innen als auch für die fortlaufende Weiterentwicklung der Methode.

Phasen einer Psychedelika-assistierten Psychotherapie

Klassischerweise wird zwischen einer Vorbereitungsphase, der Substanzbehandlung und einer Integrationsphase unterschieden.
Vorbereitungsphase.
Zu Beginn einer Psychotherapie steht üblicherweise die therapeutische Beziehung im Mittelpunkt. Der Aufbau eines stabilen Vertrauensverhältnisses ist auch in der Vorbereitung auf eine psychedelische Sitzung von zentraler Bedeutung und bildet die Grundlage für die Durchführung der Sitzung. In der PAT hat die therapeutische Beziehung aufgrund der oft langen Sitzungsdauer (normalerweise 6–10 h), des intensiven substanzinduzierten Erlebens sowie der möglichen Konfrontation mit schwierigen Emotionen und belastenden Themen eine besondere Relevanz.
Merke.
Der Aufbau eines stabilen Vertrauensverhältnisses ist in der Vorbereitung auf eine psychedelische Sitzung von zentraler Bedeutung.
Vor Beginn einer PAT werden die Voraussetzungen geklärt, einschließlich der Klärung der Indikation sowie der Überprüfung von psychischen und somatischen Kontraindikationen. Das soziale Umfeld und nahe Beziehungen sind für eine erfolgreiche Integration mitentscheidend. Eine ablehnende Haltung von Lebenspartnern*innen oder anderen Therapeut*innen gegenüber der PAT kann die Integration der Erfahrung erschweren.
Während der Vorbereitungsphase der PAT werden Erwartungen, Hoffnungen, Ängste und Zweifel besprochen und manchmal auch eine Intention für die Sitzung entwickelt. Es werden Einzelheiten wie der Ablauf, das Setting, die gewählte Substanz und Dosis sowie weitere Rahmenbedingungen für die Substanzsitzung geklärt. Auch der gewünschte Umgang mit allfällig belastenden Situationen sowohl aus Sicht der/des Patienten*in als auch des/der Therapeut*in wird besprochen. Es wird entschieden, ob die Erfahrung im Einzel- oder im Gruppensetting stattfinden soll. In dieser Phase ist es ratsam, eine förderliche und realistische innere Einstellung zur psychedelischen Erfahrung zu kultivieren sowie Selbstregulations- und Expressionsmethoden zu erlernen, wie beispielsweise Achtsamkeits‑, Atem- oder Körperübungen. Es werden auch die Möglichkeit von adäquatem Körperkontakt sowie die Wahrung von Grenzen und Distanz während der psychedelischen Sitzung besprochen.
Psychedelische Erfahrung: Set und Setting.
Bereits in den 1960er-Jahren wurde die Relevanz von extrapharmakologischen oder Kontextfaktoren diskutiert, oft als „Set und Setting“ besprochen (Eisner 1997; Hartogsohn 2017; Leary et al. 1964; Grof 1980). „Set“ bezieht sich auf den mentalen Zustand der/des Patient*in. Dazu gehören die aktuelle Stimmung, motivationale Faktoren, Erwartungen, Ängste, Hoffnungen. „Setting“ betrifft den physischen Rahmen und soziokulturellen Kontext der Behandlung. In der psychotherapeutischen Praxis ist anerkannt, dass ein geschützter Rahmen wichtig ist, um die PAT sicher und effektiv durchzuführen.
Merke.
  • „Set“ bezieht sich auf den mentalen Zustand der/des Patient*in.
  • „Setting“ betrifft den physischen Rahmen und soziokulturellen Kontext der Behandlung.
Um ein förderliches Setting für die PAT zu schaffen, wird ein störungsarmer Raum sicher und angenehm gestaltet, beispielsweise mit Matten oder bequemer Möblierung zum Liegen und passender unaufdringlicher Dekoration. Die Raumgestaltung bewegt sich zwischen schlichter Nüchternheit und einladender Atmosphäre. Das Licht soll dimmbar sein, um die innere Aufmerksamkeit zu fördern. Ein angenehmer Geruch und gute Belüftung sind ebenfalls wichtig. Idealerweise ist eine Toilette in der Nähe, die ohne Stufen zu erreichen ist und im Notfall von außen geöffnet werden kann.
Musik kann gespielt werden, um die Erfahrung begleitend zu strukturieren, Halt zu geben oder zu zentrieren, die Aufmerksamkeit zu weiten oder Erfahrungsräume zu öffnen. Auch Klanginstrumente finden Verwendung. Stille kann der/dem Patienten*in dabei helfen, wieder in Kontakt mit sich und dem eigenen inneren Prozess zu kommen. Sowohl Stille als auch Musik können allerdings auch überfordernd wirken oder unangenehme Zustände auslösen. Musik und Stille sind Teil der Intervention. Die Wahl der Musik in der PAT ist ein Handwerk, das geübt werden will. Von den Therapeut*innen, deren diesbezügliche Handhabung den Autoren bekannt ist, werden keine voll standardisierten Playlists verwendet. Üblicherweise wird die Musik im Verlauf des Prozesses gewählt, oder es wird im Voraus eine Liste erstellt, jedoch dem Verlauf entsprechend während der Sitzung angepasst. Oft wird die Musik über Lautsprecher gespielt, sie ist für alle im Raum Anwesenden hörbar und wird zur geteilten Erfahrung. Teilweise werden aber auch Kopfhörer verwendet.
In der Rolle des/der Therapeut*in in einer psychedelischen Sitzung gibt es einige Besonderheiten und entsprechende Anforderungen an die therapeutische Kompetenz (Phelps 2017). Neben der oben beschriebenen therapeutischen Grundhaltung sollen PAT-Therapeut*innen eine breite Perspektive einnehmen können und für einen größeren Bezugsrahmen offen sein. Es braucht ein spezifisches Verständnis für die mitunter intensiven substanzinduzierten Zustände sowie die möglichen Erfahrungsebenen dieser veränderten Bewusstseinszustände. Die Sitzungen dauern lange, ohne dass regelmäßige Pausen wahrgenommen werden können. Die/der Therapeut*in ist gefordert, in ruhiger Präsenz aufmerksam zu sein, auch während längerer stiller Phasen. Die Interaktion mit den Patienten*innen ist oft minimal; längere Gespräche können als störend empfunden werden und vom inneren Prozess ablenken. Stattdessen wird die Erfahrung durch nonverbale Interventionen unterstützt, wie etwa das Halten einer Hand. Die Herangehensweise beruht oft auf Intuition und Erfahrung, manchmal ohne Möglichkeit der unmittelbaren Rücksprache mit dem/der Patient*in. In der späteren Phase der akuten Wirkung, wenn das rationale, analytische Denken langsam zurückkehrt und die Patienten*innen beginnen, das Erlebte zu reflektieren, können Gespräche mit der/dem Therapeut*in oder auch in der Gruppe einer ersten Integration dienen. In dieser Phase können leichte Snacks angeboten werden.
Der/die Therapeut*in ist auf mögliche Notfallsituationen vorbereitet, obwohl diese selten vorkommen. Insgesamt werden primär psychologische und weniger somatische Notfälle erwartet (Johnson et al. 2008).
Integration.
In den letzten Jahren wurde der Integration psychedelischer Erfahrungen vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt (Bathje et al. 2022). Im Wesentlichen zielt die Integration darauf ab, die Erkenntnisse, die während einer psychedelischen Erfahrung gewonnen werden, zu verstehen und zu vertiefen, sie für den persönlichen Alltag nutzbar zu machen und allenfalls gewünschte Veränderungen zu erleben.
Merke.
Die Integration zielt darauf ab, die Erkenntnisse, die während einer psychedelischen Erfahrung gewonnen werden, zu verstehen und zu vertiefen sowie für den persönlichen Alltag nutzbar zu machen.
Integration kann als ein längerfristiger Prozess der Veränderung der Symptomatik, des Verhaltens und der Einstellung verstanden werden; er läuft teilweise unbewusst ab, kann jedoch psychotherapeutisch unterstützt werden. Auch weitere Methoden wie Meditation, Zeit in der Natur verbringen oder kreative Aktivitäten (z. B. Malen, Tagebuchschreiben, Musizieren) können der Integration förderlich sein.
Die Rückkehr in den Alltag kann eine schmerzhafte, aber auch therapeutisch wertvolle Neubewertung von Problemen ermöglichen. Besonders schwierige Erfahrungen, z. B. schmerzhafte biografische Einsichten oder das Wiedererleben traumatischer Situationen, nichtabgeschlossene emotionale Prozesse, verstärkte Ängste, Verzweiflung, Frustration, intensive Trauer, Wut und ähnliche Gefühle erfordern therapeutische Arbeit, um sie zu verstehen und einzuordnen. Aber auch besonders schöne Erfahrungen, wie beispielsweise mystische oder spirituelle Einheitserfahrungen, sind oft schwer in Worte zu fassen und werfen manchmal Fragen auf, die therapeutisch bearbeitet werden können. Ebenso berühren psychedelische Erfahrungen oft existenzielle Themen (Leben, Tod, Leiden, Sinn), die in einen psychotherapeutischen Prozess integriert werden können.
In Gruppensettings bietet es sich an, zwischen den Substanzerfahrungen neben den individuellen Psychotherapiesitzungen weitere Gruppentherapiesitzungen einzuführen. So wird eine Kontinuität hergestellt, der Austausch untereinander gefördert und neben dem individuellen Prozess auch der Gruppenprozess intensiviert. In einem geschützten Rahmen erleben sich die Patient*innen selbst und in Beziehung zueinander, haben in diesem Kontext die Möglichkeit für korrigierende Beziehungserfahrungen, aber auch für die Bewusstwerdung eigener Themen und Beziehungsmuster wie beispielsweise Unsicherheit oder Scham im Kontakt mit anderen.

Therapeutische Selbstfürsorge

Die PAT-Sitzungen sind anspruchsvoll, da sie lange dauern und die Begleitung psychedelischer Erfahrungen sowohl psychologisch als auch physisch herausfordernd sein kann. Therapeut*innen werden mitunter stark in die psychischen Prozesse der Patienten*innen involviert. Therapeutische Selbstfürsorge ist daher entscheidend. Neben dem Austausch mit Kollegen*innen und Supervisor*innen, eigener psychotherapeutischer Selbsterfahrung und der Bewusstwerdung eigener Grenzen kann dies auch persönliche Praktiken wie Meditation, Sport oder Yoga beinhalten. Während der PAT-Sitzungen achten Therapeut*innen auf bequeme Positionen, um auch in längeren äußerlich stillen Phasen präsent zu sein. Therapeutische Selbstfürsorge ist für Behandler*innen und für Patienten*innen gleichermaßen relevant, da sie einerseits Grundlage für die körperliche und psychische Gesundheit der Therapeut*innen darstellt, dadurch aber auch die Behandlung beeinflusst, für welche die Präsenz der Therapeut*innen entscheidend ist.
Merke.
Therapeutische Selbstfürsorge ist für Behandler*innen und für Patienten*innen gleichermaßen relevant.

Ethik und Qualität

Prinzipiell gelten die ethischen Grundsätze der Medizin und Psychotherapie auch für die PAT. Dies umfasst eine eingehende Diskussion medizinethischer Fragen, wie die Wahrung der Autonomie der Patienten*innen, die Pflichten der Gesundheitsfachpersonen zur Fürsorge, die Abwägung von Risiken und Nutzen sowie die spezifischen Anforderungen an die Aufklärung und den Umgang mit Erwartungshaltungen der Therapeut*innen und Patienten*innen.
Ethische Aspekte sind häufig mit Dilemmata, für die es keine klaren „Richtig“-oder „Falsch“-Antworten gibt, verbunden. Um eine hohe therapeutische Qualität sicherzustellen, ist die regelmäßige Selbstreflexion in peergeleiteten Intervisionsgruppen oder in der Supervision bei erfahrenen Kolleg*innen von großer Bedeutung. Durch die kontinuierliche Diskussion eigener oder fremder therapeutischer Prozesse, unabhängig davon, ob sie erfolgreich oder problematisch sind, wird die berufliche Fortbildung gefördert und die therapeutische Kompetenz weiterentwickelt. Insbesondere bei Fehlern, therapeutischer Verunsicherung, persönlichem Unverständnis oder Unvermögen ist es hilfreich, einen Ort zu haben, an dem diese Herausforderungen konstruktiv angegangen werden können. Eine offene Fehlerkultur ist in diesem Kontext unerlässlich. Mit den Fachgesellschaften in der Schweiz – wie der SÄPT, der SSMP (Société Suisse de Médecine Psychédélique) oder der ASPT (Association Professionnelle Suisse – Psychédéliques en Thérapie) – werden regelmäßiger kollegialer Austausch und Vernetzung angeregt; zudem finden Fortbildungen und Tagungen zu praxisrelevanten Themen statt.
Merke.
Die ethischen Grundsätze der Medizin und Psychotherapie gelten auch für die PAT.
Insgesamt sind die Einhaltung ethischer Grundsätze sowie die kontinuierliche Reflexion und Weiterbildung entscheidend, um eine ethisch fundierte und qualitativ hochwertige PAT zu gewährleisten.
Im Sinne einer Qualitätskontrolle werden die PAT-Therapeut*innen gebeten, akute Effekte und allfällige unerwünschte Wirkungen der Substanz mithilfe von Selbstbeurteilungsfragebogen, die durch die Patient*innen auszufüllen sind, zu erfassen (Schmid 2020). Seit etwa 2 Jahren werden die Therapeut*innen resp. die Patienten*innen gebeten, die therapeutischen Themen vor der PAT und ihre Entwicklung nach der PAT zu erfassen, um einen allfälligen Therapieerfolg besser beurteilen zu können. Die Erhebung langfristiger Effekte ist für die Wirksamkeitserfassung der PAT unerlässlich. Allerdings fanden diese Erhebungen bis jetzt nicht lückenlos statt. Dies sollte in Zukunft verbessert werden.

Resümee und Ausblick

Durch einen bereits in der Betäubungsmittelgesetzgebung der Schweiz vorliegenden Ausnahmeartikel ist es seit mittlerweile fast 10 Jahren möglich, PAT in einem explizit therapeutischen und individuell auf die Patienten*innen abgestimmten Behandlungsrahmen durchzuführen. Dies ist eine derzeit weltweit nahezu einmalige Möglichkeit, eine personalisierte psychedelische Therapie zu realisieren. Da die Dokumentationspflicht nur im üblichen Rahmen der medizinischen Praxis gegeben ist und derzeit keine verbindliche systematische Begleitforschung stattfindet, besteht allerdings die Gefahr, dass viele der gewonnenen Erkenntnisse nicht erfasst werden. Die PAT-Therapeut*innen sollten weiter hinsichtlich der Wichtigkeit der Fragebogen-Begleitforschung sensibilisiert werden erfassen (Schmid 2020). Diese Maßnahme dient der Qualitätskontrolle, ist aber auch im Hinblick auf eine zukünftige Gesamtauswertung vor dem Hintergrund der Erfassung der Sicherheit, Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der PAT außerhalb klinischer Studien relevant.
Das zunehmende, auch mediale Interesse an dieser Therapieform hat zum Anstieg von Anfragen von Patient*innen und Ausnahmebewilligungsanträgen geführt. Dadurch rückt die Bedeutung qualitativ hochwertiger Fort- und Weiterbildungsprogramme in den Vordergrund. Die Ausbildung ausreichend qualifizierter Therapeut*innen, um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden und gleichzeitig eine gute Behandlungsqualität zu gewährleisten, ist eine der zentralen Herausforderungen. Da die Nachfrage das Ausbildungsangebot derzeit bei Weitem übersteigt, kommen der ohnehin wichtigen Inter- und Supervision sowie der Vernetzung noch größere Bedeutung zu. Dementsprechend sollte jedoch ein weiterer Schwerpunkt auf eine zeitnahe Etablierung qualitativ hochwertiger, jedoch umfassender und breit zugänglicher Fort- und Weiterbildungsprogramme für die PAT gelegt werden.
Merke.
Da die Nachfrage das Ausbildungsangebot derzeit bei Weitem übersteigt, kommen der ohnehin wichtigen Inter- und Supervision sowie der Vernetzung noch größere Bedeutung zu.
Ein weiteres zentrales Thema ist die Finanzierung der PAT. Sie ist im heutigen Tarifsystem nicht abgebildet und daher der Bevölkerung nicht nachhaltig zugänglich. Damit die PAT nicht nur Wohlhabenden vorbehalten ist und die Behandler*innen dennoch eine angemessene Entschädigung für diese auch zeitlich sehr aufwendige Arbeit erhalten, müssen lösungsorientierte Verhandlungen mit den Krankenversicherern für eine reguläre und aufwandsgerechte Finanzierung der PAT geführt werden. In diesem Kontext ist weitere Forschung notwendig, um die langfristigen Effekte und die Nachhaltigkeit der PAT zu evaluieren.
Mit dem zunehmenden Interesse steht die PAT außerdem vor der Herausforderung, die Chancen der therapeutischen Flexibilität und individualisierten Behandlungen mit Sicherheitsaspekten in Einklang zu bringen. Die Balance zwischen therapeutischen Freiheitsgraden und damit einhergehender Verantwortung, dem Wahren der Integrität und Sicherheit der Patient*innen und der Festlegung von Richtlinien erfordert eine sorgfältige Abwägung, um den bestmöglichen Nutzen für die Patient*innen zu gewährleisten. Das BAG begrüßt die Entwicklung von Praxisleitlinien. In diesem Sinne hat die Schweizerische Interessensgemeinschaft Psychedelika-assistierte Therapie (IG PAT Schweiz, Zusammenschluss mehrerer Fachgesellschaften und Institutionen) Behandlungsempfehlungen entwickelt, die Orientierung bieten sollen (erscheinen Anfang 2024).
Die im vorliegenden Beitrag aufgeworfenen Themen sind nur einige von vielen, die diskutiert und beantwortet werden müssen. Kontinuierliche Zusammenarbeit und Reflexion sind unabdingbar, weil sich die PAT-Praxis – auch im Zusammenhang mit neuen Behandlungskontexten, wie z. B. dem stationären, und unter Berücksichtigung neuer Forschungsergebnisse – stets weiterentwickelt.
Infobox Weiterführende Informationen
Die Schweizerische Ärztegesellschaft für Psycholytische Therapie (SÄPT): https://​saept.​ch/​
Bundesamt für Gesundheit, Beschränkte medizinische Anwendung von verbotenen Betäubungsmitteln: https://​www.​bag.​admin.​ch
Bundesgesetz über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe (Schweiz): https://​www.​fedlex.​admin.​ch/​eli/​cc/​1952/​241_​241_​245/​de
Verordnung des EDI über die Verzeichnisse der Betäubungsmittel, psychotropen Stoffe, Vorläuferstoffe und Hilfschemikalien (Schweiz): https://​www.​fedlex.​admin.​ch/​eli/​cc/​2011/​363/​de
American Psychedelic Practitioners Association (APPA), Professional Practice Guidelines for Psychedelic-Assisted Therapy Practitioners: https://​www.​appa-us.​org/​standards-and-guidelines

Fazit für die Praxis

  • Durch die besondere rechtliche Lage ist in der Schweiz die Behandlung mit Psychedelika und 3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin (MDMA) in einem individualisierten und psychotherapeutischen Rahmen möglich.
  • Die Erfahrung zeigt, dass die Behandlung mit Psychedelika in der psychotherapeutischen Praxis (Psychedelika-assistierte Therapie, PAT) durchgeführt werden kann.
  • Die Anforderungen an die Therapeut*innen sind hoch; spezifische Kenntnisse und eine kontinuierliche Weiterbildung sind notwendig.
  • Da die weitere Verbreitung der PAT noch in den Anfängen steht, sind die quantitativ und qualitativ genügende Aus- und Fortbildung sowie die aufwandsgerechte Entschädigung durch Krankenversicherer zukünftige Themen.

Danksagung

Wir danken unseren Kolleginnen und Kollegen aus der SÄPT und aus dem Forschungskontext für den kontinuierlichen Erfahrungsaustausch und dem Bundesamt für Gesundheit für die Bereitstellung der Zahlen und rechtlichen Informationen.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

H. Aicher ist aktives Mitglied der SÄPT und dort in verschiedenen Arbeitsgruppen tätig. Ihre Haupttätigkeit ist in der Psychedelika-Forschung an den Universitäten Zürich und Basel. Sie arbeitet auch psychotherapeutisch und assistiert ärztlichen Kollegen seit mehreren Jahren in Einzel- und Gruppentherapiesitzungen mit Psychedelika im Rahmen der beschränkten medizinischen Anwendung. Y. Schmid ist Ärztin für Klinische Pharmakologie und Toxikologie am Universitätsspital Basel, wo sie auch in der Forschung mit Psychedelika und MDMA tätig ist und die Erhebungen im Rahmen der Begleitforschung zur Qualitätssicherung der PAT koordiniert. P. Gasser ist Präsident der SÄPT und dort in verschiedenen Arbeitsgruppen tätig. Er arbeitet psychiatrisch-psychotherapeutisch in eigener Praxis und behandelt seit vielen Jahren im Rahmen der beschränkten medizinischen Anwendung Patient*innen mit Psychedelika. Zudem hat er mehrere Studien zur psychotherapeutischen Anwendung von LSD (mit)durchgeführt. Er ist Berater der Fa. MindMedicine Inc und der Reconnect Foundation.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Metadaten
Titel
Psychedelika-assistierte Psychotherapie
Erfahrungen mit der beschränkten medizinischen Anwendung von LSD, MDMA und Psilocybin in der Schweiz
verfasst von
Dr. phil. H. D. Aicher
Dr. med. Y. Schmid
Dr. med. P. Gasser
Publikationsdatum
15.02.2024
Verlag
Springer Medizin
Schlagwort
Psychotherapie
Erschienen in
Die Psychotherapie / Ausgabe 2/2024
Print ISSN: 2731-7161
Elektronische ISSN: 2731-717X
DOI
https://doi.org/10.1007/s00278-024-00711-y

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