Erschienen in:
01.10.2013 | Briefe an die Herausgeber
Retrovirus-Superantigen-Hypothese der Multiplen Sklerose
verfasst von:
Dr. A. Emmer, M.S. Staege, M.E. Kornhuber
Erschienen in:
Der Nervenarzt
|
Ausgabe 10/2013
Einloggen, um Zugang zu erhalten
Auszug
Die Multiple Sklerose (MS) geht mit einem chronischen Entzündungsprozess einher. Als Ursache wird eine Autoimmunreaktion gegen Myelinantigene favorisiert [
11,
25], obwohl T-Zellen, die spezifisch gegen Bruchstücke von Myelinantigenen reagieren, im Blut von Vergleichsprobanden ebenso anzutreffen sind wie bei MS-Patienten [
29]. Histologisch weisen MS-Läsionen in statu nascendi keinerlei Rundzellinfiltrate auf [
1]. Bereits 3 Monate bevor ein MS-Herd in der Magnetresonanztomographie (MRT) Kontrastmittel aufnimmt, laufen an seiner Stelle Veränderungen im Hirngewebe ab [
9]. Die nachfolgende Kontrastmittelaufnahme kann als Läsionsmetamorphose gewertet werden [
13]. Anders als angenommen [
18], deuten verschiedene MS-Plaquetypen nicht unbedingt auf verschiedene MS-Erkrankungen hin. Entzündungsaktivität hat bei MS keinen Einfluss auf das Fortschreiten von Hirnatrophie [
3]. Zunehmende Behinderung setzt nicht Schübe voraus (primär chronisch progrediente MS). In zahlreichen Therapiestudien klafft die Wirkung der Immuntherapie auf Schübe bzw. auf schleichende Progression auseinander [
15]. Dementsprechend hat auch eine längerfristige Therapie mit Interferon-β keinen Einfluss auf die Behinderung [
16,
31]. Fasst man MS als eine einzige Erkrankung auf, wofür insbesondere auch epidemiologische Untersuchungen sprechen [
5], sollte sich auch eine einheitliche Ursache für das Nebeneinander von Entzündung und Degeneration finden lassen. Dafür steht ein attraktives, einfaches und bereits relativ weit entwickeltes pathogenetisches Konzept zur Verfügung, das anders als das Autoimmunkonzept mit den wesentlichen bei MS-Patienten erhobenen Befunden im Einklang steht. Es handelt sich um die Annahme einer durch humane endogene Retroviren (HERV) bedingten Erkrankung [
26,
27]. Mehrere HERV werden als Ursache für die MS in Betracht gezogen [
4]. MS-Patienten weisen im Vergleich zu Gesunden genetische Unterschiede in der Promotorregion von HERV-Fc1 auf [
23]. Solche Unterschiede könnten dazu beitragen, dass HERV-Fc1 nur bei MS-Patienten abgelesen wird und krank machende Wirkung entfaltet [
23]. Darüber hinaus können HERV durch manche Herpesviren wie etwa HSV1 oder EBV „transaktiviert“ werden [
22,
32]. Ein Zusammenhang zwischen EBV-Infektion und MS gilt als wahrscheinlich, und die Manifestation einer MS folgt der EBV-Infektion oft binnen weniger Jahre [
17]. …