Methoden
Ergebnisse
Suchergebnisse
Ergebnisse der Studienanalyse
-
Soziodemografische und migrationsbedingte Einflussfaktoren
-
Individuelle Krankheitsvorstellungen und Einstellung gegenüber Psychotherapie
Studie | Kohorte |
n
| Ergebnisse | Stichprobe | Limitationen |
---|---|---|---|---|---|
Calliess et al. 2007 [11] | 139 türkische Migranten und 164 einheimische Deutsche, Datenerhebung an Oberstufenzentren und Gymnasien | 303 | Deutschstämmige Befragte waren gegenüber einer Psychotherapie positiver eingestellt als die türkischstämmigen Befragten. Gut integrierte Migranten waren besser informiert und aufgeschlossener gegenüber einer Psychotherapie, wohingegen marginalisierte Migranten Stigmatisierungen befürchteten | Anfallende Stichprobe | Möglicher Bias durch Befragung nichterkrankter Personen, die noch zur Schule gehen |
Franz et al. 2007 [14] | 79 Patienten türkischer und 79 Patienten deutscher Herkunft mit F3- und/oder F4-Diagnosen nach ICD-10 | 158 | Türkische Patienten nannten mehr körperliche als psychische Symptome und glaubten eher an einen chronischen Verlauf ihrer Erkrankung sowie an negative Konsequenzen. Sie schrieben ihre Erkrankung vorwiegend äußeren Ursachen zu, z. B. der Religion oder den sozioökonomischen Gegebenheiten. Deshalb vermuteten sie häufig, keinen eigenen Einfluss auf den Verlauf ihrer Erkrankung zu haben | Inanspruchnahmepopulation | Statistisch signifikante Gruppenunterschiede bezüglich Schul- und Berufsabschluss, Arbeitslosigkeit sowie Nettoeinkommen |
Akbiyik et al. 2008 [3] und 2009 [4] | Patienten mit einer neu diagnostizierten Major-Depression, davon 52 Patienten aus einer psychiatrischen Ambulanz in Ankara, 53 Patienten aus 2 psychiatrischen Praxen in Berlin (türkische Psychiater) | 105 | Die depressive Symptomatik ist bei den in Berlin lebenden Patienten höher. Die in Ankara lebenden Patienten hatten eine höhere subjektiv empfundene Lebensqualität als die in Berlin lebenden Patienten | Inanspruchnahmepopulation | Nur Personen, die beim türkisch-sprachigen Psychiater vorstellig wurden → eventuell Fehlen von gut integrierten Personen, die ggf. eher deutschstämmige Psychiater aufsuchen |
Mewes et al. 2009 [27] | 94 türkische Migranten in Deutschland, 183 in der Türkei lebende Türken sowie 91 einheimische Deutsche, Verteilung der Fragebögen nach dem Schneeballsystem | 368 | Die türkischen Patientengruppen nannten deutlich mehr somatoforme Symptome als die deutsche Patientengruppe. Der kulturelle Hintergrund war ein relevanter Faktor für die Ausprägung der somatoformen Beschwerden. Bildungsgrad und Berufsstatus hatten ebenfalls einen starken Einfluss auf die Anzahl, die Art und die Ausprägung der angegebenen somatoformen Beschwerden | Anfallende Stichprobe | Starke Heterogenität der untersuchten Gruppen bezüglich Bildungsgrad und Berufsstatus |
Gül et al. 2009 [16] | 220 Patienten mit türkischem Migrationshintergrund aus psychiatrischer Erstversorgung, davon ordnen sich 154 als gut integriert ein (Gruppe 1) und 66 als marginalisiert (Gruppe 2) | 220 | In Gruppe 1 identifizierte sich ein Großteil der Patienten sowohl mit der Türkei als auch mit Deutschland. Sie waren mehrheitlich zweisprachig, hatten die doppelte Staatsbürgerschaft und waren in Deutschland geboren. In Gruppe 2 bezeichneten sich die Patienten größtenteils als Personen mit türkischer Ethnizität, beherrschten die deutsche Sprache weniger gut und waren überwiegend aus der Türkei gebürtig | Inanspruchnahmepopulation | Vergleichsgruppen unterschiedlich bezüglich Geburtsort, bevorzugter Sprache und Staatsangehörigkeit. Ergebnisse zur psychischen Gesundheit wenig differenziert dargestellt |
Kotwal 2010 [23] | Auswertung der Patientendaten des Generations and Gender Survey (GGS). 8712 deutsche und 3957 türkische Staatsbürger, die in Deutschland leben | 12.669 | Türkische Befragte wiesen eine erhöhte Suszeptibilität für psychische Belastungen auf. Der sozioökonomische Status korrelierte signifikant mit gesundheitlichen Unterschieden. Türkische Frauen waren in diesem Zusammenhang eine besonders vulnerable Gruppe | Zufallsstichprobe | Einzige untersuchte Studie mit national repräsentativer Stichprobe. Jedoch kein Einschluss von eingebürgerten Deutschen, nur Personen mit türkischer Nationalität |
Erim et al. 2011 [13] | 51 Patienten aus der türkisch-muttersprachlichen Sprechstunde einer psychotherapeutischen Ambulanz | 51 | Die türkische Patientengruppe zeigte stärker ausgeprägte depressive Symptome als die deutsche Referenzgruppe (für die deutschen Patienten wurden Referenzwerte des BDI-Testmanuals genutzt) | Inanspruchnahmepopulation | Kleine Kohorte. Vergleich zu den Werten im BDI-Testmanual, dessen Strichprobe eventuell auch Deutsche mit Migrationshintergrund enthält. Patienten ausschließlich aus türkisch-muttersprachlicher Sprechstunde |
Aichberger et al. 2012 [1] | 205 Patientinnen mit türkischem Migrationshintergrund, 200 einheimische Deutsche | 405 | In beiden Patientengruppen wiesen arbeitslose Frauen eine erhöhte psychosoziale Belastung auf. Ein Zusammenhang zwischen niedrigem sozioökonomischem Status und erhöhter psychosozialer Belastung bestand nur bei den Patientinnen mit türkischem Migrationshintergrund | Quotenstichprobe | Nur Frauen → haben im Allgemeinen eine höhere psychische Belastung als Männer |
Bromand et al. 2012 [10] | 105 türkische Migrantinnen | 105 | Soziale Belastung erhöht bei diesen Patientinnen die psychische Belastung | Inanspruchnahmepopulation | Kleine Kohorte, nur Frauen |
Heredia Montesinos et al. 2012 [19] | 63 türkische Migrantinnen mit einer Depression (F32, F33 oder F34 laut ICD-10) aus psychiatrischen Ambulanzen | 63 | Angst vor Stigmatisierung korrelierte mit der Ausprägung der depressiven Symptomatik. Die Ausprägung der depressiven Symptomatik, psychische Belastungen und somatische Symptome korrelierten ebenfalls positiv miteinander | Inanspruchnahmepopulation | Kleine Kohorte. Keine Vergleichspopulation vorhanden |
Vardar et al. 2012 [35] | 70 einheimische Deutsche, 66 Personen mit türkischem Migrationshintergrund in Berlin, 79 Türken in Istanbul | 215 | Große Heterogenität bezüglich der Erklärungsmodelle zur Definition, Bedeutung, Auslösung und Therapie von psychischen Erkrankungen sowohl zwischen als auch innerhalb der Gruppen. Starker Einfluss des Bildungsniveaus sowie des sozialen Umfelds | Quotenstichprobe | Studie sehr interessant hinsichtlich der zusätzlichen Gruppe von Personen in Istanbul, jedoch sind auch hier die Stichproben relativ klein |
Balkir et al. 2013 [7] | 29 türkische Migrantinnen der ersten Generation sowie 27 einheimische Deutsche aus psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken mit der Diagnose einer Major-Depression | 56 | Die allgemeine psychische Belastung war bei der türkischen Stichprobe höher. Bei den türkischen Migrantinnen zeigte sich zudem eine höhere Ausprägung des interdependenten Selbstkonzepts. Ein solches Konzept ist insbesondere durch Anpassung und Konformität der eigenen Bedürfnisse an die Erwartungen der Bezugsgruppe gekennzeichnet | Inanspruchnahmepopulation | Es wurden ausschließlich Frauen der ersten Generation eingeschlossen. Selbstkonzepte können sowohl vom Geschlecht als auch von der Migrationserfahrung beeinflusst werden |
Sariaslan et al. 2014 [33] | 254 Patienten mit türkischem Migrationshintergrund sowie 164 einheimische deutsche Patienten aus einer allgemeinärztlichen Praxis | 418 | Die türkische Probandengruppe hatte stärkere depressive wie auch somatoforme Symptome als die deutsche Probandengruppe. Die somatoforme Symptomatik war bei Frauen stärker ausgeprägt als bei Männern. Schmerzen stellten bei dem türkischen Patientenkollektiv das vorherrschende somatoforme Symptom dar | Inanspruchnahmepopulation | Keine Diagnose einer somatoformen oder depressiven Störung gestellt |
Morawa et al. 2014 [29] | 254 Patienten aus hausärztlicher Versorgung, 217 Patienten aus ambulanter psychosomatischer Versorgung, beide Gruppen aus türkischsprachigem Behandlungssetting | 471 | Eine starke Identifizierung sowohl mit der Kultur des Gastlands als auch mit der des Herkunftslands hatte einen protektiven Effekt auf die depressive Symptomatik | Inanspruchnahmepopulation | Möglicher Bias durch Überrepräsentation von Migranten der ersten Generation. Alle Patienten stammen aus einer türkischsprachigen Sprechstunde |
Reich et al. 2015 [32] | 50 türkische Migranten und 50 Deutsche ohne Migrationshintergrund in stationär psychiatrischer Behandlung mit einer depressiven, somatoformen und/oder Anpassungsstörung | 100 | Die türkischen Patienten waren bezüglich einer Psychotherapie weniger motiviert, was ihren vorwiegend fatalistisch-externalen Krankheitsvorstellungen zugeschrieben wurde. Sie empfanden ihre Erkrankung als schlecht kontrollierbar. Ein niedrigerer Bildungsstatus korrelierte eher mit fatalistisch-externalen Krankheitsvorstellungen und mit geringerer Motivation für eine Psychotherapie | Inanspruchnahmepopulation | Personen der ersten Generation überrepräsentiert → eventuelles Fehlen von Personen mit höherem Bildungsstatus, die eher der zweiten Generation angehören |
Mewes et al. 2015 [26] | 214 türkische Migranten und ihre Nachkommen | 214 | Erfahrene Diskriminierung erhöht das Ausmaß der somatoformen und depressiven Symptomatik. Bei Personen, die sich stark mit der diskriminierten Gruppe identifizieren, war dies weniger deutlich zu beobachten | Anfallende Stichprobe | Personen mit hohem Bildungsniveau sowie Personen mit guten Deutschkenntnissen waren überrepräsentiert |
Aichberger et al. 2015 [2] | 205 Patientinnen mit türkischem Migrationshintergrund | 205 | Leibhaftig erlebte Erfahrungen mit ethnischer Diskriminierung erhöhten das Ausmaß der psychischen Belastung | Quotenstichprobe | Studie Teil eines Projekts zur Suizidprävention → stigmatisiertes Thema → viele Nonresponder |
Müller et al. 2016 [30] | 62 türkische Patienten (erste oder zweite Generation) und 62 deutsche Patienten, jeweils mit einer F3- oder F4-Diagnose nach ICD-10 | 124 | In der Patientengruppe mit Migrationshintergrund zeigte sich eine deutlich höhere Prävalenzrate subjektiv wahrgenommener Diskriminierung | Inanspruchnahmepopulation | Deutlich niedrigerer Bildungsstatus und höhere Arbeitslosenquote bei türkischen Patienten → mögliche Confounder |
Brand et al. 2017 [9] | 1126 türkische Migranten und ihre Nachkommen | 1226 | Separation und Marginalisierung sind mit einem niedrigeren psychischen Gesundheitsstatus verbunden. Der Akkulturationsstatus kann Unterschiede im Gesundheitsstatus dieser Migrantengruppe erklären | Quotenstichprobe | Migranten der ersten Generation sind im Vergleich zur zweiten Generation überrepräsentiert (etwa 80 % zu 20 %) |
Dingoyan et al. 2017 [12] | Personen mit türkischem Migrationshintergrund der ersten (n = 502) und der zweiten Generation (n = 151) | 653 | Trotz soziodemografischer Unterschiede zwischen der ersten und zweiten Migrationsgeneration, finden sich keine Unterschiede bezüglich der Lebenszeitprävalenz von psychischen Erkrankungen. Die Lebenszeitprävalenz war bei Frauen, älteren Personen und Personen ohne Partner erhöht | Quotenstichprobe | Gruppe der Migranten erster Generation ist größer und erwartungsgemäß durchschnittlich deutlich älter |
Morawa et al. 2017 [28] | 335 Personen mit türkischem Migrationshintergrund, Rekrutierung über gesellschaftsorientierte Methoden sowie über das Einwohnermeldeamt | 335 | Personen mit türkischem Migrationshintergrund hatten stärker ausgeprägte somatoforme Beschwerden als einheimische Deutsche. Eine verstärkte Somatisierung bestand insbesondere bei Frauen mit türkischem Migrationshintergrund und bei Migranten der ersten Generation | Quotenstichprobe | Symptome zur Somatisierung mittels Selbsteinschätzungsfragebogen ermittelt, vorher keine Diagnose einer somatoformen oder depressiven Erkrankung gestellt |
Janssen-Kallenberg et al. 2017 [21] | 662 Personen mit türkischem Migrationshintergrund, Interviews auf Türkisch (n = 458) oder Deutsch (n = 204) gehalten | 662 | Es wurde eine sehr hohe 12-Monats-Prävalenz von depressiven Störungen (29 %) erfasst. Ältere Personen sowie Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status waren häufiger betroffen. Symptome waren bei Frauen stärker ausgeprägt. Personen, die sich sowohl mit der türkischen als auch mit der deutschen Kultur identifizieren, hatten ein erhöhtes Risiko, an depressiven Störungen zu erkranken (im Widerspruch zu den anderen Studien) | Quotenstichprobe | Mehr als drei Viertel der Befragten sind Migranten der ersten Generation. Die Mehrheit bevorzugte die türkische Sprache für das Interview |
Soziodemografische und migrationsbedingte Einflussfaktoren
Individuelle Krankheitsvorstellungen und Einstellung gegenüber Psychotherapie
Diskussion
Patientenkollektive
Ausprägung depressiver und somatoformer Störungen
Sozioökonomische Faktoren
Migrationsbedingte Faktoren
Limitationen
Resümee
Fazit für die Praxis
-
Die erhöhte Prävalenz depressiver und somatoformer Störungen bei Personen mit türkischem Migrationshintergrund ist multifaktoriell bedingt.
-
Zu diesen Faktoren gehören insbesondere der sozioökonomische und der Bildungsstatus sowie soziokulturelle Faktoren, psychosoziale Ressourcen und erfahrene Diskriminierung.
-
Frauen mit türkischem Migrationshintergrund stellen eine besonders vulnerable Gruppe dar.