Erschienen in:
13.09.2017 | Adipositas | Originalarbeit
Hungerwahn?
Eine Kritik an der medialen Dramatisierung von Essstörungen
verfasst von:
Dr. phil. habil. Martin Dornes
Erschienen in:
Forum der Psychoanalyse
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Ausgabe 1/2018
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Zusammenfassung
In den Medien häufen sich Berichte darüber, dass Essstörungen, insbesondere Anorexie, Bulimie und Fressattacken, in den letzten Jahren zugenommen haben. Der vorliegende Aufsatz zeigt hingegen, dass dies nicht der Fall ist. Ihre wirklichen Vorkommenshäufigkeiten (Realprävalenzen) sind vielmehr, wie epidemiologische Untersuchungen zeigen, seit Jahren beziehungsweise Jahrzehnten konstant. Davon zu unterscheiden sind gelegentlich festgestellte Zunahmen der Diagnosehäufigkeiten (Diagnoseprävalenzen). Diese sind jedoch kein Ausdruck wirklich zunehmender Häufigkeiten, sondern reflektieren eine höhere Sensibilität sowie eine Verbesserung im Versorgungssystem und in der Erkennung solcher Erkrankungen.
Die mit der Steigerungsthese einhergehende Ursachenbehauptung konzentriert sich oft auf mediale Einflüsse wie zum Beispiel die Sendung Germany’s Next Topmodel, die für die Vermittlung von unrealistischen Schlankheitsidealen und daraus resultierenden Essstörungen verantwortlich gemacht werden. Auch hier zeigt ein Durchgang durch die einschlägige Forschung, dass der Einfluss solcher Sendungen beziehungsweise der Medien insgesamt eher gering ist, sich auf Mädchen im adoleszenten Alter beschränkt und dort auf solche, die bereits Störungen im Körperbild aufweisen. Weder haben also Essstörungen zugenommen (Ausnahme: Adipositas), noch sind Medien deren wesentliche Verursacher.