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AE-Manual der Endoprothetik
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Publiziert am: 15.10.2023

Komplikationen der Hüftendoprothetik: Periprothetische Frakturen

Verfasst von: Sven Märdian und Sebastian Meller
Sowohl die Implantationszahlen als auch die Standzeiten von Hüftgelenkendoprothesen sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Die daraus resultierende Konsequenz ist eine zunehmende Inzidenz periprothetischer Femurfrakturen in einer immer älter werdenden, aber dennoch aktiven Patientengruppe. Das Wissen um spezifische Risikofaktoren sowie der etablierten Behandlungsalgorithmen ist von immanenter Bedeutung, um diese meist komplexen Verletzungen erfolgreich zu behandeln. Das Kapitel setzt sich intensiv mit der Thematik auseinander und offeriert einen Leitfaden für die präoperative Diagnostik und Einschätzung über die operative Planung bis hin zur Nachbehandlung.

Epidemiologie

Der demografische Wandel führt zu einer immer älter werdenden – jedoch weiterhin aktiven – Bevölkerung mit einem steigenden Bedarf an Gelenkersatzoperationen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Rate an periprothetischen Frakturen immer weiter ansteigt. Eine aktuelle Arbeit der Gruppe um Mondanelli et al. spricht von einer Rate von 1–11 % bei primären sowie bis zu 18 % bei revisionsendoprothetischen Eingriffen. Diese Zahlen hängen jedoch stark von der Operations- als auch Verankerungstechnik ab, sodass einheitliche Inzidenzen nur schwer wiederzugeben sind. Sicher ist jedoch, dass die zementfreie Technik zu höheren Inzidenzen intraoperativer und postoperativer Frakturen führt.

Risikofaktoren

Im Behandlungsalgorithmus periprothetischer Femurfrakturen ist die Kenntnis und Evaluation von Risikofaktoren sowie die Kenntnis von Komorbiditäten von entscheidender Bedeutung, da eine grundlegende Frage zu beantworten ist: Können vorliegende Risikofaktoren mit der geplanten Operation beseitigt werden oder existieren diese weiter?
Chirurgisch gesehen können die Risikofaktoren auf die folgenden konzentriert werden.

Bone Stock (Knochenqualität/-stabilität)

Liegt eine periprothetische Femurfraktur vor, ist die Knochenqualität nur begrenzt objektivierbar, sollte aber unbedingt mittel- und langfristig nach der meist operativen Therapie weiter verfolgt werden. Die Einleitung einer leitliniengerechten Osteoporosediagnostik und -therapie ist dabei unabdingbar.
Typische Risikofaktoren dieser Gruppe sind:

Mechanische Bedingungen

Die mechanischen Bedingungen sind bereits während der Operationsplanung zu berücksichtigen, da sie die Therapiestrategie maßgeblich beeinflussen. Es ist immer zu prüfen, ob eine operative Strategie existiert, welche die mechanischen Risikofaktoren beseitigen kann. Als Risikofaktoren sind zu nennen:
  • Ende eines Prothesenstiels,
  • lokale Osteolysen,
  • Schraubenlöcher durch ehemalige Implantate,
  • Ankylosen/Arthrodesen des ipsilateralen Kniegelenkes,
  • vorbestehende Substanzdefekte im Frakturbereich, z. B. im metaphysären Knochen, jedoch auch im Bereich des Azetabulum (vor allem bei abriebbedingten Osteolysen),
  • vorbestehende Lockerung (unter anderem auch der azetabulären Komponente).

Allgemeinerkrankungen, die den postoperativen Behandlungsverlauf beeinflussen

Es gilt zu prüfen nachdem alle Komorbiditäten erfasst worden sind, inwieweit eine zeitnahe Optimierung des Patienten präoperativ sinnvoll möglich ist. Dabei ist hervorzuheben, dass eine Vielzahl von operativen Versorgungen, insbesondere aufwendige osteosynthetische Rekonstruktionen, postoperativ einer Ent- bzw. Teilbelastung bedarf, was die meisten der betroffenen Patienten nicht umsetzen können.
Typische Risikofaktoren sind:

Implantatassoziierte Faktoren

Dies sind Risikofaktoren, welche im Wesentlichen durch die Implantationstechnik bzw. die Folgen der verwandten Technik entstanden sind. Zu nennen ist hier insbesondere das Malalignement, markraumfüllende Stiele, die eine Schraubenverankerung nur durch zusätzliche Schwächung der Kortikalis möglich machen (Gwinner et al. 2015) und andere. Das Fortbestehen dieser Faktoren führt wiederum zu einem dann gegebenenfalls noch höheren Refrakturrisiko. Selbstverständlich spielt hier auch eine eventuell übersehene Prothesenlockerung eine große Rolle.

Behandlungsstrategie

Grundsätzlich gibt es bis heute keinen international einheitlichen Behandlungsalgorithmus für die Therapie periprothetischer Femurfrakturen nach Hüftendoprothetik. Ein weit verbreitetes Konzept, welches jedoch patientenindividuell angepasst werden muss, ist in Abb. 1 zusammengefasst. Eine Vielzahl der zu treffenden Entscheidungen wird von der Erfahrung des jeweiligen Behandlers abhängen, da eine klare Evidenz für ein bestimmtes Vorgehen meistens fehlt. Hier spielt die genaue präoperative Analyse und Planung die entscheidende Rolle.
Es ist unzureichend festzulegen, dass eine gelockerte Prothese gewechselt werden muss und eine feste integrierte Prothese grundsätzlich osteosynthetisch zu versorgen ist.
Dabei sind vor allem die oben genannten Risikofaktoren in die Therapiestrategie mit einzubeziehen. Hervorzuheben ist, dass bei jedweder operativer Intervention insbesondere auch die möglichen Konsequenzen eines Fehlschlagens der operativen Versorgung mit einzubeziehen ist. Gerade bei ausgedehnten knöchernen Defekten, die gegebenenfalls sogar eine kombinierte revisionsendoprothetische und osteosynthetische Versorgung mit Defektaufbau bedürfen, sind oftmals ausgedehnte operative Eingriffe notwendig, die im Falle eines Fehlschlages (Infektion, Lockerung, Bruch der implantierten Prothese, periprothetische Refraktur) zu desaströsen Ergebnissen führen können. Insofern gilt es immer ein patientenindividuelles an die jeweiligen Bedürfnisse des Patienten angepasstes Konzept zu erstellen (Pavone et al. 2019). Die wichtigsten Faktoren zur Festlegung der Behandlungsstrategie sind im Folgenden dargestellt.

Stabilität der Fraktur

Auch wenn die konservative Therapie in diesem Zusammenhang heute nahezu keine Rolle mehr spielt, ist die Bestimmung der Stabilität der Fraktur relevant, um die Dringlichkeit der operativen Intervention einzuschätzen und damit den optimalen Operationszeitpunkt wählen zu können. Ausgenommen hiervon sind die Frakturtypen A1 und A2, die durchaus einer konservativen Therapie zugänglich sind.

Stabilität des Implantats

Die exakte Analyse der vorliegenden radiologischen Diagnostik sowie eine genaue Anamnese bezüglich bereits vor der Fraktur bestehender Beschwerden mit Fahndung nach klinischen und radiologischen Lockerungszeichen sind für die korrekte Therapiefindung maßgeblich. Neben der radiologischen Analyse ist die genaue Kenntnis der einliegenden Implantate sowie das Wissen um die Verankerungsphilosophie des jeweiligen Implantates von größter Bedeutung in der Therapieplanung. An dieser Stelle sei angemerkt, dass die bisherige Lehrmeinung, dass B2-Frakturen, also periprothetische Frakturen mit einer vorliegenden Lockerung, grundsätzlich revisionsendoprothetisch zu versorgen sind, in den letzten Jahren zunehmend in Frage gestellt wird. Ein aktuelles systematisches Review sieht hier sogar die osteosynthetische Stabilisierung im Vorteil (González-Martín et al. 2022). Nach Meinung der Autoren, löst die Osteosynthese einer solchen B2- oder B3-Verletzung gegebenenfalls das akute Problem, kann aber nur in wenigen Ausnahmefällen das Grundproblem der Lockerung beseitigen. Dennoch sollte auch hier der gesamte Patient und dessen Anspruch betrachtet werden. Möglicherweise kann eine minimalinvasive Osteosynthese die akute frakturbedingte Instabilität lösen und damit dem Anspruch des Patienten bereits gerecht werden – insbesondere bei der Wiederherstellung einer Lagerungsstabilität beim multimorbiden, geriatrischen Patientengut. Auf jeden Fall sollten alle Patienten mit diesen periprothetischen B2- oder B3-Verletzungen auf die Möglichkeit intraoperativer Planänderungen (von Osteosynthese zu Prothesenwechsel und vice versa) vorbereitet und aufgeklärt werden. Außerdem bedeutet es für das Operationsteam/die versorgende Klinik, dass sowohl das technische Know-how als auch die notwendige Infrastruktur für derartige Eingriffe vorgehalten werden muss.

Frakturtyp

Der Frakturtyp und die Frakturlokalisation beeinflussen die Diskriminierung zwischen einer Osteosynthese oder Revision der Prothese. Nur wenn auf beiden Seiten der Fraktur ausreichende Knochensubstanz vorhanden ist, um eine suffiziente Verankerung der – in der Regel – winkelstabilen Plattensysteme zu erreichen, ist eine Osteosynthese überhaupt sinnvoll durchführbar. Dabei ist vor allem die Kenntnis des einliegenden Implantatdesigns notwendig, um abschätzen zu können inwieweit eine Plattenverankerung am Prothesenschaft vorbei möglich ist. Biomechanisch konnte klar gezeigt werden, dass eine reine Cerclagenstabilisierung um den Prothesenschaft in der Regel nicht ausreichend stabil ist (Perren et al. 2011; Lenz et al. 2013b). Osteosynthesen im Bereich der Prothesenspitze (Typ C) sind aufgrund ihrer hohen mechanischen Belastung für das Implantat biomechanisch sehr komplex zu versorgen und gehen bis heute mit einer hohen Fehlschlagwahrscheinlichkeit einher. Hier bedarf es profunder Kenntnisse in der Erzeugung eines optimierten mechanobiologischen Umfeldes, um dauerhaften Erfolg zu erzielen. Frakturen um lange und/oder großvolumige Prothesenstiele erfordern häufig eine transkortikale periprothetische Schraubenplatzierung, mit dem Risiko, dass es hier zusätzlich zu einer mechanischen Schwächung des Knochens kommt (Gwinner et al. 2015).

Qualität des Knochens

Auch im Zeitalter der biologischen Osteosynthese mit modernen winkelstabilen, z. T. poliaxialen Fixateursystemen spielt die Knochenqualität eine entscheidende Rolle hinsichtlich der erreichbaren Stabilität jedweder osteosynthetischen Rekonstruktion. Bei einer sehr schlechten Knochensubstanz ist die Haltbarkeit einer Osteosynthese im Regelfall nicht gegeben oder zumindest stark reduziert, sodass eine postoperative Mobilisation nicht gewährleistet werden kann. Hier muss in der präoperativen Analyse und Planung die revisionsendoprothetische Versorgung überdacht werden, auch wenn der Frakturtyp für eine Osteosynthese plädiert. Allerdings ist hier das Risiko des intraoperativen zusätzlichen Schadens durch Entfernen eines festen Prothesenschaftes mit in die Überlegungen zu integrieren. Idealerweie sollten alle Osteosynthesen, ebenso wie die Revision mit zementfreien Endoprothesen so geplant und ausgeführt werden, dass eine schmerzadaptierte Belastung möglich ist. Endoprothetische Versorgungen bzw. Versorgungen unter Verwendung von Knochenzement zur Stabilisierung der Schrauben (sofern dieses Verfahren doch gewählt wird), sind zu prüfen. Des Weiteren sind Optionen, wie z. B. Doppelplattenosteosynthesen oder aber die Verwendung von zusätzlichen medialen Strut-grafts zu prüfen, um die Stabilität der Osteosynthese zu verbessern (Abb. 2). Grundsätzlich sollte, wenn immer möglich eine sog. biologische Osteosynthese (Abb. 3), d. h. unter weitestgehender Schonung der Knochennutrition, durchgeführt werden, um die ohnehin durch den vorgeschädigten Knochen eingeschränkte Knochendurchblutung soweit wie möglich zu erhalten.

Implantatdesign

Dies betrifft insbesondere die weit distal gelegenen Typ-C-Verletzungen, die prinzipiell durch einen retrograden Nagel oder aber auch durch eine von distal her eingebrachte winkelstabile Plattenosteosynthese versorgt werden können. Biomechanisch stellt die intramedulläre Marknagelosteosynthese theoretisch das überlegenere Implantat dar. Dennoch stellt die operative Versorgung periprothetischer Femurfrakturen eine Domäne des internen Plattenfixateurs dar. Auf dem Markt sind eine Fülle von verschiedenen Implantaten verfügbar, welche allesamt innovative Optionen (z. B. zur polyaxialen Schraubenverankerung) mit sich bringen. Grundsätzlich sollte der Operateur mit den Spezifika der eingesetzten Implantate im Detail vertraut sein, um gute Resultate in der Anwendung zu erreichen.
Dennoch bleibt die Typ-C-Verletzung eine biomechanisch kritische Situation, die eine erhöhte Aufmerksamkeit bei der Konfiguration der Osteosynthese bedarf. In den letzten Jahren ist zudem eine zunehmende Inzidenz distal metaphysärer periprothetischer Frakturen zu beobachten, welche auf dem Boden einer in diesem Bereich reduzierten Knochenqualität ebenfalls biomechanisch anspruchsvoll sind und das Augenmerk auf der Rekonstruktion des medialen Supports (entweder über eine anatomische Reposition oder durch ein zweites Implantat im Falle einer Trümmerzone) liegen sollte.

Zeitpunkt des Auftretens der Fraktur

Während intraoperative Frakturen im Regelfall durch den Wechsel des Implantats und/oder eine zusätzliche Osteosynthese sofort während des Indexeingriffes behandelt werden können, unterscheidet sich die Versorgung von Frakturen, welche erst postoperativ entdeckt werden, davon signifikant. Zu berücksichtigen sind hierbei der optimale Zeitpunkt der Operation bzw. insbesondere der notwendige Umfang des Revisionseingriffs.

Zeitpunkt der Operation

Der optimale Operationszeitpunkt ist derzeit nicht eindeutig definiert und gegenwärtig sogar umstritten. In der Vergangenheit wurde in einer Spanne von „Notfalleingriff“ bis hin zu einer „aufgeschobenen Dringlichkeit“ bei der Indikationsstellung zur Operation gesprochen. Heute werden die Termini „optimale Arbeitsbedingen der beteiligten Disziplinen“ und „bestmögliche Vorbereitung des Patienten“ verwendet (Mittlmeier et al. 2005, 2016). Dies entspricht grundsätzlich bei allen periprothetischen Frakturen einem Paradigmenwechsel. Die Prämisse, dass die Versorgung innerhalb von 24 Stunden zu erfolgen hat, ist heute aus mehreren Gründen nicht mehr gegeben.
Durch eigene Untersuchungen zu diesem Thema konnte unsere Arbeitsgruppe zeigen, dass das Überleben von Patienten mit periprothetischen Frakturen weniger von der chirurgischen Versorgung (Rekonstruktion vs. Prothesenwechsel) als viel mehr vom Alter und von den begleitenden Komorbiditäten abhängt (Mardian et al. 2015a, 2017). Daher plädieren wir für eine interdisziplinäre präoperative Vorbereitung dieser Patienten mit dem Ziel kurzfristige Optimierungspotenziale zu identifizieren und diese präoperativ umzusetzen.

Präoperative Diagnostik

Wesentlich in der präoperativen Diagnostik ist die Suche nach klinischen Hinweisen für eine Lockerung oder Infektion (Schmerzanamnese). Eine schlechte Funktion kann (bei Identifikation einer behebbaren Ursache!) die Indikation für eine Revisionsendoprothese bestärken. Schmerz als auch verminderte Funktion können Hinweise für eine periprothetische Infektion sein, welche präoperativ möglichst ausgeschlossen werden sollte. Die üblicherweise zur Infektionsdiagnostik herangezogene Leukozytenzahl und der Anteil der polymorphkernigen Granulozyten aus einem intraartikulären Punktat, kann durch ein vorliegendes intraartikuläres Hämatom jedoch verfälscht sein. Es verbleibt präoperativ also im Wesentlichen nur die mikrobiologische Kultur, deren Sensitivität jedoch nur bei etwa 70 % liegt und welche in der Regel aufgrund der prolongierten Bebrütung der Proben zu zeitaufwändig ist. Weitere bakterienspezifische Biomarker wie das D-Laktat könnten in der Zukunft der präoperativen Infektdiagnostik hilfreich sein. Intraoperativ ist die Entnahme mikrobiologischer und histopathologischer Proben im Knochen-Implantat-Interface obligat – sofern die Stabilisierung der Fraktur einen direkten Zugang zur Prothese erfordern. Die bildgebende Diagnostik sollte wie im Kap. „Untersuchung des Hüftgelenkes und Pathophysiologie der Erkrankungen: Bildgebung des Hüftgelenkes“ dargestellt erfolgen. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass eine CT-Diagnostik durch moderne artefaktreduzierende Algorithmen eine detaillierte Darstellung der periprothetischen Region erlaubt (kann aber Lockerung suggerieren!). Im eigenen Vorgehen fertigen wir in nahezu jedem Fall eine Schnittbilddiagnostik an, um gerade für die osteosynthetische Versorgung sichere Schraubenkanäle (Trajektion als auch Durchmesser der möglichen Schrauben) identifizieren zu können, da eine transkortikale Verankerung zu desaströsen Versagensmodi führen kann (Gwinner et al. 2015).

Klassifikationen

Historisch gesehen ist die Vancouver-Klassifikation (Duncan und Masri 1995) am weitesten verbreitet. Und obwohl bis heute die einschlägige Literatur zum Thema periprothetische Frakturen immer noch gerne auf die Vancouve-Klassifikation referenziert und als Basis für Auswertungen benutzt, hat sich aus unserer Sicht in den letzten Jahren die UCS-Klassifikation (Abb. 4) nach Duncan und Haddad mehr und mehr durchgesetzt (Duncan und Haddad 2014):
  • Typ A: apophysäre Frakturen, d. h. Frakturen der Trochanteren. Diese sind im Zweifelsfall konservativ zu behandeln. Hier unterscheidet man A1-Frakturen (Trochanter major) von A2-Frakturen (Trochanter minor).
  • Typ B: Bereich der Verankerung („bed of implant“). Bei B1-Frakturen ist die Prothese fest integriert, bei B2-Frakturen gelockert und bei B3-Frakturen liegt zusätzlich zur gelockerten Prothese eine schlechte Knochensubstanz bzw. ein relevanter knöcherner Defekt vor.
  • Typ C: außerhalb des Prothesenbettes („clear of implant“). Diese Frakturen liegen demnach entweder proximal des femoralen Prothesenschildes oder distal der tibialen Komponente.
  • Typ D: interprothetische Frakturen („dividing the implants“). Sie liegen zwischen einer Hüft- und Knieprothese.
  • Typ E: Beide prothesentragende Knochen („each of two bones supporting one joint replacement“) sind betroffen. Im Falle einer Hüftgelenksprothese müsste hierzu das Femur als auch das Azetabulum frakturiert sein und demnach eine Floating-hip-Verletzung vorliegen.
  • Typ F: einen an die Prothese angrenzenden Knochen („facing the implant“). Dies wäre hier eine Azetabulumfraktur bei einliegendem hemiendoprothetischen Ersatz.

Technik der operativen Versorgung

Wie dargestellt, konnte bisher kein operatives Verfahren eindeutig seine Überlegenheit beweisen. Dennoch kann man folgende Prämissen annehmen:
  • Für den dauerhaften Erfolg einer Osteosynthese ist ein stabiles endoprothetisches Implantat von Vorteil. Es existiert gegenwärtig kein Literaturbeleg, der ein zweizeitiges Vorgehen (zunächst Primärversorgung zur Heilung des Knochens und dann Wechsel des Implantats in einer zweiten Operation) favorisiert. Jedoch gibt es mittlerweile auch systematische Reviews, die gar einen Vorteil der Osteosynthese bei B2-Verletzungen sehen. Im eigenen Vorgehen versuchen wir in jedem Fall ein lösbares präoperatives Problem in einem Eingriff vollständig zu adressieren – sofern dies vom Patienten und seinem Gesamtstatus toleriert wird.
  • Die Konfiguration der Osteosynthese sollte so ausgelegt werden, dass postoperativ eine schmerzadaptierte Belastung ermöglicht werden kann. Eine Option, welche derzeit in der Diskussion ist, um die Primärstabilität zu erhöhen, ist eine Doppelplattenosteosynthese in 90°- oder 180°-Konfiguration, um damit eine frühzeitigere und höhere Belastung zu erlauben (Wahnert et al. 2017). Klinische Daten mit ausreichendem Follow-up fehlen hierzu bisher.
  • Wesentlich ist die Bestimmung der Funktion vor Eintreten der periprothetischen Fraktur. Sollten hier bereits gravierende Einschränkungen vorgelegen haben, der Verdacht auf eine Infektion, eine Fehlimplantation mit Fehlstellung, abriebassoziierte große knöcherne Defekte usw., ist eine Osteosynthese im Regelfall nicht indiziert. Um diese präexistenten Probleme zu lösen, bedarf es in der Regel einer Revisionsendoprothese, welche dann gleichzeitig auch suffizient die Fraktur überbrücken muss.

Intramedulläre Marknagelosteosynthese

Die intramedulläre Marknagelosteosynthese kann nur bei periprothetischen Femurfrakturen erfolgen, die weit distal am Femur lokalisiert sind. Der große Vorteil dieser Technik besteht darin, dass ein geringer Weichteilzugang notwendig ist und dieser frakturfern erfolgt. Dadurch bleibt das Frakturhämatom in der Regel vollständig erhalten, was optimale Voraussetzungen für eine erfolgreiche Frakturheilung darstellt. Die Hauptherausforderung ist jedoch die technische Durchführung, insbesondere die Einstellung der korrekten Achsverhältnisse. Gleichzeitig unterliegt der Marknagel jedoch gerade bei diesen Frakturen wesentlichen Einschränkungen. Es konnte gezeigt werden, dass der Steifigkeitssprung zwischen dem proximal einliegenden Prothesenschaft und der von distal kommenden Nagelspitze zu einem erhöhten Risiko für interprothetische Frakturen führt (Lehmann et al. 2010, 2012). Selbst bei einem „kissing“ der Implantate konnte gezeigt werden, dass die Plattenosteosynthese hier biomechanisch überlegen ist (Lenz et al. 2021). Die verbleibende interimplantäre Distanz sollte also groß genug sein (ca. 5 cm), um einen „stress riser“ und somit das Risiko einer weiteren periprothetisch/periimplantären Fraktur zu vermeiden. Jüngste Implantatentwicklungen mit periprothetischen Zusatzplatten und Optionen der polyaxialen Schraubenverankerung erweiterten das Limit der effektiv zu stabilisierenden Femurfrakturen immer weiter nach proximal als auch nach distal, sodass aus heutiger Sicht der retrograde intramedulläre Marknagel bei einliegender Hüft-TEP eher die Ausnahme bleibt.

Typ-A-Frakturen

Die Therapie von isolierten Frakturen des Trochanter major oder minor stellen mitunter eine Herausforderung sowohl die Indikation als auch die Strategie betreffend, bei bis heute fehlenden Literaturempfehlungen. Eine fundierte Datengrundlage, die dem Operateur die Entscheidung erleichtern könnte, fehlt ebenfalls (Marino und Mesko 2022). Einigkeit besteht, dass Dislokationen (des Trochanter major) bis 2 cm, ohne funktionelle Einbuße oder Gefährdung der Stabilität des Kunstgelenkes, konservativ behandelt werden können (Marsland und Mears 2012).
Grundsätzlich sind Frakturen des Trochanter major und minor mit Cerclage und/oder Zuggurtungstechniken (entweder als Kabel-/Draht- oder Fadencerclagen) sowie plattenosteosynthetischen Systemen wie Haken- und Krallenplatten adressierbar. Dabei steht die Reposition in den Verbund bzw. im Fall des Trochanter major die Wiederherstellung der lateralen Zuggurtung des Hüftgelenkes im Vordergrund. Herausfordernd bei jedweder Osteosynthese ist der einliegende Prothesenschaft und die Notwendigkeit im Rahmen der Implantation das proximale Femur aufzuarbeiten. Damit – und gerade bei metaphysär verankernden Schäften – resultiert, dass oftmals nur schalenförmige Fragmente mit relevanter Anhaftung von Muskulatur entstehen, die eine stabile Osteosynthese erschweren. Für die auf dem Markt existierenden, auch winkelstabilen polyaxialen Plattensysteme, die zudem anatomisch vorgeformt sind, fehlt bisher jeglicher Nachweis der klinischen Überlegenheit. Die Gruppe um Neitzke et al. zeigte in einer aktuellen retrospektiven Auswertung, dass in einem Kollektiv von n = 44 Patienten über 10 Jahre eine sehr hohe Komplikationsrate bei Plattenosteosynthesen des Trochanter major aufgetreten waren (20 % Reoperationsrate, 39 % non union, 28 % mechanisches Versagen) (Neitzke et al. 2022).
Im eigenen Vorgehen stellen wir die Indikation basierend auf einer gegebenenfalls resultierenden Funktionsbeeinträchtigung mit Kraftverlust und hinkenden Gangbild mit gegebenenfalls konsekutiver Instabilität und Luxationsgeschehen aufgrund der Reduktion der Stabilität. Bei frischen Frakturen sehen wir die Zuggurtungsosteosynthese bei entsprechender Knochenqualität gegebenenfalls in Kombination mit transossären Entlastungsnähten als zielführend an. Plattenosteosynthetische Versorgungen sehen wir als Rückzugsoption bei komplexen multifragmentären Situationen, vor allem weil diese technisch bedingt mit einem höheren Weichteilschaden einhergehen (Abb. 5).

Typ-B- und Typ-C-Frakturen, winkelstabile interne Plattenfixateure

Bei stabil verankerter Prothese – und fehlenden Indikationen zum Prothesenwechsel aufgrund gleichzeitig zu behebender Probleme – ist die winkelstabile Plattenosteosynthese der derzeitige Goldstandard in der operativen Behandlung von periprothetischen Femurfrakturen der Typen B1 (gegebenenfalls B2) und C nach Hüft-TEP. Die meisten Hersteller halten anatomisch vorgeformte Platten vor, welche zusätzlich durch den Einsatz von Zielbügelsystemen minimalinvasiv (Subvastus-Zugang) von proximal oder distal eingeschoben werden können. Die korrekten Achsverhältnisse lassen sich hiermit meist einfacher einstellen.
Problematisch ist die periprothetische Schraubenplatzierung, vor allem bei großvolumigen Prothesenschäften. Hier haben sich grundsätzlich zwei Techniken etabliert: Zum einen die polyaxiale Schraubenverankerung direkt über das Hauptimplantat. In der Regel lassen die gängigen Systeme einen Radius von 30° zu. Dies bedarf allerdings einer dezidierten – wie oben beschriebenen – präoperativen Planung.
Je nach Hersteller können dann zusätzliche winkelstabile Platten (sog. locking attachment plates, Firma DePuy Synthes, Umkirch) oder anklickbare Flügel (Firma aap, Berlin) angebracht werden, um eine bikortikale Schraubenfixierung an den einliegenden Schäften zu realisieren. Es konnte gezeigt werden, dass eine bikortikale Verankerung an der Prothese vorbei, allen anderen Fixationsmethoden biomechanisch überlegen ist (Gwinner et al. 2015).
Periprothetische B2-Frakturen zementierter polierter Schäfte bei intaktem Zementmantel sind aus unserer Sicht ebenfalls osteosynthetisch nach anatomischer Reposition zu versorgen. Obwohl der Schaftwechsel häufig den Goldstandard darstellt, können Patienten von der alleinigen Osteosynthese profitieren (Smitham et al. 2019). Aus diesem Grund schlagen wir und andere Autoren vor, dass reponible Frakturen mit adäquatem Bone Stock von einer alleinigen Osteosynthese (intakter Zementmantel, keine Osteolysen) oder einer Osteosynthese mit Zement-in-Zement-Revision (mangelhafter Mantel, Knochenverlust) profitieren (Quah et al. 2017). Diese Behandlungsstrategie ist assoziiert mit einer kürzeren Operations- und Anästhesiezeit, weniger Bluttransfusionen und weniger postoperativer Komplikationen. (Solomon et al. 2015)
Grundsätzlich sollten bei der winkelstabilen Plattenosteosynthese folgende Punkte beachtet werden:
  • Möglichst lange Platten, um eine optimale Lastverteilung auf dem Implantat zu erreichen. Im eigenen Vorgehen nutzen wir lange, von distal her eingebrachte, anatomisch vorgeformte Plattenfixateure, welche das komplette Femur stabilisieren.
  • Epi-/metaphysär ist im Regelfall die maximale Zahl von Schrauben, die durch die Platte zu positionieren sind, anzustreben.
  • Im diaphysären Teil sollten nach heutigem Kenntnisstand bei guter Knochenqualität mindestens drei bikortikale Schrauben platziert bzw. 6–8 Kortikaliskontakte erreicht werden. Dies bedarf selbstverständlich der individuellen Entscheidung hinsichtlich der Knochenqualität und der damit erreichbaren Stabilität der Schraubenverankerung.
  • Die Schwingstrecke oder „working length“ des Implantates ist einer der wesentlichsten und vom Operateur direkt beeinflussbaren Faktoren. Durch diese wird das Ausmaß der Bewegung am Frakturspalt hauptsächlich definiert. Sie sollte so gewählt werden, dass eine optimierte biomechanische Umgebung für die knöcherne Heilung entsteht. Untersuchungen haben gezeigt, dass im Fall von Trümmer- oder Defektsituationen, wie sie meist am distalen metaphysären Femur entstehen, eine Schwingstrecke von 42–62 mm optimale mechanische Bedingungen erzeugt (Mardian et al. 2015a). Im Gegensatz dazu sollte bei einfachen und nahezu anatomisch reponierten Frakturen die Schwingstrecke entsprechend länger gewählt werden, damit es nicht zu einer Stresskonzentration im Bereich der Fraktur kommt. Dies ist vor allem bei den Typ-C-Verletzungen, die im Bereich der Prothesenspitze lokalisiert sind, einzuhalten. Diese mutmaßlichen einfachen Frakturen stellen die biomechanisch komplexesten dar und zeigen die höchsten Versagensraten (Mondanelli et al. 2021). Unbedingt zu verhindern ist ein zu steifes Gesamtkonstrukt (Aspekt einer Leiter). Heutige winkelstabile Implantate benötigen eine große Schwingungsstrecke, da die Heilung durch eine Mikrobewegung (sekundäre Knochenheilung) erreicht wird. Mehr Schrauben führen also nicht zu einem zwangsläufig besseren Resultat.
  • Wie bereits erwähnt kommt der medialen Abstützung vor allem im distalen metaphysären Bereich des Femurs eine besondere Relevanz zu. Besteht medial eine starke Destruktions- oder Impaktionszone, ist oftmals die isolierte unilaterale Stabilisierung mit einem von lateral angelegten Hauptimplantat unzureichend. Aus unserer Sicht sollte hier eine zusätzliche mediale Abstützung erfolgen. Diese kann sowohl durch eine mediale kurze Platte als auch durch ein Strut-graft zu erreichen sein. Die Anwendung der jeweiligen Technik richtet sich dabei nach der persönlichen Präferenz, den Erfahrungen und der Verfügbarkeit entsprechender Implantate bzw. Transplantate.

Revisionsendoprothetik bei periprothetischen Frakturen des Femurs

Die Prinzipien der Revisionsendoprothetik bei periprothetischen Frakturen entspricht den gleichen wie der bei Wechseloperationen aus anderen Indikationen. Der Einsatz revisionsendoprothetischer Implantate kommt immer dann zur Anwendung, wenn die einliegenden Prothesenkomponenten gelockert sind oder aber die knöcherne Substanz nicht ausreichend erscheint, eine Osteosynthese mit ausreichender Stabilität durchzuführen (Abb. 6).
Wie oben dargestellt, wird derzeit die apodiktische Indikation zur Wechseloperation bei B2-Verletzungen kontrovers diskutiert. Nach Ansicht der Autoren sollten folgende Gesichtspunkte dabei die Basis der Entscheidung formen:
1.
Durch welchen Eingriff können im Idealfall alle vorliegenden Probleme des Patienten gelöst werden, um die bestehende Mobilität zu erhalten, gegebenenfalls zu optimieren?
 
2.
Ist der Gesamtstatus des Patienten (unter Berücksichtigung möglicher präoperativer Verbesserungsoptionen) geeignet, um den in Frage 1 identifizierten Eingriff zu realisieren?
 
3.
Wenn Frage 2 mit „Nein“ beantwortet werden muss, durch welchen „kleineren“ Eingriff kann ein möglichst gutes Ergebnis (Schmerzzufriedenheit, Mobilisierbarkeit, Pflegemöglichkeit) erreicht werden?
 
An dieser Stelle sollte erwähnt werden, dass bei periprothetischen Femurfrakturen nach Hüft-TEP-Implantation nicht nur die Stabilität des Prothesenschaftes im Fokus stehen sollte. In der Analyse sollte auch die azetabuläre Komponente betrachtet werden. Hier sollten neben der Lockerung auch mögliche Abriebzeichen mit großen Osteolysen, mögliche Konversionen von Duokopfprothesen und der Einsatz von Dual-Mobility-Pfannen. Moderne Implantate lassen die Konversion mit entsprechenden Inlay-Wechseln ohne vollständigen Wechsel der Pfannenkomponente zu. So sollte neben der Frakturversorgung in gleicher Sitzung auch ein mögliches azetabuläres Problem angegangen werden. Hier bedarf es wie eingangs erwähnt der Kenntnis der verwendeten Implantate aus dem OP-Bericht oder Implantatpass.
Typische Indikationen für den Einsatz der Revisionsendoprothetik
  • Gelockertes Implantat
  • Fehlposition des Implantats
  • Gleichzeitig vorliegender massiver Abrieb mit ausgedehnten Osteolysen
  • Bestehende Instabilitäten bei muskulärer Insuffizienz
  • Schlechte Knochenqualität, die keine Verankerung einer Osteosynthese erlaubt
  • Schlechte biologische Voraussetzungen zur Heilung
  • Vorbestehendes Versagen einer Osteosynthese
Das grundsätzliche Prinzip beim Einsatz der Revisionsendoprothetik bei periprothetischen Frakturen ist es, im nicht alterierten Knochen eine ausreichende Implantatstabilität zu erreichen. Dies ist im Falle periprothetischer Femurfrakturen gleichbedeutend mit einer diaphysären Verankerung distal der Fraktur. Wesentliches Entscheidungskriterium sollte dabei immer sein, dass es zu einem Fehlschlagen der jetzt durchgeführten Versorgung kommen kann. Auch dann muss es noch einen Plan B geben. Insofern ist mit Ausnahme von Infektionen der weitestgehende Erhalt der knöchernen Substanz anzustreben.
Bezüglich der Verankerungsform werden im Regelfall zementfreie Prothesen empfohlen. Dies ist die logische Konsequenz aus der Überlegung, dass bei der Verwendung von Knochenzement dieser in die Frakturbereiche hineingelangt und eine Heilung behindert. Jedoch hat die zementfreie Versorgung – welche eine ausreichende Primärstabilität gewährleisten soll – auch Limitationen. In Fällen, in welchen der femorale Isthmus zerstört ist, kann eine suffiziente zementfreie Verklemmung nicht mehr möglich sein, sodass hier gegebenenfalls kombinierte Verfahren (Revision und Osteosynthese) angewandt werden müssen, um eben diesen Isthmus zu rekonstruieren und damit ein primäres diaphysäres Verklemmen des neuen Prothesenschaftes zu realisieren. Diese Stabilisierung lässt sich regelhaft mit Cerclagen erreichen, hier ist die Technik entscheidend. Es konnte gezeigt werden, dass hier signifikante Stabilitätsunterschiede erzielt werden können (Lenz et al. 2013b). Im eigenen Vorgehen werden Kabelcerclagen verwandt, die aufgrund der Tatsache, dass sie einfach gespannt, aber auch wieder entspannt werden können, intraoperativ die größtmögliche Variabilität ermöglichen bei gleichzeitig guter biomechanischer Performance (Abb. 7).
Auch wenn die zementfreie Revision das primär angestrebte Ziel ist, stellt die zementierte Verankerung gerade bei älteren Patienten aufgrund der sofortigen unmittelbaren Möglichkeit der Vollbelastung eine wertvolle Option dar. Auch da durch den Zusatz von Antibiotika die Infektionsrate wahrscheinlich gesenkt werden kann und gleichzeitig bei einer irregulären Knochenform eine stabile Verankerung des Implantats durch Anpassung an die Knochenform möglich ist. Insofern bedarf es ebenfalls einer individuellen Entscheidung (Abb. 8).

Typ-D-Frakturen, interprothetische Frakturen

Aufgrund der oben genannten demografischen Entwicklung entstand in den letzten Jahren eine immer größer werdende Gruppe von Patienten, bei welchen zwei prothetischen Komponenten am gleichen Knochen implantiert sind (Dexel et al. 2015). Dies betriff vor allem das Femur bei Vorliegen eines primären Hüft- bzw. Kniegelenkersatzes. Bis heute beschränkt sich die Literatur auf Fallbeschreibungen und kleinere Fallserien, sodass weder für die Inzidenz noch für die Ätiologie eine klare Evidenz existiert. So beschreiben Fink et al. in 5 Jahren gerade einmal 11 interprothetische Frakturen, während Platzer et al. auf 24 Fälle in 16 Jahren kommen (Fink et al. 2005; Platzer et al. 2011). Eine retrospektive Auswertung über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren kommt auf 76 Fälle, welche hauptsächlich (n = 57) osteosynthetisch stabilisiert wurden (Tibbo et al. 2021). Zwar konnten die Autoren mit 81 % revisionsfreien 2-Jahresintervallen sowie 95 % ambulant führbaren Patienten gute Ergebnisse präsentieren, jedoch muss bei der Interpretation dieser Daten der sehr lange Studienzeitraum berücksichtigt werden, in welchem sich sowohl die endoprothetischen als auch die osteosynthetischen Techniken und Implantate signifikant verändert haben.
Was biomechanisch als Risikofaktor identifiziert werden konnte, ist die sog. interprothetische Distanz, d. h. die Strecke des nicht implantatbesetzten Knochens zwischen den beiden Prothesen. Obwohl die bisherige Literaturlage nicht eindeutig ist und es widersprüchliche Ergebnisse gibt (Lesaka et al. 2005; Lehmann et al. 2012; Soenen et al. 2013), legen eigene bisher nicht publizierte Daten aus Finite-Elemente-Untersuchungen nahe, dass es zu einem erhöhten Stress auf den Knochen kommt, sofern die interprothetische Distanz kleiner als 6 cm ist. Daher sollte man in solchen Fällen eine protektive additive Plattenosteosynthese diskutieren, wie es auch andere Autoren bereits empfehlen (Dexel et al. 2015).
Beim Vorliegen einer interprothetischen Fraktur gelten die gleichen Grundsätze, wie sie bereits oben diskutiert wurden. Im Falle von fest integrierten Prothesenkomponenten bietet sich eine winkelstabile Plattenosteosynthese mit der Option der periprothetischen Schraubenverankerung an (Abb. 9).
Bei gelockerten Prothesenkomponenten oder im Falle von fehlenden Optionen zur Verankerung von Osteosynthesematerial sollte eine revisionsendoprothetische Rekonstruktion angestrebt werden, welche durchaus bei kompatiblen Implantaten als sog. Durchsteckprothese konzipiert werden können. Eine weitere Möglichkeit sind modulare oder patientenindividuelle Hülsensysteme („rescue sleeves“), welche über die beiden Prothesenschäfte montiert werden können und somit die interprothetische Distanz rein mechanisch überbrücken (Kösters et al. 2022).

Nachbehandlung

Die Nachbehandlung periprothetischer Frakturen rund um das Hüftgelenk ist von vielen Faktoren abhängig und hat patientenindividuell zu erfolgen. Grundsätzlich gilt, eine möglichst belastungsstabile Situation anzustreben. Die frühzeitige Mobilisation unter Zuhilfenahme geeigneter Gehhilfen sollte idealerweise direkt postoperativ unter physiotherapeutischer Anleitung und Begleitung erfolgen. Im Falle der Revisionsendoprothetik sind die gleichen Grundsätze wie in der Primärendoprothetik einzuhalten, was das Bewegungsausmaß sowie die Limitierung von Extrembewegungen angeht (z. B. zu tiefes Sitzen und extreme Rotationsbewegungen). Weiterhin sollte die Prothese regelmäßig klinisch als auch radiologisch kontrolliert werden, um etwaig auftretende Lockerungen und stabilitätsgefährdende Osteolysen frühzeitig zu detektieren und entsprechend zu reagieren.

Fazit für die Praxis

Die Therapie periprothetischer Femurfrakturen nach Hüft-TEP stellt auch heute noch eine Herausforderung an das behandelnde Team dar. Dabei haben sowohl die Osteosynthese als auch die Revisionsendoprothetik ihren begründeten Stellenwert. Der vorliegende Frakturtyp bestimmt wesentlich die Wahl des operativen Verfahrens. Bei komplexen Situationen, wie z. B. ausgedehnten knöchernen Defekten sind Kombinationsverfahren der Revisionsendoprothetik, strukturellen Allografts oder zusätzlichen Osteosynthesen zu überlegen.
Wesentliche Herausforderungen für die Osteosynthese sind die Typ-C-Verletzungen im Bereich der Prothesenspitze sowie die distalen Frakturen mit fehlender medialer Abstützung. Das Ergebnis der Osteosynthese muss einerseits eine adäquate Frakturreposition und -retention sein und auf der anderen Seite muss die Osteosynthese so konfiguriert sein, dass sie Mikrobewegungen zulässt, um eine sekundäre Knochenheilung suffizient zu induzieren. Dabei kommt dem Erhalt der lokalen Biologie eine übergeordnete Rolle zu. Es gilt dabei eine zusätzliche Schädigung der peri- und endostalen Blutversorgung zu vermeiden. Dabei wurde das Spektrum der osteosynthetischen Möglichkeiten durch die Einführung polyaxialer Schraubenoptionen in den letzten Jahren wesentlich erweitert.
Die Verwendung der Revisionsendoprothese ist im Allgemeinen der im Vergleich zur Osteosynthese größere und aufwändigere Eingriff, welcher mit einem erhöhten perioperativen Risiko einhergeht. Des Weiteren muss in der Regel ein großvolumigeres Implantat eingesetzt werden, welches per se mit einem erhöhten Infektionsrisiko vergesellschaftet ist. Zudem kann oftmals der oben genannte Erhalt der lokalen Durchblutung nur eingeschränkt realisiert werden, sodass durch die zusätzliche Schädigung der lokalen Biologie die Frakturheilung – wenn auch durch die Prothese suffizient überbrückt – eingeschränkt werden kann.
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