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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 16.07.2015

Singultus

Verfasst von: Ahmed Madisch, Mathias Bechtler und Ralf Jakobs
Der Singultus (lateinisch: Schluchzen, röcheln), im allgemeinen Sprachgebrauch auch Schluckauf genannt, ist ein meist kurzzeitiges Symptom ohne Krankheitswert. Dabei handelt es sich um reflektorische Einatembewegung bei gleichzeitigem Stimmlippenverschluss. Hält der Singultus über längere Zeit an, können neben der deutlichen Einschränkung der Lebensqualität ernsthafte Erkrankungen unterschiedlicher Organsysteme dahinter stecken, die einer differenzierten, aber auch interdisziplinären diagnostischen Abklärung bedürfen.

Definition

Der Singultus (lateinisch: schluchzen, röcheln), im allgemeinen Sprachgebrauch auch Schluckauf genannt, ist ein meist kurzzeitiges Symptom ohne Krankheitswert. Dabei handelt es sich um reflektorische Einatembewegung bei gleichzeitigem Stimmlippenverschluss. Hält der Singultus über längere Zeit an, können neben der deutlichen Einschränkung der Lebensqualität ernsthafte Erkrankungen unterschiedlicher Organsysteme dahinter stecken, die einer differenzierten, aber auch interdisziplinären diagnostischen Abklärung bedürfen.
Man unterscheidet je nach Dauer des Singultus
  • Singultusanfall mit bis zu 48 h Dauer
  • chronischer Singultus >48 h bis zu einem Monat
  • Therapierefraktärer Singultus >1 Monat

Pathophysiologie

Die physiologische und auch pathophysiologische Bedeutung des Singultus ist bis heute nicht bis ins letzte Detail verstanden. Bereits ab der 8. Schwangerschaftswoche können von der Mutter singultusähnliche Bewegungen des Fetus wahrgenommen werden. Der Singultus im Säuglingsalter ist nach der Nahrungsaufnahme sehr häufig, während er im zunehmenden Alter deutlich abnimmt, aber nie gänzlich verschwindet.
Beim Singultus geht man im allgemeinen von einer Störung im Schluckreflexbogen aus, bei dem der N. phrenicus, der N. vagus, der Hirnstamm und Sympathikus beteiligt sind.
Der Reflexbogen kann in 3 Anteile gegliedert werden:
  • Afferenter Schenkel: setzt sich aus den Fasern des Nn. vagus und phrenicus sowie den thorakalen Anteilen des Sympathikus von Th 6-Th 12 zusammen.
  • Zentrale Verschaltung: Unter der Annahme eines vom Atemzentrum unabhängigen Schluckzentrums sind unter Beteiligung der verschiedenen Hirnnervenkernen Hirnstamm und Hypothalamus miteinander verschaltet.
  • Efferenter Schenkel: Innervation des Zwerchfells durch den N. phrenicus, der vorderen Scalenus-Muskeln (C5–C/7), Interkostalmuskulatur sowie Innervation der Glottis durch den Rekurrens-Ast des N. vagus.
Die beim Schluckauf auftretende Zwerchfellkontraktion tritt in der Regel einseitig auf, meist links, beidseitiges Auftreten ist aber möglich. Nach Beginn der Zwerchfellkontraktion kommt es zu einem Glottisschluss, der die Inspiration prompt beendet und das charakteristische „Hicksgeräusch“ entstehen lässt. Heute geht man davon aus, dass es sich beim Singultus um einen gastrointestinalen Reflex handelt, der mit einer Reduktion der ösophagealen Peristaltik und des Tonus des unteren Ösophagussphinkters mit erhöhtem Säurereflux einhergeht. Beide Veränderungen normalisieren sich nach der Singultusattacke.

Epidemiologie

Exakte Daten zur Prävalenz und Inzidenz liegen nicht vor, da der Singultus ein Symptom mit unterschiedlich zugrunde liegenden Erkrankungen darstellt. Man geht davon aus, dass Männer und Frauen vom passageren Singultus gleichermaßen betroffen sind, während beim chronischen Singultus das männliche Geschlecht überwiegt. Der Altersgipfel des chronischen Singultus beim Mann liegt zwischen der 6. und 8. Dekade, während der der Frau in der 4. Dekade liegt.

Klinik

Man unterscheidet grundsätzlich den akuten vom chronischen Singultus, wobei Letzterer über mehr als 48 h andauert oder rezidiviert.
Die Singultusepisoden treten am häufigsten abends auf. Zwar kann der Singultus in jeder Phase des Atemzyklus vorkommen, er tritt jedoch am häufigsten in der Inspiration auf. Die Singultusfrequenz kann bei Patienten sehr stabil sein, variiert jedoch interindividuell sehr stark zwischen 2–60/min. Im Schlaf kann der Singultus ebenfalls auftreten, auch wenn im Allgemeinen der Schlaf eine hemmende Wirkung besitzt.

Diagnostik

Die Diagnostik zielt auf die möglichen vielfältigen Ursachen des Singultus, wobei häufig mehrere Fachdisziplinen im Sinne einer Interdisziplinarität einbezogen werden müssen. Nach ätiologischen Gesichtspunkten ist eine Einteilung wie folgt möglich:
  • peripher oder zentral-nervös
  • infektiös
  • medikamentös
  • metabolisch
  • psychogen
  • idiopathisch
Der akute Singultus beim Gesunden ist meistens selbstlimitierend und bedarf keiner weiteren Diagnostik. Eine akute Dehnung des Magens, bestimmte Nahrungsmittel bzw. Gewürze oder auch ein übermäßiger Alkoholgenuss kann dabei einen akuten Singultus auslösen.
Die Diagnostik des Singultus beginnt mit einer genauen Anamnese, die folgende Aspekte beinhalten sollte:
  • zeitlicher Ablauf der Singultusepisoden
  • Persistenz des Singultus während des Schlafes
  • Begleitsymptome (gastrointestinal, respiratorisch u. a.)
  • Beeinflussung des Singultus durch entsprechende Manöver
  • zurückliegende Operationen
  • Alkohol- und Drogenkonsum
Es folgt die körperliche Untersuchung, die insbesondere den Thorax, den Gastrointestinaltrakt, das Nervensystem, die Harnwege und den Hals-Nasen-Ohren-Bereich einschließt.
Die weitere apparative Diagnostik richtet sich im Weiteren nach den vermuteten Ursachen des chronischen Singultus, die in der Tab. 1 zusammengefasst ist.
Tab. 1
Ursache und Diagnostik bei chronischem Singultus
Ursache
Erkrankung
Diagnostik
Gastrointestinal
Ösophaguskarzinom
Refluxösophagitis inkl. Komplikationen
Motilitätsstörungen Ösophagus
Endoskopie obere GI-Trakt
Manometrie
CT Abdomen/Thorax
Infektion
Pneumonie, Pleuritis, Mykokarditis, Empyem
Labor
Endoskopie
CT Thorax
Postoperative Zustände
Operationen im Thorax, Abdomen oder Kopf
Anamnese
Endoskopie
Neurologisch
Zerebrovaskuläre Erkrankungen
Entzündungen (Meningitis, Enzephalitis)
ZNS-Tumore
Labor
CT/MRT Kopf
HNO
Pharyngitis, Laryngitis, Struma, Halstumore, zervikale Lymphknoten, Fremdkörper äußerer Gehörgang
HNO-Untersuchung
Kehlkopf-EMG
CT
Metabolisch und toxisch
Diabetes mellitus
Urämie
Elektrolytentgleisung
Alkohol
Anamnese
Labor
Medikamente
Benzodiazepine, Barbiturate, Dexamethason, α-Methyldopa, Etoposid, Sulfonamide
Anamnese
Psychogen
Stress, u. a. psychische Erkrankungen
Anamnese
Idiopathisch
 
Anamnese
Häufig liegt einem chronischen Singultus eine gastrointestinale Erkrankung zugrunde, ohne dass diese immer auch zu weiteren gastrointestinalen Symptomen führt. Dieses gilt insbesondere für Erkrankungen des Ösophagus wie z. B. die gastroösophageale Refluxkrankheit, gleichwohl der kausale Zusammenhang immer nur durch eine Therapie der Grunderkrankung mit gleichzeitiger Besserung des Singultus so zu belegen ist. Tritt der Singultus nach einem chirurgischem Eingriff auf, sind Komplikationen wie eine Peritonitis oder subphrenische Abzesse auszuschließen. Persistiert der Singultus im Schlaf ist eine organische Ursache wahrscheinlich und bedarf einer konsequenten Diagnostik.

Therapeutische Optionen

Im Vordergrund der Behandlung eines chronischen Singultus steht immer die Therapie der zugrunde liegenden Erkrankung. Wenn sich in der Diagnostik keine Ursache findet sind nichtmedikamentöse und medikamentöse Behandlungen möglich.
Bei der nichtmedikamentösen Therapie kommen respiratorische Manöver, nasale und pharyngeale Stimulation und vagale Reizungen zum Einsatz. Auch Verhaltenstherapien und Hypnose werden erfolgreich angewendet. Wenn die nichtmedikamentösen Therapien zu keinem dauerhaften Ansprechen führen, stehen pharmakotherapeutische Optionen zur Verfügung. Baclofen ist beim chronischen Singultus die Therapie der Wahl, meist auch in Kombination mit einem Protonenpumpenblocker oder einem Prokinetikum bei Vorliegen einer ösophagealen bzw. gastralen Ursache des Singultus. Die medikamentösen Therapieoptionen mit den entsprechenden Dosierungen sind in Tab. 2 zusammengefasst.
Tab. 2
Medikamentöse Therapieoptionen des Singultus
Medikament
Dosierung/Tag
mg oral
Baclofen
15–75
Metoclopramid
10–40
Amitriptylin
25–90
600–1.200
Haloperidol
5–10
Nifedipin
10–80
Chlorpromazin
50–60
Literatur
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