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Die Anästhesiologie
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Publiziert am: 14.08.2018

Infektionen durch multiresistente Erreger

Verfasst von: Sebastian Lemmen, Karl Lewalter und Wolfgang Krüger
Multiresistente Erreger bereiten vielen Intensivstationen zunehmend Probleme. Mit Hilfe einer aktuellen lokalen Resistenzstatistik, welche idealerweise 1- bis 2-mal jährlich vom betreuenden mikrobiologischen Labor erstellt und interpretiert wird, können Veränderungen im Resistenzspektrum retrospektiv erkannt werden. Diese Statistik stellt die Grundlage für die individuelle empirische Antibiotikatherapie dar.
Einleitung
Multiresistente Erreger bereiten vielen Intensivstationen zunehmend Probleme. Mit Hilfe einer aktuellen lokalen Resistenzstatistik, welche idealerweise 1- bis 2-mal jährlich vom betreuenden mikrobiologischen Labor erstellt und interpretiert wird, können Veränderungen im Resistenzspektrum retrospektiv erkannt werden. Diese Statistik stellt die Grundlage für die individuelle empirische Antibiotikatherapie dar.

Methicillinresistenz bei Staphylococcus aureus (MRSA)

Die Methicillinresistenz von S. aureus beruht auf einem veränderten Penicillinbindeprotein, das die Zielstruktur für β-Laktam-Antibiotika ist.
Methicillinresistenz bedeutet deshalb, dass alle β-Laktam-Antibiotika wie Penicilline, Cephalosporine (mit Ausnahme von Ceftarolin und Ceftobiprol), Carbapeneme und Monobactame klinisch als unwirksam einzustufen sind. Auch Substanzen wie z. B. Erythromycin, Doxycyclin oder Clindamycin, die teilweise in vitro eine Empfindlichkeit zeigen, sind für die Therapie bei schweren Infektionen nicht geeignet.
Da MRSA häufig auch gegen andere Antibiotikaklassen resistent sind, wird der Begriff im Sinne „multiresistenter Staphylokokkus“ benutzt. Wegen dieser Multiresistenz ist häufig das initiale empirische Antibiotikaregime inadäquat, woraus bei schweren Infektionen wie z. B. beatmungsassoziierter Pneumonie oder Sepsis eine signifikant höhere Letalität im Vergleich zu diesen Infektionen mit sensiblen S.-aureus-Stämmen resultiert [1]. Häufig haben Patienten mit MRSA-Infektionen chronische Begleiterkrankungen, liegen schon längere Zeit im Krankenhaus und wurden vorher mit Antibiotika therapiert.
Zur Therapie stehen heute in Ergänzung zu den bekannten Glykopeptiden wie Vancomycin oder Teicoplanin mit Telavancin ein weiterer Vertreter dieser Substanzklasse zur MRSA-Therapie zur Verfügung. Erstmals stehen aus der Gruppe der Cephalosporine die Substanzen Ceftobiprol und Ceftarolin mit Wirkung gegen MRSA zur Verfüguung. Ergänzend haben Antibiotika wie Linezolid, Daptomycin (nicht bei Pneumonie) oder Tigecyclin Wirksamkeit gegen MRSA. In Tab. 1 (Kap. Intensivmedizinische Aspekte der Antibiotikatherapie) sind das jeweilige antimikrobielle Spektrum und die zurzeit zugelassenen Indikationen für die neuen Substanzen dargestellt.
Tab. 1
Einteilung multiresistenter gramnegativer Stäbchen nach phänotypischen Resistenzeigenschaften [2]
Antibiotikagruppe
Leitsubstanz
P. aeruginosa
Acinetobacter spp.
3-MRGN
4-MRGN
3-MRGN
4-MRGN
3-MRGN
4-MRGN
Acylureidopenicilline
Piperacillin
R
R
Nur eine der 4 Antibiotikagruppen wirksam
R
R
R
Cephalosporine 3./4. Generation
Cefotaxim und/oder Ceftazidim
R
R
R
R
R
Carbapeneme
Imipenem und/oder Meropenem
S
R
R
S
R
Fluorochinolone
Ciprofloxacin
R
R
R
R
R
In den aktuellen Therapieleitlinien der Paul-Ehrlich Gesellschaft (www.p-e-g.de) und den Empfehlungen der Infectious Diseases Society of America (IDSA) wird bei der Behandlung von schweren, lebensbedrohlichen MRSA-Infektionen eine Kombination mit Vancomycin und anderen Antibiotika wie z. B. Rifampicin, Fosfomycin oder Aminoglykosiden empfohlen. Alternative Empfehlungen sind insbesondere bei der Pneumonie die Initialtherapie mit Linezolid oder bei intraabdominellen Infektionen mit Tigecyclin. Insbesondere bei intravasalen Infektionen wie z. B. Endokarditiden ist mit Daptomycin neben Vancomycin ein weiteres wirksames Medikament erhältlich.

Multiresistente gramnegative Stäbchen (MRGN)

Cephalosporine der 3. Generation werden in der Intensivmedizin oft bei Infektionen durch Enterobacteriaceae eingesetzt. In den letzten Jahren wurde v. a. bei Klebsiellen eine Resistenz gegen Cephalosporine der 3. Generation – häufig Ceftazidim oder Cefotaxim – beschrieben, die auf Breitspektrum-β-Laktamasen beruht („extended-spectrum betalactamases“; ESBL). Diese Resistenz ist durch Plasmide auch auf E. coli und andere Enterobacteriaceae übertragbar. Es sind über 150 unterschiedliche β-Laktamasen bekannt. Das Spektrum reicht von der Penicillinase über ESBL bis hin zu den Carbapenemasen. Aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher β-Laktamasen und der teilweise notwendigen zusätzlichen Untersuchungen wird die Resistenzursache im mikrobiologischen Labor nicht immer erkannt (Abb. 1).
Aus diesem Grunde ist 2013 durch die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) am Robert Koch-Institut eine neue Definition gramnegativer Multiresistenz auf Basis ihrer phänotypischen Resistenzeigenschaften veröffentlicht worden [2]. Zugrunde gelegt wurde eine Resistenz gegenüber den Antibiotika, welche als primär bakterizide Substanzen bei schweren Infektionen eingesetzt werden: Acylureidopenicilline, Cephalosporine der 3. und 4. Generation, Carbapeneme und Fluorochinolone. Besteht aus diesen 4 Wirkstoffgruppen noch eine sensible Therapieoption werden die Erreger als 3-MRGN (multiresistente gramnegative Stäbchen mit Resistenz gegen 3 der 4 Antibiotikagruppen) bezeichnet, sind die Erreger gegen alle 4 Antibiotikagruppen resistent werden sie als 4-MRGN bezeichnet (Tab. 1).
Für Patienten mit einer Sepsis mit multiresistenten gramnegativen Stäbchenbakterien (Nachweis in Blutkulturen) konnten eine signifikant höhere Letalität, eine verlängerte stationäre Liegedauer und erhöhte Kosten im Vergleich zu Patienten mit einer Sepsis mit sensiblen Erregern gezeigt werden [3].
Wird Enterobacter spp. als Erreger nachgewiesen, ist die Wirkung von Cephalosporinen grundsätzlich unsicher, da Klinikisolate häufig induzierbare, chromosomal kodierte β-Laktamasen produzieren und somit unter der Therapie resistent werden können. Empfohlen werden Tigecyclin, Carbapeneme oder Fluorchinolone.
3-MRGN-Erreger sind mit der Ausnahme von Pseudomonas aeruginosa per Definition noch sensibel für die Carbapeneme. Für 4-MRGN-Erreger steht keine wirksame Substanz aus den 4 antibiotischen Hauptklassen mehr zur Verfügung. Infektionen mit solchen Erregern können daher oft nur noch mit Medikamenten wie Tigecyclin oder Colistin behandelt werden. Gegenstand aktueller Studien sind daher wirksame Therapieschemata für Infektionen mit hochresistenten gramnegativen Erregern, da in den nächsten Jahren nicht mit der Neuentwicklung von wirksamen Antibiotika gerechnet werden kann. Als effektive Strategien haben sich v. a. Kombinationen von verschiedenen Antibiotika, meist Colistin plus eine weitere Substanz, sowie die Ausschöpfung der maximalen Dosierung der Präparate, z. B. Tagesdosen von 9–12 Millionen Einheiten Colistin oder 6 g Meropenem, erwiesen (Tab. 2). Bei Klebsiella pneumonia mit Carbapenemase-Nachweis (KPC) ist die Gabe von Meropenem nur sinnvoll, wenn die MHK ≤8 mg/l beträgt [4]
Tab. 2
Optionen für antibiotische Kombinationstherapien bei hochresistenten gramnegativen Erregern
 
Colistin
Meropenem
Tigecyclin
Sulbactam
Fosfomycin
Rifampicin
Dosierung
9–12 MIU
6 g
200/100 mg
5 mg/KG
9 g
8 g
1,2 g
P. aeruginosa
+++
+
-
+
-
++
-
A. baumanii
+++
+
++
-
++
+
+
K. pneumonia (KPC)
+++
++ (wenn MHK ≤8 mg/l
+
+
-
+
-
Ebenfalls effektiv kann die Kombination aus intravenöser und inhalativer Gabe von Colistin sein. In einer retrospektiven Kohortenstudie aus Italien bewirkte eine zusätzliche inhalative Gabe von Colistin bei ventilatorassoziierter Pneumonie durch hochresistente gramnegative Erreger signifikant häufiger eine klinische Heilung als die inhalative Gabe alleine [5]. Die Studienlage ist allerdings nicht einheitlich [6], sodass hier eine prospektive randomisierte klinische Studie erst noch wissenschaftliche Evidenz erbringen muss.
Aufgrund der aktuell deutlich eingeschränkten Therapieoptionen und noch fehlender Antibiotikaneuentwicklungen muss an dieser Stelle ein verantwortungsvoller und restriktiver Einsatz von Antibiotika sowie die Bedeutung von krankenhaushygienischen Maßnahmen, insbesondere der Händehygiene betont werden, um eine weitere Verbreitung dieser Erreger möglichst zu unterbinden.

Vancomycinresistenz bei Enterokokken (VRE)

Der Anteil vancomycinresistenter Enterokokken (VRE) hat in den letzten Jahren in Deutschland ständig zugenommen. Der Anteil von VRE an Enterokokken in Blutkulturen wird für das Jahr 2015 von der Antibiotika-Resistenz-Surveillance (ARS, www.ars.rki.de) des Robert Koch-Instituts mit 12,3 % angegeben, für das Jahr 2008 betrug diese Rate noch 6,9 %. Enterokokken sind häufige Erreger nosokomialer Infektionen wie z. B. Urogenital- und Abdominalinfektionen sowie auch Sepsiserreger. Insbesondere bei multimorbiden Patienten mit chronischen Grunderkrankungen, Patienten in der Hämatoonkologie oder nach Lebertransplantationen kommen Enterokokken als Infektionserreger häufig vor [7].
Enterokokken sind generell gegenüber allen Cephalosporinen und zunehmend auch gegen Penicilline resistent, ebenso liegt regelmäßig eine verminderte Aminoglykosid- und Clindamycinempfindlichkeit vor. Die Erreger sind zudem häufig tolerant gegenüber Carbapenemen und Fluorchinolonen, sodass überhaupt nur wenige Therapieoptionen gegen Enterokokken zur Verfügung stehen. Bei Vancomycinresistenz können Linezolid oder Tigecyclin eingesetzt werden. Für eine bessere Differenzierung des Stellenwerts dieser Substanzen müssen jedoch weitere klinische Studien abgewartet werden. Daptomycin ist gegen VRE wirksam, jedoch für diese Indikation nicht zugelassen, es existieren bisher nur wenige Fallberichte zum Einsatz dieser Substanz.
Literatur
1.
Gastmeier P, Sohr D, Geffers C et al (2005) Mortality risk factors with nosocomial Staphylococcus aureus infections in intensive care units: results from the German Nosocomial Infection Surveillance System (KISS). Infection 33:50–55CrossRefPubMed
2.
Bundesgesundheitsblatt: Hygienemaßnahmen bei Infektionen oder Besiedlung mit multiresistenten gramnegativen Stäbchen (2012) Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 55:1311–1354
3.
Schwaber MJ, Nacon-Venezia S, Kaye KS et al (2006) Clinical and economie impact of bacteremia with extended spectrum beta lactamase producing Enterobacteriaceae. Antimicrob Agents Chemother 50:1257–1262CrossRefPubMedPubMedCentral
4.
Lee CS, Doi Y (2014) Therapy of infections due to carbapenem-resistant gram-negative pathogens. Infect Chemother 46:149–164CrossRefPubMedPubMedCentral
5.
Tumbarello M, Pascale GD, Trecarichi EM et al (2013) Effect of aerosolized colistin as adjunctive treatment on the outcomes of micobiologically documented ventilator-associated pneumonia caused by colistin-only susceptible gram-negative bacteria. Chest 144:1768–1775CrossRefPubMed
6.
Kollef MH, Hamilton CW, Montgomery AB (2013) Aerosolized antibiotics: do they add to the treatment of pneumonia? Curr Opin Infect Dis 26:538–544CrossRefPubMedPubMedCentral
7.
Mutters NT, Mersch-Sundermann V, Mutters R et al (2013) Kontrolle von Vancomycin-resistenten Enterokokken im Krankenhaus. Dtsch Ärztebl 110:725–731