Skip to main content
Die Gynäkologie
Info
Publiziert am: 30.11.2021

Lageveränderungen des weiblichen Genitale

Verfasst von: Christine Skala, Anton Scharl und Uwe-Jochen Göhring
Den Schwerpunkt dieses Kapitels stellt die Diagnostik und die Therapie des Deszensus genitalis dar. Die Prävalenz des Deszensus genitalis ist sehr hoch, eine Indikation v. a. für eine invasive Therapie besteht aber nur bei einem klinischen Beschwerdebild. Nach der Definition werden die ätiologischen Ansätze und die Risikofaktoren des Deszensus besprochen. Die Einteilung des Deszensus kann nach Kompartimenten, nach klinischer Ausdehnung und nach Defekthöhe erfolgen. Die Bedeutung der Anamnese wird herausgehoben. Die diagnostischen Mittel werden dargestellt. Dabei wird die Bedeutung der gynäkologischen Untersuchung mit vaginaler Tastuntersuchung hervorgehoben. Der Ultraschall stellt einen unverzichtbaren Teil der Diagnostik dar. Schließlich werden die therapeutischen Möglichkeiten dargestellt. Die konservativen Optionen werden ausgeführt. Danach werden die operativen Eingriffe je nach betroffenem Kompartiment vorgestellt und die verschiedenen Zugangswege im Vergleich diskutiert.
Die Urogynäkologie befasst sich mit der Diagnostik und der Therapie von gynäkologischen Erkrankungen der unteren Harnwege und des Beckenbodens. Dazu zählen auch Lageveränderungen der weiblichen Genitalorgane.

Intraperitoneale Lageveränderungen des weiblichen Genitale

Die „normale“ Lage

Bei der Beschreibung der Lage des Uterus werden die Beziehung des Uterus zum kleinen Becken und die Beziehung des Corpus zur Zervix betrachtet. Die Lage des Uterus wird mit folgenden Begriffen beschrieben:
  • Positio uteri – Lage im kleinen Becken:
    • z. B. Dextropositio, Sinistropositio u. a.,
    • Höhenstand, z. B. Deszensus uteri (Abschn. 2)
  • Versio uteri – Neigung des Uterus im kleinen Becken:
    • Anteversio,
    • Retroversio.
  • Flexio uteri – Abknickung des Corpus uteri gegen die Cervix uteri:
    • Anteflexio,
    • Retroflexio.
Die „normale“ Lage des Uterus
Bei den meisten Frauen liegt der Uterus im kleinen Becken mittelständig, ist gegenüber der Längsachse der Vagina nach vorne geneigt (Anteversio) und zwischen Fundus und Cervix uteri nach vorne abgeknickt (Anteflexio) (Abb. 1).
Der Uterus ist im Normalfall nicht fixiert. Seine Beweglichkeit ist durch seine federnde Aufhängung im kleinen Becken v. a. durch die sogenannten „Haltebänder“, die Ligg. sacrouterina und die Ligg. cardinalia gegeben. So bleibt seine Position variabel und kann sich damit den topografischen Veränderungen anpassen, die durch den Füllungszustand der Harnblase oder des Rektums oder auch durch eine Gravidität gegeben sind.
Da die Mehrzahl der Frauen eine antevertierte anteflektierte Uteruslage aufweisen, spricht man im klinischen Alltag von der normalen Lage, was aber nicht bedeutet, dass alle abweichenden Lagen als unnormal oder pathologisch anzusehen sind.
Voraussetzung für eine physiologische Uteruslage ist diejenige, die die physiologisch notwendige Mobilität und Anpassungsfähigkeit ermöglicht. Dementsprechend gibt es eine Reihe von Variationen, die als Normvarianten der antevertierten, anteflektierten Uteruslage zu sehen sind.

Normvarianten

Lateroposition, -version, -flexion

Die seitliche Verlagerung nach rechts (Dextropositio) oder links (Sinistropositio) oder die Flexion können als Normvariante vorkommen und haben nur dann Bedeutung, wenn die Lageveränderung durch Tumoren, Myome oder Verwachsungen bedingt ist.

Verdrehungen

Verdrehungen des gesamten Uterus um seine Längsachse werden als Rotation, Verdrehungen des Korpus gegen die Zervix als Torsion bezeichnet. Sie sind ohne Krankheitswert, wenn sie nicht durch pathologische Prozesse (Entzündungen, Tumoren) entstehen.

Retroversio/Retroflexio uteri

Eine Retroversio/Retroflexio uteri wird bei knapp 10 % aller Frauen gefunden und ist damit die zweithäufigste Uteruslage (Abb. 2). Sie wird v. a. bei kleinem Uterus gesehen, wie er in der Kindheit oder in der Postmenopause auftritt. Eine Retroversio/Retroflexio uteri ist in der Mehrzahl der Fälle eine asymptomatische Normvariante. Dennoch wurde sie für Dysmenorrhoe und Hypermenorrhoe verantwortlich gemacht. Meist haben diese Beschwerden aber andere Ursachen. Die oft angegebenen Rückenschmerzen sind meist statisch-orthopädisch und nicht durch die Lagevariante bedingt. Bei einem kleinen Prozentsatz von Frauen mit Rückenschmerzen konnte allerdings durch das Aufrichten des Uterus eine Linderung der Schmerzen erreicht werden, sodass in manchen Fällen ein ursächlicher Zusammenhang angenommen werden muss. Auch eine Sterilität wird gelegentlich auf eine Retroflexio uteri zurückgeführt. Die frühere Annahme, dass ein retroflektierter Uterus in der Kreuzbeinhöhle wie ein Tumor auf das vegetative Nervensystem der hinteren Beckenwand drücke und so Schmerzen auslöse, erscheint heute zweifelhaft. Auch ein retroflektierter Uterus im ersten Trimenon der Schwangerschaft verursacht selten Beschwerden und richtet sich meist spontan auf (Beck 1995). Unterbleibt allerdings die Aufrichtung, wird der wachsende Uterus im kleinen Becken fixiert (Retroflexio uteri incarcerata) und führt zu zunehmenden Beschwerden, wie z. B. Harnverhalt.

Pathologische Uteruslage

Pathologische Uteruslage
Jegliche Uteruslage wird dann pathologisch, wenn die physiologische Beweglichkeit des Uterus nicht mehr gegeben ist, und somit keine Anpassung an die topografischen Veränderungen des kleinen Beckens (Blasenfüllung, Darmfüllung, Gravidität) erfolgen kann.

Retroflexio uteri fixata

Eine Retroflexio uteri fixata (Abb. 3) entsteht durch Verwachsungen, v. a. des Fundus uteri mit dem Rektum, als Folge von Entzündungen, Endometriose oder Operationen. Sie kann verantwortlich sein für Rückenschmerzen, Dysmenorrhoe, Dyspareunie, Blutungsanomalien sowie für Verdauungsstörungen.
Bei einer Retroflexio uteri fixata kann versucht werden, durch eine operative Adhäsiolyse den Uterus zu mobilisieren und aufzurichten. Aber auch hier ist der dauerhafte Erfolg höchst zweifelhaft, rezidivierende Verwachsungen sind häufig.

Zusammenfassung

Bei den meisten Frauen liegt eine antevertierte, anteflektierte Uteruslage vor. Jede Abweichung von dieser Lage ist als Normvariante zu betrachten und wird nur dann pathologisch, wenn die physiologische Beweglichkeit des Uterus nicht mehr gegeben ist. Eine operative Lageveränderung bringt der Patientin keinen erwiesenen Nutzen.

Extraperitoneale Lageveränderungen: Deszensus

Deszensus
Senken sich Beckenorgane aus ihrer normalen Position in und aus der Vagina, so spricht man von Deszensus.

Epidemiologie

Es gibt nur wenige aussagekräftige epidemiologische Studien zum Deszensus. Im Rahmen der WHI-Studie wurden 27.342 Frauen untersucht. Dabei zeigte sich bei mehr als einem Drittel ein Deszensus genitalis (Hendrix et al. 2002). In der Pelvic Organ Support Study (POSST) von Swift et al. wurde von 1004 Patientinnen aus der gynäkologischen Sprechstunde der POP Q bestimmt (Swift et al. 2005). Dabei zeigt sich, dass nur 24 % der untersuchten Patientinnen keinen Deszensus hatten. In einer Literaturanalyse von Barber und Maher von 2013 geht man von einer Prävalenz von 50 % aus (Barber und Maher 2013). Ein symptomatischer Deszensus liegt aber nur bei 3–6 % der Patientinnen vor.
Damit wird deutlich, dass es sich um ein weit verbreitetes Phänomen handelt, dem eine große klinische Bedeutung zukommt. Aus diesem Grund wurden auch im Rahmen der DGGG neue Leitlinien zur Diagnostik und Therapie des Deszensus erstellt (S2-Leitlinie 2016).
Es wird zwischen einem symptomatischen Deszensus mit Funktionsverlust und einem asymptomatischen Deszensus unterschieden.

Ätiologie

Es gibt wenige Informationen über den ätiologischen Mechanismus. Man geht von einem multifaktoriellen Geschehen aus.

Darstellung auf molekularbiologischer Ebene

1996 hat die Arbeitsgruppe um Jackson et al. eine Hypothese vorgestellt, mit der erstmals versucht wird, die Entwicklung eines Prolapses auf der molekularen Ebene darzustellen (Jackson et al. 1996). Sie konnten zeigen, dass im Gewebe von Patientinnen mit einem Genitaldeszensus weniger Kollagen, aber deutlich mehr Kollagenvorstufen zu finden sind. Diese sind mechanisch deutlich weniger belastbar. Außerdem ist die Metalloproteinase-Aktivität erhöht, was zu einem gesteigerten Abbau von Kollagen führt. Diese Hypothese wurde in den folgenden Jahren mehrfach bestätigt. Patientinnen mit einem Prolaps haben einen höheren Umsatz von Kollagen.

Darstellung auf mechanischer Ebene

Der kaudale Abschluss der Bauchhöhle wird zur Hauptsache durch die Muskelgruppe des M. levator ani gewährleistet. Spiegelbildlich zum Zwerchfell formen die Levatorenteile einen schüsselförmigen Boden, auf dem die Beckenorgane liegen. Lediglich unter der Symphyse ist eine dreieckige Lücke ausgespart, der Hiatus urogenitalis, welcher dem Durchtritt von Harnröhre und Vagina dient. Dieser Levatorspalt wird partiell durch das quer zwischen den Schambeinästen ausgespannte sogenannte Diaphragma urogenitale (hauptsächlich M. transversus perinei profundus) abgedeckt. Daraus wird deutlich, dass der Hiatus urogenitalis die Schwachstelle im Gesamtkomplex des Beckenbodens darstellt.
Das komplexe Zusammenspiel der endopelvinen Faszie, des M. levator ani, der Ligg. cardinalia und der Ligg. sacrouterina bildet den Halteapparat der Beckenorgane.
Eine Erhöhung des intraabdominalen Drucks, Erschlaffung der Bauchdecken und Verminderung der Lungenzugwirkung im Alter führen zu stärkerer Belastung des Beckenbodens. Wenn die funktionellen und statischen Haltemechanismen dem von kranial einwirkendem Druck nicht mehr standhalten, kommt es im Bereich des geringsten Widerstandes, also im Hiatus genitalis, zum Herabsinken der dem Hiatus aufliegenden Organe, des Uterus, der Vagina, der Harnblase und des Rektums. Die Senkung tritt zunächst nur unter Druckbelastung, z. B. beim Pressen auf, später kann es zum permanenten Deszensus kommen.

Risikofaktoren

Der größte Risikofaktor für einen Deszensus genitalis scheint die vaginale Entbindung zu sein. Im Zusammenhang mit der besseren bildlichen Darstellung des Beckenbodens durch die Sonografie und v. a. durch die 3D-Sonografie konnten Geburtsschäden des Beckenbodens nach Partus genauer dargestellt werden (Lanzarone und Dietz 2007). Im Zusammenhang mit dem Spontanpartus und v. a. auch mit vaginal operativen Entbindungen wurden Abrisse der Levatorenschenkel beschrieben (Albrich et al. 2012; Dietz 2006), die im Verlauf zu einem Deszensus führen.
Daneben spielen Schwangerschaft, Alter, genetische Faktoren, Östrogenmangel, Traumata, chronische Erkrankungen, Nikotinabusus und vorangegangene Operationen eine große Rolle. Außerdem zählt auch ein chronisch erhöhter intraabdominaler Druck, wie es bei chronischer Obstipation, bei chronischem Husten oder bei schwerer körperlicher Arbeit der Fall ist, zu den Risikofaktoren. Die Mehrzahl der Patientinnen mit einem manifesten Genitaldeszensus weist mindestens 2 Risikofaktoren auf, die im Laufe der Zeit zu einer Zunahme des Deszensus führen (vgl. Übersicht).
Risikofaktoren für einen Genitaldeszensus
  • Vaginale Geburt,
  • Schwangerschaft,
  • Alter,
  • genetische Prädisposition,
  • Traumata und vorausgehende Eingriffe am Beckenboden,
  • chronisch erhöhter intraabdominaler Druck (Obstipation, chronische Bronchitis, schwere körperliche Arbeit).

Einteilung

Klinisch nach dem betroffenen Kompartiment

Die Vagina wird in 3 Kompartimente unterteilt: Das vordere Kompartiment umfasst Blase und Urethra, das mittlere Kompartiment Uterus und den Vaginalapex, das hintere Kompartiment Rektum und Perineum. Ein Deszensus kann einzelne oder alle Kompartimente zusammen betreffen.
Vorderes Kompartiment
Betrifft der Deszensus das vordere Kompartiment so spricht man von einer (Urethro-)Zystozele (Abb. 4). Der Deszensus des vorderen Kompartiments ist der häufigste Defekt des Beckenbodens und geht mit der Bildung einer Zystozele einher.
Man unterscheidet zwei Formen der Zystozele:
  • die Dehnungs- oder Distensionszystozele und
  • die Verlagerungs- oder Traktionszystozele.
Es können auch Mischformen vorliegen.
Durch Überdehnung der vorderen Scheidenwand mit der dadurch verbundenen Aussackung des Blasenbodens entsteht eine Dehnungs- oder Distensionszystozele. Es liegt ein zentraler Defekt vor. Die lateralen Sulci sind gut verankert. Die Rugae sind verstrichen (Abb. 5).
Durch Abriss der seitlichen Aufhängestrukturen der Scheide an der Beckenwand entsteht eine Verlagerungs- oder Traktionszystozele. Die Rugae sind erhalten. Es zeigt sich ein ein- oder beidseitiger Abriss der Vaginalsulci (Abb. 6). Die Unterscheidung der Zystozelenform ist wichtig, weil es einen entscheidenden Einfluss auf das operative Vorgehen hat.
Hinteres Kompartiment
Betrifft der Deszensus das hintere Kompartiment, besteht eine Rektozele (Abb. 7).
Mittleres Kompartiment
Ist das mittlere Kompartiment betroffen, so besteht ein Descensus uteri (Abb. 8, Tab. 1). Bei Zustand nach Hysterektomie senkt sich so der Vaginalstumpf und kann einen Scheidenblindsackprolaps ggf. mit einer Enterozele (Abb. 9) ausbilden. Im Gegensatz zur Zysto- und Rektozele ist die Enterozele eine echte Hernie mit peritonealen Bruchsack und einer Bruchpforte.
Tab. 1
Klinische Einteilung des Deszensus nach betroffenem Kompartiment
Kompartiment
Befund
Vorderes Kompartiment
(Urethro-)Zystozele
• 1. Distensionszystozele
• 2. Traktionszystozele
Mittleres Kompartiment
 
• mit Uterus
• • Zustand nach Hysterektomie
Deszensus uteri, Enterozele
Scheidenblindsackprolaps, Enterozele
Hinteres Kompartiment
Rektozele

Nach der klinischen Ausprägung

Klinisch wird das Ausmaß der Senkung in 3 Grade eingeteilt (Abb. 10):
  • Grad 1: Senkung bis in das untere Vaginaldrittel,
  • Grad 2: Senkung bis zum Hymenalsaum,
  • Grad 3: Senkung vor den Introitus.
Manchmal wird der Totalprolaps vom Grad 3 Deszensus abgegrenzt.
  • Grad 4: Totalprolaps von Uterus und Vagina.
Da häufig mehr als ein Kompartiment von der Senkung betroffen ist, werden bei der Befunderhebung letztendlich alle 3 Kompartimente gesondert beschrieben: z. B. Deszensus uteri 1. Grades mit Zystozele 2. Grades und Rektozele 1. Grades.
POP-Q
Seit 1996 hat sich v. a. im angloamerikanischen Sprachraum ein standardisiertes Prolaps-Messsystem bewährt, die Pelvic Organ Prolaps Quantification (POP-Q), mit dem sich der Deszensusgrad genauer quantifizieren, beschreiben und in Stadien einteilen lässt (Bump et al. 1996). Der klinische Untersuchungsbefund wird mit 9 Zahlen ausgedrückt, aus denen der klinische Befund zu sehen ist. Bei der auf 9 Punkten basierenden quantitativen ICS-Klassifizierung des Genitalprolapses handelt es sich um eine Reihe von Einzelpunktbestimmungen. Diese bestehen aus einem fixen Referenzpunkt (Hymen) und 6 damit in Beziehung stehenden definierten Punkten in der Vagina (2 anterior, 2 posterior, 2 apikal). Ein Punkt kranial des Hymenalsaums wird als negative Zahl ausgedrückt, ein Punkt kaudal als positive Zahl. Die 6 anatomischen Punkte sind folgende (Abb. 11):
  • Der Punkt Aa ist ein Punkt in der Mitte der vorderen Vaginalwand, 3 cm proximal des Meatus urethrae externus. Dies entspricht annähernd dem urethrovesikalen Übergang.
  • Punkt Ba ist ein Punkt, der die distalste Position des oberen Anteils der vorderen Vaginalwand, der Vaginalmanschette oder des vorderen Scheidengewölbes zu Aa darstellt. Ohne Prolaps liegt Ba definitionsgemäß bei –3 cm.
  • Punkt C ist ein Punkt, der das distalste Ende der Zervix bzw. der Vagina bei Zustand nach Hysterektomie darstellt.
  • Punkt D ist ein Punkt, der dem hinteren Scheidengewölbe und damit den Ansatzpunkten der Ligg. sacrouterina an der proximalen Zervixhinterwand entspricht. Er wird bei entfernter Zervix weggelassen.
  • Punkt Bp ist ein Punkt, der die distalste Position des oberen Abschnitts der hinteren Scheidewand, der Vaginalmanschette oder des hinteren Scheidengewölbes zu Punkt Ap einnimmt.
  • Punkt Ap ist ein Punkt, der in der Mitte der hinteren Scheidenwand 3 cm proximal des Hymens gelegen ist.
Folgende 3 Messpunkte vervollständigen das Quantifizierungssystem:
  • Der genitale Hiatus (gh) wird von der Mitte des Meatur urethrae externus bis zur hinteren Mittellinie des Hymens gemessen.
  • Das Centrum tendineum perinei (perineal Body pb) stellt die Distanz von der Mitte der hinteren Kommissur bis zur Mitte der Analkanalöffnung dar.
  • Die totale vaginale Länge (tvl) entspricht der größten Tiefe der Vagina nach vollständiger Reposition.
Das POP-Q-Messsystem soll anhand einiger Beispiele demonstriert werden.
POP-Q-Messsystem: Beispiele
Beispiel 1: Kein Anhalt für Deszensus.
Klinischer Befund: Kein Anhalt für Deszensus
–3
Aa
–3
Ba
–8
C
4
gh
3
pb
10
tvl
–3
Ap
–3
Bp
–10
D
Beispiel 2: Zystozele und Deszensus.
POP-Q: Zystozele 2. Grades, Deszensus uteri 1. Grades
–1
Aa
–1
Ba
–5
C
4
gh
3
pb
10
tvl
–3
Ap
–3
Bp
–10
D
Beispiel 3: Rektozele.
POP-Q: Rektozele 2. Grades
–3
Aa
–3
Ba
–7
C
4
gh
3
pb
10
tvl
0
Ap
–1
Bp
–7
D

Nach Höhe des Bindegewebsdefekt

Die endopelvine Faszie, der M. levator ani, die Ligg. cardinalia und die Ligg. sacrouterina bilden den Halteapparat der Beckenorgane und sind eine funktionelle Einheit. DeLancey nahm trotzdem eine Unterteilung der Haltestrukturen in 3 Level vor (DeLancey 1992). Diese Unterteilung erscheint künstlich, wird aus didaktischen Gründen aber angewandt.
Level I stellt den Halteapparat des Vaginalapex dar. Anatomisch sind das vertikale Fasern des Parakolpiums, die eine Verlängerung des Lig. cardinale darstellen.
Level II ist das stützende Gewebe des mittleren Vaginaldrittels. Die Parakolpien ziehen von der lateralen Vaginalwand zum Arcus tendineus und zur Muskelfaszie des M. levator ani.
Das untere vaginale Drittel ist an der perinealen Membran, am M. levator ani und am Perineum fixiert. Das entspricht dem Level III.
Je nach Defekthöhe kommt es zu unterschiedlichen Senkungsmanifestationen:
  • Ist Level I betroffen, kommt es zu einem Deszensus uteri oder zu einer Enterozele.
  • Ist Level II betroffen, entsteht eine Zystozele oder eine Rektozele.
  • Ist Level III betroffen, zeigt sich ein Deszensus der proximalen Urethra, des Perineums und des Anus.

Anamnese bei Deszensus

Das Gespräch mit der Patientin und die Erhebung der Krankengeschichte ist eine wichtige Voraussetzung für die weitere Diagnostik und Therapie. Zum einen schafft das Patientengespräch das nötige Vertrauen, hilft Distanzen abzubauen und Offenheit für die Anliegen der Patienten zu demonstrieren. Zum anderen vermittelt die genaue Anamnese die nötigen Informationen, die den Weg zur Diagnose bahnen.
Es sollte neben der allgemeinen und gynäkologischen Krankengeschichte mit der Frage nach Geburten und Geburtstraumen auch eine Inkontinenzanamnese erhoben werden. Dabei wird nach der Häufigkeit und dem Ausmaß des ungewollten Urinverlusts gefragt, die Situationen, in denen es zu Inkontinenzepisoden kommt, eruiert, die Trinkmenge und die Miktionsfrequenz und eine Nykturie erfragt. Nach einer möglichen Drangsymptomatik sollte sich erkundigt werden. Weiterhin wird auch eine Defäkationsanamnese vorgenommen, um eine chronische Konstipation oder eine Stuhlinkontinenz aufzudecken. Außerdem wird die aktuelle Medikation erfragt. Die Familien- und Sozialanamnese geben Auskunft über konstitutionelle Faktoren und die körperliche Belastung im Alltag. Es ist wichtig, die Patientin nach ihrer Vita sexualis zu fragen, zum einen um bestehende Probleme und Beschwerden zu ermitteln, zum anderen um ein mit dem Sexualleben der Patientin zu vereinbarendes therapeutisches Verfahren in Erwägung zu ziehen.
Mit einem standardisierten Fragebogen kann ermittelt werden, inwieweit die Beschwerden im Alltag die Lebensqualität der Patientin einschränken. Um die Lebensqualität, den Leidensdruck und somit auch den Krankheitswert erfassen zu können, haben sich z. B. der King’s Health Questionnaire (Kelleher et al. 1997) oder auch der deutsche Beckenbodenfragebogen (Baessler und Junginger 2011) bewährt.
Schon die Anamnese berührt das Privatleben der Patientin in hohem Maß. Es ist mit viel Feingefühl vorzugehen. Die sorgfältige Anamnese ermöglicht eine Arbeitshypothese. Das Beschwerdebild der Patientin und v. a. der Leidensdruck bestimmen das diagnostische Vorgehen. Einige diagnostische Mittel können bereits ausgeschlossen werden, da sie keine neuen Informationen bringen werden. Eine ausgedehnte Diagnostik ist nur dann sinnvoll, wenn sich aus den Ergebnissen auch therapeutische Konsequenzen ergeben.
Ein asymptomatischer Deszensus stellt keine Indikation für eine Operation dar! Schon bei der Erhebung der Anamnese sollte nach den Erwartungen der Patientin gefragt werden. Eine gemeinsame Zielsetzung mit der Patientin wird besprochen.
Anamnese bei Deszensus
Die Erhebung der Krankengeschichte der Patientin setzt sich aus vielen Teilbereichen zusammen:
  • Allgemeine Anamnese.
  • spezielle gynäkologische Anamnese,
  • Inkontinenzanamnese (Harninkontinenz, Stuhlinkontinenz),
  • Sozialanamnese,
  • Familienanamnese,
  • Sexualanamnese.

Symptomatik

Symptomatik der Zystozele

Die Symptomatik der Zystozele kann sehr vielgestaltig sein. Bei manchen Patientinnen bestehen keine Beschwerden, während andere viele verschiedene Symptome aufweisen. Mögliche typische Symptome sind z. B. eine Harndrangsymptomatik, ggf. auch mit Urinverlust, Restharngefühl nach Miktion, Blasenentleerungsstörungen mit Miktion ggf. nur unter Einsatz der Bauchpresse oder nach manueller Reposition und begleitende rezidivierende Harnwegsinfekte. Die Blasenentleerungsstörungen können letztendlich zu einem Harnverhalt und auch zu einer Urosepsis führen. Manchmal werden ein vaginales Kloßgefühl oder ziehende Unterbauchschmerzen angegeben.
Symptome der Zystozele sind:
  • Blasenentleerungsstörungen, Restharnbildung, rezidiv. Harnwegsinfekte Harnverhalt, Urosepsis,
  • Vaginales Kloß- oder Fremdkörpergefühl,
  • Imperativer Harndrang mit und ohne Dranginkontinenz.

Symptomatik bei Deszensus des mittleren Kompartiments

Ein Deszensus uteri kann ebenfalls ohne Symptomatik bestehen. In einigen Fällen werden vaginales Kloßgefühl und ziehende Unterbauchschmerzen angegeben, oder das Gefühl auf einem Fremdkörper zu sitzen. Ein Deszensus uteri kann ebenfalls zu Blasenentleerungsstörungen oder auch zu Darmentleerungsstörungen mit Flatulenz führen.
Beim Deszensus vaginae mit Enterozelenbildung oder beim Scheidenblindsackprolaps zeigt sich ebenfalls oft ein unspezifisches Beschwerdebild. Es kann auch hier zu vaginalem Kloßgefühl und ggf. auch zu Blasenentleerungsstörungen kommen.

Symptomatik der Rektozele

Eine Senkung der hinteren Vaginalwand mit Vorwölbung des Rektums nennt man Rektozele. Diese geht oft mit einer Damminsuffizienz einher.
Hat sich eine Rektozele gebildet, dann berichtet die betroffene Patientin häufig über eine unvollständige Enddarmentleerung, einer sogenannten „stool outlet obstruction“. Oft kommt es zu mehreren Defäkationen pro Tag mit Stuhlnachschmieren, zu ungewolltem Absetzen von kleinen Stuhlmengen oder auch zu Flatulenz. Während der Defäkation sammelt sich Stuhl in der Rektozele, die tiefer als der Anus liegt. Bei körperlicher Bewegung können nun ungewollt kleine Stuhlmengen aus der Rektozele zurück in die Ampulla recti und aus dem Anus gedrückt werden.
Eine Rektozele kann auch mit einer Harndrangsymptomatik und Blasenentleerungsstörungen einhergehen. Bei einer ausgeprägten Rektozele drückt sich diese an die Vaginalvorderwand und presst sich gegen die Urethra, sodass es auch bei einem Deszensus des hinteren Kompartiments zu obstruktiven Blasenbeschwerden kommen kann.
Symptome bei Rektozele:
  • Stool outlet obstruction mit Stuhlentleerungsstörungen, Stuhlnachschmieren, Stuhlinkontinenz,
  • Konstipation und Defäkation nach manueller Reposition,
  • Flatulenz,
  • Kloßgefühl,
  • Harndrangsymptomatik.
Jeglicher höhergradige Deszensus kann außerdem zu Hautulzerationen und Druckstellen der Vaginalwand führen.

Diagnostische Mittel bei Deszensus

Klinisch gynäkologische Untersuchung

Die klinische Untersuchung erfolgt in 3 Funktionszuständen.
  • Ruhezustand,
  • maximales Pressen (Valsalva),
  • maximales Anspannen der Beckenbodenmuskulatur.
Nur so kann das Ausmaß eines Deszensus, aber auch das Potenzial des Beckenbodens abgeschätzt werden.

Inspektion

Bei der Inspektion des äußeren Genitale wird der Introitus betrachtet:
  • Ist er geschlossen oder klafft er, öffnet er sich, was wölbt sich vor?
  • Wie ist der Damm beschaffen? Wie hoch ist er? Zeigen sich narbige Veränderungen z. B. nach Episiotomie?
  • Der Analring wird beurteilt.
  • Wie ist die Beckenbodenwillkürmotorik? Eine adäquate Beckenbodenkontraktion führt zu einem sichtbaren Effekt im Bereich des Perineums und Anus.

Spekulumeinstellung

Es ist von Vorteil, ein zweiteiliges Spekulum zu verwenden, weil so der vaginale Halteapparat besser beurteilt werden kann. Während der Untersuchung werden die Art und das Ausmaß des Deszensus z. B. anhand des POP-Q-Messsystems bestimmt (s. oben).
Die Spekula werden in üblicher Weise eingebracht. Die Vaginalwände werden betrachtet und Druckstellen, Ulzeration, dekubitale Geschwüre ausgeschlossen. Zunächst wird das hintere Blatt belassen und das vordere langsam zurückgezogen. So stellt sich eine Zystozele dar. Die Unterscheidung zwischen Traktions- und Distensionszystozele kann jetzt vorgenommen werden. Ist die laterale Aufhängung intakt und sind die Rugae verstrichen, so handelt es sich um einen zentralen Defekt, der bei einer Distensionszystozele vorkommt (Abb. 5). Wenn die Rugae nicht verstrichen sind und die beiden lateralen Sulci herabsinken, besteht eine Traktionszystozele (Abb. 6). Bei liegendem hinterem Blatt und Beckenbodenkontraktion kann die Willkürmotorik anhand der Bewegung, die das liegende hintere Blatt vollzieht, gut eingeschätzt werden.
Danach erfolgt das Wiedereinlegen des vorderen Blatts: Die Patientin wird noch einmal gebeten, kräftig zu pressen. Beide Blätter werden langsam herausgezogen und beobachtet, ob die Portio oder ggf. der Vaginalapex nach unten folgen. Schließlich wird das hintere Blatt langsam entfernt und die hintere Vaginalwand auf eine etwaige Rektozele hin untersucht.

Palpation

Mit der vaginalen Palpation ist eine Beurteilung der Beckenwände, der Parametrien, der Adnexlogen, der Mobilität und Beschaffenheit des Uterus möglich. Durch eine vaginal-rektale Untersuchung lässt sich eine Enterozele im Bereich des Scheidenapex gut tasten. Eine digital rektale Untersuchung ermöglicht eine weitere Darstellung einer Rektozele mit dem Finger. Dabei wird auch der Damm betrachtet und geprüft, ob er muskulär oder häutig ist.
Beurteilung des Beckenbodens
Eine vaginale Tastuntersuchung ermöglicht außerdem eine Beurteilung der Beckenbodenwillkürmotorik. Bei der Palpation des Beckenbodens wird der Zeigefinger ca. 4 cm in die Vagina eingeführt und die Patientin aufgefordert den Beckenboden anzuspannen. Dabei kann die Kraftentwicklung des Beckenbodens beschrieben werden, die mithilfe des Oxford-Grading-Systems auch näherungsweise quantifiziert werden kann (Bo und Finckenhagen 2001; Isherwood und Rane 2000).
Beurteilung der Beckenbodenkontraktilität mithilfe der Oxford-Skala:
  • 0: Keine Kontraktion.
  • 1: Zucken einzelner Muskelfasern.
  • 2: Geringe Kontraktion.
  • 3: Kontraktion mit deutlicher Elevation.
  • 4: Kräftige Kontraktion.
  • 5: Kräftige Kontraktion gegen Widerstand.
Durch die Palpation kann nicht nur die Kontraktilität, sondern auch die Integrität des Beckenbodens beurteilt werden. Fallbeispiel: Zunächst konnte der M. levator ani sowohl im MRT als auch in der 3D-Sonografie dargestellt werden. Dabei fielen Abweichungen im Muskelansatz des M. levator ani am Ramus ossis pubis auf. Es handelte sich dabei um einen Muskelabriss, z. B. nach einer Überdehnung, wie es durch eine Geburt kommen kann (Abb. 12). Dieser Muskeldefekt kann auch palpiert werden. Die Arbeitsgruppe um van Delft hat die Palpation gut beschrieben (van Delft et al. 2013).
Um den M. levator ani zu beurteilen, wird der Zeigefinger des Untersuchers unmittelbar lateral der Urethra platziert und auf den Ramus pubis gedrückt. Entlang des Ramus ossis pubis kann der Levatoransatz getastet werden. Ist der Abstand zwischen Urethra und dem Muskelansatz weniger als ein Finger breit, dann handelt es sich um einen intakten M. levator. Je größer der Abstand ist, desto ausgeprägter ist auch der Levatordefekt.
Dietz et al. haben den 3D-Ultraschall der vaginalen Palpation gegenübergestellt. Dabei zeigten sich die beiden diagnostischen Methoden als gleichwertig (Dietz und Shek 2008; Dietz et al. 2012).

Klinische Inkontinenztests

Ist die Patientin klinisch kontinent, so kann letztendlich doch eine Harninkontinenz im Sinne einer urethralen Verschlussschwäche vorliegen. Ein Deszensus kann v. a. in Form einer Zystozele zu einer Auslassobstruktion führen, in dem durch die tiefersinkende Blase die Urethra geknickt wird. Dies nennt man Quetschhahnphänomen. Wird nun die Zystozele reponiert, so wird die Urethra gestreckt, und es kommt beim klinischen Hustentest zu ungewolltem Urinverlust. Auch eine Rekto- oder Enterozele kann einen Druck auf die Urethra ausüben und so trotz urethraler Verschlussschwäche eine Kontinenz vortäuschen. Nach der Behandlung des Deszensus kommt es dann zu einer Delarvierung der Harninkontinenz. Deshalb sollte präoperativ immer ein klinischer Stresstest unter vaginaler Reposition vorgenommen werden. So kann eine urethrale Verschlussschwäche schon im Vorfeld eruiert und die Patientin darüber informiert werden. Die Patientin wird darauf vorbereitet. So kann eine postoperative Frustration minimiert werden.
Prinzipiell wäre bei Deszensus mit Stressharninkontinenz, v. a. bei Blasenentleerungsstörungen, Harndrangsymptomatik und rezidivierenden Harnwegsinfekten ein zweizeitiges Vorgehen zu favorisieren. Ist eine simultane Deszensus- und Inkontinenzoperation geplant, muss präoperativ eine urodynamische Messung erfolgen (Kap. „Gynäkologische Urologie“).

Restharnbestimmung

Der gynäkologischen Untersuchung sollte ein Ausschluss eines Harnwegsinfekts vorangehen, da ein Harnwegsinfekt vielseitig in Erscheinung treten kann. Ein Harnstreifentest ist dabei sehr hilfreich.
Im Falle eines Deszensus sollte ebenfalls eine Restharnmessung vorgenommen werden. Wie bereits oben genannt, kommt es durch eine Zystozele aber auch manchmal durch eine Rekto- oder Enterozele zu einer urethralen Obstruktion, die über bedeutende Restharnmengen bis hin zum Harnverhalt führen kann.
Die verlässlichste Methode ist nach wie vor die Blasenentleerung mittels Einmalkatheter, wobei hier bei signifikanter Zystozele nicht vergessen werden sollte, den Blasenboden entsprechend anzuheben, um die Restharnmenge nicht zu unterschätzen. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass man aus dem gewonnenen Katheterurin auch noch eine Harnanalyse durchführen kann, um einen Harnwegsinfekt auszuschließen oder ggf. zu behandeln. Mit dem Ultraschall bietet sich jedoch eine zwar weniger exakte, aber nichtinvasive Methode der Restharnbestimmung an. Dabei kann folgende Formel verwendet werden (Nwosu et al. 1998) (Abb. 13):
Restharnvolumen = 0,6 x Blasenbreite x Blasenhöhe x Blasentiefe (Dimensionen in cm; Volumen in ml)

Sonografie

Die Sonografie ist mittlerweile ein unverzichtbarer Bestandteil der urogynäkologischen Diagnostik. Sie hat in der Urogynäkologie die deutlich invasivere laterale Zysturethro- oder Miktionsurografie und auch den Q-Tip-Test abgelöst, mit dem eine Hypermobilität der Urethra quantifiziert wurde. 2014 wurden die aktuellen interdisziplinären S2k-Leitlinien „Sonografie im Rahmen der urogynäkologischen Diagnostik“ veröffentlicht (Tunn et al. 2014).
Perioperativ, bei Komplikationen nach Senkungs- und Harninkontinenzoperationen, zur Verlaufskontrolle nach Therapien oder auch als Biofeedback kann die Ultraschalldiagnostik von Nutzen sein. Zum Einsatz kommen sowohl 2D- als auch 3D-Techniken.
2D-Techniken: Perineal- und Introitussonografie
Bei der Perinealsonografie wird der Abdominalschallkopf mit Ultraschallfrequenzen von 3,5–5 MHz, bei der Introitussonografie der Vaginalschallkopf mit Ultraschallfrequenzen von 5–9 MHz verwendet. Dabei werden die Blase, die Urethra, die Symphyse, die Vagina, Uterus und Douglas-Raum und das Rektum dargestellt (Abb. 14 und 15). Die Untersuchung soll in 4 Funktionszuständen durchgeführt werden: In Ruhe, beim Pressen, beim Husten und unter Beckenbodenkontraktion. Dadurch wird eine dynamische Darstellung der Beckenorgane ermöglicht. Die empfohlene Bildrichtung sieht vor, dass kranial im Bild oben und ventral im rechten Bildrand darzustellen ist, wie es in Abb. 14 und 15 veranschaulicht wird.
Bei der urogynäkologischen Sonografie werden quantitative und qualitative Parameter erhoben. Eine Quantifizierung ist wichtig für prä- und posttherapeutische Vergleiche und Verlaufskontrollen. Von besonderer Bedeutung sind der (retrovesikale) Inklinationswinkel und die Lage des Meatus urethrae internus. Um den Meatus urethrae internus zu bestimmen, wurden verschiedene Methoden erprobt und auf ihre Reproduzierbarkeit überprüft. Bei der Perinealsonografie ist die Symphyse eine stabile Struktur. Sie ermöglicht das Ziehen einer zuverlässigen Referenzlinie. In der Introitussonografie dient die Fortsetzung der Achse des US-Kopfs als Referenzlinie. Als qualitative Merkmale können die Lage und Mobilität der Urethra und des Blasenbodens, die Beckenbodenwillkürmotorik, eine urethrale Trichterbildung, die Lage einer gelegten urethralen Schlinge beurteilt und beschrieben werden. Zur Abklärung einer Drangsymptomatik können durch die Sonografie ggf. Urethraldivertikel, Myome, Zysten in der Vaginalwand, Blasendivertikel, Blasentumoren, Blasenfremdkörper und bullöse Ödeme erkannt werden. Eine Blasenwanddicke von >5 mm steht häufig mit Symptomen einer überaktiven Blase im Zusammenhang.
3D-Ultraschall
Die 3D-Sonografie ermöglicht die Darstellung der axialen Ebene mit der Levatormuskulatur. Die Ebene auf Höhe der Hiatusenge ist die Standardebene. Durch Messung des Abstandes von Muskelansatz und Urethramitte (sogenannte Levator-urethral-Gap) kann ein Levatordefekt identifiziert werden. Ist dieser Levator-Urethra-Abstand >2,5 cm, ist von einem Levatordefekt auszugehen. Eine weitere Methode stellt die Diskontinuität der echoreichen Puborektalis-Schlinge in der Ebene der Hiatusenge bei maximaler Beckenbodenkontraktion dar (Albrich et al. 2016) (Abb. 16).

Andere bildgebende Verfahren

Besondere Bedeutung zur Beurteilung von komplexen Senkungszuständen, in der Rezidivsituation und bei geplanten interdisziplinären Eingriffen kommt der MR-Defäkografie zu. Mit dieser Technik können alle 3 Kompartimente mit den knöchernen, muskulären und bindegewebigen Strukturen des Beckens und des Beckenbodens dargestellt werden. Sie ist insbesondere zur Beurteilung eines inneren Rektumprolaps, einer Intussuszeption sowie der Entleerung des Rektums von großem Nutzen. Sie erfolgt in Ruhe, beim Pressen und bei der Kontraktion und ermöglicht so eine dynamische Darstellung.

Urethrozystoskopie

Liegt eine persistierende Harndrangsymptomatik ohne bestehenden Harnwegsinfekt vor, dann ist eine Zystoskopie ist indiziert. Die Indikation besteht v. a. zum Ausschluss von Blasensteinen, Tumoren, Fremdkörpern, v. a. nach Voroperationen.
Zusammenfassend soll zum Ausdruck gebracht werden, dass trotz der Fülle der hier dargebotenen diagnostischen Mittel die Maxime gilt: Die Untersuchung soll für die Patientin so wenig belastend wie möglich gestaltet werden. Vor jedem weiteren diagnostischen Verfahren ist die Frage zu stellen, welche neuen, noch nicht bekannten Informationen aus der Untersuchung zu ziehen sind und ob diese für die geplante Therapie vonnöten sind. Die Vielfalt der möglichen diagnostischen Verfahren macht deutlich, dass jede Form der Diagnostik einer Indikation bedarf.

Therapie bei Deszensus

Die Therapie eines Deszensus sollte sich am Leidensdruck der Patientin orientieren. Ein asymptomatischer Deszensus hat keinen Krankheitswert. Ein alleiniger klinischer Befund bedarf keiner Intervention. Viel wichtiger ist es, der Patientin Verhaltensweisen an die Hand zu geben, die das Auftreten einer Symptomatik verhindern.

Prophylaxe

Veränderung der Lebensgewohnheiten und Abbau der Risikofaktoren
Diese Maßnahmen führen nicht zu einem Rückgang eines bereits bestehenden Deszensus, allerdings kann dadurch ein weiteres Fortschreiten verhindert oder nach einer Operation die Rezidivgefahr deutlich gesenkt werden. Es sollten alle Situationen vermieden werden, die zu einer Erhöhung des intraabdominalen Drucks führen, wie u. a. auch schwere körperliche Arbeit. Adipösen Patientinnen sollte der Vorteil einer Gewichtsreduktion mit all den positiven Effekten auf das Gesamtwohlergehen nahegebracht werden. Durch eine bewusste ausgewogene Ernährung und ausreichend Flüssigkeitsaufnahme kann eine Stuhlregulierung erfolgen und somit eine Obstipation vermieden werden, die eine große Belastung für den Beckenboden darstellt.
Beckenbodentraining
Ziel des Beckenbodentrainings ist das Bewusstmachen des Beckenbodens und der gezielte Einsatz. Es sollte schon jungen Mädchen und Frauen klar gemacht werden, welche wichtige Rolle der Beckenboden einnimmt. Ein gezielter Beckenbodeneinsatz kann einen Deszensus verhindern. Durch ein aktives Anspannen des Beckenbodens während körperlicher Belastung oder sportlicher Tätigkeit wird die intraabdominale Drucksteigerung vom Beckenboden aufgefangen und führt nicht zu einem Herabsinken der pelvinen Organe. Deshalb ist auch die Rückbildungsgymnastik nach einem Partus sehr wichtig. Die Patientin lernt den Beckenboden willkürlich anzuspannen und dann auch gezielt einzusetzen.
Im Falle eines bereits bestehenden Deszensus kann durch gezielten Beckenbodeneinsatz und durch Beckenbodentraining die Prolapssymptomatik und das Prolapsstadium verringert und ein weiteres Fortschreiten verhindert werden. Das konnte in einigen randomisierten Studien belegt werden. Eine Rückbildung des bereits bestehenden hochgradigen Deszensus kann durch Beckenbodentraining nicht erreicht werden (Braekken et al. 2010; Kashyap et al. 2013).

Konservative Therapieansätze

Pessartherapie
Am häufigsten kommen Ringpessare, Tellerpessare und Würfelpessare zum Einsatz (Abb. 17). Bei nicht hysterektomierten Frauen bietet sich ein Ring- oder Tellerpessar an, das über der Symphyse platziert die pelvinen Organe in ihre ursprüngliche Position schiebt. Bei hysterektomierten Patientinnen ist ein Würfelpessar gut zur Reposition geeignet. Wünschenswert wäre ein eigenständiges Ein- und Ausführen des Pessars durch die Patientin. An den Würfelpessaren ist eine Schnur angebracht, mit der das Pessar wie ein Tampon entfernt werden kann. Viele v. a. ältere Patientinnen sehen sich nicht zu einem eigenständigen Pessarwechsel in der Lage, sodass dies im Abstand von ca. 4 Wochen vorgenommen werden muss.
Der Vorteil einer Pessartherapie besteht zu einen darin, dass v. a. älteren und morbiden Patientinnen eine operative Intervention erspart werden kann. Insbesondere das Würfelpessar kommt aber auch bei jüngeren Patientinnen z. B. nach einem Partus zum Einsatz. Durch ein Würfelpessar kann der Beckenboden wieder besser wahrgenommen und aktiv und zielgerichtet eingesetzt werden. Ein gut sitzendes Pessar wird von der Patientin nicht wahrgenommen. Beim schweren Heben kann es nun zu einem Herabsinken des Würfelpessars kommen. Die Patientin wird nun mit dem Beckenboden versuchen, das Pessar wieder in Position zu bringen. Bei einer erneuten intraabdominalen Drucksteigerung wird sie nun vorsichtshalber den Beckenboden im Vorfeld anspannen. Durch ein Würfelpessar kann die Patientin so konditioniert werden, dass sie gezielt den Beckenboden einsetzt.
Die Nachteile der Pessartherapie liegen darin, dass bei Patientinnen, die das Pessar nicht selbstständig wechseln können, Kolpitiden und vaginale Druckstellen auftreten können. In einigen Fällen vergisst die Patientin das liegende Pessar, das nach längerer Zeit manchmal unter Schwierigkeiten geborgen werden muss.
Lokale Östrogenisierung
Eine lokale Östrogenisierung ist kein geeignetes Verfahren, um einen Deszensus zu verhindern oder zu behandeln. Allerdings hat sie vor Deszensuseingriffen ihre Indikation. Behandelt wird eine Vaginalatrophie, die bei postmenopausalen Frauen häufig vorkommt. Druckulzerationen nach Pessartherapie werden dadurch ebenfalls effizient therapiert. Östrogenisiertes Gewebe lässt sich intraoperativ besser präparieren. Die postoperative Wundheilung profitierte ebenfalls von einer präoperativen lokalen Östrogenisierung.

Operative Therapieansätze

Grundsätzlich gilt:
  • Die Operation muss den körperlichen Anforderungen der Patientin genügen.
  • Die Operation soll so klein wie möglich gehalten werden.
  • Die Operationszeiten sollen so kurz wie möglich sein.
  • Die Anästhesie soll so schonend wie möglich sein.
  • Die Operationsmethode soll effektiv sein.
Welches operative Verfahren zur Anwendung kommt, ist von der Konstitution und von den Bedürfnissen der Patientin abhängig. Es muss eine auf die Patientin abgestimmte individuelle Entscheidung getroffen werden.
Da es häufig zum Deszensus von mehreren Kompartimenten gleichzeitig kommt, sollen hier die möglichen therapeutischen Optionen gemeinsam besprochen werden. Es soll hier zwischen vaginalen, abdominalen und laparoskopischen Deszensusoperationen unterschieden werden. Da mittlerweile nahezu jede abdominale Operation auch minimalinvasiv möglich ist, wird zwischen den beiden Zugangswegen nicht weiter unterschieden. Jede Operationsform hat ihre Vor- und Nachteile.
Vaginaler Zugangsweg
Der vaginale Zugangsweg bietet eine schonende OP-Methode, kurze OP-Zeiten mit schneller postoperativer Erholung. Es ist keine tiefe Narkose mit ausgeprägter Relaxierung der Patientin notwendig, sodass auch eine Regionalanästhesie in Erwägung gezogen werden kann. Dadurch ist dieser Operationszugang v. a. für ältere und moribunde Patientinnen sehr von Vorteil. Durchgangssyndrome nach Narkose, wie man sie bei älteren Patientinnen fürchtet, sind selten zu erwarten. Bei einer vaginalen Deszensusoperation sind alle Kompartimente zugänglich, sodass eine Umlagerung nicht notwendig wird.
Durch die vaginalen Operationen kann es zu Narbenbildung und zu einer deutlichen Verkürzung der Vagina kommen. Auch bei den vaginalen Operationen ist auf die Erhaltung der Kohabitationsfähigkeit zu achten, und die Operation dementsprechend durchzuführen. Insgesamt zeigen vaginale Operationen eine höhere Rezidivrate, v. a. was das vordere Kompartiment betrifft (Miedel et al. 2008).
Vor- und Nachteile der vaginalen Operationen
Vorteile:
  • Kleinerer Eingriff, schonende OP-Methode,
  • geringere Morbidität und Mortalität,
  • kurze OP-Zeiten,
  • alle Kompartimente zugänglich,
  • schnellere postoperative Rehabilitation.
Nachteile:
  • Höhere Rezidivrate als abdominale Eingriffe,
  • Verkürzung, Vernarbung der Vagina.
Mesh-Einsatz in der vaginalen Deszensuschirurgie
Der Gebrauch von alloplastischen Materialien hat die Hernienchirurgie revolutioniert. Mit dem spannungsfreien Vaginalband TVT kam erstmals ein vaginales Mesh in der Inkontinenzchirurgie zum Einsatz. Aufgrund der guten Verträglichkeit und der herausragenden Erfolgsraten wurde der Einsatz von alloplastischem Material auch in der vaginalen Prolapschirurgie in Erwägung gezogen.
Die Vorteile der Netze im Bereich der Prolapschirurgie zeigen sich in den deutlich niedrigeren Rezidivraten. Allerdings sind die Komplikationen nicht unerheblich und reichen von Netzerosionen, zu De-novo-Urgesymptomatik, Urgeinkontinenz, Dyspareunie, Infektionen, Unterbauchschmerzen, Fistelbildungen, Abszessbildungen und rezidivierenden Harnwegsinfektionen. All diese unerwünschten Nebeneffekte sind sehr häufig mit einem sehr großen Leidensdruck vergesellschaftet, sodass immer mehr sekundäre Interventionen nach Mesh-Einsatz notwendig werden (Altman et al. 2011; Maher et al. 2016).
Insgesamt hat der vaginale Netzeinsatz deutlich abgenommen, nachdem die FDA davor ausdrücklich gewarnt hat. Daraufhin haben einige große Hersteller den Netzvertrieb für die Prolapschirurgie eingestellt. Im Moment sollte der Einsatz allenfalls in der Rezidivsituation in Erwägung gezogen werden. Die Patientin ist über die Datenlage gut zu informieren.
Laparoskopischer (abdominaler) Zugangsweg
Der abdominale oder laparoskopische Zugangsweg ist v. a. dann vorzuziehen, wenn ein weiterer intraabdominaler Eingriff notwendig ist. In der Rezidivsituation nach vaginaler Deszensusoperation ist ebenfalls ein abdominaler Zugang zu favorisieren. Wenn die Vagina in ihrer gesamten Länge erhalten bleiben soll, kann v. a. bei jüngeren Patientinnen eine abdominale Operation von Vorteil sein.
Vor- und Nachteile laparoskopischer und abdominaler Deszensusoperationen
Vorteile:
  • Andere intraabdominale Eingriffe möglich,
  • hohe Effektivität,
  • Scheide bleibt in voller Länge und in der physiologischen Ausrichtung erhalten – weniger Dyspareunien.
Nachteile:
  • Längere Lernkurve,
  • längere Operationszeiten,
  • höhere Kosten,
  • Einsatz von Fremdmaterial notwendig.
Welche Operation schließlich ihren Einsatz findet, hängt sowohl vom Operateur als auch von den Anliegen und Erwartungen der Patientin ab.
Messung des Operationserfolgs
Der Erfolg einer Operation wird zum einen am Beschwerdebild der Patientin, zum anderen am anatomischen Ergebnis festgemacht. Wie Miedel et al. in einem 5-Jahres-Follow up zeigen konnten (Miedel et al. 2008), geht ein anatomisches Rezidiv nur in wenigen Fällen wieder mit einer klinischen Symptomatik einher. Deshalb muss der Begriff Rezidiv relativ gesehen werden. Eine Rezidivoperation orientiert sich am klinischen Bild.
Gängige Deszensusoperationen
Die gängigsten Deszensusoperationen sind in Tab. 2 dargestellt und nach betroffenem Kompartiment geordnet. Sie sollen im Rahmen dieses Lehrbuchs nur kurz ausgeführt werden. Es wird hier auf die einschlägigen Operationsatlanten verwiesen.
Tab. 2
Deszensusoperationen
Betroffenes Kompartiment
Vaginale Deszensusoperationen
Laparoskopische/abdominale Deszensusoperationen
Vorderes Kompartiment
Vordere Kolporrhaphie
Lateral repair
Mittleres Kompartiment
Vaginale Hysterektomie
Sakrokolpopexie
McCall-Kuldoplastik
 
Sakrospinale Fixation
 
Hinteres Kompartiment
Hintere Kolporrhaphie
 
Vorderes Kompartiment
Die Colporrhaphia anteriora ist indiziert bei einem Deszensus des vorderen Kompartiments, bei der die laterale Aufhängung intakt ist und nur ein zentraler Defekt besteht, also bei der Distensionszystozele. Es erfolgt zunächst eine Kolpotomie, die Scheidenhaut wird von der Blase abpräpariert. Schließlich wird die endopelvine Faszie, das Bindegewebe zwischen Blase und Vaginalwand, gefasst, vor die Blase gezogen und in der Mittellinie vereinigt. Es erfolgt eine sparsame Resektion der Vaginalhaut und ein Verschluss der Kolpotomie.
Durch eine ausgeprägte Resektion der Vaginalhaut erfolgt eine zunehmende Verkürzung der Vagina! Die Raffung erfolgt durch die endopelvine Faszie und nicht durch die Vaginalwand. Vermeintlich überschüssige Vaginalhaut legt sich postoperativ an die Wundfläche.
Besteht eine Traktionszystozele ist ein abdominaler oder laparoskopischer lateral repair in Erwägung zu ziehen. Bei dieser Operation wird das Spatium retzii eröffnet. Die Vaginalfaszie wird mit mindestens 3 Einzelknopfnähten an das Cooper-Ligament geheftet. Der Unterschied zur Kolposuspension nach Burch besteht in der längeren Strecke, über die die Vaginalfaszie an das Cooper-Ligament angeheftet wird.
Hinteres Kompartiment
Bei einer symptomatischen Rektozele ist eine Colporraphia posteriora, eine hintere Kolporrhaphie indiziert. Es erfolgt zunächst eine hintere Kolpotomie, Das Rektum wird von der Vaginalwand abpräpariert. Die Bindegewebsschicht zwischen Rektum und Vaginalwand, das sogenannte Septum rectovaginale, wird in der Mittellinie vernäht. Auch hier erfolgt eine sparsame Resektion der Vaginalwand und ein Verschluss der Kolpotomie.
Mittleres Kompartiment
Die Verkleinerung oder Verschluss des Douglas-Raums im Zuge einer Hysterektomie ist die Methode der Wahl zur Enterozelenprophylaxe. Dadurch wird eine mögliche Bruchpforte beseitigt. Im Zuge einer vaginalen Hysterektomie sollte daher eine hohe Peritonealisierung erfolgen. Bei einer abdominalen Hysterektomie kann eine Douglasverödung, z. B. mit mehreren zirkulären Nähten in Erwägung gezogen werden.
Bei einer Kuldoplastik nach McCall wird der Scheidenstumpf an die Sacrouterinligamente fixiert. Dadurch kann ebenfalls nach einer Hysterektomie die Festigkeit der sakrouterninen Bänder genützt werden, um den Scheidenstumpf nach kranial dorsal zu ziehen.
Eine effiziente Methode, das Scheidenende zu fixieren ist die Vaginaefixatio sacrospinalis nach Amreich-Richter (Abb. 18). Dabei wird zunächst der tiefste Punkt der Vagina markiert. Es erfolgt eine Kolpotomie. Dann wird das rechte Spatium pararectale bis hin zur Spina ischiadica präpariert. Es erfolgt die Darstellung des Lig. sacrospinale durch Breisky Spekula. Zwei spät resorbierbare Fäden werden durch das Lig. sacrospinale gelegt. Dieselben Fäden werden durch den vorher markierten Apex vaginae gelegt. Danach wird die Scheidenhaut geschlossen. Zum Schluss erfolgt das Knoten der Fäden. Der Apex vaginae wird zum Lig. sacrospinale geführt und dort fixiert. Die Vagina wird somit etwas abweichend von der physiologischen Position nach rechts dorsal eben zum Lig. sacrospinale geführt.
Eine andere bewährte Deszensusoperation ist die abdominale oder laparoskopische Sakrokolpopexie, bei der ein Interponat zur Überbrückung der Distanz zwischen Scheidenapex und Os sacrum zum Einsatz kommt (Abb. 19). Die Sakrokolpopexie ist eine effektive Operationsmethode, bei der die Vagina ihre physiologische Position behält. Bei dieser Operation wird zunächst das Scheidenende deperitonealisiert und von Blase und Rektum weit frei präpariert, um eine breite Auflagefläche des Netzes zu erreichen. Danach wird das Peritoneum rechtsseitig neben dem Sigma gespalten und zum Promontoriums geöffnet. Das Netzinterponat wird zunächst an der Vaginalvorder- und/oder Hinterwand mit Einzelknopfnähten fixiert. Dann wird das am Vaginalapex fixierte Netz spannungsfrei zum Lig. flavum auf Höhe des Promotoriums oder von S1–S3 gezogen und breitflächig mit Einzelknopfnähten oder Titanschrauben befestigt. Der Vaginalstumpf soll völlig spannungsfrei fixiert sein. Um Fremdkörperreaktionen zu vermeiden, ist die peritoneale Deckung des alloplastischen Interponats notwendig. Zur Behandlung von Defekten der vorderen und hinteren Vaginalwand kann das Netz auch über eine längere Strecke auf die vordere und/oder hintere Vaginalwand fixiert werden. Damit wird eine gute Elevation des vorderen und hinteren Kompartiments erreicht.
Die sakrospinale Fixation und die Sakrokolpopexie wurden in vielen Studien miteinander verglichen. Beide Operationsmethoden gelten als effektive Maßnahmen, die Sakrokolpopexie scheint der sakrospinalen Fixation im Follow up etwas überlegen zu sein. Die sakrospinale Fixation zeigt aber deutlich kürzere Operationszeiten, niedrigere Operationskosten und eine schnellere Rekonvaleszenz der Patientin. In der Metaanalyse von Maher werden beide Operationsmethoden als gleichwertig eingestuft (Maher et al. 2004).
Erhaltung des Uterus
Prinzipiell sind die genannten Operationen auch unter Erhaltung des Uterus möglich. Bei der sakrospinalen Fixation wird dann nicht der Apex vaginae, sondern die Zervix uteri an das Ligamentum sacrospinale geführt.
Bei der Sakrokolpopexie bzw. Sakrohysteropexie wird das Interponat an die Vaginal- und Zervixvorderwand und ebenso an die -hinterwand fixiert, und somit ein Anheben des Uterus erzielt. Ist eine Sakrokolpopexie indiziert, kommt es bei gleichzeitiger Hysterektomie häufiger zu einer Arrosion der Vagina durch das Fremdmaterial. Deshalb sollte ein Erhalt zumindest der Zervix in Betracht gezogen werden.
Ist eine Organerhaltung aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Familienplanung erwünscht, so muss bedacht werden, dass jegliche Fixationsmaßnahmen v. a. mit Einsatz von alloplastischem Material die normale Beweglichkeit des Uterus beeinträchtigen, und somit eine Anpassung an die topografischen Veränderungen v. a. einer Schwangerschaft nicht ganz gegeben sind. Der Effekt anderer Senkungsoperationen, wie die Kürzung der Ligg. rotunda ist im Allgemeinen nur von kurzer Dauer. Bei noch nicht abgeschlossener Familienplanung würde einer Pessartherapie der Vorzug gegeben werden. Im Falle einer eintretenden Schwangerschaft wird der Uterus durch das Größenwachstum bedingt wieder in seine regelhafte Position rutschen. Bei noch nicht abgeschlossener Familienplanung besteht eher eine Zurückhaltung in Bezug auf die operative Deszensustherapie.

Postoperativer Verlauf

Im postoperativen Verlauf nach Deszensusoperationen ist ein Nierenaufstau auszuschließen und die Restharnmenge nach Miktion zu prüfen. Unter Umständen ist ein Blasentraining notwendig. Die Patientinnen werden dazu angehalten, körperliche schwere Aktivitäten zu unterlassen und den Beckenboden gezielt einzusetzen. Das ist die geeignete Prophylaxe zur Vermeidung eines Rezidivs.
Literatur
Albrich S, Steetskamp J, Knoechel SL, Porta S, Hoffmann G, Skala C (2016) Assessment of pelvic floor muscle contractility: digital palpation versus 2D and 3D perineal ultrasound. Arch Gynecol Obstet. 293(4):839–843. https://​doi.​org/​10.​1007/​s00404-015-3897-5. Epub 2015CrossRefPubMed
Albrich SB, Laterza RM, Skala C, Salvatore S, Koelbl H, Naumann G (2012) Impact of mode of delivery on levator morphology: a prospective observational study with three-dimensional ultrasound early in the postpartum period. BJOG 119(1):51–60CrossRef
Altman D, Vayrynen T, Engh ME, Axelsen S, Falconer C (2011) Anterior colporrhaphy versus transvaginal mesh for pelvic-organ prolapse. N Engl J Med. 364(19):1826–1836CrossRef
Baessler K, Junginger B (2011) Beckenboden-Fragebogen für Frauen. Aktuelle Urol. 42(5):316–322CrossRef
Barber MD, Maher C (2013) Epidemiology and outcome assessment of pelvic organ prolapse. Int Urogynecol J. 24(11):1783–1790. https://​doi.​org/​10.​1007/​s00192-013-2169-9. ReviewCrossRefPubMed
Beck L (1995) Kreuzschmerzen aus gynäkologischer Sicht. In: Bender HG (Hrsg) Klinik der Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Bd 8: Gutartige gynäkologische Erkrankungen I. München Wien: Urban & Schwarzenberg, S 263–268
Bo K, Finckenhagen HB (2001) Vaginal palpation of pelvic floor muscle strength: inter-test reproducibility and comparison between palpation and vaginal squeeze pressure. Acta Obstet Gynecol Scand 80:883–887PubMed
Braekken IH, Majida M, Engh ME, Bo K (2010) Can pelvic floor muscle training reverse pelvic organ prolapse and reduce prolapse symptoms? An assessor-blinded, randomized, controlled trial. Am J Obstet Gynecol 203(2):170 e1–7CrossRef
Bump RC, Mattiasson A, Bo K et al (1996) The standardization of terminology of female pelvic organ prolapse and pelvic floor dysfunction. Am J Obstet Gynecol 175:10CrossRef
DeLancey JO (1992) Anatomic aspects of vaginal eversion after hysterectomy. Am J Obstet Gynecol. 166(6 Pt 1):1717–1724. discussion 1724–8
Dietz HP, Moegni F, Shek KL (2012) Diagnosis of levator avulsion injury: a comparison of three methods. Ultrasound Obstet Gynecol. 40(6):693–698CrossRef
Dietz HP (2006) Pelvic floor trauma following vaginal delivery. Curr Opin Obstet Gynecol. 18(5):528–537CrossRef
Dietz HP, Shek C (2008) Validity and reproducibility of the digital detection of levator trauma. Int Urogynecol J Pelvic Floor Dysfunct. 19(8):1097–1101. https://​doi.​org/​10.​1007/​s00192-008-0575-1. Epub 2008 Feb 13CrossRefPubMed
Hendrix SL, Clark A, Nygaard I et al (2002) Pelvic organ prolapse in the Women's Health Initiative: gravity and gravidity. Am J Obstet Gynecol 186:1160CrossRef
Isherwood PJ, Rane A (2000) Comparative assessment of pelvic floor strength using a perineometer and digital examination. BJOG 107(8):1007–1011CrossRef
Jackson SR, Avery NC, Tarlton JF, Eckford SK, Abrams P, Bailey AJ (1996) Changes in metabolism of collagen in genitourinary prolapse. Lancet 347:1658–1661CrossRef
Kashyap R, Jain V, Singh A (2013) Comparative effect of 2 packages of pelvic floor muscle training on the clinical course of stage I-III pelvic organ prolapse. Int J Gynaecol Obstet. 121(1):69–73CrossRef
Kelleher CJ, Cardozo LD, Khullar V, Salvatore S (1997 Dec) A new questionnaire to assess the quality of life of urinary incontinent women. Br J Obstet Gynaecol. 104(12):1374–1379CrossRef
Lanzarone V, Dietz HP (2007) Three dimensional ultrasound imaging of the levator hiatus in late pregnancy and associations with delivery outcomes. Aust N Z J Obstet Gynaecol. 47(3):176–180CrossRef
Maher C, Feiner B, Baessler K, Christmann-Schmid C, Haya N (2016) Marjoribanks J. Transvaginal mesh or grafts compared with native tissue repair for vaginal prolapse, Cochrane Database Syst Rev. Review
Maher CF, Qatawneh AM, Dwyer PL et al (2004) Abdominal sacral colpopexy or vaginal sacrospinous colpopexy for vaginal vault prolapse: A prospective randomized study. Am J Obstet Gynecol 190:20CrossRef
Miedel A, Tegerstedt G, Mörlin B, Hammarström M (2008) A 5-year prospective follow-up study of vaginal surgery for pelvic organ prolapse. Int Urogynecol J Pelvic Floor Dysfunct. 19(12):1593–1601CrossRef
Nwosu CR, Khan KS, Chien PF, Honest MR (1998) Is real-time ultrasonic bladder volume estimation reliable and valid? A systematic overview. Scand J Urol Nephrol 32:325–330CrossRef
Swift S, Woodman P, O'Boyle A, Kahn M, Valley M, Bland D, Wang W, Schaffer J (2005) Pelvic Organ Support Study (POSST): the distribution, clinical definition, and epidemiologic condition of pelvic organ support defects. Am J Obstet Gynecol. 192(3):795–806CrossRef
Tunn, R, Albrich S, Beilecke K et al Interdisziplinäre S2k-Leitlinie: Sonografie im Rahmen der urogynäkologischen Diagnostik; Kurzfassung 2014. AWMF Register Nr. 015/055
van Delft K, Schwertner-Tiepelmann N, Thakar R, Sultan AH (2013) Inter-rater reliability of assessment of levator ani muscle strength and attachment to the pubic bone in nulliparous women. Ultrasound Obstet Gynecol. 42(3):341–346. https://​doi.​org/​10.​1002/​uog.​12426CrossRefPubMed