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Autoantikörper gegen Steroidhormon-produzierende Zellen

Verfasst von: W. Stöcker
Autoantikörper gegen Steroidhormon-produzierende Zellen
Englischer Begriff
steroid hormone producing cell autoantibodies
Definition
Autoantikörper gegen Steroidhormon-produzierende Zellen richten sich gegen Zielantigene folgender endokriner Organe:
  • Nebennierenrinde (Zonae glomerulosa, fasciculata und reticularis)
  • Ovarien (Thekazellen, Corpus luteum)
  • Testes (Leydig-Zwischenzellen)
  • Plazenta (Synzytiotrophoblast)
Funktion – Pathophysiologie
Zielantigene dieser Autoantikörper sind mehrere an der Synthese der Steroidhormone beteiligte Enzyme, vor allem die Steroid-21-Hydroxylase (21-OH), die Steroid-17-α-Hydroxylase (17-OH) und das Cytochrom-P450 „side chain cleavage enzyme“ (P450scc). 21-OH kommt nur in der Nebennierenrinde vor und wandelt dort 17-α-Progesteron und Progesteron in 11-Desoxykortisol und Desoxykortikosteron um. 17-OH wird in den Gonaden und in der Nebenniere exprimiert, während P450scc in Nebenniere, Gonaden und Plazenta exprimiert wird.
Die Autoantikörper sind assoziiert mit dem Morbus Addison und mit verschiedenen Formen der Autoimmunpolyendokrinopathie (APE). Von diesen ist der seltene Typ 1 ein Syndrom mit mukokutaner Kandidiasis, Hypoparathyreoidismus, Morbus Addison und hypergonadotropem Hypogonadismus. Die häufigeren APE-Typen 2 und 3 sind definiert als Kombinationen von Autoimmunthyreoiditis, Autoimmun-Diabetes-mellitus, Vitiligo, perniziöser Anämie und (nicht Typ 3) Morbus Addison.
Untersuchungsmaterial
Probenstabilität
Autoantikörper sind bei +4 °C bis zu 2 Wochen lang beständig, bei −20 °C über Monate und Jahre hinweg.
Analytik
Die indirekte Immunfluoreszenz (Immunfluoreszenz, indirekte) mit Gefrierschnitten der Organe Nebennierenrinde, Ovar, Plazenta und Testis ist die Hauptnachweismethode für Autoantikörper gegen Steroidhormon-produzierende Zellen (s. Abbildungen). Einstiegsverdünnung ist 1:10. Untersucht werden mit trivalenten FITC-markierten Antiseren alle 3 Immunglobulinklassen IgA, IgG und IgM.
Antikörper gegen Nebennierenrinde (Substrat Primatennebenniere):
Antikörper gegen Thekazellen (Substrat Primatenovar):
Antikörper gegen Leydig-Zwischenzellen (Substrat Primatentestis):
Antikörper gegen Synzytiotrophoblast (Substrat Primatenplazenta):
Daneben werden Antikörper gegen die einzelnen an der Hormonsynthese beteiligten Enzyme mit Radioimmunoassay unter Anwendung der Immunpräzipitation bestimmt.
Wegen des Zusammenhangs der Autoimmunpolyendokrinopathien mit weiteren relevanten Autoantikörpern (Autoantikörper gegen Parietalzellen, Autoantikörper gegen Thyreoperoxidase, Autoantikörper gegen Pankreasinseln, Autoantikörper gegen quergestreifte Muskulatur) werden in der Immunfluoreszenz zusätzlich zu den oben genannten Organen oft auch noch eingesetzt: Primatenmagen, Schilddrüse, Nebenschilddrüse und Pankreas. Solche Antikörperprofile werden am einfachsten unter Verwendung von Biochip-Mosaiken untersucht.
Indikation
Autoantikörper gegen Steroidhormon-produzierende Zellen sind mit Morbus Addison (vgl. Autoantikörper gegen Nebennierenrinde) und Autoimmunpolyendokrinopathien (APE) assoziiert. Bei isolierter Unterfunktion der Gonaden außerhalb eines Morbus Addison oder einer APE spielen diese Autoantikörper nur ausnahmsweise eine Rolle.
Interpretation
Im Vordergrund stehen Autoantikörper gegen 21-OH, die in einem gemischten Autoimmunadrenalitis-Kollektiv bei 64–76 % der Fälle gefunden werden. Erfasst man nur die frisch erkrankten Patienten, dann steigt die Prävalenz auf nahezu 100 %. Anti-21-OH können bereits vor dem Ausbruch der Erkrankung im Serum festgestellt werden (ein Morbus Addison wird erst manifest, wenn 90 % der Nebenniere verloren sind). Anti-17-OH und Anti-P450scc sind bei Autoimmunadrenalitis selten, wenn sie aber bei dieser Krankheit auftreten, deuten sie die Entwicklung einer Autoimmunpolyendokrinopathie (Typen 1 und 2) an.
Ein Fünftel der Anti-17-OH- und Anti-P450scc-positiven Seren enthält kein Anti-21-OH; bei Verdacht auf eine APE Typ 2 reicht es also nicht aus, sich allein auf das Anti-21-OH-Ergebnis bzw. auf die IIFT mit Nebenniere als Substrat zu verlassen, auch in der Fluoreszenz müssen zusätzlich zur Nebenniere Testis und Ovar einbezogen werden.
Prävalenz der Autoantikörper gegen Steroidhormon-produzierende Zellen bei ausgewählten Krankheitsbildern:
Krankheitsbild
Prävalenz (%)
Anti-21-OH
Anti-17-OH
Anti-P450scc
64–100
5
9
APE Typ 1
64
55
45
APE Typ 2
96
33
42
Singuläre Ovarialinsuffizienz
0
6
0
Literatur
Anderson JR, Goudie RB, Gray K et al (1968) Immunological features of idiopathic Addison’s disease: an antibody to cells producing steroid hormones. Clin Exp Immunol 3:107–117PubMedPubMedCentral
Betterle C, Dal Pra C, Mantero F et al (2002) Autoimmune adrenal insufficiency and autoimmune polyendocrine syndromes: autoantibodies, autoantigens, and their applicability in diagnosis and disease prediction. Endocr Rev 23:327–364CrossRefPubMed
Seissler J, Schott M, Steinbrenner H et al (1999) Autoantibodies to adrenal cytochrome P450 antigens in isolated Addison’s disease and autoimmune polyendocrine syndrome type II. Exp Clin Endocrinol Diabetes 107:208–213CrossRefPubMed