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Orthopädie und Unfallchirurgie
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Publiziert am: 22.03.2024

Periprothetische proximale Tibiafrakturen

Verfasst von: Ulf Krister Hofmann, Hanno Schenker und Frank Hildebrand
Periprothetische Frakturen des Kniegelenks an der Tibia sind seltene Ereignisse. Die Wahl der geeigneten Therapie fußt auf mehreren Säulen: sorgfältige Anamnese bezüglich vor dem Unfallereignis bestehender Beschwerden, zügige Aufarbeitung der operativen Vorgeschichte und einliegender Implantate, klinische Beurteilung der Weichteilverhältnisse und sorgfältige Bildgebungsanalyse, insbesondere hinsichtlich der Festigkeit der Prothese. Klinisch verbreitet ist die UCS-Klassifikation (V.4) mit den Typen A-F. Auch die Felix-Klassifikation findet häufig Verwendung, welche die Fraktur einteilt nach Lokalisation im Plateau (I), an den Schaft angrenzend (II), diaphysär und distal des Prothesenschafts (III) sowie eine Fraktur der Tuberositas tibiae (IV). Analog der Vorgehensweise an anderen Lokalisationen wird bei festem Implantat der Prothesenerhalt angestrebt mit entweder konservativer oder operativer Versorgung. Vor allem bei Felix I- und IV-Frakturen bieten sich Schraubenosteosynthesen an, bei Felix II einfache oder Doppelplattenosteosynthesen. Für distalere Felix III-Frakturen steht neben der Plattenversorgung die antegrade Nagelung als weichteilschonendes Verfahren zur Verfügung. Bei lockerer Prothese wird ein Komponentenwechsel zur neuen stabilen Verankerung des Implantats durchgeführt. Aufgrund der Seltenheit, der Materiallastigkeit sowie des operativen Schwierigkeitsgrads empfiehlt sich die Versorgung solch komplexer Frakturen in erfahrenen Händen an einem hierfür ausgewiesenen Zentrum.

Einleitung und Epidemiologie

Bei der periprothetischen Fraktur der Tibia nach Knietotalendprothesenimplantation (KTP) handelt es sich um ein seltenes, in seiner Häufigkeit jedoch zunehmendes Ereignis. Andere Gründe für Revisionsoperationen von Endoprothesen im Bereich der proximalen Tibia überwiegen deutlich. In einer Analyse des italienischen Endoprothesenregister-Projekts von 2017 wurde beispielsweise basierend auf 181.738 Gelenkersatzverfahren am Kniegelenk im Jahr 2015 bei den Revisionsoperationen eine aseptische Komponentenlockerung in 33 % der Fälle aufgeführt. Eine Infektion der Prothese war für 27 % der Revisionen verantwortlich.
Periprothetische Frakturen machten in diesem Kollektiv jedoch nur 1 % der Indikationen aus (Benkovich et al. 2020). Bei den periprothetischen Frakturen des Kniegelenks wiederum ist klar die femorale supracondyläre Fraktur gegenüber der Fraktur an der Tibia führend (Kim et al. 2006). Deutlich erhöhte Inzidenzen, wenn auch immer noch selten, finden sich im Revisionsfall, insbesondere unter Verwendung langer zementfreier Schäfte mit klassischen zylindrischen Designs (Inglis und Walker 1991). Die in der Literatur berichteten Zahlen könnten jedoch die tatsächliche Fallzahl periprothetischer Frakturen des Kniegelenks an der Tibia unterschätzen, da möglicherweise zahlreiche nicht dislozierte Frakturen oder Fissuren konservativ behandelt werden oder bei intraoperativem Auftreten direkt adressiert und nicht an die Register gemeldet werden. Üblicher Zeitpunkt des postoperativen Auftretens ist 2–6 Jahre nach Implantation (Ebraheim et al. 2015; Bauer et al. 2020). Meist erfolgt die Fraktur metaphysär, in selteneren Fällen diaphysär (Bauer et al. 2020; Alden et al. 2010). Revisionsimplantate und Revisionseingriffe sind auch hier, relativ gesehen, häufiger betroffen (Bauer et al. 2020; Inglis und Walker 1991; King et al. 2018).
Da die beschriebene Fraktur sehr selten ist, liegen keine Level 1- oder 2-Studien vor, sodass die hier wiedergegebenen Empfehlungen auf Erfahrungen und persönlichen Einschätzungen beruhen. In einem aktuellen Review-Artikel zu Originalarbeiten über periprothetische Kniegelenksfrakturen mit dem Auswertungszeitraum 2013–2019 befassten sich von 25 Artikeln nur 3 ausschließlich mit periprothetischen Frakturen der Tibia (Kim et al. 2017; Morwood et al. 2019; Schreiner et al. 2018), 3 weitere mit Tibia und Femur gemeinsam, während 19 Studien periprothetische Frakturen des Femurs untersuchten (Cretu et al. 2019).
Auch wenn dies nicht als scharfe Definition zu sehen ist, so spricht man prinzipiell von einer periprothetischen Fraktur des Kniegelenks, wenn die Fraktur innerhalb eines Abstandes von maximal 15 cm von der Gelenklinie oder maximal 5 cm von einem intramedullären Schaftende entfernt auftritt (Backstein et al. 2007).
Die Fraktur kann dabei intraoperativ oder postoperativ entstehen. Intraoperativ kann eine Fraktur zu jedem Zeitpunkt der Operation auftreten, insbesondere beim Einschlagen von Probekomponenten, dem Aufbohren der Tibia, bei der Zementierung, dem Einschlagen des Implantats oder eines zementfreien langen Schafts, der Einbringung oder Entfernung des Polyethylens und Entfernung von einliegenden Prothesenkomponenten im Revisionsfall (Alden et al. 2010; Ritter et al. 1996). In einigen Studien wurde ein präoperatives neutral/valgus Alignement mit Tibiafrakturen assoziiert und ein gehäuftes Auftreten von Tibiaschaftfrakturen wurde bei Tuberositasosteotomie beobachtet (Ritter et al. 1996). Die meisten postoperativen Frakturen entstehen aufgrund eines akuten Traumas, jedoch treten ebenso Stressfrakturen ohne relevantes Trauma auf (Rand und Coventry 1980).
Periprothetische Tibiafrakturen sind oft begleitet von Komponentenlockerungen oder Gelenkinstabilität, teilweise Komponentenfehlalignement oder -fehlplatzierung (Dennis 2001; Felix et al. 1997; Ritter et al. 1996). Rand und Coventry (1980) beobachteten Malalignement oder Malposition der Tibiakomponenten in sämtlichen (n = 15) von ihnen beschriebenen Patienten mit Stressfrakturen der Tibia nach KTP.

Risikofaktoren

Als Risikofaktoren identifiziert wurden bisher Alter, Osteoporose, Stürze, weibliches Geschlecht, chronisch entzündliche Gelenkerkrankungen, neurologische Erkrankungen wie Epilepsie/Parkinson, Poliomyelitis, Myasthenia gravis und weiterhin ebenso Risikofaktoren für Osteoporose wie z. B. Steroide (Canton et al. 2017; Gondalia et al. 2014). Diabetes mellitus steigert das Risiko insbesondere durch die erhöhte Sturzneigung weiter (Hung et al. 2017; Bauer et al. 2020). Adipositas kann als eigenständiger Risikofaktor für Prothesenlockerung betrachtet werden (Schultz et al. 2019). Von operativer Seite gilt ein langer zementfreier Schaft, eine varische Tibiakomponentenplatzierung und eine zementfreie Gelenkkomponente als risikoreich (Born et al. 2018; Stuart und Hanssen 1999; Inglis und Walker 1991). Weiterhin ist das Risiko für das Auftreten von Frakturen bei Revisionsoperationen deutlich erhöht (Meek et al. 2011). Ein wesentlicher Teil dieser Frakturen tritt jedoch bereits intraoperativ auf und wird perioperativ diagnostiziert. Singh et al. (Singh et al. 2013) beispielsweise untersuchten retrospektiv 12.914 Patienten, welche insgesamt 17.633 primäre KTPs erhielten, und weiterhin 3286 Patienten, welche insgesamt 4090 Revisionsoperationen im Zeitraum von 1989–2008 unterzogen wurden. Dabei wurde bei 1,1 % der Patienten im Rahmen einer primären KTP und 2,5 % der Patienten im Rahmen einer Revisionsoperation eine Fraktur am OP-Tag oder danach diagnostiziert. In einer Vergleichsanalyse waren im Gegensatz zu aseptischer Lockerung oder Abrieb eine vorangegangene Pseudarthrose (5-faches Risiko), Infektion (3-faches Risiko) oder vorangegangene Komponentenentfernung (2-faches Risiko) Risikofaktoren für eine periprothetische Fraktur.

Klassifikation

Im internationalen klinischen Alltag ist die etablierte Klassifikation von Felix (Felix et al. 1997) (Abb. 1) verbreitet. Der Charme dieser Klassifikation liegt in ihrer Schlichtheit bei sich in weiten Teilen hieraus ergebenden direkten Handlungskonsequenzen. Weitere existierende Klassifikationen sind die SoFCOT (Société francaise de chirurgie orthopédique et traumatologique)-Klassifikation (Bégué et al. 2006) oder das Unified Classification System for Periprosthetic Fractures (UCS) (Duncan und Haddad 2014), welche zwar durch ihr einheitliches System besticht, jedoch bereits einen Differenzierungsgrad besitzt, der oft im klinischen Alltag nicht erfasst wird.

Klassifikation nach Felix

Klassifikation nach Felix (Felix et al. 1997):
  • Type I-Fraktur des Tibiaplateaus
  • Type II-Fraktur an den Schaft angrenzend
  • Type III-Tibiaschaftfraktur, distal der Prothesenschaftkomponente
  • Type IV-Fraktur der Tuberositas tibiae
  • zusätzlich Zuweisung von Subtypen A, B und C: Typ A – Prothese röntgenologisch fest, Typ B – Prothese röntgenologisch gelockert, Typ C – intraoperative Fraktur.

UCS-Klassifikation

Unified Classification System for Periprosthetic Fractures (Duncan und Haddad 2014):
  • A – Fraktur einer Apophyse
  • B – Fraktur im Implantatbett oder angrenzend
  • B1 – festes Implantat
  • B2 – lockeres Implantat
  • B3 – lockeres Implantat und Implantatbett mit schlechter Knochenqualität
  • C – Fraktur mit Abstand zum Implantatbett
  • D – Fraktur eines Knochens, der an beiden Enden mit einer Prothese versorgt ist (z. B. Femur mit KTP und HTP)
  • E – Fraktur von zwei Knochen, welche eine Prothese gestalten (z. B. Femur und Tibia bei KTP)
  • F – Fraktur einer Gelenkfläche, welche keinen Ersatz trägt, jedoch direkt mit einem Ersatz in Kontakt steht (z. B. Patellafraktur bei KTP ohne Retropatellarersatz)

Diagnostik

Die Anamnese und klinische Untersuchung enthalten wesentliche Informationen für die weitere Entscheidungsfindung in der Therapie und sollten daher stets mit großer Sorgfalt durchgeführt werden. Die bildgebende Diagnostik besteht in der Regel aus einer konventionellen Röntgendiagnostik, ergänzt um eine Computertomografie oder, mit nachrangiger Bedeutung bei speziellen Fragestellungen, einer Kernspintomografie. Eine laborchemische Untersuchung komplettiert das eigene Untersuchungsvorgehen. Mit Nachdruck sollten Vorbefunde eingeholt werden, insbesondere zur Einschätzung von Vorerkrankungen, Medikation, einliegenden Implantaten (Implantatepass!) und letzte Operationsberichte zur Beurteilung von zu erwartenden anatomischen Schwierigkeiten oder zurückliegenden Gelenkinfekten.

Anamnese

Hierbei ist es wichtig zu klären, ob vor dem Trauma bereits Beschwerden im Bereich des Implantats bestanden, beziehungsweise ob diese im Laufe der letzten Zeit neu entstanden waren oder bereits seit der Implantation bestanden hatten. Diese Informationen können hinweisend darauf sein, dass eine Lockerung der Implantatkomponente oder eine Abriebproblematik mit Osteolyse vorliegt. Bildgebende Befunde sind bei frühen Veränderungen oft nicht eindeutig. Weiterhin ist die Zufriedenheit des Patienten mit der Prothese zu evaluieren. Beschwerden durch z. B. Bandlaxizität, Fehlrotation/Malalignement, patellofemoralen Problemen oder Arthrofibrose können eine periprothetische Fraktur begünstigen und wären gleichzeitig ein Grund, eher großzügig an einen Prothesenwechsel zu denken. Auch in der Diagnostik eines low-grade Infekts sind anamnestische Hinweise von großer Bedeutung. Schließlich gilt es noch die Lebenssituation des Patienten mit seiner präoperativ bestandenen Mobilität und seiner mit der Behandlung der Fraktur zu erwarteten Ziele zu erfassen, um daran eine therapeutische Entscheidung auszurichten.

Klinische Untersuchung

Eine klassische klinische Untersuchung mit Bewegungs- und Stabilitätsprüfung ist aus offensichtlichen Gründen bei Frakturen nicht sinnvoll durchzuführen. Der Fokus der Untersuchung liegt hier darin, die Operabilität zu evaluieren sowie die postoperative Mobilität einzuschätzen. Hierzu gehört zunächst die lokale klinische Untersuchung, um die Weichteile gelenkübergreifend zu beurteilen. Dies erstreckt sich bis in die Zehenzwischenräume, um hier möglichen Pilzbefall oder Ulcera zu erfassen. Zwingend ist lokal auch die Prüfung und saubere Dokumentation der Sensomotorik sowie der Durchblutung. Weiterhin ist bei dem betroffenen Patientenkollektiv das oft erhöhte Dekubitusrisiko zu berücksichtigen. Deshalb sollten bereits bestens präoperativ klassische Prädilektionsstellen für solche, im Besonderen die Fersen und das Gesäß, klinisch beurteilt werden, um auch direkt postoperativ ein möglicherweise erforderliches Bett mit Wechseldruckmatratze verfügbar zu haben. Weiterhin empfiehlt sich zumindest eine Basisprüfung von Kraft und Motorik mit einer Mitabschätzung einer Frailty und Sturzneigung sowie der Einschätzung, ob postoperativ eine Teilbelastung überhaupt umsetzbar wäre.

Laborchemische Diagnostik

Der Vollständigkeit halber ist eine Labordiagnostik durchzuführen (Leukozytenzahl, C-reaktives Protein (CRP), ggf. Blutsenkungsgeschwindigkeit), welche bei einem low-grade Infekt jedoch möglicherweise ohne wegweisenden Informationsgehalt bleibt und hauptsächlich beim akuten Infekt eine Rolle spielt (Benda et al. 2022; Mederake et al. 2022). Die Laborabnahme dient hier eher der präoperativen Vorbereitung. Weiterhin kann eine Aspiration von Gelenkflüssigkeit durchgeführt werden. Hier sind vor allem die Leukozytenzahl, der Anteil an polymorphkernigen Granulozyten, ggf. der Glukosegehalt sowie die Bakterienkultur bedeutsam. Da die meisten periprothetischen Frakturen doch traumatischer Genese sind, ist eine solche Gelenkpunktion nur im Falle eines durch Anamnese, klinische Untersuchung oder bildgebende Diagnostik sich aufdrängenden Infektionsverdachts sinnvoll. Sollte es jedoch eine Gelenkbeteiligung der Fraktur mit entsprechendem intraartikulären Hämatom geben, ist die Leukozytenzahl im Falle von einem potenziell begleitend vorliegenden low-grade Infekt aussagelos, da für die mögliche Diagnose eines solchen Infektes bereits Leukozytenzahlen ab 1000/μl diskutiert werden (Preston et al. 2015).

Bildgebung

Das Arbeitspferd der Bildgebung bleibt weiterhin die konventionelle Röntgendiagnostik – idealerweise in zwei Ebenen und mit Planungskugel. Dies ist bei instabilen schmerzhaften Frakturen und auch in der Notfallsituation logistisch nicht immer abzubilden.
In der Röntgendiagnostik ist es gerade am Knie von Bedeutung, den gesamten betroffenen Knochen abzubilden, um
1.
mögliche gelenkferne Frakturausläufer und
 
2.
auch mögliche Versorgungshindernisse zu erkennen.
 
An der Tibia wäre hier zum Beispiel an einen Arthrodesenagel des Sprunggelenks zu denken oder nach proximal reichende, alte Plattenosteosynthesen. Die konventionell-radiologische Darstellung der Patella ist eine fallabhängige Entscheidung. Hier wäre vor einem Revisionseingriff insbesondere das Patellatracking interessant. Oft ist eine solche Aufnahme jedoch in der Fraktursituation nicht durchführbar. Neben der Beurteilung der Fraktur ist als weiterer Fokus die Verankerung der Prothese zu evaluieren. Tatsächlich ist die bildgebende Beurteilung einer Lockerung modalitätsunabhängig weiterhin mit einer gewissen Unsicherheit behaftet. Gefahndet wird jedoch nach radioluzenten Linien, also hypertransparenten Säumen, abgegrenzt durch einen subtilen Sklerosesaum des Umgebungsknochens. Eine solche radioluzente Linie ist jedoch zumindest im Bereich des zementierten Tibiaplateaus nur bei bereits länger einliegender Prothese von Aussagekraft (Smith et al. 1999), da eine solche Linie um den Zement oft als Folge der exothermen Reaktion beim Aushärten ebenfalls entstehen kann (Ritter et al. 1994).
Als ergänzende Bildgebung ist meist eine Computertomografie empfehlenswert, da hier unabhängig von der Positionierung das Knie in allen drei Standardebenen rekonstruiert werden kann und auch nicht dislozierte Frakturen in der Regel gut identifiziert werden können. Problematisch ist weiterhin die Artefaktbildung insbesondere durch Stahlkomponenten der Prothese. Verbesserungen können hier durch die Anwendung von Metallartefakt-unterdrückenden Aufnahmetechniken erzielt werden, wie der Dual-Energy-Bildgebung, womit auch die Beurteilung von Knochenödemen möglich ist (Sanghavi und Jankharia 2019). Mit solcher Bildgebung kann auch die Sensitivität und Spezifität bei der Beurteilung einer Prothesenlockerung gesteigert werden (Foti et al. 2021).
Bei stärker dislozierten Frakturen kann eine CT-Angiografie von Interesse sein, um eine etwaige kompromittierte Durchblutung zu identifizieren und zuzuordnen. Der Stellenwert der Kernspintomografie ist nachrangig. In manchen Fällen ist sie jedoch zur Beurteilung von Weichteiltumoren als Folge von Abriebpartikeln von Interesse. Hierbei sind jedoch auch idealerweise Metallartefakt-unterdrückende Sequenzen zu fahren.
In der akuten Fraktursituation besitzt die Szintigrafie keinen Stellenwert.

Abfrage der medizinischen Vorgeschichte

Oft erreichen Patienten mit einer periprothetischen Fraktur den Versorger außerhalb der üblichen Arbeitszeiten. Damit ist eine Beschaffung von Vorbefunden deutlich erschwert. Dies sollte aber nicht entmutigen, hier mit aller gebotenen Vehemenz eben solche einzufordern und zu organisieren. Da es sich um zumindest potenziell komplikationsträchtige und belastende Operationen handelt, für welche auch eine patientenindividuelle Risikoabschätzung und Zielvereinbarung getroffen werden muss, ist die Krankheitsgeschichte belastbar einzuholen. Fragestellungen von besonderer Bedeutung sind hier Erkrankungen von Organen, welche das operative Risiko erhöhen, die für eine Operation problematische Medikation, wie Blutverdünner oder Immunsuppressiva und vorangegangen Operationen an dem betroffenen Gelenk und den angrenzenden Gelenken bzw. Knochen. Schließlich ist noch der exakte Implantattyp in Erfahrung zu bringen, um zeitnah zu prüfen, ob hierfür Erweiterungsmöglichkeiten des Herstellers existieren. Bei einem fest verankerten Femurschild und einem primär aseptisch traumatisch gelockerten Tibiaplateau wäre zum Beispiel eine Langschaftversorgung mit einem neuen primären Tibiaplateau zu diskutieren – dies aber eben nur bei entsprechender Verfügbarkeit eines solchen Systems. Zu bedenken ist auch die logistische Vorlaufzeit, um entsprechende Implantate und noch viel mehr die hierfür erforderlichen Siebe zu beziehen und präoperativ aufzubereiten. Um hier in einem überschaubaren Fenster bis zur Versorgung zu bleiben, ist eine unmittelbare und konsequente Aufarbeitung der Implantate erforderlich. Dokumente, welche hierbei hilfreich sein können, sind selbstredend der Prothesenpass, ggf. aber auch der Entlassbrief des Krankenhauses der Primärversorgung, der Operationsbericht oder manchmal ein entsprechender Nachsorgebericht. Gerade der Operationsbericht sollte zur Vorbereitung auf die tatsächliche Operation ohnehin studiert werden, um nicht unerwartet von bereits aktenkundigen Schwierigkeiten überrascht zu werden. Sollte hier keine Dokumentation verfügbar sein, empfiehlt sich der direkte Anruf in der versorgenden Klinik. Wenn auch hier kein Erfolg erzielt werden kann, bieten zahlreiche Industriepartner eine zeitnahe Mitbeurteilung der Röntgenaufnahmen mit Abgleich der eigenen Produkte an.

Behandlung

Angesichts des von diesem Problem betroffenen Patientenkollektivs sind zunächst die Therapieziele zu definieren. Langfristig ist dies die Erzeugung eines stabilen und belastbaren schmerzfreien Knies mit gutem Alignement und Patellatracking sowie hoher Funktionalität.
Insbesondere gilt es aber, die Besonderheiten der geriatrischen Chirurgie zu berücksichtigen, falls ein solcher Patient zu behandeln ist. Hier wird auf die einschlägige Literatur verwiesen. Als Stichworte seien hier nur die Versorgung mit einem einzigen chirurgischen Eingriff, ein adäquates Weichteilmanagement, eine postoperative Vollbelastung und eine zeitnahe operative Versorgung genannt. Gerade die zeitnahe operative Versorgung ist unter gesonderten Gesichtspunkten zu betrachten: Die Anzahl an existierenden Knieprothesensystemen ist groß. Gleichzeitig ist die Versorgung solcher Fälle in der Regel Zentren vorbehalten. Oft liegen die erforderlichen (Teil-)Ersatzimplantate jedoch nicht vor und müssen erst bestellt werden. Im Regelfall nimmt die Sterilisation der Instrumente vor Ort noch zusätzlich Zeit in Anspruch. Gleichzeitig ist die Explantation zumindest einer primären Knieprothese mit bereits einer ohnehin gelockerten Komponente oft einfach und relativ atraumatisch umsetzbar. Daher plädieren wir dafür, in solchen speziellen Fällen großzügig die Indikation zum Systemwechsel zu stellen, wenn hierdurch relevant die Zeit bis zur operativen Versorgung verkürzt werden kann. Zumindest bei geriatrischen Patienten sollte der Anspruch hochgehalten werden, analog der Versorgung von Schenkelhalsfrakturen zu operieren und somit innerhalb von 24 h, höchstens jedoch 48 Stunden die Versorgung durchzuführen. Die abschließende Entscheidung zur gewählten Therapie sollte daher eine gemeinsame Entscheidung sein, welche neben dem Operateur den Anästhesisten, den Internisten und vor allem den Patienten miteinbezieht.
Die allgemeinen Behandlungsempfehlungen orientieren sich am UCS und an der Felix-Klassifikation (Born et al. 2018; Felix et al. 1997; Stuart und Hanssen 1999). Die Grundzüge sind dabei:
1.
Frakturen mit gelockerten Implantaten werden mit Prothesenrevisionseingriffen behandelt mit in der Regel Verwendung von langen zementfreien Schäften und ggf. zusätzlicher Verwendung von Knochentransplantaten und/oder Osteosynthesematerial.
 
2.
Abhängig von patientenspezifischen Faktoren können nicht dislozierte Frakturen mit stabilem Implantat auch konservativ behandelt werden.
 
3.
Dislozierte Frakturen mit stabilem Implantat werden einer Osteosynthese zugeführt.
 
Intraoperative Frakturen sind verhältnismäßig einfach handzuhaben, da es sich in den meisten Fällen um nicht-dislozierte Frakturen mit einem stabilen Implantat handelt. Weiterhin ist bei solchen Frakturen nicht von einem weitergehenden Weichteiltrauma auszugehen (Alden et al. 2010).

Konservative Behandlung

Die konservative Behandlung kommt primär bei nicht dislozierten Frakturen mit radiologisch fest verankerter Prothese infrage. Die Behandlung erfolgt dabei unter Ruhigstellung mit regelmäßigen Röntgenkontrollen. Bei notwendiger Gipstherapie muss der Fuß dabei zur Rotationsneutralisation miteingeschlossen werden. In diesem Gipsverband ist für mindestens 6 Wochen Entlastung einzuhalten (Felix et al. 1997; Ruchholtz et al. 2013).
Dies hat insbesondere bei Patienten einen hohen Stellenwert, die ohnehin bettlägerig sind oder denen aufgrund von Risikofaktoren eine Operation nur schwer zugemutet werden kann oder auch kurzfristig aufgrund von beispielsweise komplexer Antikoagulation bei Klappenersatz unmöglich ist.

Allgemeine Aspekte der operativen Behandlung

In den meisten Fällen, erfolgt die Behandlung operativ. Die Rate an knöcherner Konsolidierung liegt bei sachgerechter Versorgung bei knapp über 75 % (Born et al. 2018; Cretu et al. 2019; Morwood et al. 2019). Dabei stehen prinzipiell verschiedene Versorgungsmöglichkeiten zur Verfügung:
  • Bei festem Implantat und dislozierter Fraktur ist die Plattenosteosynthese das mit Abstand am häufigsten verwendete Verfahren. Grundsätzlich stehen Plattenosteosynthesen in klassischer nicht-winkelstabiler Art sowie winkelstabile Systeme, zum Teil mit variabler Angulation der Schrauben und teils mit anatomischer Präformierung, zur Verfügung. Je nach Frakturlokalisation und -morphologie erfolgt die Osteosynthese von lateral, von medial, oder als Doppelplattenosteosynthese. Das Risiko, die lokale Blutversorgung zu kompromittieren, ist bei konventionellen Kompressionsplatten relevant, während diese Problematik bei korrekt eingebrachten winkelstabilen Platten nicht besteht (Farouk et al. 1999). Aus diesem Grund und aufgrund einer häufig eingeschränkten Knochenqualität werden heute in aller Regel winkelstabile Platten bevorzugt. Osteosynthesen mit einer winkelstabilen Platte erreichen dabei bei diaphysären Frakturen üblicherweise gute Ergebnisse. Doppelplatten werden eher bei metaphysären Frakturen eingesetzt, da hierdurch bei oft eingeschränkter Knochenqualität eine erhöhte Stabilität erreicht werden kann. Da insbesondere bei sehr proximalen Frakturen ein erhöhtes Risiko für ein Therapieversagen besteht (Lee et al. 2014), kann die geforderte stabile proximale Verankerung mit Schrauben, die mindestens 8 Cortices fassen, häufig nur durch die Verwendung von zwei Platten erreicht werden (Dougherty et al. 2008; Kim et al. 2017). Allerdings muss bei der Doppelplattenosteosynthese die erhöhte Invasivität und die hiermit assoziierte vermehrte Weichteilschädigung patientenspezifisch abgewogen werden (Abb. 2).
    Insgesamt können mit plattenosteosynthetischen Verfahren gute Ergebnisse erreicht werden, wenn sie den jeweiligen Besonderheiten der Fraktur Rechnung tragen (Morwood et al. 2019). Zudem sollten, wenn immer möglich, minimal-invasive Techniken bevorzugt werden, um durch die besser erhaltene Blutversorgung die Durchbauungsrate zu erhöhen und die Infektionsrate zu senken (Kim et al. 2017).
  • Die Schraubenosteosynthese mit in der Regel Teilgewindeschrauben findet oft unterstützend zur Plattenosteosynthese Anwendung. Bei apophysealen Absprengungen vor allem der Tuberositas tibiae kann sie jedoch auch für sich alleine stehen und ist dort die Therapie der Wahl.
  • Cerclagen sind ein geeignetes Mittel, um insbesondere Spiralfrakturen gut zu adaptieren. Vor allem bei periprothetischen Frakturen bei einliegenden langen Schäften empfiehlt sich deren Anwendung. Bei der Platzierung um die Tibia ist jedoch die Nähe zu Gefäßnerven-Strukturen zu beachten, insbesondere des N. peroneus, weshalb hier mit Akribie gearbeitet werden muss. Zudem sollte die Anzahl der Cerclagen frakturspezifisch auf das benötigte Minimum beschränkt werden, um potenzielle knöcherne Einschränkungen der Durchblutung zu vermeiden und Cerclagen-assoziierte Weichteilirritationen zu minimieren.
  • Im Gegensatz zu femoralen Frakturen findet eine Nagelversorgung selten Verwendung, kann jedoch bei distaleren Frakturen (Felix 3) und entsprechenden Voraussetzungen der einliegenden Prothese antegrad erfolgen (Bauer et al. 2020; Cretu et al. 2019). Bei periprothetischen Frakturen um Schlittenprothesen ist der Stellenwert höher, da hier nahezu anatomisch gearbeitet werden kann.
  • Bei entsprechenden Knochendefekten kann eine Augmentation mit alloplastischem Knochenersatzmaterial oder autologem bzw. allogenem Knochen erwogen werden.
  • Bei Knochenverlust in Gelenknähe erlauben moderne Augmente und Konen oft eine gute metaphysäre Fixation, welche im Revisionsfall in Verbindung mit einem langen Schaft einem Prothesenkonstrukt ausreichend Verankerungsstabilität verleiht.
  • Bei stabiler Prothese kann in besonderen Fällen bei sehr beanspruchten Weichteilen und fehlender Perspektive auf eine rasche Besserung derselben auch die Anlage eines Fixateur externe erwogen werden (Assayag et al. 2018). Dabei sind jedoch die Pins aufgrund der Infektgefahr für die Prothese sicher extraartikulär zu platzieren. Dieses Vorgehen bleibt jedoch als individueller Therapieversuch besonderen Ausnahmeumständen vorbehalten.
  • Im Fall von gelockerten Prothesen ist der Prothesenwechsel grundsätzlich indiziert. Hierbei sind frakturüberbrückende Schäfte zu verwenden – je nach Gegebenheit zementfrei oder zementiert (Abb. 3). Je nach noch vorhandener Bandstabilität und Knochensubstanz wird hier oft auf einen höheren Kopplungsgrad gewechselt. Dabei muss auf ausreichende Überbrückung der Fraktur durch den Schaft geachtet werden. Dieser sollte mindestens im Isthmus sicher verankert sein, um ein Pelottieren durch seitlich einwirkende Kräfte sicher zu verhindern. Der proximale Tibiaersatz ist zwar als Versorgungsstrategie denkbar, jedoch nach Möglichkeit zu vermeiden. Aufgrund des Verlusts des knöchernen Ansatzpunkts der Patellasehne sind die Ergebnisse bei gleichzeitig hoher Infektrate funktionell schlecht. Oft muss in diesen Fällen auch eine additive Lappendeckung durch einen Hemi-Gastrocnemius oder Soleuslappen erfolgen. In Fällen, in denen der Streckapparat sicher in Mitleidenschaft gezogen ist, muss zumindest als Therapiealternative mit dem Patienten die Arthrodese diskutiert werden. Alternativ können, so anatomisch noch möglich, auch Sehnenaugmentationen erwogen werden.
  • In Einzelfällen kann auch eine transfemorale Amputation erforderlich werden. In sicher nicht infizierten Fällen mit fester femoraler Komponente kann auch eine Exartikulation mit dem Patienten diskutiert werden (Lee et al. 2016).

Besonderheiten bei Frakturen bei bereits länger einliegender TEP

Da große Fallserien insbesondere an der Tibia in der kniegelenksnahen periprothetischen Frakturversorgung fehlen, kann teilweise nur aus analogen Versorgungen in nativen Knien und femoralen Frakturen geurteilt werden. In einer großen Fallserie von Hoffmann et al. (Hoffmann et al. 2013) wurden retrospektiv 111 Frakturen in 106 Patienten untersucht, welche eine winkelstabile Plattenosteosynthese um das Kniegelenk erhielten. 36 Frakturen wurden dabei offen reponiert, 75 Frakturen minimalinvasiv. Die Heilungsrate lag bei 91 %. Dabei zeigte sich, dass die Rate an Pseudarthrosen in der in minimalinvasiver Technik versorgten Gruppe geringer war. Daher gilt prinzipiell die „mini-open“-Technik mit Cerclagen und der Verwendung einer polyaxialen winkelstabilen Platte als Königsweg in Bezug auf die Weichteilschonung. Diese Technik ist jedoch insbesondere bei der Reposition anspruchsvoll, erfordert eine hohe operative Fertigkeit des Operateurs und stößt bei komplexen Frakturen an ihre Grenzen.
Für periprothetische Frakturen ist die Schwierigkeit der Reposition noch einmal deutlich erhöht, ebenso das Komplikationsrisiko im Sinne von Infekt und Pseudarthrose aufgrund der erschwerten Reposition bei störender Prothese und einliegendem Knochenzement. Auch wenn oft am Ende der Behandlung eine adäquate Versorgung erreicht werden kann, so ist auf dem Weg dorthin das Risiko für Komplikationen wie Infekt, Wundheilungsstörung, Repositionsverlust, temporärer Peroneausläsion, verzögerter Knochenheilung oder weiteren Frakturen deutlich erhöht (Bauer et al. 2020; Schreiner et al. 2018). Bauer et al. 2020, berichteten in einem retrospektiv ausgewertetem Kollektiv von 15 Patienten mit solchen Frakturen, dass Plattenosteosynthesen höhere Komplikationsraten besitzen als die Nagelung oder der Prothesenwechsel (Bauer et al. 2020).
Wenn eine Instabilität des Tibiaplateaus festgestellt wird, sollte ein Prothesenwechsel durchgeführt werden (Felix et al. 1997; Rand und Coventry 1980). Beim Prothesenwechsel sollte dabei die Tibiakomponente mit einem längeren Schaft als üblich versehen werden, damit dieser sicher cortical fasst, nachdem er bereits die Frakturhöhe überschritten hat (Dennis 2001; Felix et al. 1997; Rand und Coventry 1980). Nach Fixierung der Tibiakomponente sollte geprüft werden, ob eine weitere interne Fixierung z. B. mittels additiver Platten- oder Schraubenosteosynthese erforderlich ist. Sollten knöcherne Defekte tibial metaphysär vorliegen, stehen mittlerweile bei fast allen Herstellern Augmente zur Verfügung. Eine gute Versorgung mit Augmenten erfordert jedoch biomechanisch eine dann gute axiale Abstützfläche dieser Augmente auf dem dafür vorbereiteten Knochen. Sollte diese Abstützung nicht gewährleistet sein und somit eine Fixierung in der Zone 1 nicht belastbar erreicht werden, kann eine metaphysäre Fixierung mittels moderner Konen durchgeführt werden. Hierbei werden metallene Ringe – mit in der Regel am äußeren Blatt trabekulärer Struktur – in die nicht mehr geschlossene Ringstruktur der Metaphyse passgenau eingepresst, um einen neuen Ringschluss herzustellen. Hiermit wird ein Lager geschaffen, in welches dann die Tibiakomponente einzementiert werden kann. Dadurch wird eine gute Fixierung in Zone 2 erreicht. Durch die zwingend erforderliche Verwendung von Zement ist hier auch nicht unbedingt Herstellerkongruenz zwischen Konus und Prothesenkomponente zu wahren, was einem intraoperativ deutlich mehr Flexibilität gibt, allerdings einen Off-Label-Use darstellt.

Intraoperative und direkt postoperative Frakturen

Im Falle intraoperativer Frakturen orientieren sich die Therapieentscheidungen an Zustand und Ort der Fraktur, hauptsächlich aber an den Handlungsempfehlungen für postoperativ aufgetretene Frakturen (Abb. 4). Als Besonderheit kann jedoch intraoperativ auf den Vorfall direkt reagiert werden und so bei Bedarf das Prothesendesign an die neuen Erfordernisse angepasst werden.
Für instabile Typ 1C-Frakturen empfiehlt sich die Schraubenfixation von knöchernen Fragmenten mit anschließender Implantation eines Tibiaplateaus mit längerer Schaftkomponente.
Typ 2C-Frakturen werden ebenfalls mit einer langen Tibiaschaftkomponente überbrückt und etwaige Knochendefekte werden mit Knochen aufgefüllt. Zur Fraktursicherung sollte dabei der Schaft dann jedoch so tief verankert werden, dass ein Pelottieren des proximalen Fragments unterbunden wird. Hierfür muss im Regelfall der Schaft bis in den Isthmus eingebracht werden.
Typ 3C-Frakturen werden entweder mit einer additiven internen Fixierung adressiert oder im Falle der relativ häufig auftretenden Fissuren im Längsverlauf konservativ behandelt, mit entsprechend zunächst restriktiver Nachbehandlung insbesondere in Bezug auf Lastaufnahme (Alden et al. 2010).
Typ 4-Frakturen, welche die Tuberositas tibiae betreffen, sollten mit extremer Vorsicht versorgt werden, um ein Ausreißen des Streckapparats zu vermeiden. Je nach Ausprägung erfolgt die Schraubenosteosynthese, ggf. im aushärtenden Zement und idealerweise mit einer Krallen-Unterlegscheibe (Abb. 5), oder die konservative Versorgung mit Nachbehandlung in Streckstellung. Aufgrund der erschwerten Mobilisation nach langer Ruhigstellung in der Schiene empfehlen die Autoren jedoch in diesen Fällen die großzügige Indikationsstellung zur Schraubenosteosynthese. Dabei ist auf eine Lage der Schraubenköpfe außerhalb des Zugangswegs zu achten. Hanssen und Stuart (Hanssen und Stuart 2000) schlugen im Falle von Sehnenaffektion an der Tuberositas tibiae weiterhin die Nutzung eines Polypropylennetzes oder alternativ eine umgeschwenkte Semitendinosussehne vor. Hier verweisen die Autoren auf die entsprechende Literatur zu diesem Thema. Aufgrund der hohen Infektneigung eines solchen Netzes ist die Indikation zur Einbringung erst mit dem Versagen der biologischen Rekonstruktion zu stellen.

Aktuelle Versorgungslage laut Literatur

Ebrahim und Kollegen (2015) führten 2015 ein systematisches Review durch, in dem bei 144 periprothetischen Tibiafrakturen die gewählten Versorgungsstrategien für entsprechend klassifizierte Frakturen aufgeführt wurde (Tab. 1). Auch wenn dies nicht unbedingt im Einzelfall diejenige Versorgung darstellt, welche für den betroffenen Patienten die „Ideallösung“ gewesen sein möge, so lässt sich hiermit zumindest die aktuelle Versorgungsrealität gut widerspiegeln:
Tab. 1
Gewählte Versorgungsarten in der Literatur bei tibialen periprothetischen Frakturen. (Ebraheim et al. 2015)
Felix (gesamt n = 144)
A n = 27 (18,75 %)
B n = 63 (43,75 %)
C n = 54 (37,50 %)
Nagelung
6
  
Extension, Schrauben und Immobilisation
2
  
Konservativ
19
 
42
Prothesenwechsel
 
40
 
Prothesenwechsel nach fehlgeschlagener anderer Versorgung
 
23
 
Schrauben/Cerclagen
  
9
Plattenosteosynthese
  
1
Allograft
  
2

Prognose

Am prognostisch ungünstigsten sind Felix 1-Frakturen. Felix 3-Frakturen hingegen haben eine relativ gute Prognose (Felix et al. 1997). Im Falle von 1B und 2B ist meist ein Implantatwechsel erforderlich (Schreiner et al. 2018). Als besonders komplikationsträchtig wird Felix 2 angesehen (Bauer et al. 2020; Morwood et al. 2019). Die Schwierigkeit bei Felix 2-Frakturen ist die Lagebeziehung von Fraktur zu Prothese im Bereich der Metaphyse. Je nach Prothesen- und Plattenmodell sind die Möglichkeiten zur adäquaten Schraubenplatzierung begrenzt. Gleichzeitig ist aufgrund der Prothese oder des Zements die Reposition deutlich erschwert. Die nur dünne, nicht muskuläre Weichteildeckung insbesondere medial, prädisponiert weiterhin zu entsprechenden oberflächlichen und tiefen Infekten.
Insgesamt empfiehlt sich die Versorgung solch komplexer und gleichzeitig seltener Frakturen in erfahrenen Händen an einem hierfür ausgewiesenen Zentrum.
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