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Pädiatrie
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Publiziert am: 08.01.2019

Defekte der Cholesterolbiosynthese

Verfasst von: Georg F. Hoffmann
Defekte der Cholesterolbiosynthese sind die ersten monogenen Erbkrankheiten, die als Ursache embryofetaler Fehlbildungssyndrome nachgewiesen wurden. Ein einziger Enzymdefekt ist im proximalen Teil des Syntheseweges bekannt: der Mevalonatkinasedefekt. Das distale Segment des Biosynthesewegs beginnt beim ersten Sterol des Biosyntheseweges, Lanosterol. Zusätzlich zum am häufigsten und besten bekannten Smith-Lemli-Opitz-Syndrom (SLO) konnten bisher 10 weitere Enzymdefekte identifiziert werden. Klinisch manifestieren sich der Mevalonatkinasedefekt als inflammatorische Multisystemerkrankung, die distalen Defekte mit unterschiedlichen kraniofazialen Dysmorphien, Organ- und Skelettfehlbildungen sowie schweren körperlichen und psychomotorischen Entwicklungsstörungen.
Definition und Häufigkeit
Defekte der Cholesterolbiosynthese sind die ersten monogenen Erbkrankheiten, die als Ursache embryofetaler Fehlbildungssyndrome nachgewiesen wurden. Ein einziger Enzymdefekt ist im proximalen Teil des Syntheseweges bekannt: der Mevalonatkinasedefekt. Das distale Segment des Biosynthesewegs beginnt beim ersten Sterol des Biosyntheseweges, Lanosterol (Abb. 1). Zusätzlich zum am häufigsten und besten bekannten Smith-Lemli-Opitz-Syndrom (SLO) konnten bisher 10 weitere Enzymdefekte identifiziert werden. Klinisch manifestieren sich der Mevalonatkinasedefekt als inflammatorische Multisystemerkrankung, die distalen Defekte mit unterschiedlichen kraniofazialen Dysmorphien, Organ- und Skelettfehlbildungen sowie schweren körperlichen und psychomotorischen Entwicklungsstörungen.
Defekte der Cholesterolbiosynthese sind seltene Erkrankungen. Nur für das SLO liegen verlässliche Zahlen für Europa und die USA vor, die eine Häufigkeit von 1:60.000 Geburten ausweisen. In der asiatischen und afrikanischen Bevölkerung scheint die Häufigkeit deutlich niedriger zu liegen. Von den übrigen Erkrankungen existieren nur Kohorten- oder sogar nur Einzelfallberichte. Der Mevalonatkinasedefekt mit seinen beiden klinischen Eckpunkten, der Mevalonazidurie und dem Hyper-IgD-Syndrom, wurde vor allem in Mitteleuropa und den Niederlanden beschrieben, im Wesentlichen infolge einer häufigen Mutation (Founder Effekt).
Pathophysiologie
Der Isoprenoidbiosyntheseweg besteht aus einer komplexen Folge von Reaktionen, deren geschwindigkeitsbestimmender Schritt die Reduktion von 3-Hydroxy-3-Methylglutaryl-CoA (HMG-CoA) zu Mevalonsäure durch das Enzym HMG-CoA-Reduktase ist. Cholesterol ist das wichtigste Endprodukt, ein wesentlicher Bestandteil zellulärer Membranen und des Myelins. Außerdem dient es als Ausgangssubstrat für die Synthese von Gallensäuren und Steroidhormonen, Neurosteroiden und Oxysterolen. Ferner modifiziert Cholesterol die Funktion mehrerer Hedgehog-Signalproteine, welche in der embryonalen Signaltransduktion u. a. die Ausbildung von Mittellinienstrukturen steuern. Wesentliche Fehlbildungssymptome bei Patienten mit SLO, Desmosterolämie und Lathosterolämie lassen sich auf eine gestörte Funktion von Sonic Hedgehog zurückführen.

Mevalonatkinasedefekt: Mevalonazidurie und Hyper-IgD-Syndrom

Die Mevalonazidurie und das Hyper-IgD-Syndrom repräsentieren die Eckpunkte der phänotypischen Ausprägungen des Mevalonatkinasedefekts. Bei etwa 50 schwer betroffenen Patienten mit massiv erhöhter Urinausscheidung von Mevalonsäure (Mevalonazidurie) wurde eine schwere, oft tödlich verlaufende Multisystemerkrankung mit Fehlbildungen, schwerer Dystrophie, Hepathopathie, Myopathie und psychomotorischer Retardierung charakterisiert. Patienten können bereits pränatal versterben und/oder einen Hydrops entwickeln. Im Kleinkindalter werden Minderwuchs, Ataxie, Katarakte und Retinitis pigmentosa offensichtlich. Besonders beeinträchtigend sind rezidivierende fieberhafte Krisen, welche bei „leichterem“ Krankheitsverlauf die einzige Manifestation sein können (Hyper-IgD-Syndrom, Differenzialdiagnose „fever of unknown origin“, Kap. „Episodische Fiebersyndrome – autoinflammatorische Syndrome“). Die rezidivierenden Fieberschübe gehen mit abdominalen Beschwerden, Arthralgien, Hepatomegalie, Lymphadenopathie und Haut- und Schleimhauteffloreszenzen einher. Sie sind primär nichtinfektiöser Ursache, können aber durch Impfungen, banale Infekte oder auch Stress getriggert werden. Schwere gastrointestinale Komplikationen können wie chronische entzündliche Darmerkrankungen verlaufen und durch aseptische Peritonitiden, Darmverschlüsse, Ulzera, Blutungen, Kolitiden und Perforationen kompliziert sein. Bei ungefähr der Hälfte der Patienten tritt ab der Adoleszenz eine Reduktion der Fieberschübe ein. Viele Patienten entwickeln schwere Infektionen und autoimmunologische Erkrankungen wie erosive Arthritis, Sjögren-Syndrom, Uveitis, Amyloidose, aber auch renale Angiomyolipome und Tumoren.
Die Mevalonazidurie wird durch erhöhte Mevalonsäureausscheidungen im Urin diagnostiziert und enzymatisch bzw. molekular bestätigt. Beim Hyper-IgD-Syndrom kann die Ausscheidung von Mevalonsäure minimal bis normal sein und eine molekulare bzw. enzymatische Diagnosestellung erfordern.
Die Behandlung der Mevalonazidurie und des Hyper-IgD-Syndroms sind im Wesentlichen supportiv. Zur Unterbrechung und Vermeidung der akuten Krisen haben sich die Interleukin-1(IL-1)-Rezeptor-Antagonist Anakinra und besonders Canakinumab bewährt.

Smith-Lemli-Opitz-Syndrom

Das 1964 von David W. Smith, L. Lemli und John M. Opitz ursprünglich als Dysmorphiesyndrom (kraniofaziale Auffälligkeiten: Mikrozephalie, Mikrognathie, Ptosis, antevertierte Nares plus psychomotorische Retardierung , ausgeprägte muskuläre Hypotonie sowie Katarakt und Gedeihstörung, Abb. 2) beschriebene Smith-Lemli-Opitz-Syndrom (SLO) wurde inzwischen als metabolische Erkrankung identifiziert. Zugrunde liegt ein rezessiv vererbter Defekt der 3β-Hydroxysterol-Δ7-Reduktase mit Erhöhungen von 7- und 8-Dehydrocholesterol und zumeist reduzierten Cholesterolspiegeln. Das sehr variable Krankheitsbild reicht von schweren neonatalen Verlaufsformen mit neonatalem (und auch intrauterinem) Tod bis zu einer isolierten leichten Retardierung. Fast immer sind Skelettfehlbildungen und häufig auch Fehlbildungen der inneren Organe sowie des Genitales vorhanden, z. B. eine Syndaktylie der Zehen II und III (>95 %), ein tief angesetzter Daumen, postaxiale Polydaktylie und Fußfehlstellungen. Viele Patienten leiden unter schweren Essstörungen und Verhaltensauffälligkeiten.
Für die Diagnosestellung ist die Cholesterolbestimmung im Plasma nicht sensitiv: Die spezifische Sterolanalytik sollte in der diagnostischen Untersuchung von Kindern mit Entwicklungsstörungen insbesondere bei begleitenden Dysmorphien breit angewendet werden.
Erfolgversprechende Therapieansätze sind die Gabe von exogenem Cholesterol (100 mg/kg KG/Tag). Besonderes Augenmerk muss auf die Ernährung gelegt werden, viele Patienten profitieren von einer Sondenernährung, aber auch Übergewicht kann problematisch werden. Erfolge werden vor allem bei milderer Ausprägung des Krankheitsbildes erzielt. Besondere Aufmerksamkeit ist bei schweren interkurrenten Erkrankungen und Operationen geboten, eine perioperative i. v.-Substitution mit „fresh frozen plasma“ (FFP) plus Gluko- und Mineralokortikoiden kann notwendig sein.

CHILD-Syndrom

Ein Defekt im Sterol-4-Demethylase-Komplex löst das X-chromosomal-dominant vererbte CHILD-Syndrom („congenital hemidysplasia, ichthyosiform erythroderma and limb defects“) aus. Die einseitigen (meist rechtsseitigen) ichthyosiformen Hautläsionen zeigen eine scharfe Demarkation an der Mittellinie bei gleichseitiger Verkürzung und Fehlbildung der Extremitäten sowie punktförmigen Verkalkungen der Epiphysen und anderer Knorpelstrukturen.
Biochemisch zeigt sich eine Anhäufung von 4-Methylsterolen ohne Verminderung des Cholesterols.

Conradi-Hünermann-Syndrom

Die X-chromosomal-dominant vererbte Form der Chondrodysplasia punctata (Conradi-Hünermann-Syndrom, CDPX2) beruht auf einem Defekt der Sterol-Δ8-Isomerase. Die Patienten leiden an einer asymmetrischen rhizomesomelen Verkürzung der Extremitäten, Katarakten und zeigen punktförmige Verkalkungen von knorpeligen Strukturen sowie ichthyosiforme Hautläsionen, die den Blaschko-Linien folgen. Es finden sich Erhöhungen von 8-Dehydrocholesterol und 8(9)-Cholestenol bei im Normbereich liegendem Cholesterol.

Desmosterolämie

Ein Defekt der Sterol-Δ24-Reduktase verursacht die Desmosterolämie. Es häuft sich Desmosterol an, und Cholesterol wird vermindert gebildet. Klinisch zeigen die Patienten Skelett- und Organfehlbildungen sowie eine psychomotorische Retardierung.

Lathosterolämie

Die bekannten Patienten mit Lathosterolämie ähneln klinisch sehr Patienten mit SLO. Zugrunde liegt ein Defekt der Sterol-C5-Desaturase mit vermehrtem Lathosterol.

Greenberg-Dysplasie

Eine Störung der Sterol-Δ14-Reduktase verursacht die autosomal-rezessiv vererbte Greenberg-Dysplasie , die mit einem Hydrops fetalis und „mottenfraßähnlichen“ Knochenläsionen einhergeht und bereits intrauterin letal ist. Als Markermetaboliten finden sich 8,14-Cholestanol und 8,14,24-Cholestanol bei normwertigem Cholesterol. Heterozygote Genträger zeigen die harmlose hämatologische Pelger-Huët-Anomalie.

Antley-Bixler-Syndrom

Bei einer Gruppe von Patienten mit Antley-Bixler-Syndrom (Mittelgesichtshypoplasie, Choanalatresie, radiohumorale Synostose, gebogene Femurknochen, gehäufte Frakturen der langen Röhrenknochen, gelegentlich Genitalfehlbildungen) wird ein Defekt der Lanosterol-14-α-Demethylase vermutet; Lanosterol und Dihydrolanosterol werden in Fibroblasten erhöht nachgewiesen.
Weiterführende Literatur
Bader-Meunier B, Florkin B, Sibilia J et al (2011) Mevalonate kinase deficiency: a survey of 50 patients. Pediatrics 128:e152–e159CrossRef
Haas D, Herman GE, Hoffmann GF (2017) Defects of cholesterol biosynthesis. In: Sarafoglou K, Hoffmann GF, Roth KS (Hrsg) Pediatric endocrinology and inborn errors of metabolism, 2. Aufl. McGraw-Hill, New York, S 413–426