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Ambulantes Operieren: Infektionsprophylaxe

Verfasst von: Karl Lewalter und Sebastian Lemmen
Die hygienischen Vorgaben zur Prävention einer Wundinfektion sind für ambulante und stationär durchgeführte Eingriffe identisch. Empfehlungen zur baulichen Gestaltung schaffen Rahmenbedingungen für optimale Arbeitsabläufe, die infektionspräventiven Vorgaben nationaler und internationaler Empfehlungen sollten bekannt und in die tägliche Routine implementiert sein. Zusätzlich wird die Teilnahme an einer Surveillance postoperativer Wundinfektionen mit einer geeigneten Indikatoroperation empfohlen.
Die hygienischen Vorgaben zur Prävention einer Wundinfektion sind für ambulante und stationär durchgeführte Eingriffe identisch. Empfehlungen zur baulichen Gestaltung schaffen Rahmenbedingungen für optimale Arbeitsabläufe, die infektionspräventiven Vorgaben nationaler und internationaler Empfehlungen sollten bekannt und in die tägliche Routine implementiert sein. Zusätzlich wird die Teilnahme an einer Surveillance postoperativer Wundinfektionen mit einer geeigneten Indikatoroperation empfohlen.

Einleitung

Ambulante Eingriffe sind als operative Behandlungsmethoden definiert, bei denen der Patient die Nacht vor und nach dem Eingriff nicht in einer medizinischen Einrichtung verbringt (AWMF 2010). Während im Jahr 2002 die Anzahl ambulanter Eingriffe bundesweit noch bei ca. 570.000 lag, wurden 2010 bereits ca. 1,9 Millionen solcher Eingriffe in Deutschland durchgeführt (Statistisches Bundesamt, www.destatis.de). Für die Patienten bedeuten ambulante operative Eingriffe die rasche Rückkehr in die gewohnte häusliche Umgebung und damit auch ein verringertes Risiko für nosokomiale Infektionen, für die Kostenträger entstehen meist geringere Kosten. Ambulante Eingriffe können sowohl in einer Praxis als auch in einem Krankenhaus durchgeführt werden.
Wichtig
Die hygienischen Anforderungen und die spezifischen Maßnahmen zur Prävention von Wundinfektionen unterscheiden sich dabei nicht (AWMF 2010).

Rechtliche Anforderungen

Gesetzliche Anforderungen an Einrichtungen für ambulantes Operieren werden auf Bundesebene in § 23 des Infektionsschutzgesetzes und durch die Landeshygieneverordnungen der einzelnen Bundesländer geregelt. Hygienische Vorgaben müssen schriftlich in einem Hygieneplan aufgeführt werden, das Personal muss regelmäßig über diese Vorgaben durch den ärztlichen Leiter der Einrichtung informiert und weitergebildet werden. Gefordert ist neben der Beratung durch einen Krankenhaushygieniker auch die Betreuung durch eine Hygienefachkraft, wobei hier keinerlei Zeitkontingente definiert sind. Zusätzlich sollte mindestens ein klinisch tätiger Arzt als Hygienebeauftragter und eine Pflegekraft als „Hygienebeauftragte in der Pflege“ fortgebildet sein.
Maßnahmen zur Prävention von postoperativen Wundinfektionen, wie zum Beispiel die Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert Koch-Institut (KRINKO 2007) und der US-amerikanischen Fachgesellschaften (Anderson et al. 2014) sollten bekannt und implementiert sein. Ebenfalls gesetzlich vorgeschrieben ist die Durchführung einer prospektiven Surveillance postoperativer Wundinfektionen. In Deutschland ist hierzu das Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System (KISS) mit dem Modul OP-KISS für stationär durchgeführte Operationen etabliert. Durch die Teilnahme an einer Surveillance konnte in Deutschland ein Rückgang an postoperativen Wundinfektionen im stationären Bereich um 20–30 % dokumentiert werden (Gastmeier et al. 2008). Die Surveillance bei ambulant durchgeführten Operationen über das KISS-Modul AMBU-KISS ist Ende 2016 durch das Nationale Referenzzentrum eingestellt worden, da ab 2017 alle ambulant erworbenen Wundinfektionen obligat an das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) gemeldet werden müssen.

Risikobewertung

Für die bauliche und funktionelle Planung und Einrichtung einer Abteilung für ambulantes Operieren ist das zu erwartende Spektrum an chirurgischen Eingriffen ausschlaggebend. Invasive Eingriffe können nach ihrem Ausmaß und Gefährdungsgrad in
  • Operationen (z. B. Thorakoskopie, Osteosynthesen),
  • kleinere invasive Eingriffe (z. B. Tracheotomie) und
  • invasive Untersuchungen (z. B. Angiografien)
unterteilt werden (KRINKO 2000). Während für Operationen erhöhte baulich funktionelle Anforderungen gestellt werden, können kleinere invasive Eingriffe oder Untersuchungen in einem üblichen Eingriffs- oder Untersuchungsraum durchgeführt werden.

Bauliche Voraussetzungen

Analog zum Krankenhaus sollten die Räumlichkeiten für operative Eingriffe vom übrigen Praxisbereich baulich abgegrenzt sein. Folgende Räumlichkeiten sollten neben dem eigentlichen OP-Saal in einem ambulanten OP-Bereich vorgehalten werden:
  • Räumlichkeiten zur Ein- und Ausschleusung von Patienten, Personal und Material
  • Wartebereich
  • Einleitungsraum (die OP-Einleitung kann optional auch im OP-Saal selbst stattfinden)
  • Ver- und Entsorgungsraum
  • Aufbereitungsraum (Reinigung, Desinfektion, Sterilisation)
  • Putzraum
  • Toiletten
  • Aufenthaltsraum für das Personal
Der OP-Saal sollte so dimensioniert sein, dass ausreichend Platz für den Patienten, das OP-Team, die Anästhesie, den Instrumententisch und gegebenenfalls Zusatzgeräte (wie z. B. Röntgengerät) vorhanden ist. Das Material der patientennahen Oberflächen sollte desinfizierbar sein.
Tipp
Weitergehende Empfehlungen zur Verwendung bestimmter Materialien, zur geschlossenen Kabelführung oder zur Anbringung von Hohlkehlen am Übergang des Fußbodens zur Wand haben durchweg einen eher ästhetischen Charakter und insbesondere mit Hinblick auf die Pathogenese einer Wundinfektion keine nachvollziehbare infektionspräventive Bedeutung.

Ablauf im OP-Bereich

Der Patient betritt den Operationsbereich durch die Patientenschleuse (Umkleide). Hier kann die private Kleidung abgelegt und je nach Erfordernis OP-Bekleidung angelegt werden. Als nächstes werden im Einleitungsraum Vorbereitungen, wie zum Beispiel eine Haarentfernung oder das Legen von Gefäßzugängen, durchgeführt. Anschließend gelangt der Patient in den OP-Saal. Nach dem Eingriff wird der Patient in den Aufwachraum gebracht und verlässt anschließend den OP-Bereich wieder über die Patientenschleuse.
Das Personal betritt den OP-Bereich über die Personalumkleide. Hier ist eine optische bzw. funktionelle Trennung in eine reine Seite, das heißt vor OP, und eine unreine Seite, das heißt nach OP, ausreichend. Auf der reinen Seite werden die Privatkleidung sowie sämtlicher Schmuck, Ringe oder Uhren abgelegt und entsprechende Bereichskleidung angelegt. Nach einer hygienischen Händedesinfektion kann dann der eigentliche OP-Bereich betreten werden. Nach der Operation wird auf der unreinen Seite die Bereichskleidung abgelegt und der OP-Bereich in Straßenbekleidung verlassen.
Tipp
Das Waschen der Hände mit Wasser und Seife ist lediglich vor Arbeitsbeginn oder bei grober, sichtbarer Verschmutzung der Hände erforderlich, zwischen einzelnen Operationen ist eine chirurgische Händedesinfektion ausreichend (KRINKO 2007).
Die chirurgische Händedesinfektion über 1,5 Minuten kann in einem separaten Waschraum oder auch im OP-Saal selbst durchgeführt werden. Beim Betreten des OP-Saales wird ein adäquater Mund-Nasen-Schutz angezogen; im OP-Saal selbst werden der sterile OP-Mantel sowie die sterilen OP-Handschuhe angezogen. Postoperativ werden diese als Einwegmaterial entsorgt. Es erfolgt dann eine erneute hygienische Händedesinfektion.
Das gesamte Material und Sterilgut sollte in einem separaten Lagerraum ohne Transportverpackungen gelagert werden. Von hier aus kann kurzfristig präoperativ das benötigte Material in den OP-Saal gebracht werden. Die OP-Tische sollten zeitnah präoperativ jeweils nur für die anstehende Operation gedeckt werden. Postoperativ wird angefallenes Einwegmaterial gesammelt, flüssigkeitsdicht verpackt und in einen separaten Entsorgungsraum bis zur täglichen Entsorgung zwischengelagert. Sterilgut wird kurzfristig zwischengelagert oder idealerweise direkt aus dem OP-Saal in den Wiederaufbereitungsraum gebracht.
Weiterhin befindet sich im OP-Bereich ein separater Raum, in dem Putzmittel und sämtliche Putzutensilien für den OP-Bereich gelagert werden. Postoperativ wird von hier aus routinemäßig eine Flächendesinfektion des OP-Saals durchgeführt. Nach der 3- bis 5-minütigen Abtrocknung der Flächen kann der OP-Saal dann direkt für den nächsten Eingriff verwendet werden.

Prävention von postoperativen Wundinfektionen

Tipp
Wesentlich bedeutsamer als bauliche Voraussetzungen sind evidenzbasierte Maßnahmen zur Prävention von postoperativen Wundinfektionen, die direkt mit dem Patienten oder dem operativen Eingriff assoziiert sind.
Während patienteneigene Faktoren wie zum Beispiel das Körpergewicht, Nikotin- oder Alkoholabusus sowie Vorerkrankungen in der Regel nicht oder nur sehr gering zu beeinflussen sind, lassen sich infektionspräventive Vorgaben meist deutlich einfacher umsetzen (KRINKO 2007; Anderson et al. 2014).
Ambulante Operationen sind in der Regel elektive Eingriffe. Klinisch manifeste Infektionen, auch solche die außerhalb des eigentlichen Operationsgebietes liegen, sollten im Vorfeld behandelt werden.
Wichtig
Zu den häufigsten Erregern von postoperativen Wundinfektionen gehört generell Staphylococcus aureus.
Durch eine tägliche präoperative Anwendung von Mupirocin-Nasensalbe in Kombination mit einer antiseptischen Ganzkörperwaschung mit Chlorhexidin über 7 Tage konnte in einer niederländischen Studie die Rate an tiefen Wundinfektionen bei großen Operationen im Krankenhaus durch S. aureus bei bekannten S.-aureus-Trägern signifikant gesenkt werden (Bode et al. 2010). Ob dies auch im ambulanten Bereich bei den extrem geringen Infektionsrate ebenfalls effektiv ist, ist unbekannt.
Wichtig
Eine grundsätzliche Indikation zur präoperativen Rasur besteht nicht und sollte nur bei einer operationstechnischen Notwendigkeit durchgeführt werden. Eine Haarentfernung sollte kurz vor dem operativen Eingriff durchgeführt werden, idealerweise durch Kürzen der Haare mit einem elektrischen Klipper.
Obsolet ist eine scharfe Rasur am Vorabend der Operation; dadurch entstehen Mikroläsionen im Bereich des OP-Situs, die zur Bildung von Mikroabszessen führen und die Wundinfektionsrate signifikant erhöhen (Lefebvre et al. 2015). Aus krankenhaushygienischer Sicht können Haare adäquat desinfiziert werden und müssen daher nicht entfernt werden. Auch die Verwendung von Enthaarungscremes ist möglich, hier besteht jedoch ein Risiko von allergischen Hautreaktionen (Lewalter und Lemmen 2012).
Ein Reservoir für die Erreger von Wundinfektionen stellt die Haut des Patienten dar, einer adäquat durchgeführten präoperativen Hautdesinfektion kommt daher größte Bedeutung zu. Die Kombination aus Alkohol, der eine sofortige Keimabtötung bewirkt, mit Präparaten mit einer Remanenzwirkung (wie z. B. Jod, Chlorhexidin oder Octenidin) – also einer über die eigentliche Einwirkzeit hinaus anhaltenden antibakteriellen Wirkung – gilt dabei heute als Standard (Anderson et al. 2014; Darouiche et al. 2010). In einer aktuellen randomisierten und kontrollierten Studie zur Prävention von Wundinfektionen bei Sectioeingriffen erwies sich dabei bei 1147 eingeschlossenen Patientinnen die Kombination aus Alkohol und Chlorhexidin signifikant wirksamer in der Vermeidung von tiefen Wundinfektionen als die Kombination aus Alkohol und Jod (Tuuli et al. 2016).
Durch eine chirurgische Händedesinfektion mit einem alkoholischen Händedesinfektionsmittel wird sowohl die transiente als auch die permanente Bakterienflora der Haut effektiv reduziert. Das Waschen der Hände mit Seife wird nur noch vor Arbeitsbeginn oder bei sichtbaren Verschmutzungen zwischen zwei Eingriffen empfohlen. Durch das Tragen eines sterilen Kittels, sterilen Handschuhen und einem Mund-Nasen-Schutz wird der Patient vor der bakteriellen Flora des Operateurs geschützt, diese Bekleidung wird routinemäßig unmittelbar präoperativ angelegt und zwischen zwei Operationen gewechselt.
Alle Instrumente und Materialien, die während einer Operation verwendet werden und mit der Wunde in Kontakt kommen, müssen steril sein. Darüber hinaus ist ein schnelles und möglichst atraumatisches Operieren mit einem geringen Infektionsrisiko assoziiert.

Hygiene in der Anästhesie

Nicht nur die Einhaltung infektionspräventiver Vorgaben durch das OP-Personal ist von Bedeutung, auch das konsequente krankenhaushygienisch adäquate Arbeiten am Anästhesiearbeitsplatz ist essenziell. Besonders wichtig in der Anästhesie ist eine hygienische Händedesinfektion vor der Durchführung von aseptischen Tätigkeiten, also zum Beispiel Manipulationen an venösen Zugängen oder Beatmungsschläuchen. Aber auch nach dem Verlassen der unmittelbaren Patientenumgebung (z. B. Wechsel vom Patient zu Tätigkeiten am Anästhesiegerät) muss eine hygienische Händedesinfektion durchgeführt werden. Die Oberflächen des Anästhesiewagens und des Narkosegerätes sollten vor Beginn der ersten Narkose wischdesinfiziert werden. Zwischen jedem Patienten sollten die patientennahen und Handkontaktflächen erneut desinfiziert werden (Schulz-Stübner 2016).
Wichtig
Vor der Zubereitung von Medikamenten zur i.v. Gabe müssen die Arbeitsfläche und die Hände desinfiziert werden. Gummimembranen von Infusionsflaschen müssen vor dem Anstechen desinfiziert werden, es sein denn diese sind mit einer Silberfolie versiegelt.
Medikamente ohne Konservierungsmittel dürfen generell nur patientenbezogen verwendet und Restmengen (auch von den teuren Medikamenten zur TIVA oder auch physiologische Kochsalzlösungen) müssen nach Verwendung sofort verworfen werden, dürfen also nicht als Mehrdosisbehältnisse für mehrere Patienten verwendet werden. Besondere Vorsicht ist beim Umgang mit Propofol geboten. Die unkonservierte lipidhaltige Lösung bietet ideale Wachstumsbedingungen für Mikroorganismen, in der Vergangenheit ist es immer wieder zu Erregerübertragungen und Ausbrüchen gekommen, wenn Propofol nicht patientenbezogen verwendet wurde. Zubereitete Medikamente sollten innerhalb einer Stunde verbraucht werden, erforderliche Ausnahmen (z. B. das Vorhalten bestimmter Notfallmedikamente) müssen mit dem zuständigen Krankenhaushygieniker und Apotheker abgestimmt werden (KRINKO 2011; Schulz-Stübner 2016).

Wiederaufbereitung von Medizinprodukten

Wichtig
Alle während eines operativen Eingriffes verwendeten Medizinprodukte müssen steril bzw. adäquat wiederaufbereitet sein.
In Abhängigkeit vom zu erwartenden Spektrum und der Häufigkeit an Operationen ist zu überlegen, ob eine Aufbereitung wirtschaftlich sein kann oder ob bevorzugt Einmalprodukte verwendet werden sollten.
Eine Aufbereitung von Medizinprodukten erfolgt in einem separaten Raum durch speziell hierfür ausgebildetes sachkundiges Personal und mit validierten Verfahren. Falls die erforderliche Sachkenntnis nicht bereits im Rahmen der Ausbildung vermittelt wurde (z. B. operationstechnische Assistentinnen/Assistenten), muss diese durch Fortbildungskurse erworben bzw. aktualisiert werden (KRINKO 2012).
Der Aufbereitungsraum sollte funktionell getrennt in eine unreine Seite, eine reine Seite sowie einen Lagerbereich zur geschützten Aufbewahrung gestaltet sein. Nach der Anwendung muss als erster wichtiger Schritt der Aufbereitung eine Vorreinigung der eingesetzten Medizinprodukte erfolgen, beispielsweise eine Reinigung eingesetzter OP-Instrumente von grober Verschmutzung durch eine feuchte Kompresse. Anschließend wird das aufzubereitende Sterilgut in die unreine Zone des Aufbereitungsraumes gebracht, hier erfolgt eine Reinigung und Desinfektion, idealerweise in einem Reinigungs- und Desinfektionsgerät (RDG) mit integrierter Chargendokumentation. Im nächsten Schritt erfolgen dann die Sicht- und Funktionskontrollen sowie eine möglicherweise notwendige Wartung- oder Instandsetzung einzelner Medizinprodukte. Abschließend erfolgt die Verpackung in Containern, die dann zum Beispiel in einem Autoklaven mit chargenspezifischer Dokumentation der Sterilisationsparameter (Druck, Zeit und Temperatur) sterilisiert werden. Das so aufbereitete Sterilgut wird dann in trockenen Schränken staub- und lichtgeschützt aufbewahrt.

Raumlufttechnische Anlage (RLT-Anlage)

Wichtig
Durch eine raumlufttechnische Anlage soll die Versorgung mit Frischluft sowie die Abfuhr von Wärmelasten und Narkosegasen sichergestellt werden. Aus arbeitsphysiologischen Gründen steht insbesondere auch die Erzeugung eines angenehmen Raumklimas im Vordergrund.
Die maximale Ausführung einer RLT-Anlage besteht in einer dreistufigen Filterung mit endständigem Schwebstofffilter direkt im OP-Saal. Während durch die ersten beiden Filterstufen grobe Verschmutzungen aus der Luft entfernt werden, wird durch den endständigen Filter eine Reduktion der Luftkeimzahl erreicht. Stand der Technik stellen zurzeit technische Systeme mit einem „laminar airflow“ oder mit einer turbulenzarmen Verdrängungsströmung (TAV) dar. Keimarme Luft wird dabei über ein Deckenfeld in Form einer laminaren Strömung eingebracht, theoretisch soll dadurch das OP-Feld von potenziell kontaminierter Luft freigehalten werden. Aktuelle Arbeiten zeigen aber, dass im Vergleich zur herkömmlichen turbulenzreichen Belüftung die Rate an postoperativen Wundinfektionen sogar erhöht ist, wahrscheinlich bedingt durch eine stärkere Auskühlung der Patienten im kühlen Luftstrom intraoperativ (Gastmeier und Brandt 2012).
Wichtig
Hypothermie stellt einen wesentlichen Risikofaktor für eine postoperative Wundinfektion dar und sollte möglichst vermieden werden.
Zur Beurteilung der Notwendigkeit einer dreistufigen RLT-Anlage zur Reduktion postoperativer Wundinfektionen sind das Patientenklientel sowie das zu erwartende Spektrum an Operationen von größter Bedeutung. Ambulante operative Eingriffe werden überwiegend bei immunkompetenten und auch sonst gesunden Patienten vorgenommen. Diese haben generell bereits ein äußerst geringes Infektionsrisiko. Die durchgeführten Operationen sind relativ gering invasiv mit kurzen Eingriffszeiten und einem kleinen OP-Situs; hinzu kommt, dass Implantationen großer Fremdkörper wie beispielsweise im Rahmen der Endoprothetik in der Orthopädie oder Unfallchirurgie in der ambulanten operativen Medizin nicht durchgeführt werden.
Postoperative Wundinfektionen sind daher äußerst selten, sodass die Bedeutung der Luft als Quelle oder Vektor von Infektionserregern vernachlässigbar ist. Es ist nicht vorstellbar, dass durch Generierung keimarmer Luft – und dies auch nur unter Idealbedingen, wie es sie im Praxisalltag nicht gibt – eine Reduktion postoperativer Wundinfektionen erzielt werden kann, der einzige Grund für eine solche RLT-Anlage. Aus infektionspräventiver Sicht besteht daher bei ambulanten Operationen keine Notwendigkeit für eine dreistufige RLT-Anlage mit endständigem HEPA-Filter, dennoch wird vonseiten der Ordnungsbehörden gerne und leichtfertig die Forderung nach einer dreistufigen RLT-Anlage erhoben, sobald der durchzuführende Eingriff nach § 115, Abs. 1, 1. SGB V als Operation klassifiziert wird. Hier muss eine krankenhaushygienische Begutachtung im Einzelfall entscheiden. Sollte eine RLT-Anlage unumgänglich sein, stellt der Einsatz mobiler Laminar-Airflow-Geräte eine Option dar, ohne dass es hierfür Daten im Sinne einer Reduktion der Wundinfektionsrate gibt. Ob aus arbeitsphysiologischen Gründen die Installation von Lüftungstechnik zur Be- und Entlüftung, zum Heizen und Kühlen erforderlich ist, muss unabhängig davon im Einzelfall entschieden werden.

Zusammenfassung

Die prä-, peri- und postoperativen Maßnahmen zur Prävention von Wundinfektionen unterscheiden sich zwischen ambulanten und stationär durchgeführten Eingriffen nicht. Entsprechende Vorgaben aus nationalen und internationalen Empfehlungen sollten evidenzbasiert sein und einrichtungsspezifisch adaptiert und in die tägliche Routine implementiert werden. Darüber hinaus schaffen Empfehlungen zur baulichen Gestaltung Rahmenbedingungen für optimale Arbeitsabläufe. Rechtliche Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes und der jeweiligen Landeshygieneverordnungen beinhalten unter anderem regelmäßige Schulungen des Personals und die Teilnahme an einer Surveillance postoperativer Wundinfektionen mit einer geeigneten Indikatoroperation. Ambulant durchgeführte Operationen sind gering invasiv und werden bei immunkompetenten Patienten vorgenommen, sodass eine dreistufige raumlufttechnische Anlage zur Erzeugung keimarmer Luft aus infektionspräventiver Sicht nicht erforderlich ist.
Literatur
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