Ziel des IfSG war und ist es, den Schutz der Bevölkerung von Infektionskrankheiten zu verbessern, indem es Maßnahmen zur Koordination, Verhütung/Prävention, Erkennung, Bekämpfung und Vermeidung der Weiterverbreitung gesetzlich vorschreibt (vgl. § 1 Abs. 1 IfSG). Dabei ist das IfSG kein originäres „Krankenhausrecht“, sondern vielmehr eine gesetzliche Regelung für viele (medizinische) Leistungsbereiche bis hin zum persönlichen Lebensbereich einer einzelnen erkrankten Person. Ein weiteres Augenmerk liegt im Rahmen des IfSG auch und gerade auf dem Bereich einer guten Kooperation der jeweiligen Adressaten der gesetzlichen Vorschriften (vgl. § 1 Abs. 2 IfSG).
Im Rahmen des Gesetzes verwandte Begrifflichkeiten werden für den Anwendungsbereich des IfSG zudem definiert (vgl. § 2 IfSG).
Nachfolgend werden die wichtigsten Regelungsansätze des IfSG für den Krankenhausbereich, dem dieses Werk gewidmet ist, summarisch dargestellt und erläutert.
Erkennen (Meldepflichten)
Notwendige Erkenntnisse zu gewinnen, setzt die Möglichkeit, in die Realitäten Einsicht nehmen zu können, voraus. Diesem Ansatz folgt der Gesetzgeber im dritten Abschnitt des IfSG (§§ 6 bis 15 IfSG) und verortet dort die jeweiligen gesetzlichen Meldepflichten. Die Missachtung der Meldepflichten kann mit einem Bußgeld belegt (vgl. § 73 IfSG) oder gar strafrechtlich relevant sein (vgl. § 74 IfSG).
Zu differenzieren ist bei den meldepflichtigen Krankheiten zunächst zwischen zwei Meldeverfahren. Zunächst besteht eine namentliche Meldeverpflichtung bei Krankheitsverdachtsfällen bzw. Verletzungsfällen nach § 6 Abs. 1 und 2 IfSG sowie eine namentlichen Meldeverpflichtung bei direkten oder indirekten Nachweisen von Krankheitserregern nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 IfSG. Daneben besteht eine nichtnamentliche Meldeverpflichtung bei direkten und indirekten Nachweisen nach § 7 Abs. 3 IfSG.
Wichtig für den Krankenhausbereich ist insbesondere die Regelung des § 6 Abs. 3 IfSG, dass eine unverzügliche nichtnamentliche Meldung
bei einem gehäuften Auftreten
nosokomialer Infektionen, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird, als Ausbruch stattzufinden hat. Hierzu hat das RKI (s. vorangegangener Abschnitt) Empfehlungen zum Ausbruchmanagement und strukturiertem Vorgehen bei gehäuftem Auftreten nosokomialer Infektionen als Empfehlung der Kommission für
Krankenhaushygiene und
Infektionsprävention herausgegeben (RKI
2002).
Die zur Meldung verpflichtete Person ist in § 8 IfSG geregelt. Für den Krankenhausbereich stellt die Vorschrift auf den feststellenden Arzt und den leitenden Arzt (bei mehreren selbständigen Abteilungen: den leitenden Abteilungsarzt) sowie – im Falle eines Fehlens eines leitenden Arztes – auf den behandelnden Arzt ab. Die Mitteilungspflicht hinsichtlich eines Verdachtsfalls, der sich nicht bestätigt hat, ist in § 8 Abs. 5 IfSG vorgeschrieben.
Die namentliche Meldung vollzieht sich nach den Vorgaben des § 9 IfSG. Neben den in § 9 Abs. 1 IfSG benannten Angaben ist zu beachten, dass die Meldung unverzüglich, also nach allgemeiner Lesart „ohne schuldhaftes Zögern“ erfolgen muss, wobei Nachmeldungen und Korrekturen ebenso unverzüglich möglich sind.
Für den Krankenhausbereich ist dabei zu beachten, dass ebenso unverzüglich
nosokomiale Infektionen nach § 6 Abs. 3 IfSG nichtnamentlich gemeldet werden müssen.
Die nichtnamentliche Meldung vollzieht sich nach den Vorgaben des § 10 IfSG.
Die Regelungen der §§ 11 bis 15 IfSG betreffen zunächst die Kommunikation (inkl. Sentinelerhebungen) der beteiligten Behörden sowie die internationale und europäische Kommunikation auf Behörden- bzw. WHO-Ebene. Relevant in diesem Bereich ist aber auch die Verordnungsermächtigung für das Bundesministerium für Gesundheit nach § 15 Abs. 1 IfSG und für die Bundesländer nach § 15 Abs. 3 IfSG.
Das Bundesministerium für Gesundheit hat in diesem Zusammenhang mit Gültigkeit ab dem 01.05.2016 die
Verordnung zur Anpassung der Meldepflichten nach dem Infektionsschutzgesetz an die epidemische Lage (IfSGMeldAnpV)
erlassen. Diese Verordnung beinhaltet unter anderem auch die für den Krankenhausbereich relevanten Vorgaben einer Meldepflicht für den Nachweis von
MRSA aus Blut oder Liquor.
Folgende Bundesländer haben ihrerseits von der Verordnungsermächtigung nach § 15 Abs. 3 IfSG Gebrauch gemacht und bundeslandspezifische Meldepflichten erlassen: Bayern, Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen (vgl. Übersicht unter RKI
2016c).
Verhütung/Prävention (Gefahrenabwehr)
Im 4. Abschnitt des IfSG (§§ 16 bis 23 IfSG) werden die Vorschriften zusammengefasst, die den Rechtsrahmen des behördlichen Tätigwerdens zur Verhütung übertragbarer Krankheiten festlegen. Hierbei handelt es sich vorwiegend um eine Ausprägung des Rechts der behördlichen Gefahrenabwehr (Erdle
2016, Allgemeines zu §§ 16,17, S. 48).
Dabei kann die zuständige Behörde über die Generalklausel des § 16 Abs. 1 IfSG alle notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der drohenden Gefahren treffen. Neben der Feststellung von Tatsachen, die auf übertragbare Krankheiten hinweisen können, genügt nach dem IfSG sogar bereits die Annahme von solchen Tatsachen, um die notwendigen Maßnahmen von Seiten der Behörde ergreifen zu können.
Für den Krankenhausbereich ist vor allem die Regelung des § 16 Abs. 2 und Abs. 3 IfSG relevant. Hier werden spezielle Betretungs-, Einsichts- und Auskunftsrechte (auch bezüglich von Untersuchungsmaterial) geregelt. Diese kollidieren jedoch mit der berufsrechtlich normierten
ärztlichen Schweigepflicht (vgl. § 9 MBO-Ä), die durch § 203 StGB zudem unter strafrechtlichen Schutz gestellt wird (Lippert in Ratzel und Lippert
2016, § 9 RdNr. 4). Seine Grenze erreicht das ärztliche Schweigerecht aber in bundesgesetzlichen Vorschriften, die entsprechende Einsichts- und Auskunftsrechte festschreiben. Eines dieser Gesetze ist gerade das IfSG und vor allem die dort geregelten Rechte zur Gefahrenabwehr nach § 16 Abs. 2 IfSG.
Grundsätzlich gilt im Rahmen des gesamten § 16 IfSG, die dort grundsätzlich eröffneten Maßnahmen von Seiten der Behörden stets v. a. an den Grundsätzen der Geeignetheit und der Verhältnismäßigkeit auszurichten (vgl. vertiefend hierzu Erdle
2016, § 16).
Die §§ 17 und 18 IfSG regeln besondere Maßnahmen bei Gefahren, die von Gegenständen und/oder Tieren ausgehen.
§ 19 IfSG greift den Ansatz der Beratung und Untersuchung bei sexuell übertragbaren Krankheiten und
Tuberkulose auf. Durch diese Angebote sollen Weiterverbreitungen zusätzlich verhindert werden.
Die §§ 20 bis 22 IfSG beschäftigen sich mit den Schutzimpfungen und anderen Prophylaxen sowie deren Dokumentation (Impfausweis) (zur Dokumentationspflicht vgl. auch § 10 MBO-Ä).
Wichtige rechtliche Ansätze bezüglich nosokomialer Infektionen (§§ 23 und 23a IfSG)
§ 23 IfSG hat für alle medizinischen Einrichtungen eine ausnehmend wichtige Bedeutung.
Ziel des § 23 IfSG ist es, in medizinischen Einrichtungen bestimmte Maßnahmen zur Verhütung und zur Bekämpfung
nosokomialer Infektionen sowie zur infektionshygienischen Überwachung verpflichtend vorzugeben. Dabei werden den Empfehlungen der Kommission für
Krankenhaushygiene und
Infektionsprävention (KRINKO)
sowie den Empfehlungen der Kommission Antiinfektiva, Resistenz und Therapie (ART)
bereits hier eine rechtlich hohe Bedeutung verliehen (Abschn.
1.1). Darüber hinaus wird den KRINKO-Empfehlungen aber auch im Rahmen der Qualitätsberichte der Krankenhäuser eine gewichtige Stellung eingeräumt (Abschn.
3.1).
Nach § 23 Abs. 1 IfSG hat die beim RKI eingerichtete KRINKO)
Empfehlungen zur Prävention
nosokomialer Infektionen sowie zu betrieblich-organisatorischen und baulich-funktionellen Maßnahmen der Hygiene in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen zu erstellen, zu veröffentlichen und weiterzuentwickeln.
Nach § 23 Abs. 2 IfSG hat die beim RKI eingerichtete Kommission ART)
Empfehlungen mit allgemeinen Grundsätzen für Diagnostik und
antimikrobielle Therapie, insbesondere bei Infektionen mit resistenten Krankheitserregern, zu erstellen, zu veröffentlichen und weiterzuentwickeln. Diese Kommission soll für den ärztlichen Bereich einfach zugängliche und übersichtliche Informationen über die Resistenzlage, über Therapieprinzipien sowie über Therapie- und Diagnoseleitlinien zur Verfügung stellen. Ziel ist es auch, eine „medizinisch-epidemiologische Nutzen-Risiko-Abwägung“ durchzuführen, um einen adäquaten Ausgleich zwischen den individuellen Patienteninteressen und dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung der Wirksamkeit der Therapien erzielen zu können.
Weiter wendet sich das IfSG in diesem Bereich aber zudem direkt an die Leiter von Krankenhäusern bzw. anderer medizinischer Einrichtungen nach § 23 Abs. 3 S. 1 IfSG. Diese haben nach den gesetzlichen Vorgaben sicherzustellen, dass die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um
nosokomiale Infektionen zu verhüten und die Weiterverbreitung von Krankheitserregern, insbesondere solcher mit Resistenzen, zu vermeiden. Damit werden die Leiter der entsprechenden Einrichtungen – wie das RKI – direkter Adressat des IfSG. Dieser rechtliche Ansatz korreliert mit den haftungsrechtlichen Ansätzen für die Organisationspflichten der medizinischen Leistungserbringer (Abschn.
1).
§ 23 Abs. 3 S. 2 IfSG enthält hierzu eine Vermutungsregelung mit rechtlich großer Tragweite. Dabei wird die Einhaltung des Standes der medizinischen Wissenschaft vermutet, wenn jeweils die veröffentlichten Empfehlungen der Kommission für
Krankenhaushygiene und
Infektionsprävention beim
Robert Koch-Institut und der Kommission Antiinfektiva, Resistenz und Therapie beim Robert Koch-Institut von den Leistungserbringern beachtet worden sind (zur sekundären Darlegungslast des Krankenhausträgers bei behaupteten Hygieneverstößen vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs [BGH] vom 16.08.2016, Az. VI ZR 634/15). Zwar kann aufgrund dieser Regelung bei Nichteinhaltung der Empfehlungen nicht automatisch auf einen
Behandlungsfehler (z. B. in Form des sog. Organisationsverschuldens) geschlossen werden, da die Einhaltung des gebotenen Hygienestandards auch durch andere organisatorische Maßnahmen erreichbar sein kann oder eventuelle Unterschreitungen anderweitig kompensiert werden können (vgl. ausführlich hierzu Walter
2013, S. 294, 296 m. w. N. unter Bezugnahme auf BT-Dr. 17/5178, S. 18). Jedoch kann der Einzelfall oder der nach dem Erscheinen einer Empfehlung erfolgte wissenschaftliche Fortschritt auch erhöhte Maßnahmen gebieten. Weiter ist davon auszugehen, dass die Vorgaben des IfSG die auch nach dem Haftungsrecht relevanten organisatorischen Verpflichtungen der medizinischen Leistungserbringer maßgeblich prägen werden (Walter a.a.O.). Im Ergebnis müssen nach der Gesetzesbegründung eine dem Stand der Wissenschaft entsprechende Prävention von
nosokomialen Infektionen und Krankheitserregern mit Resistenzen sichergestellt sein (Deutscher Bundestag
2011). Folge dieser Vermutungsregelung ist auch, dass Empfehlungen der beiden Kommissionen (im Gegensatz zu anderen Empfehlungen bzw. Leitlinien vor allem der Fachkreise) eine erhebliche rechtliche Aufwertung erfahren haben. Für den vergleichbaren Bereich der
Medizinprodukte vgl. Abschn.
5.2.
§ 23 Abs. 4 und 5 legen die sog.
Leiterpflichten
insbesondere für die Leiter von Krankenhäusern fest.
Diese haben zunächst nach § 23 Abs. 4 S. 1 IfSG sicherzustellen, dass das Auftreten der vom RKI (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 2b IfSG) veröffentlichten
nosokomialen Infektionen und Krankheitserreger mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen fortlaufend aufgezeichnet werden (Aufzeichnungspflicht
) und auch bewertet werden (Bewertungspflicht
). Hieraus müssen auch sachgerechte Schlussfolgerungen hinsichtlich erforderlicher Präventionsmaßnahmen für die jeweilige Einrichtung gezogen werden (Schlussfolgerungspflicht
). Des Weiteren ist das Personal über die notwendigen Maßnahmen zu informieren (Informationspflicht
), und die entsprechenden Maßnahmen müssen adäquat umgesetzt werden (Umsetzungspflicht
).
Weiter werden die Leiter nach § 23 Abs. 4 S. 2 IfSG verpflichtet, die vom RKI veröffentlichten Daten zu Art und Umfang des Antibiotikaverbrauchs fortlaufend aufzuzeichnen, unter Berücksichtigung der lokalen Resistenzsituation zu bewerten und sachgerechte Schlussfolgerungen hinsichtlich des Antibiotikaeinsatzes zu ziehen. Diese sind ebenfalls aufzuzeichnen, dem Personal mitzuteilen und – natürlich – umzusetzen. Der Pflichtenkanon ist damit dem in Satz 1 bezeichneten Kanon vergleichbar, wobei die Daten zur Berechnung der Antibiotikaverbrauchsdichte nach der Gesetzesbegründung aus den Apothekenabrechnungsdaten bzw. der
Datenbank der Krankenhausverwaltung ohne Personenbezug extrahiert und zusammengefasst werden.
Die bisherigen Verpflichtungen nach § 36 IfSG werden nun für einen Teil der dort genannten Einrichtungen in § 23 Abs. 5 IfSG überführt. Hiernach haben die Leiter von Krankenhäusern sicherzustellen, dass Hygienepläne aufgestellt werden, die die innerbetrieblichen Verfahrensweisen zur Infektionshygiene in Hygieneplänen beinhalten.
Die o. g. Verpflichtungen sind zudem gemäß § 73 Abs. 1 Nr. 9, 9a, 9b, 10 und 10a IfSG mit einer Bußgeldandrohung für den Fall der Zuwiderhandlung belegt.
§ 23 Abs. 6 und 7 IfSG regeln die Überwachungsmöglichkeiten und die Betretungs-, Einsichts- und Untersuchungsrechte der zuständigen Behörde.
Zu den Landesregelungen nach § 23 Abs. 8 IfSG wird auf Abschn.
2.2 verwiesen.
Die Regelung des 23a IfSG behandelt den Bereich der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten der jeweiligen Beschäftigten. Vor dem Hintergrund der Verpflichtung (insbesondere) der Krankenhäuser aus § 23 Abs. 3 IfSG die nach dem Stand der Wissenschaft erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, sollen die notwendigen Erkenntnisse durch diese Regelung (datenschutz-)rechtlich ermöglicht werden. Damit stellt § 23a IfSG eine Ausprägung des Fragerechts des Arbeitgebers gegenüber den Beschäftigten dar und gilt sowohl im Einstellungsverfahren als auch im laufenden Beschäftigungsverhältnis.
Gerade Krankenhäuser dürfen daher unter den genannten Voraussetzungen von Bewerbern und Mitarbeitern Auskünfte zu deren Impf- und Serostatus einholen, um für die konkrete Tätigkeit zu klären, ob der jeweilige Immunschutz ausreicht.
Vor diesem Hintergrund gewinnt der Immunschutz von Mitarbeitern vor allem eines Krankenhauses wohl auch eine haftungsrechtliche Dimension. Bedingt die dem jeweiligen Beschäftigten übertragende Aufgabe (wohl vor allem im patientennahen Bereich) bei nicht ausreichendem Impf- oder Serostatus eine Gefährdung des Patienten oder anderer Personen, ist eine Abfrage des Impf- oder Serostatus angezeigt. Sollte sich die übertragene Aufgabe nicht mit dem bestehenden Status vereinbaren lassen, ist zwar keine rechtliche Verpflichtung zur Impfung des Betroffenen gegeben. Aber es müssen von Seiten des Leistungserbringers entsprechende Konsequenzen gezogen werden, die eine Änderung des Einsatz- bzw. Aufgabenbereichs beinhalten können. Dabei ist der Leistungserbringer allerdings weiterhin an die Vorgaben des Arbeitsrechts gebunden.