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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 13.10.2015

Chronische Niereninsuffizienz: Hämatologische und immunologische Veränderungen

Verfasst von: Georg Schlieper
Urämische Patienten weisen sowohl vermehrt Blutungen als auch thromboembolische Ereignisse auf. Eine verlängerte Blutungszeit gilt als bester Labortest, um eine urämische Blutungsneigung zu detektieren. Adäquate Dialyse verbessert die durch Urämie induzierte Thrombozytendysfunktion. Je nach Blutungskomplikation können therapeutisch verschiedene Arzneimittel eingesetzt werden. Dialysepatienten weisen sowohl eine systemische Inflammation als auch eine Immundefizienz auf.

Urämische Thrombozytopathie und Koagulopathie

Pathophysiologie

Urämische Patienten weisen sowohl vermehrt Blutungen als auch thromboembolische Ereignisse auf. Eine verlängerte Blutungszeit gilt als bester Labortest, um eine urämische Blutungsneigung zu detektieren. In der Urämie ist die Anzahl der Thrombozyten moderat reduziert, zusätzlich ist die Thrombozytenfunktion gestört. So spielt u. a. eine verminderte Adhäsion von Plättchen an Endothel mit abnormem von-Willebrand-Faktor-Metabolismus eine Rolle. Der Glykoprotein-Ib-Spiegel in urämischen Patienten ist reduziert, und Glykoprotein IIb/IIIa zeigt in der Urämie eine Konformationsänderung. Eine renale Anämie kann zur verlängerten Blutungszeit beitragen. Andererseits weisen die Thrombozyten in der Urämie eine Hyperaggregabilität auf (Schlieper et al. 2015).

Therapie

Adäquate Dialyse verbessert die durch Urämie induzierte Thrombozytendysfunktion. Größere Eingriffe finden optimalerweise 12–24 Stunden nach einer Dialysebehandlung statt. Zudem kann eine Zitratdialyse erwogen werden. Je nach Blutungskomplikation können therapeutisch Protamin, Desmopressin, konjugiertes Östrogen, Tranexamsäure oder auch eine Anämiekorrektur durch Erythropoetin erwogen werden (Weigert und Schafer 1998). Zur Antikoagulation einer heparininduzierten Thrombozytopenie (HIT-II-Syndrom) eignet sich Argatobran aufgrund seiner überwiegend hepatischen Elimination. Danaparoid kann eine Kreuzantigenität mit Heparin aufweisen. Die Antikoagulation mit Lepirudin und Fondaparinux sollte aufgrund vorwiegend renaler Elimination engmaschig überwacht werden (aPTT bzw. Anti-Xa-Spiegel).
Bei Vorliegen von kardiovaskulären Erkrankungen wie zum Beispiel einer koronaren Herzerkrankung profitieren Dialysepatienten auch von Thrombozytenaggregationshemmern.

Urämische Immundysfunktion

Dialysepatienten weisen sowohl eine systemische Inflammation als auch eine Immundefizienz auf. Letztere geht mit eingeschränkter Impfwirksamkeit und gehäuften bakteriellen Infekten einher. Die Immundefizienz betrifft v. a. die Leukozyten und T-Lymphozyten.
Impfungen
Für die empfohlene Hepatitis-B-Impfung wird eine höhere Dosierung (40 μg) empfohlen. Nonresponder profitieren von einer simultanten Tetanus-, Diphtherie-, Polio-, Pertussis- oder Haemophilus-influanzae-B-Impfung, während hingegen Varizellen- und Pneumokokkenimpfung wegen geringerer Effektivität nicht kombiniert werden sollen. Sowohl die saisonale Influenza- als auch die Pneumokokkenimpfung (alle 2 Jahre oder häufiger) können die Mortalität in Dialysepatienten senken (Dinits-Pensy et al. 2005).
Literatur
Dinits-Pensy M, Forrest GN, Cross AS, Hise MK (2005) The use of vaccines in adult patients with renal disease. Am J Kidney Dis 46(6):997–1011. PMID: 16310566CrossRefPubMed
Schlieper G, Hess K, Floege J, Marx N (2015) The vulnerable patient with chronic kidney disease. Nephrol Dial Transplant. PMID: 25744273
Weigert AL, Schafer AI (1998) Uremic bleeding: pathogenesis and therapy. Am J Med Sci 316(2):94–104. PMID: 9704663CrossRefPubMed