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Die Urologie
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Publiziert am: 08.02.2022

Komplexe Fisteln der hinteren Harnröhre

Verfasst von: Luis Alex Kluth und Roland Dahlem
Die Ausbildung komplizierter Fisteln der hinteren Harnröhre ist eine schwerwiegende Komplikation nach Prostatakarzinomtherapien, sowohl nach chirurgischen als auch nichtchirurgischen Verfahren. Da Fisteln eine relativ seltene Komplikation darstellen und sich sowohl klinisch als auch anatomisch deutlich voneinander unterscheiden können, sind die Therapieempfehlungen bis heute entsprechend uneinheitlich. Dieses Buchkapitel soll einen Überblick dieses klinischen Problems geben und das Verständnis mit dem Hintergrund der aktuellen Literatur erläutern und verbessern. Der Schwerpunkt des Kapitels liegt in der Beschreibung der verschiedenen, insbesondere rekonstruktiven Therapieansätze bei urethrorektalen Fisteln.

Einleitung

Die Diagnosesicherung einer urethrorektalen Fistel (URF) ist eindeutig: Der Patient präsentiert sich mit Urinabgang über das Rektum. Manche Patienten haben zusätzlich eine begleitende Pneumaturie und/oder Fäkalurie, die jedoch deutlich seltener sind und mit einer vesikokolikalen Fistel, auf dem Boden einer Divertikulose oder Karzinomen des Sigmoideums, assoziiert sind. Bei der URF ist die Flussrichtung von der Blase zum Rektum (Mundy und Andrich 2011). Das Vorliegen einer Fäkalurie ist prognostisch ungünstig (Thomas et al. 2010).
Die URF stellt eine sehr selten auftretende, jedoch fast immer frustrierende Komplikation von Therapieverfahren der Prostata dar. Sie ist die einzige Komplikation, welche kontinuierlich seit der Einführung der radikalen Prostatektomie auftritt und beschrieben wird (Mundy und Andrich 2011; Goodwin et al. 1958). Wie bei Harnröhrenstrikturen gibt es diverse Ursachen für eine URF mit einer vergleichbar signifikant steigenden Inzidenz nach Therapie eines Prostatakarzinoms in den letzten Jahren. Diese Beobachtungen lassen sich erklären durch die deutlich häufiger durchgeführten radikalen Prostatektomien, die im Vergleich zu früher gesteigerte Dosis bei Radiotherapien, die immer häufiger angewendeten multimodalen Therapiekonzepte und Salvage-Therapien. Vor 1977 war die Rate der mit einer Radiotherapie assoziierten URF kleiner als 5 %, seitdem ist die Rate bis heute auf fast 50 % gestiegen (Lane et al. 2006).
Dieses Kapitel soll einen Überblick über die URF geben und insbesondere die wichtige klinische Unterscheidung in 2 verschiedene Typen beleuchten, die postchirurgischen und die postradiogenen URF, welche mit entsprechend unterschiedlichen Therapiekonzepten assoziiert sind.

URF nach radikaler Prostatektomie

Ätiologie, Inzidenz, Symptomatik

Postchirurgische URF sind meistens die Folge einer direkten Verletzung des Rektums im Rahmen der radikalen Prostatektomie. Aus chirurgischer Sicht können diese Verletzungen sowohl durch scharfe als auch stumpfe Dissektionen und/oder Koagulationsschäden im Operationsgebiet verursacht werden. Es kann dann zu Schäden umliegender Strukturen, insbesondere des Rektums, der Harnblase sowie der dort verlaufenden neurovaskulären Strukturen kommen. Sowohl intra- als auch postoperative Blutungen aus den Plexusgefäßen können einen erhöhten Druck auf die neue vesikourethrale Anastomosennaht mit der Gefahr einer Anastomosenruptur bedingen. Die Folgen einer operativen Verletzung sind offensichtlich, treten in der Regel perioperativ oder in der frühen postoperativen Phase auf und imponieren als progrediente lokale Fibrose.
Die Beschreibung von Komplikationen nach Prostatatherapien wird nur sehr selten in der urologischen Literatur diskutiert. Ausgenommen davon sind Nachblutungen und postoperative Miktionsstörungen. Die postoperative Harninkontinenz wurde seit Beginn der ersten Studien über radikale Prostatektomien als schwerwiegende Komplikation beschrieben, während über andere Komplikationen, wie z. B. erektile Dysfunktion, Harnröhrenstrikturen und Blasenhalsnekrosen nur relativ selten berichtet wird. Die Inzidenz einer Harninkontinenz bei URF liegt bei ca. 50 % und bei Blasenhalsnekrosen um die 20 % (Ghoniem et al. 2008). Die Harninkontinenz bei URF tritt üblicherweise nach der Reparatur auf, da die Patienten vorher meist nicht in der Lage sind suffizient zu miktionieren.
Rektale Verletzungen treten seltener nach laparoskopischen und robotischen radikalen Prostatektomien auf (Rabbani et al. 2010; Williams et al. 2011; Roberts et al. 2010; Hu et al. 2003). Hingegen wird über ein gehäuftes Auftreten rektaler Verletzungen und dadurch begünstigten URF nach perinealen (Thomas et al. 2010), und noch häufiger nach Salvage-Prostatektomien (Gotto et al. 2010) berichtet. URF treten in ≤1 % der Fälle auf (Rabbani et al. 2010; Williams et al. 2011; Roberts et al. 2010; Hu et al. 2003), wobei nicht klar definiert wird, ob sich diese Zahl lediglich auf (Mundy und Andrich 2011) perioperative rektale Verletzungen, die, wenn sie in der gleichen Sitzung adäquat repariert werden, asymptomatisch bleiben, oder (Thomas et al. 2010) auch auf frühe postoperative temporäre Fisteln, die am ehesten spontan verheilen oder (Goodwin et al. 1958) auf etablierte URF, die in der Regel nicht spontan heilen, beziehen.
Interessanterweise gibt es keine Differenzierung zwischen den beiden Typen, die sich klinisch sehr wohl voneinander unterscheiden: den frühzeitigen postoperativen Extravasaten, die meistens innerhalb von 3 Monaten spontan, vor einer Epithelialisierung des Kanals, ausheilen, und den etablierten URF, bei denen sich der Fistelgang schon epithelialisiert hat und somit nicht mehr spontan verschließen kann (Thomas et al. 2010; Roberts et al. 2010; Noldus et al. 1999; McLaren et al. 1993).
Bei klinischem Verdacht auf eine URF besteht die Indikation zur diagnostischen Abklärung mit einem Zystogramm, welches zwingend von lateral durchgeführt werden muss, da sich sonst nach dorsal verlaufende Fisteln nicht darstellen lassen (Abb. 1). Des Weiteren ist eine Zystoskopie, Rektoskopie und Kontrastmitteldarstellung des Rektums und Kolons zur Komplettierung der Befunde durchzuführen. Sie sollen einen Überblick über die genaue Lokalisation, die Größe und das Ausmaß der URF, als auch mögliche verkomplizierende Faktoren (z. B. Fistelhöhle und/oder Qualität des umliegenden Gewebes) geben. Bei bestimmten Fragestellungen kann auch eine MRT des Beckens hilfreich sein (Abb. 2), z. B. zur Evaluation einer begleitenden Symphysitis.

Therapie von postchirurgischen URF

Die Literatur zu Therapieverfahren bei URF nach radikalen Prostatektomien ist begrenzt und konzentriert sich in der Regel auf die Ergebnisse operativer Verfahren (Mundy und Andrich 2011; Goodwin et al. 1958; Noldus et al. 1999; Bukowski et al. 1995; Kilpatrick und Mason 1969; Parks und Motson 1983). Ein zusätzliches Problem neben der oben genannten uneinheitlichen Ätiologie der URF, sind die in vielen Studien verwendeten Begriffe wie z. B. „komplex“ und „ausgedehnter Befund“, ohne sie zu definieren (Ghoniem et al. 2008). Es gibt zahlreiche Definitionen für den Begriff „komplex“, aber grundsätzlich steht er für das Auftreten mehrerer zu beachtender Faktoren (mehr als nur einer). In den meisten Fällen tritt eine URF isoliert auf. Die Komplexität entsteht durch das simultane Auftreten einer Blasenhalsnekrose, Fistelhöhle oder Ischämie durch extern angewandte Energiequellen, wie z. B. eine externe Radiatio (high intensity focused ultrasound, HIFU), Brachytherapien oder Kryoablation (Borchers et al. 2009). Die Unterscheidung einer einfachen postchirurgischen URF von einer komplexen Fistel ist deshalb so wichtig, da sie den operativen Zugang (Therapie) und die entsprechende Heilungsrate signifikant beeinflusst (Mundy und Andrich 2011).

Konservative Therapie

Die Anlage einer temporären Kolostomie ist nicht per se erforderlich (Hu et al. 2003). In bestimmten (komplizierten) Einzelfällen mag es jedoch sehr sinnvoll sein, z. B. bei einer Salvage-Prostatektomie nach frustraner externer Radiatio. Bleibt eine Verletzung des Rektums unerkannt oder eine Reparatur erfolglos, kann, wie oben schon erwähnt, eine URF die Folge sein. Diese manifestiert sich meistens 1 bis 6 Wochen nach dem Eingriff, in der Regel zwischen der 2. und 3. postoperativen Woche.
Das erste Symptom ist der Urinabgang über das Rektum. Eine begleitende Fäkalurie ist ein Zeichen für eine ausgedehnte Fistel und nicht zuletzt für eine Kontamination (Roberts et al. 2010). Entsprechend führt ein fäkaler Abgang nicht nur zu einer Infektion, sondern häufig auch zu einer Abszessbildung. Diese kann sich sogar durch die Anastomosennähte um den Blasenhals entleeren und stellt somit nicht nur ein erhöhtes Risiko für eine Symphysitis im weiteren Verlauf, sondern akut auch für eine Sepsis und ein Fourniersches Gangrän dar.
Bei Patienten mit einem erhöhten Sepsisrisiko kann bei sofortiger Therapie im Sinne einer Anus-praeter-Anlage (ausgeschaltete Ileostomie bzw. Kolostomie), eine Spontanheilung in 50–75 % erreicht werden (Thomas et al. 2010; Roberts et al. 2010; Hu et al. 2003; McLaren et al. 1993). Eine Ileostomie ist schneller und einfacher (laparoskopisch) durchzuführen und zurückzuverlagern. Sie stellt die Methode der Wahl dar, wenn die Ableitung nur temporär vorgesehen ist. Eine Kolostomie hingegen ist als permanente Lösung zu favorisieren.
Typischerweise ist eine etablierte postchirurgische URF klein, manchmal nicht größer als ein paar Milimeter, fast immer <3 cm, sogar in Fällen mit einem kompletten Anastomosenausriss (Mundy und Andrich 2011). Sie wird in der Regel radiologisch oder endoskopisch gesichert, etabliert sich vom Blasenhals und verläuft von hier zum posterioren Quadranten der Anastomose, selten ist sie von der Anastomose selbst ausgehend (Mundy und Andrich 2011).
Es gibt keine Berichte über etablierte URF, die sich spontan und permanent verschlossen hätten, insbesondere nicht von postradiogenen URF (Mundy und Andrich 2011; Lane et al. 2006). Auch wenn eine Kolostomie und eine transurethrale Katheterableitung bei einer Urinextravasation und/oder einer fäkalen Leckage in der frühen postoperativen Phase nach einer retropubischen radikalen Prostatektomie erforderlich sind, stellen sie nur eine Möglichkeit zur Objektivierung der Symptome und lokalen Kontrolle dar. Man sollte auch bedenken, dass der Flussgradient in der Regel vom Harntrakt zum Rektum geht, wodurch eine Katheterableitung des Urins wahrscheinlich sogar hilfreicher als eine Kolostomie ist. Nichtsdestotrotz, erhalten viele Patienten mit einer URF nach der frühen postoperativen Phase, unabhängig ob postchirurgisch oder postradiogen, eine Kolostomie in der Hoffnung eines Spontanverschlusses der URF. Bis heute gibt es keine Evidenz hierfür (Goodwin et al. 1958; Renschler und Middleton 2003; Nyam und Pemberton 1999).

Operative Therapie

Es gibt zahlreiche chirurgische Verfahren für die Therapie einer URF, aber es gibt 3 Haupttechniken:
  • die transperineale Technik (Mundy und Andrich 2011; Thomas et al. 2010; Goodwin et al. 1958; Lane et al. 2006; Ghoniem et al. 2008; Bukowski et al. 1995; Nyam und Pemberton 1999; Samplaski et al. 2011; Zinman 2004; Vanni et al. 2010; Visser et al. 2002; Zmora et al. 2003; Wexner et al. 2008; Ulrich et al. 2009; Spahn et al. 2009),
  • das York-Mason-Verfahren mit transanorektaler Schlitzung des Sphinkters und zahlreichen Varianten dieser Technik (Bukowski et al. 1995; Kilpatrick und Mason 1969; Renschler und Middleton 2003; Nyam und Pemberton 1999; Henderson et al. 1981; Zimmern und Cukier 1985; Venable 1989; Wood und Middleton 1990; Stephenson und Middleton 1996; Fengler und Abcarian 1997; Dafnis et al. 2004; Castillo et al. 2006; Dal Moro et al. 2006; Crippa et al. 2007; Kasraeian et al. 2009; Abdalla 2009),
  • und der peranalrektale Flap nach Parks, ebenfalls mit seinen unterschiedlichen Varianten (Parks und Motson 1983; Tiptaft et al. 1983; Garofalo et al. 2003; Beneventi und Cassebaum 1971; Dreznik et al. 2003).
Die Literatur zeigt vergleichbar hohe Erfolgsraten dieser operativen Verfahren bis zu 100 % (permanenter Fistelverschluss) (Wexner et al. 2008; Ulrich et al. 2009; Spahn et al. 2009; Dal Moro et al. 2006; Gupta et al. 2010). Die lokale Applikation von unterschiedlichen Klebstoffen ist eine Alternative mit einer niedrigeren Erfolgsrate, jedoch auch niedrigen Morbiditätsrate (Venkatesh und Ramanujam 1999; Bhandari et al. 2008; Verriello et al. 2010). Weiterhin zeigen sich in der Literatur erste Versuche mit dem Einsatz von Xenograft-Transplantaten (Imperatore et al. 2014). Es bleibt anzumerken, dass nicht jeder Patient, der für eine der oben genannten Therapien in Frage kommt, auch bereit ist, diese durchführen zu lassen. Im Gegenteil, es gibt Berichte über Patienten die jahrelang konservativ versorgt werden wollen (Mundy und Andrich 2011; Thompson und Marx 1990).
Transperinealer Fistelverschluss
Der Vorteil des transperinealen Zugangs gegenüber den beiden anderen Techniken besteht darin, dass der Harntrakt und das Rektum sehr übersichtlich voneinander getrennt werden können und somit die Fistel von beiden Seiten unabhängig geschlossen werden kann. Des Weiteren kann ein Flap verwendet werden, um das Risiko eines Rezidivs zu reduzieren, in den meisten Fällen wird hierzu der M. gracilis aus dem Oberschenkel verwendet (Mundy und Andrich 2011; Thomas et al. 2010; Lane et al. 2006; Ghoniem et al. 2008; Bukowski et al. 1995; Nyam und Pemberton 1999; Samplaski et al. 2011; Zinman 2004; Vanni et al. 2010; Visser et al. 2002; Zmora et al. 2003; Wexner et al. 2008; Ulrich et al. 2009; Spahn et al. 2009), aber auch Flaps aus der Tunica vaginalis werden beschrieben (Youssef et al. 1999). Der Zugang zum Rektum mit dem transperinealen Zugang ist hervorragend und bietet die Möglichkeit den rektalen Defekt zweischichtig zu verschließen. Der Blasenboden oder ein Defekt im Harntrakt hingegen ist schwieriger zu verschließen, da hier weniger Flexibilität und Mobilität des Gewebes besteht, so dass oft nur ein einschichtiger Verschluss erfolgen kann.
Die transperineale Technik wird normalerweise von den Urologen favorisiert, die die URF selbst operieren, nicht zuletzt weil der Zugang als „klasssischer“ urologischer Eingriff betrachtet wird (Nyam und Pemberton 1999).
In der Regel erfolgt eine perineale Inzision entlang der Mittellinie, aber auch die Verwendung einer Y- oder hufeisenförmigen Inzision ist möglich (Abb. 3). Zunächst wird die bulbäre Urethra mit dem umliegenden M. bulbospongiosum vom Analkanal (anterior) und Rektum (posterior) getrennt. Meistens liegt oberhalb des Fixationspunktes des analen Sphinkters zum perinealen Körper (Urethra und M. bulbospongiosum) der vertikal verlaufende M. levator ani an der Vorderseite des Rektums V-förmig zwischen den beiden Seiten. Man kann den anterioren Teil des Rektums mit dem M. levator ani vorsichtig von der bulbären Harnröhre bis hin zur Fistel lösen (Abb. 4 und 5). Dies ist möglich, da die radikale Prostatektomie meistens retropubisch durchgeführt wird, und somit in diesem Gebiet keine Fibrosierung unterhalb der perinealen Membran stattgefunden hat.
Die Fistel selbst ist von einer dichten Fibrosierung umgeben. Nicht selten finden sich in diesem Bereich zahlreiche Clips, was eine schwierige radikale Prostatektomie mit einer problematischen Blutung vermuten lässt (Abb. 6). Initial verwendete Clips dienen zur Kontrolle der Blutung, fungieren jedoch später mehr als Fremdkörper und somit auch prädisponierend für eine Fistelbildung. In der Regel lohnt es sich von beiden Seiten der Fistel einen guten Zugang zu erhalten, indem man sich an der Oberfläche des M. levator ani und der anterior-lateralen Wand des Rektums orientiert (Abb. 7). Wenn möglich, sollte eine ausreichend proximale Präparation der Fistel von beiden Seiten erfolgen, sodass die Fistel eröffnet werden kann, aber das Loch zum Rektum und zur Blase nicht unnötigerweise vergrößert wird.
Die Öffnung der Fistel befindet sich bei der rektalen Untersuchung oft in der Nähe der Mittellinie der perinealen Inzision (etwa im mittleren Drittel) und verläuft dann fast ausschließlich in die Blase direkt hinter der vesikourethralen Anastomose. Es kann schwierig sein die Ränder der Fistel zu definieren, wobei es einfacher ist, sich auf der Seite des Rektums nicht sicher zu sein, da sich der Rektumdefekt normalerweise sehr gut verschließen lässt. Hingegen sind auf der Seite der Blase die beiden Ostien anatomisch nicht allzu weit entfernt und darüber hinaus ist die Sicht auf die Blase immer schwieriger als auf das Rektum, entsprechend ist der Verschluss zum Harntrakt anspruchsvoller.
Wenn man die beiden Fistelseiten voneinander getrennt hat, verschließt man beide Schichten, die Blase einschichtig mit Einzelknopfnähten und das Rektum zweischichtig ebenfalls mit Einzelknopfnähten (Abb. 8). Manchmal liegen die beiden genähten Fistelränder nach dem Verschluss auseinander, sodass es so scheint als ob keine Interposition von Gewebe erforderlich ist. Oft kann der vertikal verlaufende M. levator ani auf beiden Seiten zusätzlich verwendet werden, um beide Seiten voneinander zu trennen, was in der Regel, jedoch nicht immer, der Fall bei einfachen Fisteln ist. Wenn es keinen ausreichenden M. levator ani zur Füllung des toten Raums gibt, dann bietet der M. gracilis vom Bein mitsamt der Blutversorgung eine sehr gute Alternative als Flap (Abb. 9). Auch die Verwendung der skrotalen Dartosfaszie ist möglich, ist jedoch auch weniger zufriedenstellend aufgrund der geringeren Füllmasse.
York-Mason-Technik und Parks-Technik
Erfolgt die operative Therapie der URF von oder mit einem kolorektalen Chirurgen zusammen, wird normalerweise die York-Mason-Technik oder einer ihrer Varianten angewendet, seit kurzem wird auch der Parks-Zugang gewählt. Der Vorteil der Parks-Technik ist der minimalinvasive und endoluminale Zugang. Des Weiteren vergibt man sich durch einen möglichen Misserfolg der Therapie nicht die alternative Möglichkeit eines transperinealen Zugangs.
Der große Nachteil beider Verfahren, sowohl der Parks- als auch der York-Mason-Technik, ist der oft nur unzureichende Zugang von der Fistel zum Harntrakt. Es stellt ein zweifelhaftes Konzept dar, den einen Teil der Fistel (zur Urethra/Blase) komplett außen vor zu lassen und sich den Erfolg der Operation lediglich in dem mehrschichtigen Verschluss vom Rektum aus zu versprechen (Kasraeian et al. 2009). Des Weiteren erlaubt der Zugang keinen Interpositionsflap, denn hierfür wäre eine maximale Exposition der Fistel erforderlich. Der spezielle Nachteil der York-Mason-Technik (und seiner Varianten) ist das erhöhte Risiko einer analen Sphinkterverletzung durch die Durchtrennung des Sphinkters. Obwohl in der urologischen Literatur keine Komplikationen nach analen Sphinkter-Durchtrennungen beschrieben werden (Kilpatrick und Mason 1969; Renschler und Middleton 2003; Henderson et al. 1981; Zimmern und Cukier 1985; Venable 1989; Wood und Middleton 1990; Stephenson und Middleton 1996; Fengler und Abcarian 1997; Dafnis et al. 2004; Castillo et al. 2006; Dal Moro et al. 2006; Crippa et al. 2007; Kasraeian et al. 2009; Abdalla 2009), gilt die York-Mason-Technik mittlerweile in der kolorektalen Chirurgie quasi als obsolet aufgrund der erhöhten Inzidenz einer analer Sphinkterschwäche und der Ausbildung von rektokutanen Fisteln (Westbrook et al. 1982; Thompson und Tucker 1987). Allen Prozeduren gemeinsam ist die temporäre Kolostomieanlage, die entweder zum Zeitpunkt der Reparatur oder, was sogar häufiger der Fall ist, präoperativ durchgeführt wird. Da die Rückverlagerung erst ein paar Monate später erfolgt, bedeutet das für einige, wenn nicht für die meisten Patienten, eine dreizeitige Prozedur (Nyam und Pemberton 1999; Zinman 2004; Vanni et al. 2010). Sofern die Anlage einer Kolostomie nicht zwingend erforderlich ist, favorisieren einigen Autoren eine einzeitige Prozedur (Mundy und Andrich 2011; Nyam und Pemberton 1999; Henderson et al. 1981).
Muñoz-Duyos et al. konnten bei 9 Patienten mit medianen Follow Up von 54 Monaten eine 100 %ige Erfolgsrate einer postchirurgischer URF mittels Gracilis-Flap Versorgung vorweisen, wobei 4 Patienten hierbei bereits einmalig einen erfolglosen vorherigen chirurgischen Fistelverschluss vorwiesen (Muñoz-Duyos et al. 2017). Ebenso konnten Mundy et al. bei 14 Patienten mit postchirurgischer URF eine 100 %ige Erfolgsrate mit einem Follow-up von mehr als 24 Monaten mit der oben beschrieben Technik eines dreizeitigen Fistelverschlusses erreichen: 1. temporäre Kolostomie, 2. Fistelverschluss mittels Gracilis-Flap und 3. anschließende Kolostoma-Rückverlagerung (Mundy und Andrich 2012). Neun Jahre später konnte die gleiche Studiengruppe upgedatete Ergebnisse um zusätzlich 40 weitere Patienten erweitern (Mundy und Andrich 2011). Bei einer ähnlich hohen Erfolgsrate wie bei den initialen 14 Patienten, konnte in der aktualisierten Studie jedoch bei Patienten mit einer postchirurgischen URF auf ein temporäres Stoma und einen Gracilis-Flap verzichtet werden. Wie oben schon beschrieben (Abschn. 2.2, Operative Therapie, transperinealer Fistelverschluss), kann in einigen Fällen der Raum zwischen Blase/Urethra und Rektum longitudinal getrennt und mit den M. levator ani aufgefüllt werden, den man während der Präparation vorsichtig erhalten hat. Entsprechend ist es möglich, die gesamte Reparatur in einem Stück durchzuführen und somit mehreren Komplikationen zu entgehen.

URF nach Radiatio

Ätiologie, Inzidenz, Symptomatik

Diese Gruppe der postradiogenen URF unterscheidet sich komplett von den postchirurgischen URF (Mundy und Andrich 2011; Lane et al. 2006; Gotto et al. 2010; Samplaski et al. 2011; Zinman 2004; Vanni et al. 2010; Elliott et al. 2006; Hayne et al. 2001; Moreira Jr. et al. 2004; Turina et al. 2008; Zacharakis et al. 2008; Elliott et al. 2007; Shakespeare et al. 2007; Chrouser et al. 2005; Marguet et al. 2007; Theodorescu et al. 2000). Zu dieser Gruppe gehören Patienten mit multiplen vorherigen Therapien aufgrund eines steigenden prostataspezifischen Antigen-Wertes (PSA), unabhängig davon, ob er zwischenzeitlich wieder gefallen war. In vielen Fällen ist die Erkrankung noch aktiv, weshalb es sich dann um eine komplexe URF handelt. Die Ausbildung einer sog. Fistelhöhle stellt eine weitere Stufe der Komplexität dar (Abb. 10 und 11). Zusätzliche Faktoren, die eine komplexe URF definieren, sind nicht-reparable Verletzungen des analen Sphinkters und anale Stenosen, die jedoch relativ selten auftreten (Hayne et al. 2001; Turina et al. 2008).
Die Inzidenz einer URF ist bis zu 10-fach höher als bei nicht bestrahlten Patienten (Gotto et al. 2010) und insbesondere bei Patienten mit kombinierten Therapieverfahren (z. B. externe perktuane Radiatio und Brachytherapie mit anschließender Salvage-HIFU, Kyroablation) mit nahezu 100 % signifikant erhöht (Zacharakis et al. 2008). Die Inzidenz der postradiogenen URF beträgt nach gänzlicher Prostatabehandlung mittels Kyrotablation ca. 1,2 % (Aminsharifi et al. 2018). Die postradiogenen URF sind generell größer als die postchirurgischen URF, zwischen 0,1 und 4 cm im Durchmesser, in der Regel jedoch ca. 2 cm, mit einer zirkulären palpierbaren Fibrose bei der digital rektalen Untersuchung. Durch die Bestrahlung ist die Elastizität und Mobilität des Gewebes stark eingeschränkt und der Heilungsprozess deutlich reduziert. Die URF entwickeln sich in der Regel 17–37 Monate nach der Bestrahlungstherapie und entstehen nicht selten durch eine Biopsie der anterioren Rektumwand bei Patienten mit strahleninduzierter Proktitis und rezidivierenden rektalen Blutungen (Shakespeare et al. 2007; Marguet et al. 2007; Theodorescu et al. 2000). Entsprechend sollte hierauf verzichtet werden, wenngleich eine enge Nachkontrolle bei diesen Patienten aufgrund des signifikant erhöhten Risikos eines Rektumkarzinoms sehr wichtig ist.

Therapie von postradiogenen URF

Konservative Therapie

Das Konzept des konservativen Managements beinhaltet eine Reihe von Möglichkeiten. Für manche Patienten kann dies schon die Anlage eines suprapubischen Blasenkatheters und eine medikamentöse antibiotische Therapie bedeuten. Andere Patienten wurden frühzeitig mit einer endständigen Kolostomie und einem transurethralen Katheter versorgt. Eine konservative Therapie birgt jedoch auch Risiken. Eine kontinuierliche medikamentöse antibiotische Prophylaxe kann zur Ausbildung von multiresistenten Keimen führen, die Leitlinien hierfür sind nur unzureichend.
Alle Patienten, mit denen ein konservatives Prozedere festgelegt wurde, müssen ausführlich über die potenziellen Risiken eines persistierenden lokalen Schmerzsyndroms, urethrale und rektale Blutungen sowie das Auftreten von schweren Harnwegsinfektionen bis hin zur Urosepsis, aufgeklärt werden. Bei der Urosepsis ist eine stationäre Aufnahme und gegebenenfalls die Einlage einer Drainage in den infizierten Flüssigkeitsverhalt indiziert. Bei schon chronifizierten Verläufen ist es wichtig, dass die Patienten die Abwägung des Risikos gegenüber dem Nutzen bei einer konservativen bzw. einer chirurgischen Therapie verstehen, insbesondere in Bezug auf Ihre eigene Lebensqualität.

Operative Therapie

Der klassische Zugang bei der operativen Therapie einer radiogen bedingten URF, der von den kolorektalen Chirurgen entwickelt und traditionellerweise durchgeführt wurde, gilt mittlerweise als obsolet. Eine URF kann, unabhängig vom Grad der Komplexität, ohne eine Durchtrennung des transanorektalen Sphinkters erfolgen. Postchirurgische URF werden generell als einfach betrachtet, es sei denn, sie sind mit einer Blasenhalsnekrose oder einer Fistelhöhle assoziiert. Postradiogene URF sind per se komplex, nicht zuletzt aufgrund des anderen therapeutischen Zugangs. Bei der postradiogenen URF ist eine Kolostomie in den meisten Fällen, bei guter Selektion der Patienten, vermeidbar. Der Verschluss der URF vom Harntrakt aus ist deutlich schwieriger als bei den nicht bestrahlten Patienten aufgrund der Größe als auch der beschränkten Flexibilität des umliegenden Gewebes. Entsprechend verwenden einige Autoren ein Mundschleimhaut-Autotransplantat mit Unterstützung eines Gracillis-Flaps, um den Defekt zu verschließen (Lane et al. 2006; Samplaski et al. 2011; Zinman 2004; Vanni et al. 2010; Spahn et al. 2009). Die Salvage-Prostatektomie scheint die bessere Alternative zu sein, sofern die Prostata noch vorhanden ist, weil die Erkrankung in einigen Fällen noch signifikant aktiv ist, während eine Mundschleimhautplastik mit Gracilis-Flap bei Patienten mit einer URF nach frustraner Salvage-Prostatektomie mit persistierend großem Blasendefekt, eine adäquate alternative Therapie darstellt. Nichtsdestotrotz, ist die Rolle bzw. der Nutzen der Salvage-Prostatektomie bisher noch ungeklärt (Mundy und Andrich 2012; Ward et al. 2005). Insbesondere nach Fistelverschluss gibt es keine Daten hierzu. Generell bleibt anzumerken, dass die bislang größte Kohorte des chirurgischen Fistelverschlusses mit 201 Patienten von Harris et al. gezeigt hat, dass die chirurgische Erfolgsrate einer postradiogene URF bei 87 % der einer postchirurgischen (99 %) deutlich unterlegen ist, bei insgesamt noch vielversprechenden Erfolgsraten, in den Händen von Experten (Harris et al. 2017).
Abdomino-perinealer Zugang
Bei Patienten mit einer postradiogenen URF und einer begleitenden Fistelhöhle und/oder einer verbliebenen Prostata mit messbarem PSA-Wert, sollte die Indikation für einen abdomino-perinealen Zugang gestellt werden. Tatsächlich kann der Zugang zum kleinen Becken ein schwieriges Unterfangen sein, da die Blase nicht selten hinter dem Os pubis herauspräpariert werden muss, so ähnlich wie es bei einem großen Hämatom nach einer Beckenfraktur mit urethralen Verletzungen der Fall ist (Abb. 12). Wenn der retropubische Raum komplett eröffnet ist, zeigt sich gegebenfalls die noch vorhandene Prostata oder es hat sich in der ehemaligen Prostataloge eine Fistelhöhle gebildet. Sofern eine restliche Prostatadrüse vorhanden ist, wird in der Regel eine Salvage-Prostatektomie durchgeführt, die nach Bestrahlung meistens ein schwieriges Unterfangen darstellt und mit einem hohen Komplikationsrisiko assoziiert ist (Gotto et al. 2010). Die Basis der Blase muss von posterior aus untergraben und die Urethra transperineal mobilisiert werden, um die beiden Enden aneinander zu führen, nachdem das Rektum mit Einzelknopfnähten verschlossen wurde (Abb. 13).
Vor der Anastomosierung wird das Omentum des Colon transversum verwendet, welches von der großen Kurvatur des Magens bis hin zum kleinen Becken gestreckt wird, sodass es am Ende um die vesikourethrale Anastomose gelegt werden kann. So wird der Raum nach Exzision der Fistelhöhle und der Defekt, der durch das Herauspräparieren entstanden ist, gedeckt (Abb. 14).
Die Patienten, die bereits eine Revision ihrer vesikourethralen Anastomose aufgrund einer Anastomosenstriktur nach radikaler Prostatektomie hinter sich haben, müssen darüber aufgeklärt werden, dass sie inkontinent werden können, wenngleich das primäre Ergebnis zufriedenstellend war. Wenn sich diese Patienten vollständig erholt haben, kann die Kolostomie wieder zurückverlegt werden (sofern eine Kolostomie verwendet wurde). Nach weiteren 12 Wochen, wenn sich die Darmflora regeneriert und der Zustand des Patienten stabilisiert haben, kann die Implantation eines artifiziellen Sphinkters erfolgen. Patienten mit Z. n. Radiatio sollten auf ihr erhöhtes Komplikationsrisiko hingewiesen werden.
In einer kürzlich erschienenen Studie, haben Mundy et al. 17 Patienten mit einer postradiogenen URF einer dreifachen Diagnostik via MRT, kombiniertem retrograden Urethrogramm/Miktionszystogramm und Endoskopie (Urethra/Blase/Rektum) unterzogen (Mundy und Andrich 2011). Die Autoren konnten zeigen, dass 2 Gruppen voneinander unterschieden werden können: 9 Patienten mit einer direkten Verbindung zwischen prostatischer Urethra und dem Rektum ohne Ausbildung einer Fistelhöhle und 8 Patienten mit Ausbildung einer Fistelhöhle, insbesondere nach einer zusätzlichen Salvage-Kryotherapie oder HIFU. Die Patienten ohne Ausbildung einer Fistelhöhle haben in der Regel noch eine kleine, jedoch signifikante Restprostata. Bei den Patienten mit einer Fistelhöhle gab es keine identifizierbare Prostata mehr, lediglich eine Höhle, die sich mehr oder weniger von der Symphysenhinterwand und der Beckeninnenwand bis hin zum anterioren Rektum erstreckte. Bei den Patienten ohne Ausbildung einer Fistelhöhle wurde eine Salvage-Prostatektomie durchgeführt, während bei den Patienten mit einer verkomplizierenden Fistelhöhle die Wand der Höhle mitsamt Inhalt transperineal saniert wurde, entweder mit einem Gracilis-Flap, um die Höhle zu verschließen, oder abdomino-perineal unter Verwendung des Omentums.
Die Autoren beschrieben eine insgesamt langsame Rekonvaleszenz der Patienten mit verzögerter Heilung der Anastomose, teilweise mit einer protrahierten Wunddrainage bis zu 12 Wochen und erforderlichen Katheterisierung bis zu einer kompletten (röntgenologisch gesicherten) Dichtigkeit. Die meisten Patienten hatten eine reduzierte Blasenkapazität und eine geringe urodynamisch gesicherte Blasencompliance, was zu einer konsekutiven häufigeren Miktionsfrequenz führte, um kontinent zu bleiben. In dieser Studie benötigten 3 von den 8 Patienten mit einer Fistelhöhle, jedoch nur einer von 9 ohne Fistelhöhle, einen artifiziellen Sphinkter aufgrund einer hochgradigen Stressinkontinenz. Die Autoren beschrieben interessanterweise, dass es nie zu einem Rezidiv des rektalen Defektes kam, sondern immer nur zu Problemen mit der Anastomose. Ein weiterer interessanter Punkt ist, dass sich die meisten Patienten mit einer postradiogenen URF mit einer führenden Klinik von mittleren bis schweren pelvinen und perinealen Schmerzen vorstellten und das ein Verschluss der URF eine sofortige Beschwerdefreiheit zur Folge hatte.
Harnableitung zur Vermeidung von Komplikationen
Die Harnableitung wird oft als Ultima ratio in besonders komplexen Fällen in Betracht gezogen. Hierzu zählen eine schwere Fibrose, Gewebeschäden, sehr große Fisteln mit Hohlraumbildung, eine kleine Blasenkapazität und eine bestehende Harninkontinenz. Unabhängig von der Form der Harnableitung, ist es erwähnenswert, dass die Komplikationsrate bei bestrahlten Patienten signifikant höher ist als bei nicht bestrahlten Patienten (Nieuwenhuijzen et al. 2008; Tolhurst et al. 2005; Wammack et al. 2002; Eisenberg et al. 2010). Die Gesamtkomplikationsrate bei postradiogenen Patienten liegt zwischen 44–76 % (Nieuwenhuijzen et al. 2008; Tolhurst et al. 2005). Wammack et al. konnte zeigen, dass die Re-Operationsrate nach Harnableitung im Vergleich zwischen bestrahlten und nichtbestrahlten Patienten signifikant erhöht ist (69 % vs. 16 %) (Wammack et al. 2002). Bei postradiogenen Patienten mit Ausbildung einer komplexen URF, zeigt sich in spezialisierten Zentren der Trend zur permanenten Harnableitung um Komplikationen zu vermeiden (Lane et al. 2006; Chrouser et al. 2005). Abschließend sollte man eine Harnableitung weniger als Ultima ratio, sondern als alternative Therapieoption betrachten, bei der man insbesondere bei Patienten mit postradiogenen URF sowohl Früh- als auch Spätkomplikationen reduzieren kann (Abb. 15).
Erfolgsraten von verschiedenen Fistelverschluss-Operationen
Hechenbleikner et al. haben in einem systematischen Review über das Outcome von verschiedenen operativen Fistelverschluss-Verfahren insgesamt 26 Studien mit 460 Patienten (40 % bestrahlt) inkludiert (Hechenbleikner et al. 2013). Der perineale Zugang mit M. gracilis-Flap war die bevorzugte Technik mit 72 % aller evaluierten Verfahren. Die Gesamterfolgsrate lag bei 87,5 % ohne signifikanten Unterschied zwischen bestrahlten und nichtbestrahlten Patienten. Während bei nichtbestrahlten Patienten die Durchführung einer permanenten Harnableitung und/oder permanenten Kolostomie sehr selten war (jeweils unter 4 %), wurde diese bei bestrahlten Patienten in 42,5 % bzw. 25 % durchgeführt.
In einer Single-center-Studie von Ghoniem et al. zeigte sich bei 25 URF-Patienten ein permanenter Fistelverschluss in 100 % (Ghoniem et al. 2008). Allerdings entwickelten sich bei den 17 Patienten mit einer postradiogenen URF signifikante Komplikationen mit der Ausbildung einer Harninkontinenz (n = 7), Harnröhrenstriktur (n = 4), komplexen infravesikalen Obstruktionen (n = 2) und Stuhlinkontinenz (n = 6). In einer Risikofaktorenanalyse zeigten sich Fisteln mit einer Größe >2 cm, radikaler Prostatektomie mit Salvage-Radiatio und Kryotherapie mit einer erhöhten Harn- und Stuhlinkontinenz assoziiert (Ghoniem et al. 2008).
Die hohen Komplikationsraten konnten in einer Studie von Vanni et al. bestätigt werden (Vanni et al. 2010). Bei den insgesamt 74 Patienten (davon 39 Patienten mit Bestrahlung) zeigten sich trotz einer hohen Fistelverschlussrate von 84 % bei 7 Patienten postoperative Strikturen, eine verlängerte suprapubische Ableitung (n = 5), eine verzögerte permanente Harnableitung (n = 4) oder die Notwendigkeit der Implantation eines artifiziellen Sphinkters (n = 5) wegen Harninkontinenz (Vanni et al. 2010).

Zusammenfassung

  • URF sind selten.
  • Ursachen für die leicht steigende Inzidenz in den letzten beiden Jahrzehnten sind die gesteigerte Dosis bei Radiotherapie als auch die immer häufiger angewendeten multi-modalen Therapiekonzepte und Salvage-Therapien.
  • URF werden eingeteilt nach ihrer Genese: postchirurgisch oder postradiogen.
  • heute sind bis zu zwei Dittel der URF postradiogen bedingt.
  • als einfache Fisteln werden lediglich die postchirurgischen URF ohne etablierten Fistelkanal bezeichnet, nur hier werden spontane Ausheilungen beobachtet.
  • als komplexe Fisteln werden URF bezeichnet, bei denen es gleichzeitig zum Auftreten von anderen Komplikationen, z. B. Blasenhalsnekrose oder Fistelhöhle, kommt. Postradiogene URD sind per se komplexe Fisteln.
  • URF treten bis zu 10mal häufiger bei bestrahlten als bei nicht-bestrahlten Patienten auf.
  • Patienten mit einer postradiogenen URF haben eine signifikant erhöhte Komplikationsrate im Vergleich mit Patienten mit einer postchirurgischen URF, z. B. Inkontinenz, Striktur, komplexe infravesikale Obstruktion, chronisches Schmerzsyndrom.
  • der perineale Zugang mit Gewebeinterposition (M. gracilis Flap) stellt die bevorzugte Technik dar.
  • die Indikationsstellung für eine hohe Harnableitung, insbesondere bei postradiogenen URF, sollte großzügig gestellt werden.
  • die Therapieempfehlungen sind bis heute nur unzureichend.
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