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Die Urologie
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Publiziert am: 02.03.2023

Primärer Hyperaldosteronismus

Verfasst von: Paolo Fornara und Felix Kawan
Der primäre Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom) umfasst sämtliche Zustände einer gesteigerten Aldosteronproduktion der Nebennieren. Bei etwa 5 % aller Hypertoniker ist eine normokaliämische Form des Hyperaldosteronismus ursächlich. Der Aldosteron/Plasmareninaktivitäts-Quotient weist frühzeitig auf die klinisch inapparent verlaufende primäre Formen des Hyperaldosteronismus hin. Zur Unterscheidung von einseitigen Adenomen oder bilateraler Hyperplasie der Nebennieren können der Orthostasetest, schnittbildgebende Verfahren (CT/MRT) oder eine selektive Katheterisierung der Nebennierenvenen zur Diagnosestellung beitragen.

Definition

Der primäre Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom), erstmals von Conn 1955 beschrieben, ist eine Erkrankung der Nebennieren mit einer pathologisch gesteigerter Aldosteronproduktion (Conn 1955).

Epidemiologie

Die Inzidenz des primären Hyperaldosteronismus ist noch nicht abschließend geklärt. Derzeit wird vermutet, dass bei ca. 0,5–1 % der an Hypertonie Erkrankten ein Conn-Syndrom zugrunde liegt. Bei 5 % aller Hypertoniepatienten wird als Ursache die milder verlaufende, normokaliämische Form des Hyperaldosteronismus gefunden. In einigen Fällen kann ein primärer Hyperaldosteronismus nachgewiesen werden (Fardella et al. 2000). Gewöhnlich manifestiert sich der primäre Hyperaldosteronismus zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr und betrifft Frauen ca. 2,5-mal häufiger als Männer.

Ätiologie und Pathogenese

Die Aldosteronausschüttung wird über das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) mit einem komplexen Feedback-Mechanismus reguliert (Abb. 1).
  • In 50–70 % sind unilaterale, meistens sehr kleine Nebennierenrindenadenome die Ursache eines Conn-Syndroms.
  • Der zweithäufigste Grund (20–30 %) ist eine bilaterale, z. T. noduläre Nebennierenrindenhyperplasie, sog. idiopathischer Hyperaldosteronismus.
  • Seltener tritt der familiär gehäufte, autosomal-dominant auftretende, glukokortikoidsensitive Hyperaldosteronismus auf. Durch ein Genchimärismus zwischen Aldosteronsynthase und 11ß-Hydroxylase wird die reninabhängige Aldosteronsynthase ACTH-sensibel. Daraus resultiert bei physiologischen ACTH-Konzentrationen eine gesteigerte Aldosteronproduktion.
  • In sehr seltenen Fällen liegt dem Conn-Syndrom ein aldosteronproduzierendes Nebennierenrindenkarzinom zu Grunde (Luduvik et al. 1993).

Klinik und Symptomatik

Die charakteristischen Beschwerden sind durch die Leitsymptome arterielle Hypertonie und Hypokaliämie verursacht und manifestieren sich bei nahezu allen Patienten mit einem Hyperaldosteronismus. Darüber hinaus beklagen Betroffene in absteigender Reihenfolge Proteinurie, Kopf- und Muskelschmerzen, Müdigkeit, Poly- und Hypostenurie, EKG-Veränderungen, Hypernatriämie.
Es bestehen Hinweise, dass bei jedem zehnten Hypertoniker ein potenziell behandelbarer primärer Hyperaldosteronismus ursächlich sein könnte.
Als Grund für die ansteigende Inzidenz werden die verbesserte biochemische Diagnostik, aber auch die neu entdeckte normokaliämische Form angenommen. Erschwerend für die Diagnosestellung kommt hinzu, dass eine physiologische Aldosteronkonzentration im Plasma einen primären Hyperaldosteronismus nicht ausschließt (Gordon et al. 2001).
Hypertoniepatienten mit Normokaliämie sollten zum Ausschluss eines Conn-Syndroms gezielt einer endokrinologischen Diagnostik zugeführt werden.

Diagnostik

Patienten mit einem therapierefraktären Hypertonus und gleichzeitig einer Hypokaliämie sollten bei der Diagnostik eine besondere Berücksichtigung finden, unabhängig davon, ob die Hypokaliämie diuretikabedingt sein könnte.
Diese charakteristischen Leitsymptome stellen zugleich die Basisdiagnostik für das Conn-Syndrom dar. Bei der primär normokäliämischen Formen des Conn-Syndroms ist zu beachten, dass die Hypokaliämie erst relativ spät im Krankheitsverlauf auftritt und durch die Ernährung beeinflusst oder verschleiert werden kann.
Die Bestimmung des Aldosteron/Plasmareninaktivitäts-Quotienten gilt als Goldstandard für den biochemischen Nachweis eines Conn-Syndroms. Mit diesem Test-Verfahren können sämtliche Frühformen ohne erhöhtes Serumaldosteron oder Hypokaliämie erkannt werden (Gordon et al. 2001). Der Blutdruckanstieg ist oftmals die erste klinische Manifestation des primären Hyperaldosteronismus. Verantwortlich dafür ist die pathologisch gesteigerte Aldosteronproduktion, welche zu einer gesteigerten Natriumretention mit konsekutiver Volumenexpansion führt. In dieser frühen Erkrankungsphase sind Aldosteron und Plasmareninaktivität meistens noch im Normbereich, obwohl der Aldosteron/Plasmareninaktivitäts-Quotienten bereits verändert ist. Erst wenn die supprimierte Reninsekretion nicht mehr weiter vermindert werden kann, steigt der Aldosteronspiegel an.
Beweisend für ein Conn-Syndrom ist eine erniedrigte bzw. supprimierte Plasmareninaktivität bei gleichzeitig erhöhtem Aldosteronspiegel im Plasma.
Im Rahmen der Diagnosestellung sollte immer abgeklärt werden, ob ein unilaterales Nebennierenademon oder eine bilaterale Hyperplasie zugrunde liegt, da sich die Behandlung grundlegend voneinander unterscheidet. Neben Orthostasetest (Sensitivität ca. 85 %; Young et al. 1990) und bildgebenden Verfahren wie CT oder MRT kann die selektive Stufenkatheterisierung der Nebennierenvene hilfreich sein.
Orthostasetest: Um 8.00 Uhr morgens werden nach mindestens 8-stündiger Bettruhe Aldosteron und die Plasmareninaktivität liegend im peripheren venösen Blut bestimmt. Nach 3–4 Stunden moderater körperlicher Bewegung (herumlaufen) erfolgt die erneute Aldosteron-Bestimmung im Sitzen. Der paradoxe Abfall des Serumaldosterons unter Orthostase ist für ein einseitiges Adenom charakteristisch, da die Aldosteronsekretion bei Adenomen ACTH-abhängig ist und der Tagesrhythmik des Kortisols folgt. Bei der bilateralen Nebennierenrindenhyperplasie hingegen findet sich unter Orthostase fast immer ein Anstieg des Serumaldosterons.
Bei der Lokalisationsdiagnostik besitzt neben CT und MRT auch die selektive Katheterisierung der Nebennierenvenen einen wichtigen Stellenwert.
Trotz qualitativ hochwertiger schnittbildgebender Verfahren, in der bereits Tumoren von 1–2 cm Größe zur Darstellung kommen (Doppman et al. 1992; Young et al. 1990), bleiben ein- oder beidseitige mikronoduläre Formen meistens unentdeckt. Dadurch können kleine Conn-Adenome in unerkannt bleiben, obwohl in bis zu 50 % der Fälle eine Operations-Indikation besteht (Gordon et al. 2001). Problematisch ist eine nicht eindeutige endokrinologische Diagnostik, da so hormoninaktive Inzidentalome in der Bildgebung fälschlicherweise als Conn-Adenome fehlinterpretiert werden können. Daher kann in unklaren Fällen vor einer Adrenalektomie zur Diagnosesicherung die seitengetrennte selektive Stufenkatheterisierung der Nebennierenvenen hilfreich sein. Zentrumsgebunden beträgt die Erfolgsrate dieses Verfahrens etwa 90 % (Gordon et al. 2001) und misst eine dreimal höhere Aldosteronkonzentration in der Nebennierenvene als im peripheren Blut. Szintigraphische Untersuchungen mit 131J-Cholesterin zählen aufgrund der hohen Strahlenbelastung und der geringen Sensitivität nicht zur Routinediagnostik.

Therapie

Bei Conn-Adenomen ist die minimalinvasive Entfernung der betroffenen Nebenniere indiziert. Im Falle einer beidseitige Nebennierenhyperplasie wird medikamentös mit Aldosteronantagonisten behandelt. Die Tagesdosierung beträgt 200–400 mg. Glukokortikoid-sensitive Formen sind sehr selten und erfordern eine tägliche Glukokortikoidsubstitution von ca. 5–10 mg Prednisolonäquivalent. Aldosteronproduzierende Nebennierenkarzinome sollten operativ entfernt werden. Im metastasierten Stadium oder Inoperabilität steht eine adrenolytische Therapie mit o,p´-DDD (Mitotane ) zur Verfügung.
Das einseitige Conn-Adenom stellt eine Hauptindikation für die laparoskopische Adrenalektomie dar. Eine bilaterale Hyperplasie wird medikamentös behandelt, ausgenommen die asymmetrische bilaterale Hyperplasie.

Prognose

Die Prognose ist bei vollständiger Tumorentfernung sehr günstig. Dennoch persistiert bei ca. 10–30 % der Patienten trotz Operation ein behandlungsbedürftiger Bluthochdruck (Wheeler und Harris 2003). Risikofaktoren für eine fortbestehende Hypertonie nach einer Operation sind männliches Geschlecht, Alter zwischen 40–50 Jahren, Zeitraum des vorbestehenden Hypertonus, Blutdruck zum Diagnosezeitpunkt, Vorliegen einer mikronodulären Hyperplasie und fortbestehender Hypertonus bei Entlassung (Obara et al. 1997). Eine Prognoseverschlechterung resultiert später bei Diagnosestellung durch Folgeschäden eines langjährigen Hypertonus. Komplikationen einer unbehandelten Hypokaliämie sind Herzrhythmusstörungen und selten hypokaliämische Paresen. Spätfolgen eines langjährigen Bluthochdruckes manifestieren sich in etwa 5–10 % an Herz, ZNS und Nieren.

Zusammenfassung

  • Arterielle Hypertonie und Hypokaliämie liegen bei fast 100 % der Betroffenen vor. Cave: hypokaliämische Form.
  • Diagnosesicherung durch Aldosteron/Plasmareninaktivitäts-Quotient und Orthostasetest.
  • Einseitiges Conn-Adenom und bilaterale Hyperplasie werden unterschiedlich behandelt.
  • Lokalisationsdiagnostik mit CT/MRT und selektiver Nebennierenvenenkatheterisierung.
Literatur
Conn JW (1955) Primary aldosteronism, a new clinical syndrome. J Lab Clin Med 45:3–17. PubMedPubMed
Doppmann JL, Gill JR Jr, Miller DL, Chang R, Gupta R, Friedman TC, Choyke PL, Feuerstein IM, Dwyer AJ, Jicha DL et al (1992) Distinction between hyperaldosteronism due to bilateral hyperplasia and unilateral aldosteronoma: reliability of CT. Radiology 184(3):677–682. CrossRefCrossRef
Fardella CE, Mosso L, Gomez-Sanchez C, Cortes P, Soto J, Gomez L, Pinto M, Huete A, Oestreicher E, Foradori A, Monero J (2000) Primary hyperaldosteronism in essential hypertensives: prevalence, biochemical profile, and molecular biology. J Clin Endocrinol Metab 85:1863–1867. PubMedPubMed
Gordon RD, Stowasser M, Rutherford JC (2001) Primary aldosteronism: are we diagnosing and operating on too few patients? World J Surg 25:941–947. CrossRef PubMedCrossRefPubMed
Luduvik B, Niederle B, Roka R, Neuhold N, Templ M, Schernthaner G (1993) Isolated primary aldosteronism in adrenocortical carcinoma: a case report and review of the literature. Acta Chir Austrica 25:212–216. CrossRefCrossRef
Obara T, Ito Y, Fujimoto Y (1997) Hyperaldosteronism. In: Clark OH, Duh QY (Hrsg) Textbook of endocrine surgery. Saunders, Philadelphia, S 483–489
Wheeler MH, Harris DA (2003) Diagnosis and management of primary aldosteronism. World J Surg 27:627–631. CrossRef PubMedCrossRefPubMed
Young WF Jr, Hogan MJ, Klee GG, Grant CS, Van Herden JA (1990) Primary aldosteronism: diagnosis and treatment. Mayo Clin Proc 65:96–110. CrossRef PubMedCrossRefPubMed