Prostatitis ist die häufigste urologische Erkrankung des Mannes unter 50 Jahren und nach der
BPH (
benigne Prostatahyperplasie) und dem
Prostatakarzinom die dritthäufigste in der Gruppe der über 50-Jährigen (Blacklock
1991). Die
Prävalenz der Prostatitis beträgt 9–16 % wobei etwa 2–12 % der Männer über 20 Jahren an prostatitisähnlichen Beschwerden leiden (Fowler et al.
1984; Krieger et al.
1999). In 20 % der Fälle findet sich eine Kombination von prostatitisspezifischen Symptomen und einer BPH (McNaughton Collins et al.
1998).
Klassifikation
Je nach Krankheitsdauer, Erregernachweis oder dazugehöriger Klinik lässt sich die Prostatitis in 4 verschiedene Kategorien unterteilen (nach NIH [National Institutes of Health], (Meares
1987).
Ätiologie
Histopathologie
Aus pathologischer Sicht spricht man von einer Prostatitis, wenn eine Vielzahl von
lymphatischen Infiltraten im Prostataparenchym gefunden wird. Durch ein Eindringen von Mikroorganismen aus der Harnröhre und Blase lagern sich diese in das Gewebe ein und lösen eine Immunreaktion aus. Meist geschieht dies durch einen sog.
intraprostatischen duktalen Reflux. Dabei dringt
Urin aus der Harnröhre mitsamt deren pathologischen Erregern in die Gänge der Prostata ein. Die
Bakterien siedeln sich vornehmlich in der peripheren Zone der Prostata an (
Nickel 1997).
Durch die Infektion mit einem Erreger kommt es zur lokalen
Immunantwort in der Prostata. Während bei der akuten bakteriellen Prostatitis PSA (
prostataspezifisches Antigen), IgG und IgA im
Serum und in der Prostataflüssigkeit erhöht zu detektieren sind, finden sich bei der chronischen Form IgG und IgA nur in der Prostata.
Durch eine erfolgreiche Antibiose fallen alle Parameter bei der akuten bakteriellen Prostatitis innerhalb von 6–12 Monaten nach Therapie ab. Bei der chronischen Form können allerdings die IgA-Werte bis zu 2 Jahren erhöht bleiben (
Nickel et al.
2001).
Bakterielle Prostatitis
Die folgenden Pathogene sind oftmals auch für andere Infektionen des Urogenitaltraktes, wie Urethritis, Harnwegsinfekte, Genitalinfektionen verantwortlich:
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E. coli (75–80 %)
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Serratia spp.
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Enterococcus faecalis
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Proteus mirabilis
In wenigen Fällen spielen grampositive
Enterokokken (5–10 %), Anaerobier oder Corynebakterien eine Rolle.
Chronisch abakterielle Prostatitis
Bei der chronisch abakteriellen Form (CP bzw. chronic pelvic pain syndrome, CPPS) scheinen
Antigene und
autoimmunologische Trigger eine Rolle bei der sekundär immunmediierten Reaktion zu spielen. Weitere Faktoren, die mit einer abakteriellen Prostatitis bzw. einem CPPS in Verbindung gebracht werden sind:
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neuromuskuläre Dysregulation des Urogenitaltrakts durch Störungen im ZNS,
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Erkrankungen des ZNS, die zu einer neuropathischen Symptomatik bei CPPS führen,
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psychologische/psychosomatische Faktoren (Depression, Ängste, Stress, Traumata),
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interstitielle Zystitis (Blasenschmerzsyndrom).
Es darf angenommen werden, dass eine multifaktorielle, plurikausale Ätiologie hinter der abakteriellen Prostatitis steckt.
Symptomatik
Kategorie I: akut bakterielle Prostatitis
Zu den häufigen Symptomen gehören perineale und suprapubische
Schmerzen, Speicher- und Miktionsbeschwerden, Müdigkeit, Schwäche, Übelkeit und Erbrechen,
Fieber und Kälteempfindlichkeit. Bei der DRU (digital rektale Untersuchung) erscheint die Prostata warm, geschwollen und druckdolent. Es ist wichtig, die Diagnose einer akuten bakteriellen Prostatitis zu stellen und eine entsprechende Therapie einzuleiten.
Sekundäre Komplikationen bei Therapiekarenz können sein eine gramnegative
Sepsis, ein Prostataabszess oder ein Ausbreiten der Infektion (
Epididymitis).
Kategorie II: chronisch bakterielle Prostatitis (CBP)
Als Progression einer akuten bakteriellen Prostatitis kann eine chronische bakterielle Prostatitis entstehen. Man spricht von einer chronischen Form ab einer
über 3 Monate bestehenden rezidivierenden Entzündung mit Erregernachweis im
Urin oder der Prostata.
Patienten sind oftmals zwischen den akuten Phasen völlig asymptomatisch. Daher sollte man bei Dysurie und erhöhter Miktionsfrequenz in Abwesenheit von Anzeichen einer akuten Infektion der Prostata neben einem Harnwegsinfekt auch an eine chronische bakterielle Prostatitis denken.
Kategorie III: chronisch abakterielle Prostatitis (CP)/chronic pelvic pain syndrome (CPPS)
Von Seiten der Symptomatik ist zwischen entzündlicher (IIIA) und nichtentzündlicher Form (IIIb) nicht zu unterscheiden.
Das Kardinalsymptom ist der
perineale, suprapubische, genitale Schmerz. Dieser kann in die Hoden, Leistenregion und die Lendenwirbelsäule ausstrahlen. Eine weitere typische Symptomatik ist der
Schmerz bei der Ejakulation (Shoskes et al.
2004).
Per Definition sprich man von einer CP/CPPS ab einer Beschwerdedauer von mehr als 3 Monaten. Die Beschwerden im Zusammenhang mit CP/CPPS haben einen großen Einfluss auf die
Lebensqualität der Männer.
Kategorie IV: asymptomatisch entzündliche Prostatitis
Diese Diagnose wird oftmals bei Patienten mit
BPH oder erhöhtem Serum-PSA gestellt. Die Inflammation des Prostatagewebes verläuft ohne Beschwerden und wird häufig zufällig bei diesen Patienten entdeckt.
Diagnostik
Anamnese
Erfragt werden müssen Schmerz- und Beschwerdesymptomatik sowie Hinweise auf Miktionsstörungen und sexueller Dysfunktion.
Körperliche Untersuchung
Die körperliche Untersuchung dient auch dem Ausschluss anderer Differenzialdiagnosen und zur Evaluierung des Urogenitaltrakts. Klinisch kann der Patient febril, tachykard, tachypnoisch oder auch hypoton erscheinen. Diese Symptome sind gepaart mit typischer Druckdolenz im Perineum und suprapubisch. Auf die digitale Untersuchung der Prostata darf nicht verzichtet werden.
Urinsediment, Urinkultur
Für einen Keimnachweis im
Urin hat sich die von Weidner und Ebner beschriebene
2-Gläser-Probe etabliert. Bei dieser Untersuchung werden 2 unterschiedliche
Urinproben (Entnahme vor und nach digitaler Prostatamassage) auf mögliche Erreger untersucht, um den Infektionsort im Urogenitaltrakt zu bestimmen. Basierend auf den alten
4-Gläser-
Test von Meares and Stamey bei der neben 2 Urinproben noch der Ersturin (ersten 10 ml) und das Prostataexprimat auf etwaige Keime untersucht werden hat sich wegen des besseren Kosten/Nutzen-Verhältnis und der bestätigten Gleichwertigkeit dieser Test heutzutage durchgesetzt (Weidner et al.
1991).
Für die
2-Gläser-Probe werden nur Probe 2 (
Mittelstrahlurin) und Probe 4 (ersten 10 ml nach der Prostatamassage) entnommen.
Je nach Keimnachweis in der Probe kann differenzialgnostisch eine Urethritis (positive Probe 1), eine Zystitis (Probe 2) oder eine (akute) bakterielle Prostatitis (Proben 3 und 4) unterschieden werden.
Bei einer CP/CPPS Kategorie IIIa finden sich keine Keime in den
Urinproben, allerdings eine Leukozytose von mehr >5–10
Leukozyten/Hochenergiefeld.
Die nichtentzündlichen Form (IIIb) hat in den Proben keine Hinweise auf einen Erreger oder einer Leukozytose.
Weiterführende Diagnostik
NIH-CPSI
Mittels des
chronic prostate symptome index der
NIH (
NIH-CPSI) lassen sich die 3 wichtigsten Beschwerdegruppen bei einer Prostatitis evaluieren und quantifizieren:
Schmerz (4 Fragen), Miktionsfunktion (2 Fragen) und
Lebensqualität (3 Fragen).
Urinzytologie
Mit der Urinzytologie kann eine Malignität im Harntrakt ausgeschlossen werden.
Restharnbestimmung und Druck-Fluss-Diagramm
Therapie
Kategorie I: akut bakterielle Prostatitis
Die Therapie besteht in der Gabe von Antibiotika und einem ergänzenden symptomatischen Management. Beim Auftreten von Komplikationen kann in Ausnahmefällen eine invasive Intervention indiziert sein. Falls der Patient asymptomatisch ist und keine schweren Komorbiditäten besitzt, kann auf eine Hospitalisierung verzichtet werden und stattdessen eine orale Antibiose eingeleitet werden.
Die Gabe von
Antibiotika sollte dabei schon empirisch veranlasst werden, bevor noch eine Erregerkultur zur Verfügung steht.
Derzeit sind
Mittel der Wahl
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bei mildem Verlauf: Fluorquinolone (oral) für 10 Tage,
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bei schwerem Verlauf: Breitspektrum Penicillin/Cephalosporine (3. Generation)/Fluorquinolon in Kombination mit einem Aminoglykosid (parenteral). Nach Normalisierung der Entzündungsparameter kann auf eine orale Therapie umgestellt werden (2–4 Wochen).
Kategorie II: chronisch bakterielle Prostatitis (CBP)
Ähnlich wie bei der akuten bakteriellen Prostatitis ist die Antibiose die Therapie der Wahl. Hierbei werden Fluorchinolone für 4–6 Wochen empfohlen. Bei intrazellulären Erregern sollten stattdessen Tetrazykline oder Erythromycin verabreicht werden.
Kategorie III: chronisch abakterielle Prostatitis (CP)/CPPS
Vor Therapiebeginn ist die eindeutige Diagnosestellung wichtig. Oftmals ist sie eine
Ausschlussdiagnose und wird erst nach einem Therapieversagen bei scheinbarer bakterieller Prostatitis in Erwägung gezogen. Die medikamentöse Therapie beruht auf einer Kombination aus
Alphablocker und
Fluorchinolone.
Additiv können 5α-Reduktasehemmer, antiinflammatorische und analgetische Pharmaka zur Symptomlinderung gegeben werden.
CP/CPPS-Patienten haben durch ihre Erkrankung eine starke Einschränkung in ihrer täglichen
Lebensqualität und ein erhöhtes Risiko für Depressionen. Deswegen sollten neben einer medikamentösen eine psychosoziale Therapie des Patienten in Erwägung gezogen werden.
Die Therapie bei Prostatitis der
Kategorie IIIa und IIIb ist gleich. Da bis heute die genaue Ursache dieser beiden Entitäten unklar ist, stützt sich die Behandlung auf eine
multimodale Therapie. Dabei gilt es insbesondere die Symptome zu lindern und etwaige Komorbiditäten zu behandeln. Die medikamentöse Therapie beinhaltet NSARs (nichtsteroidale Antirheumatika), 5α-Reduktasehemmer,
Antibiotika (Flourqinolone), Opiode und Phytotherapie. Mögliche supportive Maßnahmen sind
Biofeedback, Lebensstilmodifikationen, Akupunktur, Massagetherapie und elektromagnetische Therapie.
Zusammenfassung
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Häufigste urologische Erkrankung des Mannes unter 50 Jahren.
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Histologie: lymphoyzytäre Infiltrate in Prostataparenchym.
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Unterteilung in 4 Gruppen je nach Erregernachweis, Entzündungsparameter.
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Häufigster bakterieller Erreger: E. coli.
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Durch intraprostatisch duktalen Reflux lagern sich Keime in Prostata ein und induzieren Entzündungsreaktion.
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CPPS: wahrscheinlich spielen immunmediierte Faktoren ätiologisch eine Rolle.
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Chronische Form: ab 3 Monate Dauer, wobei im Intervall der Patient völlig asymptomatisch sein kann.
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Erregernachweis: mittels Proben von Mittelstrahl- und Post-Massage-Urin, Erregerlokalisation möglich.
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Mittel der Wahl bei bakterieller Prostatitis: Fluorchinolone.
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Multimodale Therapie der CP/CPPS, Fokus auf Symptomlinderung.
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Therapiekontrolle: durch NIH-CPSI.