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Corynebacterium diphtheriae

Verfasst von: W. Stöcker
Corynebacterium diphtheriae
Englischer Begriff
Diphtheria
Beschreibung des Erregers
Corynebacterium diphtheriae ist ein grampositives, fakultativ anaerobes, keulenförmiges Stäbchenbakterium aus der Ordnung der Actinomycetales. Es ist unbeweglich und bildet weder Kapsel noch Sporen. Gegenüber Umwelteinflüssen ist C. diphtheriae relativ resistent, kann aber durch Erhitzen und Desinfektionsmittel rasch abgetötet werden.
Die Virulenz von C. diphtheriae wird durch das sehr potente, aus 2 Polypeptidketten A und B bestehende Diphtherietoxin (LD50 0,3 μg/kg) verursacht. Da die genetische Information zur Synthese dieses Exotoxins von dem Prophagen β kodiert wird, sind nur solche C.-diphtheriae-Stämme toxigen, die mit diesem infiziert sind. Das Diphtherietoxin bewirkt die Inaktivierung des eukaryontischen Elongationsfaktors EF2. Dies hat die Hemmung der Proteinbiosynthese und den Tod der infizierten Zellen zur Folge.
Erkrankungen
Diphtherie ist eine weltweit vorkommende Infektionskrankheit, die in vielen Entwicklungsländern und Russland noch immer endemisch ist und daher nicht aus dem Blick geraten darf, in Mitteleuropa aber nur noch vereinzelt auftritt. Ein Erkrankungsrisiko besteht für Personen mit fehlendem oder ungenügendem Impfschutz (in Deutschland ca. 50 % der Erwachsenen). Der Erreger befällt ausschließlich den Menschen und wird bei pharyngealem Befall durch Tröpfcheninfektion und bei Hautdiphtherie überwiegend durch Schmierinfektion übertragen.
Meist beginnt die Erkrankung nach einer Inkubationszeit von 2–5 Tagen mit allgemeinem Krankheitsgefühl, Fieber, Hals-, Leib- und Gliederschmerzen, es folgen Pharyngitis, Laryngitis und Tonsillitis mit Pseudomembranen aus Fibrin, Leukozyten, Zellresten und Keimen. Charakteristisch sind
  • süßlicher Mundgeruch,
  • bellender Husten mit Stridor,
  • Heiserkeit,
  • Atemnot,
  • Gaumensegelparese und
  • Lymphknotenschwellungen.
Weitere lokale Manifestationsarten sind die Nasen-, Wund-, Haut- und Bindehautdiphtherie. Bei allen Formen kann es im weiteren Verlauf zu einer systemischen Intoxikation und damit zu lebensgefährlichen Organschädigungen kommen. Mögliche Spätfolgen sind
  • Leber- und Nierenfunktionsstörungen und
  • Lähmungen im Bereich der motorischen Hirnnerven.
Im Fall einer klinischen Verdachtsdiagnose wird Personen mit fehlendem oder ungewissem Impfschutz sofort Diphtherieantitoxin verabreicht. Unterstützend wirkt eine antibiotische Therapie mit Penicillin oder einem Makrolid. Verläufe mit Komplikationen können weitere Interventionen erfordern, z. B. Intubation oder Entfernung der die Atemwege verlegenden Pseudomembranen. Die Prophylaxe besteht in einer aktiven Immunisierung mit einem Toxoidimpfstoff. Gemäß Infektionsschutzgesetz sind der Krankheitsverdacht, die Erkrankung und der Tod an Diphtherie sowie der direkte oder indirekte Nachweis toxinbildender Diphtheriebakterien meldepflichtig.
Analytik
Mikroskopische Präparate von C. diphtheriae zeigen grampositive, keulenförmige Stäbchen mit charakteristischer V- oder Y-förmiger Lagerung. Die endständigen Polkörperchen werden in der Neisser-Färbung als schwarzblaue Granula sichtbar.
Die Anzucht von C. diphtheriae erfolgt auf eiweißhaltigen Nährböden (Blutagar, Löffler-Serum-Agar) und tellurithaltigen Selektivmedien (Tindsdale-Agar, Clauberg-III-Agar) unter aeroben Bedingungen mit 5–10 %iger CO2-Begasung bei 37 °C. Verdächtig sind gräuliche Kolonien mit evtl. schwachem Hämolysehof auf Blutagar sowie schwarze Kolonien mit blauem Hof auf Telluritböden. Zeigen diese das typische Bild im mikroskopischen Präparat, werden Subkulturen angelegt (Blutagar, Löffler-Medium). Die endgültige Identifizierung beruht auf biochemischen Merkmalen (Katalase positiv, Urease negativ, Glukosefermentation positiv, Saccharosefermentation negativ, Nitratreduktion positiv). Die Fähigkeit isolierter Stämme zur Toxinbildung wird mit dem Elek-Ouchterlony-Immundiffusionstest oder durch den Nachweis des Toxingens mittels PCR (Polymerase-Kettenreaktion) geprüft.
Zur Bestimmung spezifischer Antikörper gegen das Diphtherietoxin setzt man die indirekte Immunfluoreszenz (Immunfluoreszenz, indirekte), Enzymimmunoassay, Neutralisationstest oder Hämagglutinationstests ein.
Untersuchungsmaterial – Probenstabilität
Direktnachweis und Kultur: Untersucht werden Abstriche (von unterhalb der Pseudomembranen) von Rachen, Tonsillen, Nasenschleimhaut. Das Material sollte bis zur Weiterverarbeitung bei +4 °C bis +8 °C aufbewahrt werden. Direktnachweise sind innerhalb von 24 Stunden durchzuführen, Kulturen innerhalb von 6 Stunden anzulegen. Bei längerer Transportzeit ist das Material einzufrieren.
Serologie: Serum oder Plasma für den Nachweis der Antikörper sind bei +4 °C bis zu 2 Wochen lang beständig, bei −20 °C über Monate und Jahre hinweg. Zur Tiefkühlkonservierung des IgM kann man den Proben 80 % gepuffertes Glyzerin beifügen.
Diagnostische Wertigkeit
C. diphtheriae kann mikroskopisch nicht eindeutig von anderen, apathogenen Corynebakterien unterschieden werden. Vielmehr müssen verdächtige Kolonien in Reinkultur isoliert, identifiziert und auf Toxinproduktion geprüft werden. Für den Beweis einer akuten Diphtherie ist allein der positive Toxinnachweis ausschlaggebend. Die quantitative Bestimmung von Antikörpern gegen das Diphtherietoxin hat seine Priorität bei epidemiologischen Fragestellungen sowie bei der Überprüfung der Immunitätslage bzw. des Impfstatus.
In der Differenzialdiagnostik sind unter anderem abzugrenzen:
  • Infektiöse Mononukleose
  • Angina Plaut-Vincenti
  • Streptokokken-Angina
  • Virusinduzierte Pharyngitis
Literatur
Darai G, Handermann M, Sonntag HG, Tidona CA, Zöller L (Hrsg) (2009) Lexikon der Infektionskrankheiten des Menschen, 3. Aufl. Springer, Berlin, S 189–192
Köhler W, Eggers HJ, Fleischer B, Marre R, Pfister H, Pulverer G (Hrsg) (2001) Medizinische Mikrobiologie, 8. Aufl. Urban & Fischer Verlag, München, S 383–387