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HIV-1 und -2

Verfasst von: W. Stöcker
HIV-1 und -2
Synonym(e)
AIDS-Virus; Humanpathogenes Immundefizienz-Virus; Menschenpathogenes Immunschwächevirus
Englischer Begriff
Human immunodeficiency viruses (HIV) type 1 (HIV-1) and type 2 (HIV-2)
Beschreibung des Erregers
HIV gehört zur Familie der Retroviren und zur Gattung der Lentiviren. Die bisher bekannten beiden Arten werden als HIV-1 und HIV-2 bezeichnet, ihre Aminosäuresequenzen sind zu etwa 50 % homolog. Beide Infektionen ähneln sich hinsichtlich des klinischen Bildes, bei HIV-2 verläuft die Krankheit jedoch langsamer. HIV-1 und HIV-2 entstanden aus unterschiedlichen Typen der „simian immunodeficiency viruses“ (SIV) bestimmter Affenpopulationen.
Das Viruspartikel hat einen Durchmesser von 100–120 nm und ist von einer Lipoproteinhülle umgeben. In diese eingebettet sind env-Glykoproteinkomplexe, die aus einem externen Anteil (gp120) und einem Transmembranprotein (gp41) bestehen. Gp120 ist für die Bindung des Virus an die CD4-Rezeptoren der Zielzellen von entscheidender Bedeutung. Da die Hülle des HIV aus der Membran der Wirtszelle entsteht, enthält sie beispielsweise Moleküle der HLA-Klassen I und II sowie Adhäsionsproteine. Im Inneren des Virions befindet sich das Kapsid („core“) mit dem viralen Genom, bestehend aus 2 Kopien Einzelstrang-RNA in Plusstrangorientierung sowie den Enzymen Reverse Transkriptase (RT) und Integrase.
Erkrankungen
Eine Ansteckung mit HIV kann asymptomatisch verlaufen oder nach unterschiedlich langer, meist mehrjähriger Inkubationszeit zum derzeit noch unheilbaren manifesten AIDS („acquired immunodeficiency syndrome“; erworbenes Immundefektsyndrom) führen, das sich als akute primäre Infektion oder als generalisierte Lymphadenopathie manifestieren kann. Die Infektion mit HIV verläuft progredient, besitzt ohne Therapie keine Rückbildungstendenz und endet in der Regel letal. Kennzeichnend für das Stadium der Immundefizienz ist das Auftreten opportunistischer Infektionen (Kandidiasis, Mykobakteriose, Toxoplasmose etc.), maligner Tumoren und neurologischer Erkrankungen.
HIV ist wirtsspezifisch für den Menschen. In Schimpansen führt eine Infektion mit HIV zu einer chronischen Virämie, jedoch nicht zur Ausbildung des AIDS. Eine Übertragung von HIV ist möglich durch homo- und heterosexuelle Kontakte, vertikale Transmission von der HIV-infizierten Mutter auf das Neugeborene, parenteral durch Blut oder Blutprodukte, Transplantationen, Nadelstichverletzungen im medizinischen Bereich sowie bei Drogenabhängigen durch verseuchtes Injektionsbesteck. Entsprechend der Viruskonzentration in verschiedenen Körperflüssigkeiten variiert die von ihnen ausgehende Infektiosität: Blut und Sperma HIV-infizierter Personen enthalten hohe, andere Körpersekrete wie Speichel, Tränenflüssigkeit, Urin oder Stuhl nur geringe Virusmengen. Die Viruskonzentration im peripheren Blut ist unmittelbar nach der Infektion, bevor sich ausreichend Antikörper gebildet haben, besonders hoch, nimmt dann ab und steigt in späten Stadien der Erkrankung wieder an. Homo- und heterosexuelle Personen mit häufig wechselnder Sexualpartnerschaft, Prostituierte und Drogenabhängige sind besonders gefährdet und bilden ihrerseits das höchste Infektionspotenzial.
An der Verbreitung des AIDS war gegen 1980 ein maßlos promiskuitiver homosexueller Flugbegleiter beteiligt, der das Virus innerhalb eines Jahres an über einhundert vorwiegend männliche Personen weitergegeben hatte. Die Seuche hat sich zu einer Pandemie entwickelt, an der bisher etwa 35 Millionen Menschen gestorben sind. Zurzeit sind fast 37 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert (2015). Die Prävalenz zeigt in den Regionen der Welt große Unterschiede, 70 % der Infizierten leben im mittleren und südlichen Afrika.
Prophylaxe: Eine Impfung gegen HIV ist (noch) nicht etabliert. Deshalb konzentriert sich die Prävention auf die Information der Bevölkerung sowie auf die sorgfältige Kontrolle von Blutkonserven, Plasmaprodukten und Transplantaten. Die derzeit verwendeten antiretroviralen Therapeutika, basierend auf einer Hemmung virusspezifischer Enzyme (Reverse Transkriptase und virale Protease), können die Lebenserwartung HIV-infizierter Menschen mittlerweile um Jahre bis Jahrzehnte verlängern und reduzieren gleichzeitig das Risiko einer Übertragung des Virus auf andere Personen. Etwa 18 Millionen HIV-positive Menschen hatten 2016 Zugang zu antiretroviralen Therapien.
Analytik
Kultur: Die Virusanzucht in stimulierten Lymphozytenkulturen wird nur in Ausnahmefällen durchgeführt, etwa bei Neugeborenen HIV-positiver Mütter, da bei diesen aufgrund des Vorliegens maternaler Antikörper eine Infektion serologisch nicht diagnostiziert werden kann.
Direktnachweis: Der Nukleinsäurenachweis durch Reverse-Transkriptase-PCR (PCR (Polymerase-Kettenreaktion)) ist eine der treffsichersten Untersuchungsmethoden. Fällt sie negativ aus, liegt entweder keine HIV-Infektion vor oder die Viruslast ist äußerst gering. Die PCR wird bei Infizierten zu Verlaufs- und Therapiekontrolle eingesetzt und findet auch im Blutspendewesen für die Untersuchung von Blut- und Plasmaspenden Anwendung. Bei der Aufnahme in eine Rettungsstelle wird für Patienten ebenfalls regelmäßig eine PCR durchgeführt, wenn Verdacht auf eine akute HIV-Infektion besteht.
Serologie: Als Suchtest wird ein Enzymimmunoassay der 3. oder 4. Generation verwendet. Alle Enzyme-linked Immunosorbent assay, Lumineszenz-Immunoassays oder Mikropartikel-Enzymimmunoassays der 3. Generation und ihre Vorgänger erfassen nur Antikörper gegen HIV-1 und -2, Immuntests der 4. Generation (seit 1999) erkennen auch das Kapsidantigen p24 des HIV-1. Western-Blots (Immunblot) können Antikörperreaktivitäten gegen unterschiedliche HIV-Proteine anzeigen und dienen als geforderte Bestätigungstests.
Indirekte Immunfluoreszenz: Antikörper gegen HIV:
Um auch in Ländern mit schlechter Laborinfrastruktur HIV-Infektionen rasch nachweisen zu können, wurden Heim- oder Schnelltests („home tests“, „point-of-care tests“, „bedside tests“ oder „rapid/simple test devices“) entwickelt, die auf verschiedenen immundiagnostischen Prinzipien basieren, wie Partikelagglutination, Immundot (Dipstick), Immunfiltration oder Immunchromatographie. Sie sind auch in Situationen nützlich, bei denen es auf ein sofortiges Ergebnis ankommt, z. B. bei der Entscheidung über eine Postexpositionsprophylaxe nach Nadelstichverletzungen (Untersuchung der Infektionsquelle).
Untersuchungsmaterial – Probenstabilität
Kultur: Vollblut, Buffy Coat, Plasma, Liquor oder Gewebe.
Direktnachweis: Vollblut, Serum, Plasma, Gewebe. Gewebe- und Blutproben für die PCR müssen innerhalb von 6 Stunden bei 5–20 °C an das Labor gesendet werden.
Serologie: Serum oder Plasma für den Nachweis der Antikörper sind bei +4 °C bis zu 2 Wochen lang beständig, bei −20 °C über Monate und Jahre hinweg. Zur Tiefkühlkonservierung des IgM kann man den Proben 80 % gepuffertes Glyzerin beifügen.
Diagnostische Wertigkeit
Für die HIV-Serologie wurden Suchtests (Screeningtests) und Bestätigungstests mit dem Ziel entwickelt, Antikörper, Antigene oder RNA des HIV zu identifizieren. Ziel eines Suchtests ist es, möglichst sensitiv alle infizierten Personen zu erkennen. Reaktive Proben werden im (aufwendigeren) Bestätigungstest nachuntersucht, der eine höhere Spezifität besitzt als ein Suchtest.
Bei einem positiven Ergebnis im Suchtest muss dieser wiederholt und zusätzlich ein Antikörperbestätigungstest mittels Western-Blot oder ein Nukleinsäurenachweis durchgeführt werden. Nach Empfehlung der Weltgesundheits-Organisation (WHO) wird die Diagnose „HIV-positiv“ aufgrund von Antikörpern gegen mindestens 2 verschiedene Virusproteine (z. B. gp160, p120, gp41, p55, p40, p24, p17, p66, p51, p32) gestellt. Das Ergebnis muss nun noch durch eine unabhängig vom ersten Test abgenommene Blutprobe verifiziert werden, um Verwechslungen auszuschließen.
Bei Immuntests der 3. Generation konnte eine HIV-Infektion im Regelfall erst nach 12 Wochen sicher diagnostiziert werden (diagnostische Lücke), da der Organismus im Rahmen der Immunantwort für die Bildung spezifischer Antikörper mehrere Wochen benötigt. Mit Immuntests der 4. Generation kann durch die gleichzeitige Erfassung des HIV-1-p24-Antigens, das sich schon vor Bildung der Anti-HIV-Antikörper im Blut befindet, die diagnostische Lücke im Regelfall verkürzt werden. Beachtet werden muss jedoch, dass das HIV-1-p24-Antigen nur für ca. 4 Wochen im Körper nachweisbar ist. Dies ist im Normalfall nicht weiter nachteilig, da sich die Nachweisbarkeit des HIV-1-p24-Antigens und der HIV-Antikörper zeitlich überschneiden. In Einzelfällen kann aber bei Infizierten das p24-Antigen bereits wieder unter die Nachweisgrenze zurückgehen, während die HIV-Antikörper noch nicht messbar sind. Es hat sich somit eine „zweite diagnostische Lücke“ aufgetan. Für die Diagnostik von HIV-2-Infektionen ist bei einem Immuntest der 4. Generation statt des p24-Antigens das p26-Antigen zu untersuchen.
Zur Überprüfung einer HIV-Infektion bei Neugeborenen seropositiver Mütter kann ein positiver IgG-Antikörpertest nicht verwertet werden, da das IgG von der Mutter stammen könnte, das diaplazentar in den Blutkreislauf des Kindes gelangte. Man könnte dann möglicherweise spezifische Antikörper der Klassen IgA und IgM bestimmen, da sie die Plazentaschranke nicht passieren können, die gängige Untersuchungsmethode bei Neugeborenen und Säuglingen ist aber der Virusnachweis über die Reverse-Transkriptase-PCR.
Die Spezifität der Reverse-Transkriptase-PCR liegt bei nahezu 100 %, und mit einer unteren Nachweisgrenze von 50 Kopien/mL übertrifft das Verfahren alle anderen HIV-Tests an Sensitivität (95 %). Das Verfahren weist die kleinstmögliche diagnostische Lücke auf: Bereits (durchschnittlich) 11 Tage nach einem Risikokontakt kann virale RNA nachgewiesen werden.
Literatur
Burtis CA, Ashwood ER, Bruns DE (Hrsg) (2006) TIETZ textbook of clinical chemistry and molecular diagnostics, 4. Aufl. St. Louis: Elsevier Saunders, S 1567–1570
Rabenau HF, Bannert N, Berger A et al (2015) Nachweis einer Infektion mit Humanem Immundefizienzvirus (IV): Serologisches Screening mit nachfolgender Bestätigungsdiagnostik durch Antikörper-basierte Testsystem und/oder durch HIV-Nukleinsäure-Nachweis. Bundesgesundheitsbl 58:877–886CrossRef
Wilks D, Farrington M, Rubenstein D (Hrsg) (2003) The infectious disease manual, 2. Aufl. Oxford: Blackwell, S 143–147
World Health Organization. Media Centre (2016) HIV/AIDS. Factsheet. http://​www.​who.​int/​mediacentre/​factsheets/​fs360/​en/​ Zugegriffen am 23.05.2017