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Morbus haemolyticus fetalis/neonatorum

Verfasst von: K. Kleesiek, C. Götting, J. Diekmann, J. Dreier und M. Schmidt
Morbus haemolyticus fetalis/neonatorum
Synonym(e)
Hämolytische Fetose; Fetale Erythroblastose; Hämolytische Neugeborenengelbsucht
Englischer Begriff
fetal erythroblastosis
Definition
Erkrankung von Fetus und Neugeborenem aufgrund einer immunologischen Reaktion der Mutter auf Blutgruppenantigene (Blutgruppenantigene, erythrozytäre) des Kindes, die diaplazentar in den mütterlichen Kreislauf übergetreten sind. Die daraufhin in der Mutter gebildeten Antikörper passieren die Plazenta, gelangen in den Fetus und verursachen hier eine Hämolyse. Das klinische Bild des Neugeborenen ist vor allem durch eine schwere Anämie sowie Ikterus geprägt und führt häufig zum Tode.
Pathophysiologie
Die Ursache eines Morbus haemolyticus fetalis/neonatorum ist eine Blutgruppenunverträglichkeit (v. a. bei Rhesus- oder AB0-Inkompatibilität) zwischen Mutter und Kind. Besonders bei Rhesus-positiven Kindern Rhesus-negativer Mütter und bei Kindern mit den Blutgruppen A oder B von Müttern mit der Blutgruppe 0 wird diese Erkrankung beobachtet. Die mütterlichen Antikörper des Rhesus- (Rhesus-Blutgruppensystem) und Kell-Blutgruppensystems (s. Kell-Blutgruppensystem) reagieren überwiegend nur mit fetalen Erythrozyten, Anti-AB-Antikörper darüber hinaus auch mit extraerythrozytären A- und B-Merkmalen. Eine verstärkte Sensibilisierung des mütterlichen Immunsystems erfolgt vor allem durch vorausgegangene Schwangerschaften (auch nach Fehlgeburten) und früheren Bluttransfusionen.
Nach diaplazentarem Übertritt binden die mütterlichen Antikörper an die Erythrozyten des Kindes und bewirken dort deren beschleunigten Abbau in der Milz. Der Verlust der fetalen Erythrozyten wird durch eine verstärkte Neubildung zum Teil kompensiert. Ist der Abbau jedoch stärker als die Neubildung, entwickelt das Kind schon im Mutterleib eine erhebliche Anämie, in deren Folge es zu einer Sauerstoffunterversorgung des gesamten Organismus mit verminderter Herzleistung kommt. Generalisierte Ödeme mit Pleuraerguss und Aszites sind daher weitere Symptome. Das Vollbild dieses Zustands wird auch als Hydrops fetalis bezeichnet. Die Therapie umfasst eine intrauterine Bluttransfusion. Nach der Geburt werden bei dem Neugeborenen Blutaustauschtransfusionen durchgeführt. Zur Behandlung des Ikterus und Begegnung zerebraler Schäden erfolgt auch eine Behandlung mit UV-Licht (Phototherapie).
Die Vorbeugung einer Rhesus- und AB0-Inkompatibilität mit der Folge eines Morbus haemolyticus fetalis/neonatorum ist in den Richtlinien der Bundesärztekammer mit quasi gesetzlicher Verordnung geregelt (Anti-D-Prophylaxe; AB0-Kompatibilität/-Inkompatibilität).
Literatur
Bundesärztekammer (2005) Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie), Aufgestellt gemäß Transfusionsgesetz von der Bundesärztekammer im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut, Zweite Richtlinienanpassung 2010, Deutscher Ärzteverlag, Köln
Eckstein R, Zimmermann R (2015) Immunhämatologie und klinische Transfusionsmedizin, 7. Aufl. Urban & Fischer/Elsevier Verlag, München