Medikamentöse Prophylaxe – Domäne der NSAR
Erste Untersuchungen aus den 1980er-Jahren konnten bereits einen positiven Effekt von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) auf die Inzidenz und Ausdehnung der MOC nach Hüftendoprothetik nachweisen, Indomethacin war seinerzeit das am weitesten genutzte NSAR. Es folgten weitere Studien, die den Nutzen der NSAR unterstrichen: Die Therapie mit Indomethacin
nach endoprothetischer Versorgung führte zu einer signifikanten Reduktion der Ausdehnung und damit der klinisch apparenten MOC. Es wurden dann die Dosierung, Medikationsdauer und verschiedene NSAR miteinander verglichen. Nach zunächst 6-wöchiger Therapie mit täglich 75 mg Indomethacin (Cella et al.
1988) wurden auch kürzere Therapiephasen untersucht. Positive Effekte von Indomethacin wurden ebenso bei einer Therapiedauer von 14 Tagen und bei 50 mg/Tag beschrieben, durch die Therapie mit Acetylsalicylsäure konnte kein vergleichbarer Effekt beobachtet werden (Knelles et al.
1997). Im Rahmen einer Cochrane-Analyse (Fransen und Neal
2004) wurde gezeigt, dass
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der positive Effekt der Prophylaxe mit NSAR nachgewiesen ist,
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Indomethacin das Agens mit der größten Datenbasis ist und
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andere NSAR aber wahrscheinlich gleich gut wirksam sind.
Neben diesen grundsätzlichen Aussagen konnte ebenfalls gezeigt werden, dass die Medikation mit NSAR einen positiven Effekt auf die Gehstrecke und die Beweglichkeit des Gelenks aufweist. Die möglichen Nebenwirkungen bis hin zu gastrointestinalen Blutungen der NSAR-Therapie müssen über den gesamten Therapiezeitraum überwacht werden.
Durch diese Überlegungen wurden auch selektive COX-2-Inhibitoren
in die Untersuchungen mit eingeschlossen, um das negative Nebenwirkungsprofil der nichtselektiven COX-Hemmer potenziell umgehen zu können. Es konnte so gezeigt werden, dass selektive COX-2-Hemmer, wie z. B. Celecoxib, im direkten Vergleich zu Indomethacin ebenso wirksam sind, jedoch signifikant weniger gastrointestinale Nebenwirkungen auftreten (Romano et al.
2004). Eine Studie konnte darüber hinaus eine bessere Wirksamkeit von Celecoxib gegenüber
Ibuprofen nachweisen (Saudan et al.
2007).
In Hinblick auf die medikamentöse Therapie bzw. Prophylaxe der MOC nach chirurgischer Versorgung von Acetabulumfrakturen stellt sich die Datenlage uneinheitlich dar. Während frühere Studien im Speziellen nach ausgedehnten chirurgischen Zugängen einen deutlichen Nutzen für NSAR in Hinblick auf die Entwicklung und Größe von MOC sahen (McLaren
1990), ist dieser Effekt in Folgestudien auch unter Placebokontrolle nicht signifikant nachweisbar gewesen (Matta und Siebenrock
1997; Karunakar et al.
2006). Eine Vergleichsstudie zeigte unter Placebokontrolle einen positiven Effekt für eine einwöchige Therapie, bei längerer Therapiedauer über 6 Wochen stieg das Risiko für
Pseudarthrosen signifikant an (Sagi et al.
2014).
Für Ellenbogenverletzungen ist die Datenlage uneinheitlich. Während einige Autoren die grundsätzliche Prophylaxe nach Verletzungen des Ellenbogens und dabei besonders nach Kombinationsverletzungen (z. B. „terrible triad“, Luxationsfrakturen) empfehlen, stehen andere Autoren diesem Vorgehen zurückhaltend gegenüber. In einer Studie konnte für die Radiusköpfchenprothese eine signifikante Reduktion der MOC durch Indomethacin nachgewiesen werden (Bowman et al.
2016); somit erscheint eine prophylaktische Therapie mit NSAR unter Abwägung der Nebenwirkungen sinnhaft. Gleiches gilt für die Kombinationsverletzungen und Luxationsfrakturen.
Bestrahlung
Klinische Studien zeigten den positiven Nutzen der perioperativen Bestrahlung. Die Bestrahlung führt dabei zu einer Störung der Osteoblastengenese, woraus eine geringere Inzidenz und eine geringere Ausprägung der MOC resultieren.
Durch die limitierte Verfügbarkeit und den logistischen Aufwand ist die Bestrahlung jedoch auf Zentren mit entsprechender Vorhaltung beschränkt. Neben der optimalen Dosis war auch der optimale Zeitpunkt der Bestrahlung Gegenstand verschiedener Studien. So bewirkt die präperative Bestrahlung 4–24 Stunden vor dem operativen Eingriff eine effektive Risikoreduktion. Ebenfalls lieferte eine postoperative Bestrahlung gute Ergebnisse (Gregoritch et al.
1994; Seegenschmiedt et al.
1997; Popovic et al.
2014).
Der Prozess der Differenzierung von pluripotenten Stammzellen zu osteogenetischen Progenitorzellen beginnt in den ersten Stunden nach dem operativen Eingriff und weist ein
Maximum ca. 20 Stunden postoperativ auf (Ayers et al.
1991). Aus diesem Zusammenhang wird ersichtlich, warum die Bestrahlung auch postoperativ möglich ist und ebenfalls gute Ergebnisse liefert, die postoperative Bestrahlung sollte dabei jedoch binnen 72 Stunden durchgeführt werden (Seegenschmiedt et al.
1997).
Die externe Bestrahlung ist potenziell kanzerogen, weshalb enge Bestrahlungsgrenzen gelten. Aus der publizierten Literatur ist bekannt, dass eine einmalige Bestrahlung mit 7–8 Gray effektiv ist.
In Hinblick auf die Hüftendoprothetik konnte in einer
Metaanalyse gezeigt werden, dass die Bestrahlung einen stärkeren Effekt als NSAR zur Verhinderung von höhergradigen Ossifikationen (Grad III/IV nach Brooker) aufweist (Pakos und Ioannidis
2004). Die Autoren empfahlen daher – sofern verfügbar und logistisch umsetzbar – die Bestrahlung der Therapie mit NSAR vorzuziehen.
Ähnliche Ergebnisse konnten für die Bestrahlung bei der Versorgung von Acetabulumfrakturen nachgewiesen werden (Haas et al.
1999). Auch hier stellte sich die Frage nach dem Zeitpunkt der Bestrahlung. In einer Studie konnte gezeigt werden, dass der Zeitpunkt der Bestrahlung – prä- oder postoperativ – keinen Einfluss auf die Inzidenz oder die Ausprägung der MOC bei Versorgung durch einen Kocher-Langenbeck-Zugang mit zusätzlichem Debridement von avitalem M. gluteus minimus
aufweist (Archdeacon et al.
2014). Eine weitere Studie untersuchte den Effekt der Bestrahlung in Kombination mit NSAR im Vergleich zu Bestrahlung oder NSAR. Dabei zeigte sich eine signifikante Reduktion der MOC, insofern sollte bei Hochrisikopatienten (z. B. Rezidive oder Resektionen von Ossifikationen) eine Kombinationstherapie in Erwägung gezogen werden (Piatek et al.
2006).
Das Risiko der jeweiligen Prophylaxeform versus keiner spezifischen Prophylaxe war Gegenstand der Studie von Burnet et al. Die Autoren evaluierten das Risiko für eine kanzerogene Entwicklung durch die Bestrahlung auf 1:1000 bis 1:10.000; das Letalitätsrisiko durch gastrointestinale Blutungen oder Perforationen durch Indomethacin auf 1:180 bis 1:900 bei älteren Patienten. Ohne Prophylaxe besteht ein Todesrisiko durch die operative Resektion der MOC von 1:4000 bis 1:30.000 (Burnet et al.
2014).
Einer Studie zeigte, dass die Bestrahlung nach operativer Versorgung von distalen Humerusfrakturen zu einer signifikant erhöhten Rate von
Pseudarthrosen führt (Hamid et al.
2010).
Nach Resektion einer periartikulären MOC des Ellenbogens bei Hochrisikopatienten bestanden für die Bestrahlung positive Effekte. Es kam zu keinen Komplikationen, ein Rezidiv der MOC war bei knapp 50 % der Patienten nach Resektion nachweisbar, jedoch klinisch inapparent (Strauss et al.
2011).
Zusammenfassend existiert gute Evidenz für die Effektivität der Bestrahlung zur Prävention oder Rezidivprophylaxe der MOC. Die Verfügbarkeit der Behandlungsform ist jedoch limitiert, was einen flächendeckenden Einsatz nicht ermöglicht. Ferner sind eine engmaschige Logistik und ein entsprechender Patiententransfer zu den Bestrahlungseinheiten nötig, was die Therapieform aus logistisch-administrativer Sicht anspruchvoll macht.
Operative Therapie
Operative Resektionen der MOC
sind komplexe Eingriffe, bei denen Aspekte wie Bildgebung, Risikoprofil, zeitliche Entwicklung der MOC und die anatomischen Lagebeziehungen zu neurovaskulären Strukturen beachtet werden müssen. Zur operativen Resektion sollten Schnittbildgebungen vorliegen, um den Eingriff optimal planen und für den Patienten ein optimales Ergebnis erzielen zu könnnen. Grundsätzlich besteht die Indikation zur operativen Resektion bei klinischer Einschränkung,
Schmerzen oder neurovaskulärer Kompromittierung durch die MOC. Der Zeitpunkt der Resektion ist dabei von entscheidender Bedeutung, da man davon ausgeht, dass die sich neu bildende Knochenformation in den aktiven Stadien bzw. in den Entwicklungsstadien zu hohen Rezidivraten neigt. Grundsätzlich sollte eine operative Resektion in biologisch niedrig aktiven Stadien erfolgen (Freed et al.
1982).
Durch den Zusammenhang der inflammatorischen Komponente während der Entwicklung und Genese der MOC ist dies erklärbar, einige Autoren empfehlen daher eine Mindestzeit zwischen Trauma und chirurgischem Resektionseingriff von 180 Tagen (Pavey et al.
2015). Als Grundregel kann aufgestellt werden, dass operative Resektionen der traumatisch induzierten MOC nach 6–9 Monaten, MOC nach Rückenmarksverletzung nach 12 Monaten und MOC nach SHT nach ca. 18 Monaten je nach Aktivität der MOC in Erwägung gezogen werden können (Garland
1991). Einschränkend ist dies bei Nerven- oder Gefäßkompromittierung zu sehen, da hierdurch manifeste Folgeschäden aufreten können. Ferner sind perioperative Komplikationen, wie z. B. relevante Blutungskomplikationen durch die hohe Vaskularisierung,
Wundheilungsstörungen, Infektionen und Nervenläsionen beschrieben (Schauwecker et al.
2011).
Chirurgische Resektionen der MOC nach Acetabulumfrakturen zeigen zufriedenstellende Ergebnisse bei korrekter Indikationsstellung, allerdings sind die Eingriffe komplikationsträchtig. Diese reichen von iatrogenen Schenkelhalsfrakturen, avaskulären Femurkopfnekrosen bis hin zu Ischiadicusparesen und bedürfen daher einer besonders aufmerksamen operativen Planung und Durchführung (Wu et al.
2014). Die Resektion des oftmals affektierten M. gluteus minimus bei der primären Versorgung von Acetabulumfrakturen stellt dabei einen vielversprechenden Faktor zur Vermeidung der posttraumatischen MOC im weiteren Verlauf dar (Rath et al.
2002).
Ähnliche gute klinische Ergebnisse konnten nach Resektionen der MOC nach Hüftendoprothese und Brooker-Grad III/IV erzielt werden: Unter perioperativer Behandlung mit Indomethacin und postoperativer Bestrahlung nach Resektion kam es zu keinem Rezidiv der MOC; jedoch wurden auch hier Ischiadicusparesen und Gefäßläsionen beschrieben (Schauwecker et al.
2011).
Die Indikation zur operativen Intervention auf dem Boden einer MOC muss kritisch betrachtet und die Indikation eng gestellt werden. Die chirurgische Resektion ist dabei den klinisch durch die MOC eingeschränkten Patienten vorbehalten. Insbesondere beim Ellenbogen sind vor einer Resektion eine CT- oder/und MRT-Untersuchung sinnvoll, um die anatomischen Lagebeziehungen insbesondere durch die räumliche Nähe zu neurovaskulären Strukturen visualisieren zu können. Nach derzeitigem Stand gelten als Indikation: relevante Bewegungseinschränkung, die Aktivitäten des täglichen Lebens und/oder die
Lebensqualität einschränkt, schmerzhafte MOC und lokale Nervenkompressionssyndrome (McAuliffe und Wolfson
1997).
Die Resektionsergebnisse bei MOC nach traumatischer Amputation wurden insbesondere durch Daten der militärischen Forschung gestützt. Hierbei konnte nachgewiesen werden, dass die operative Resektion der MOC im Bereich des Amputationsstumpfes die Analgetikaeinnahme der betroffenen Patienten signifikant reduziert, insofern sollte die operative Therapie bei entsprechender Klinik nach geeigneter Planung und Wartezeit eher großzügig gestellt werden (Eisenstein et al.
2018).