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Pädiatrie
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Publiziert am: 07.02.2020

Erhöhte Infektanfälligkeit bei Kindern und Jugendlichen

Verfasst von: David Nadal
Erhöhte Infektanfälligkeit im Kindes- und Jugendalter besteht per definitionem, wenn mehr als 8 Infektionserkrankungen pro Jahr (im Kleinkind- und Vorschulalter) auftreten bzw. chronische, über mehrere Wochen trotz adäquater Therapie nicht ausheilende Infektionen sich entwickeln.
Erhöhte Infektanfälligkeit im Kindes- und Jugendalter besteht per definitionem, wenn mehr als 8 Infektionserkrankungen pro Jahr (im Kleinkind- und Vorschulalter) auftreten bzw. chronische, über mehrere Wochen trotz adäquater Therapie nicht ausheilende Infektionen sich entwickeln.
Im Säuglings- und Kleinkindesalter begünstigt die partielle Unreife immunologischer Funktionsmechanismen, ein noch wenig ausgeprägtes Hygieneverhaltung und die häufig erstmalige Auseinandersetzung mit Mikroorganismen das Auftreten von Infektionen. Dieses Phänomen bezeichnet man auch „physiologische“ Infektanfälligkeit. Eine Abnahme der Infektionsfrequenz ist bei der Mehrzahl der betroffenen Kinder bis zum frühen Schulalter zu erwarten. Vor allem der Aufbau der immunologischen Gedächtnisfunktion nach überstandenen Infektionen und erhaltenen Impfungen ist hierfür von Bedeutung. Zudem prädestiniert die vergleichsweise hohe Keimbelastung, wie sie in Heimen, Kindergärten oder Schulen auftritt, gerade Kleinkinder und junge Schulkinder zu einer erhöhten Infektanfälligkeit.
Eine abklärungsbedürftige Infektanfälligkeit liegt vor, wenn Infektionen auffällig polytop auftreten, durch opportunistische Erreger verursacht werden oder aber monotop mit schwerer Klinik bzw. therapieresistent verlaufen. Ebenso sind gewöhnliche Infektionen mit atypischem Verlauf (z. B. kalte Staphylokokken-Abszesse) auffällig und können auf eine primäre oder sekundäre Störung der Abwehrfunktionen hinweisen. Zu den primären Störungen des Immunsystems zählen Defekte von Komplement, Granulozyten, Monozyten, humoralem oder zellulärem Immunsystem und von Zytokinen sowie Chemokinrezeptoren. Sekundäre Störungen des Immunsystems werden entweder durch eine direkte Schädigung des Immunsystems, wie z. B. im Verlauf einer HIV-Infektion oder einer hämatologischen Erkrankung, oder als Komplikation bei Funktionsstörungen von Organsystemen ausgelöst. Hierbei kann es sich um lokale (z. B. Malabsorption, ekzematöse Veränderungen der Haut, Harntransportstörungen, chronische Atemwegserkrankungen) oder systemische Störungen handeln. Im ersten Fall muss die lokale Ursache identifiziert, im zweiten das Vorliegen eines Immundefekts in Erwägung gezogen werden (Tab. 1).
Tab. 1
Wichtige Differenzialdiagnosen bei erhöhter Infektanfälligkeit
Pathophysiologie
Immundefekte
Gestörte Immunität (→ systemische Infektanfälligkeit)
Primäre Immundefekte
KomplementdefekteGranulozytendefekteMonozytendefekteB-Zell-DefekteT-Zell-Defekte
HIV-InfektionMalnutritionAutoimmunerkrankungenMalignomeDiabetes mellitus
Gestörte Organfunktion (→ lokale Infektanfälligkeit)
Haut
Ekzem
Respirationstrakt
AdenoideMukoviszidoseallergische RhinitisAsthmaZiliendysfunktionFremdkörperaspirationVitium cordis
Intestinaltrakt
Exsudative EnteropathieLymphangiektasieZöliakie
Harntrakt
Harntransportstörung
ZNS
NeuroporusLiquorfistel
Von entscheidender Bedeutung in der Diagnostik der erhöhten Infektanfälligkeit ist die Erhebung einer ausführlichen Anamnese und eines gründlichen klinischen Untersuchungsbefundes. Durch gezielte Laboruntersuchungen kann die Differenzialdiagnose eingegrenzt werden (Tab. 2).
Tab. 2
Diagnostik bei erhöhter Infektanfälligkeit
Untersuchung
Spezielle Fragestellung
Anamnese
Wann war Erstmanifestation der Infektionen?
Welche Infektionen sind aufgetreten?
Häufigkeit und Dauer der Infektionen?
Welche Erreger wurden nachgewiesen?
„Kinderkrankheiten“: Verlauf ungewöhnlich schwer?
Impfanamnese (Pass) – Impfkomplikationen?
Soziales Umfeld (besondere Erregerexposition)?
Familienanamnese: Todesfälle durch Infektionen?
Mütterliche Infektionen (z. B. HIV)?
Klinischer Befund
Allgemeinpädiatrischer Befund
aktuelle Infektionen
körperliche Entwicklung – Gedeihstörung
Entwicklung des lymphatischen Gewebes (Lymphknoten, Tonsillen)
Bildgebende Diagnostik
Thorax-Röntgenbild (bei rezidivierenden Infektionen des Respirationstrakts)
Thymusgröße (Mediastinalsonografie)
Orientierende Labordiagnostik bei polytoper Infektneigung
Blutbild und Differenzialblutbild (evtl. mehrfach)
BSG, CRP
Gesamteiweiß, -phorese
Immunglobuline, IgG-Subklassen
Impfantikörper, Pneumokokken-Antikörper
Blutgruppe und Isohämagglutinin-Titer
Gesamtkomplement CH50
Blutzucker (Urinstix)
Multitest Merieux (nach dem 1. Lebensjahr)
Orientierende Labordiagnostik bei monotoper Infektneigung
Atemwege
Schweißtest, Zilienanalyse, Suche nach Fehlbildungen (z. B. Fisteln), Hinweise für chronische Aspiration, Allergiediagnostik
 
Harnwege
Urinstatus, Sonografie, evtl. Miktionszysturethrogramm
 
ZNS
Suche nach Liquorfistel oder Neuroporus
Weiterführende Diagnostik
In Verbindung mit einer pädiatrisch-immunologischen Spezialambulanz
Weiterführende Literatur
Ochs H, Hagin D (2014) Primary immunodeficiency disorders: general classification, new molecular insights, and practical approach to diagnosis and treatment. Ann Allergy Asthma Immunol 112:498–495CrossRef