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Viszeral- und Allgemeinchirurgie
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Publiziert am: 15.12.2021

Neuroendokrine Neoplasien der Appendix

Verfasst von: Nehara Begum
Neuroendokrine Neoplasien (NEN) der Appendix vermiformis machen etwa 90% aller Neoplasien in dieser Lokalisation aus und stellen mit 20–38 % eine der häufigsten Entitäten der gastroenteropankreatischen NEN dar. Sie sind in der Regel gut differenzierte und funktionell inaktive Tumoren, die als Zufallsbefund bei jeder 100.–300. Appendektomie (0,3–0,9 %) bei akuter Appendizitis festgestellt werden. Etwa 80–90 % der Patienten sind durch die alleinige Appendektomie geheilt und bedürfen keiner weiteren Therapie oder Tumornachsorge. Bei Vorliegen von Risikofaktoren wie einer Tumorgröße über 2 cm, basisnaher Lage, Infiltration der Mesoappendix von mehr als 3 mm, Angioinvasion, Perforation oder Infiltration von Nachbarorganen und einem Proliferationsindex Ki-67 >2 %, wird eine onkologische Nachresektion durch eine Hemikolektomie rechts mit Lymphadenektomie empfohlen. Bei Tumoren mit einer Größe von 1–2 cm ohne Risikokonstellation ist die Datenlage unklar. Eine Lymphknotenmetastasierung liegt bei dieser Tumorgröße je nach Studie bei 1–25 % vor, so dass die Entscheidung hier individuell getroffen werden muss. Eine Fernmetastasierung und das Karzinoidsyndrom sind bei dieser Entität extrem selten, das Langzeitüberleben ist mit über 99 % nach 10 Jahren extrem gut.

Epidemiologie und Einteilung

Neuroendokrine Neoplasien (NEN) der Appendix vermiformis sind mit 90 % die häufigste Neubildung dieses Organs und stellen gleichzeitig mit 20–38 % die häufigste Entität unter den gastroenteropankreatischen NEN dar (Niederle et al. 2010; Pawa et al. 2018). Das Tumorgrading erfolgt analog zu NEN anderer Lokalisationen und ist seit der ENETS-Empfehlung von 2006/2007 durch den Proliferationsindex Ki-67 % definiert. In der Regel handelt es sich um gut differenzierte, neuroendokrine Tumore mit einem Proliferationsindex Ki-67 <2 %, was einem G1-Tumor entspricht. Seltener sind G2-Tumoren mit einem Ki-67-Index zwischen 3 und 20 % oder neuroendokrine Karzinome (NEC) mit einem hohen Proliferationsindex Ki-67 über 20 % (s. Tab. 1). Die Inzidenz ist im Zeitraum von 1976–2006 für Deutschland mit 0,2–0,3/100.000 Einwohnern pro Jahr gleichgeblieben (Rinke et al. 2018). International wird aber eine Zunahme der Inzidenz um 70–133 % beobachtet und diese liegt jetzt zwischen 0,15–0,6/100.000 Einwohnern pro Jahr. Das mittlere Alter bei Erwachsenen wird mit 40–50 Jahren angegeben und mit 60 % wird eine leichte Dominanz des weiblichen Geschlechts beschrieben (Pape et al. 2016).
Tab. 1
TNM-Klassifikation der NEN der Appendix vermiformis, 5. Edition der WHO-Klassifikation der Verdauungsorgane 2019
Aktuelle TNM-Klassifikation der Appendix-NEN
T
(Primärtumorgröße)
T1
(<2 cm)
T2
(>2 <4 cm)
T3
(>4 cm oder Invasion der Subserosa, oder Mesoappendix)
T4
(Perforation des Peritoneums, Invasion anhängender Strukturen/Nachbarorgane)
N (Regionale Lymphknoten)
X
LK nicht auswertbar
0
Keine LK-Metastasen
1
Regionale LK-Metastasen
 
M (Fernmetastasen)
X
0
1
1a (nur hepatisch)
1b (nur extrahepatisch)
1c (hepatisch und extrahepatisch)
 
T Tumorgröße/Invasionstiefe, N Lymphknotenmetastasen, M Fernmetastasen, LK Lymphknoten
Neuroendokrine Neoplasien der Appendix vermiformis sind die aus chirurgischer Sicht am häufigsten beobachteten NEN des Magen-Darm-Traktes.
Die Pathogenese der NEN der Appendix vermiformis ist ungeklärt. Theoretisch ist die Entstehung aus neuroendokrinen Zellen der Kryptenmukosa oder aus den subepithelialen neuroendokrinen Zellen, den sogenannten enterochromaffinen Zellen (EC-Zellen), möglich. Molekulare Daten zur Tumorentstehung gibt es nur wenige. Mutationen in den üblichen karzinomassoziierten Genen kommen praktisch nicht vor. Genauso wenig finden sich keine Chromosomen-18-Deletionen wie bei den ilealen NEN, auch wenn Copy-number-Veränderungen in vielen anderen Genen vorkommen (WHO 2019; Wen et al. 2018).
Das TNM-Staging der NEN der Appendix vermiformis wurde in der 8. Edition der UICC-Stadien von 2017 entsprechend den Vorschlägen der European Neuroendocrine Tumor Society (ENETS) modifiziert. Es richtet sich nach der Tumorgröße, der Infiltration der Serosa und der Mesoappendix. Nach dieser Klassifikation werden die meisten Tumoren als T3-Tumoren klassifiziert, da die Invasion der Mesoappendix oder Subserosa häufig ist. Die WHO-Klassifikation für Tumoren des Verdauungstraktes hat diese Änderungen mit der 5. Edition 2019 aufgenommen (s. Tab. 1 und 2).
Tab. 2
Tumorstadien der NEN der Appendix vermiformis, 5. Edition der WHO-Klassifikation der Verdauungsorgane 2019
Tumorstadien bei Appendix-NEN
Stadium I
T1
N0
M0
Stadium II
T2, T3
N0
M0
Stadium III
T4
T1, T2, T3
N0
N1
M0
M0
Stadium IV
T1, T2, T3, T4
N0, N1
M1
T Tumorgröße/Invasionstiefe, N Lymphknotenmetastasen, M Fernmetastasen, LK Lymphknoten

Klinische Symptomatologie

Über 80 % der Appendix-NEN werden als Zufallsbefund bei der akuten Appendizitis festgestellt, welche in seltenen Fällen perforiert ist (s. Abb. 1). Etwa bei jeder 100.–300. Appendektomie (0,3–0,9 %) wird als Zufallsbefund histologisch eine NEN festgestellt. Neuere Daten aus dem Zeitraum von 2001–2015 zeigen, dass in 1,86 % aller Appendektomien eine NEN als Zufallsbefund gefunden wird (Pawa et al. 2018).
In der Regel treten Beschwerden auf wie bei einer akuten Appendizitis mit Schmerzen im rechten Unterbauch und Erhöhung der Infektparameter bei einer kurzen Anamnese von Stunden bis zu wenigen Tagen. Dieses führt dazu, dass etwa 90 % der Patienten mit einer NEN der Appendix vermiformis als Indexeingriff eine Appendektomie erhalten. Ursächlich ist nicht klar, ob die Beschwerden durch eine Entzündung des Wurmfortsatzes unabhängig von dem neuroendokrinen Tumor oder als Folge einer Verlegung des Lumens durch den Tumor auftreten.
Da 75 % der Tumoren in der Wurmfortsatzspitze gelegen sind, verursachen viele NEN keine von ihnen ausgehende spezielle Beschwerdesymptomatik und stellen zumeist einen Zufallsbefund dar. Etwa 20 % der Tumoren finden sich im mittleren Abschnitt und 5 % in der Basis des Wurmfortsatzes.
Patienten mit einer basisnahen Tumorlokalisation weisen häufiger chronisch rezidivierende Schmerzen auf. Eine spezifische Symptomatik ist in der Regel nicht vorhanden, da die NEN der Appendix vermiformis funktionell inaktiv sind. Die Verteilung der Tumorgröße entspricht in etwa die der Lage der Tumoren: 80 % sind <1 cm, 15 % zwischen 1und 2 cm und 5 % sind >2 cm.

Diagnostik und Differenzialdiagnostik

Da der Eingriff in der Regel im Notfall durchgeführt wird, beschränkt sich die Diagnostik auf ein eventuell postoperatives Staging mittels Schnittbildgebung und einer Somatostatinrezeptorszintigrafie bei den Tumoren mit Risikofaktoren oder bei größeren Tumoren (s. Tab. 3). Der Nutzen des Tumormarkers Chromogranin A im Serum ist nicht belegt, kann aber als Verlaufsmarker genutzt werden. Das Abbauprodukt des Serotonins, die 5-Hydroxyindolessigsäure im 24-h-Sammelurin als Verlaufsmarker, ist zu vernachlässigen und ist nur bei den sehr seltenen, hepatisch metastasierten Tumoren sinnvoll.
Tab. 3
Empfehlung zur operativen Therapie der Appendix-NEN und Staging bzw. Nachsorge nach den aktuellen europäischen und deutschen Leitlinien. (Nach Rinke et al. 2018; Pape et al. 2016)
Empfehlungen der ENETS 2016 und der deutschen S2-k-Leitlinie 2018
Tumorgröße
ENETS 2016
S2k-Leitlinie 2018
<1 cm: Keine RF
Appendektomie
Kein postoperatives Staging
Keine Nachsorge
Keine Angaben
<1 cm, RF positiv
(Mesoinfiltration >3 mm, Tumor in der Appendixbasis)
RH
Postoperatives Staging mit CT/MRT
Nachsorge?
 
1–2 cm: keine RF
Appendektomie
Postoperatives CT oder MRT erwägen
Nachsorge?
Appendektomie
1–2 cm, RF positiv
(Ki-67 >3 %, R1, Mesoinfiltration >3 mm oder Angionivasion)
Rechtshemikolektomie erwägen
Keine Nachsorge, wenn keine LK-Metastasen im Resektat
Rechtshemikolektomie
>2 cm
Rechtshemikolektomie
Staging mit CT/MRT, Octreotidszintigrafie, Chg A
Tumornachsorge nach 6, 12 Monaten, dann jährlich
Rechtshemikolektomie
RF Risikofaktoren; Chg A Chromogranin A, CT Computertomografie, MRT Magnetresonanztomografie
Der Anteil der gut-differenzierten Tumoren ist bei dieser Entität sehr hoch und umfasst die folgenden beiden Subtypen:
Großzellige neuroendokrine Tumoren (Large-Cell, L-Zell) sind ein seltener Subtyp in der Appendix vermiformis und können Glukagon-like-Peptid 1 produzieren, ähnlich wie die rektalen großzelligen neuroendokriner Tumor (NET). Der Großteil beider Subtypen, der EC-Zell und L-Zell-NET sind G1-Tumoren (86–91 %) oder G2-Tumoren (9–14 %). Eine histologische Differenzierung beider Subtypen ist nicht notwendig, da kein prognostischer Unterschied und keine therapeutische Konsequenz daraus resultiert.
Eine Infiltration der Mesoappendix lässt sich bei bis zu 20 % der Erwachsenen und in bis zu 40 % der pädiatrischen Patienten nachweisen. Davon zeigt der Großteil (50–82 %) aber eine Invasionstiefe von weniger als 3 mm (WHO 2019; Rault-Petit et al. 2019). Das Karzinoidsyndrom ist extrem selten und spricht für ein fortgeschrittenes Tumorstadium.
Neuroendokrine Karzinome (NEC) der Appendix vermiformis sind sehr selten und ähneln morphologisch den NEC des Kolons. Diese werden in der Regel im weit fortgeschrittenen Tumorstadium festgestellt und gehen möglicherweise von Vorläuferläsionen in der Mukosa aus.
Cave
Das Becherzellkarzinom oder auch MANEC („mixed-adenoneuroendocrine carcinoma“) wurde in der aktuellen WHO-Klassifikation aus der Gruppe der NEN der Appendix herausgenommen und wird als eigene Entität bzw. als Subtyp der Adenokarzinome betrachtet (WHO 2019, S 153).

Therapieziele

Bei etwa 80–90 % der Appendix-NEN ist die Prognose sehr günstig und weitere Staging-Untersuchungen, eine chirurgische Nachresektion oder Tumornachsorge erübrigen sich. Dieses gilt für Tumoren, die im Gesunden entfernt wurden, die kleiner sind als 1 cm, nicht in der Basis oder basisnah sitzen, keine Mesoinfiltration >3 mm aufweisen und eine Proliferationsrate Ki-67 <2 % haben und somit G1-NET sind. NEN des Wurmfortsatzes, die kleiner als 1 cm groß sind, weisen praktisch kein Metastasierungsrisiko auf. Tumoren zwischen 2 und 3 cm weisen ein Metastasierungsrisiko von 20 %, Tumoren >3 cm bis zu 40 % auf. Das Metastasierungsrisiko von Tumoren zwischen 1 und 2 cm beträgt 1 % (s. Tab. 3). In einzelnen Studien wird aber ein Risiko für Lymphknotenmetastasierung bis zu 25 % beschrieben, vor allem ab einer Tumorgröße von 1,5 cm (Pawa et al. 2018). Ziel der Therapie ist es, die Risikogruppe zu identifizieren und diese einer onkologischen Hemikolektomie rechts zuzuführen. Allerdings existieren keine Daten, die einen Überlebensnachteil zeigen, falls eine onkologische Nachresektion bei Vorliegen von Risikofaktoren nicht erfolgt. Denkbar wäre eine Nachresektion nur im Falle eines bildmorphologischen Verdachts einer lokalen Lymphknotenmetastasierung durchzuführen. Dieses entspricht aber nicht der bisherigen Praxis und wäre Gegenstand von prospektiv-randomisierten Studien. Eine Tumornachsorge wird aktuell nur für Patienten empfohlen, die eine nachgewiesene Lymphknoten(LK)- oder Fernmetastasierung haben (s. Tab. 4).
Tab. 4
Das Risiko für Lymphknotenmetastasierung abhängig von der Lymph-(L) oder Hämangioinvasion (V) und in Abhängigkeit von der Größe des Primärtumors
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Indikationsstellung und Therapiealternativen

Nach Pawa et al. (2018) fanden sich bei 1,45 % aller Appendektomien als Zufallsbefund eine NEN. Davon erhielten 90 % eine Appendektomie, 23 % erhielten primär oder sekundär eine Hemikolektomie rechts. Bei 24,5 % der Patienten nach Hemikolektomie fand sich eine LK-Metastasierung. Insgesamt lag die Rate der LK-Metastasierung bei 7,9 % und 0,93 % der Patienten hatten eine synchrone Lebermetastasierung. Bei nachgewiesener Metastasierung sollte die operative Therapie mit dem Ziel der R0-Resektion erfolgen. Falls der Allgemeinzustand eine operative Therapie nicht zulässt, kann die alleinige Verlaufsbeobachtung auch bei Vorliegen von Risikofaktoren durchgeführt werden. Bei Tumorpersistenz, Metastasierung oder Rezidiv kann bei gut differenzierten NEN die Watch-and-wait-Strategie oder alternativ die Biotherapie (Somatostatinrezeptoranalogatherapie) mit dem Ziel der Tumorstabilisierung durchgeführt werden. Bei diffuser Metastasierung stellt die Peptidradiorezeptortherapie analog zu den Dünndarm-NEN eine Therapiealternative dar.
Bei gut differenzierten Tumoren <1cm, einem Ki-67<2 % (G1), die nicht basisnah liegen, mit R0-Resektion, ohne Angioinvasion und ohne tiefe Infiltration der Mesoappendix (>3 mm) ist eine alleinige Appendektomie ausreichend (Rinke et al. 2018; Pape et al. 2016). Diese Patienten gelten als geheilt und bedürfen keiner weiteren Nachsorge. Bei Tumoren >2 cm ist die onkologische Hemikolektomie rechts indiziert mit den oben bereits diskutierten Aspekten (Pape et al. 2016; Rinke et al. 2018). Das Risiko der Fernmetastasierung liegt zwischen 0 und 4,1 % (s. Tab. 3 und Tab. 4). Bei einer histologisch nachgewiesenen Angioinvasion steigt das Risiko für die Lebermetastasierung von 1 auf 30 %.

Indikation zur Nachoperation nach Appendektomie

Bei Vorliegen der nachfolgenden Risikofaktoren wird nach derzeitiger Datenlage von den deutschen und europäischen Leitlinien eine onkologische Nachresektion empfohlen (Pape et al. 2016; Rinke et al. 2018):
  • Einwachsen des Tumors in das Peritoneum, die Serosa
  • Tiefes Einwachsen in die Mesoappendix (>3 mm)
  • Lymph- oder Hämangioinvasion (L1, V1)
  • pT3-Tumoren (Einwachsen in die Serosa)
  • Tumorperforation
  • Tumorgrading G2 oder G3 (Ki-67-Index >2 %, >2 Mitosen/10 high power field (HPF))
  • Tumorgröße >2 cm
  • Tumorsitz in der Basis oder basisnah
Diese sollte das Lymphabstromgebiet der Appendix vermiformis entlang der A. und V. ileocolica bis zum Abgang der A. mesenterica superior beinhalten, um die möglicherweise befallenen lokoregionären Lymphknotenstationen zu erfassen. Die radikuläre Resektion bedingt die Hemikolektomie rechts mit mesenterialer Lymphadenektomie. Eine Ileozökalresektion, bei der nur eine darmwandnahe Dissektion des Mesenterium erfolgt, stellt aus diesem Grunde keine onkologisch ausreichende Nachresektion dar.
Multizentrische Untersuchungen zeigen, dass nach Anwendung dieser Risikoklassifikation mit anschließender onkologischer Nachresektion bei etwa 25 % der Patienten eine Lymphknotenmetastasierung histologisch nachgewiesen wird (Pawa et al. 2018). Im Umkehrschluss bedeutet es aber, dass die Nachresektion in vielen Fällen eine Übertherapie darstellt. Die onkologische Relevanz der Lymphknotenmetastasierung und deren Einfluss auf das Gesamtüberleben sind bisher nicht geklärt. Denkbar wäre, eine Nachresektion erst bei Nachweis von Lymphknotenmetastasen in der Tumornachsorge durchzuführen.

Verfahrenswahl

Im Notfall wird bei V. a. akute Appendizitis in der Regel die diagnostische Laparoskopie und nach Möglichkeit die laparoskopische Appendektomie oder offene Appendektomie bzw. Ileozökalresektion – und in selteneren Fällen auch primär die Hemikolektomie rechts durchgeführt, abhängig vom Ausmaß des Entzündunggeschehens und somit den technischen Gegebenheiten.
Wenn die Indikation zur onkologischen Komplettierungsoperation nach histologischem Nachweis des Appendix-NEN und Vorliegen entsprechender Risikokonstellation gestellt wird, sollte diese entweder früh postoperativ oder nach 3 Monaten erfolgen (s. Tab. 3). Das Risiko einer 2. Operation und mögliche Folgen und Komplikationen der Rechtshemikolektomie müssen gegen das Risiko einer vorhandenen Lymphknotenmetastasierung und damit Tumorpersistenz abgewogen werden.
Die Operationsmethode richtet sich dabei nach der Expertise des Zentrums. Wenn keine zentral sitzenden Lymphknotenmetastasen vorliegen, gibt es keine prinzipiellen Bedenken gegen die laparoskopische Hemikolektomie rechts.

Intra- und postoperative Komplikationen

Nach Pawa et al. (2018) beträgt die 30-Tages-Mortalität 0 und -Morbidität 2 %. Die intra- und postoperativen Komplikationen entsprechen denen der Appendektomie oder Hemikolektomie rechts.

Postoperatives Management

Wenn bei einem Appendix-NEN ohne Risikofaktoren nur eine Appendektomie durchgeführt wurde, ist nach den Leitlinien keine weitere Nachsorge vorgesehen (Rinke et al. 2018). Wird eine onkologische Hemikolektomie rechts bei bestehenden Risikofaktoren oder Metastasierung durchgeführt, so schließt sich in der Praxis eine regelmäßige Tumornachsorge an. Nach den ENETS-Leitlinien wird die Nachsorge aber nur bei nachgewiesener LK-Metastasierung empfohlen (Pape et al. 2016), die erste deutschsprachige Leitlinie nimmt dazu keine Stellung (Tab. 3). Die Dauer der Tumornachsorge sollte denen der Dünndarm-NEN angelehnt sein und mindestens 5–10 Jahre umfassen.
Die Tumornachsorge umfasst den Tumormarker Chromogranin A und die bildgebende Diagnostik. Eine initiale Gastroskopie und Koloskopie sind zu erwägen, da die Rate der Zweitkarzinome bei NEN des Gastronintestinaltraktes zwischen 15 und 20 % liegt (Begum et al. 2014). Pawa et al. (2018) beschreiben in einer multizentrischen Studie bei 1,9 % der Patienten mit Appendix-NEN das simultane Vorliegen von Zweitneoplasien.
Nach einer Hemikolektomie rechts sollte die regelmäßige Substitution der fettlöslichen Vitamine A, D, E, K und des Vitamin B12 empfohlen werden. Bei anhaltenden Diarrhöen sollte an die Möglichkeit des Gallensäureverlustes gedacht werden (chologene Diarrhöen) und eine Therapie mit gallensäurebindenden Substanzen erfolgen (z. B. Cholestyramin). Differenzialdiagnostisch kommt auch eine bakterielle Fehlbesiedlung infrage, die dann antibiotisch behandelt wird.

Ergebnisse und Lebensqualität

Laut Maasberg et al. (2018) waren im deutschen NET-Register bei Erstdiagnose 82 % der Appendix-NEN in frühen Tumorstadien ohne Lymphknotenmetastasierung, nur 7 % mit LK-Metastasierung und 11 % mit einer Fernmetastasierung (Stadium IV). Das Tumorgrading verteilte sich mit 72 % auf G1, 17 % auf G2 und 3 % auf G3 entsprechend einem Ki-67-Index von <2 (G1), >2–20 (G2) und >20 % (G3) nach den ENETS-Empfehlungen.
Die 5-Jahres-Überlebensdaten liegen bei 95–100 % für lokal begrenzte Tumoren, 85–100 % für nodal positive Tumoren und 25 % für die seltenen Fälle mit Fernmetastasen (Pape et al. 2016). In der SEER-Datenbank werden 5-Jahres-Überlebensraten von 94, 85 und 34 % für die 3 oben genannten Stadien angegeben. In diesen Studien muss ein Bias angenommen werden, weil die Daten der Becherzellkarzinome und MANEC noch eingeflossen sind (Pawa et al. 2018).
Die Rate der Reoperationen als onkologische Komplettierungsoperation mit einer Hemikolektomie rechts wird in verschiedenen Studien zwischen 16 und 20 % angegeben. Wichtig ist es eine Übertherapie und unnötige Tumornachsorgen zu vermeiden und die Patienten mit einem bestehenden Risiko für Metastasierung zu identifizieren. Mit den hier vorgestellten und vor allem auf Bemühen der ENETS ausgearbeiteten Klassifikation erscheint dieses praktisch und sinnvoll umsetzbar. Die Grauzone bleibt aber für die Tumoren mit einem intermediärem Risiko bei einer Tumorgröße zwischen 1 und 2 cm. Hier bedarf es weiterer klinischer und prospektiv geführter Beobachtungsstudien zum einen und der Identifikation von weiteren Risikofaktoren auf immunhistochemischer und molekulargenetischer Ebene zum anderen. Das deutsche NET-Register bietet eine ideale Plattform für solche Anliegen.
Risiko für Lymphknotenmetastasierung bei Appendix-NEN
Parameter
Risiko für Lymphknotenmetastasierung
(%)
Keine Angioinvasion (L0, V0)
1
Angioinvasion (V1, L1)
30
Tumorgröße <1 cm
0
Tumorgröße 1–2 cm
1–25
Tumorgröße 2–3 cm
20
Tumorgröße >3 cm
40
Literatur
Begum N, Maasberg S, Plöckinger U, Anlauf M, Rinke A, Pöpperl G et al (2014) Neuroendocrine tumours of the GI tract – data from the German NET Registry. Zentralbl Chir 139:276–283.
Maasberg S, Pape UF, Fottner C et al (2018) Neuroendokrine Neoplasien im deutschen NET-Register. Z Gastreoenterol 56:1237–1246CrossRef
Niederle MB, Hackl M, Kaserer K et al (2010) Gastroenteropancreatic neuroendocrine tumours: The current incidence and staging based on the WHO and European Neuroendocrine Tumour Society classification: an analysis based on prospectively collected parameters. Endocr Relat Cancer 17:909–918CrossRef
Pape U-F, Niederle B, Costa F et al (2016) ENETS Consensus Guidelines for Neuroendocrine Neoplasms of the appendix (excluding goblet cell carcinomas). Neuroendocrinology 103:144–152CrossRef
Pawa N, Clift AK, Osmani H et al (2018) Surgical management of patients with neuroendocrine neoplasms of the appendix: appendectomy or more. Neuroendocrinology 106(3):242–251CrossRef
Rault-Petit B, Do Cao C, Guyétant S, Guimbaud R, Rohmer V, Julié C, Baudin E, Goichot B, Coriat R, Tabarin A, Ramos J, Goudet P, Hervieu V, Scoazec JY, Walter T (2019) Current management and predictive factors of lymph node metastasis of appendix neuroendocrine tumors: a national sStudy from the French Group of Endocrine Tumors (GTE). Ann Surg 270(1):165–171
Rinke A, Wiedenmann B, Auernhammer C et al (2018) S2k-Leitlinie Neuroendokrine Tumore. Z Gastroenterol 56:583–68110CrossRef
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