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Erschienen in: Die Ophthalmologie 12/2023

Open Access 14.09.2023 | Erkrankungen der Hornhaut | Übersichten

Moderne Hornhautdiagnostik als Schlüssel für die korrekte Einordnung der Erkrankung und optimale Therapieentscheidung

verfasst von: Dr. Tim Berger, Elias Flockerzi, Loay Daas, Loïc Hamon, Zaynab Khattabi, Maximilian Berger, Berthold Seitz

Erschienen in: Die Ophthalmologie | Ausgabe 12/2023

Zusammenfassung

Hornhauterkrankungen umfassen ein breites Spektrum unterschiedlicher Erscheinungsformen (entzündlich/nichtentzündlich), die für eine präzise Diagnose und gezielte Behandlung genau klassifiziert werden müssen. Neben der Anamnese und der Spaltlampenbiomikroskopie können zur Eingrenzung der Diagnose weitere gerätegestützte Untersuchungen durchgeführt werden. Die moderne Hornhautbildgebung bietet heute eine Vielzahl von Technologien wie Topographie, Tomographie, In-vivo-Konfokalmikroskopie und die Analyse der Biomechanik, mit denen sich verschiedene Pathologien zuverlässig klassifizieren lassen. Darüber hinaus hilft die Kenntnis der verfügbaren Untersuchungsmodalitäten bei differenzialdiagnostischen Überlegungen und erleichtert die Indikationsstellung für einen stadiengerechten mikrochirurgischen Eingriff.
Hinweise
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Im klinischen Alltag ist eine differenzierte Beurteilung verschiedener kornealer Pathologien für ein zielgerichtetes Handeln unerlässlich. Heutzutage bietet die Hornhautdiagnostik ein breites Spektrum an Methoden und Technologien, die eine präzise Diagnosestellung und individuelle Therapieabwägung ermöglichen.
Die Anamnese und Spaltlampenbiomikroskopie bilden die Grundlage der Diagnosestellung, die durch weitere diagnostische Untersuchungen wie die korneale Topographie oder Tomographie ergänzt werden können.
In diesem Beitrag werden verschiedene Ansätze und Instrumente zur Diagnosestellung verschiedener Hornhauterkrankungen vorgestellt, um ein fundiertes Verständnis für spezifische Therapien zu schaffen und den Entscheidungsprozess einer gezielten und effektiven Behandlung zu unterstützen.

Anamnese

Eine detaillierte Anamnese ist für eine präzise Diagnosestellung und eine angemessene Therapieentscheidung von entscheidender Bedeutung.
Das zeitliche Auftreten einer kornealen Pathologie ist in jedem Fall so genau wie möglich zu erfragen, um genaue Informationen zu erhalten, ob eine Hornhauttrübung bereits bei der Geburt vorhanden war (kongenital) oder möglicherweise als Folge eines Traumas nach Verletzung oder Operation entstanden ist. Systemische Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder Mukopolysaccharidose, Hauterkrankungen (z. B. Neurodermitis oder Rosazea), rheumatologische Erkrankungen (z. B. rheumatoide Arthritis), neurologische Erkrankungen (z. B. Fazialisparese) sowie eine detaillierte Erfassung der lokal und systemisch (Amiodaron!) verabreichten Medikamente bilden einen wichtigen Bestandteil der initialen Befragung [28, 29]. Bei infektiösen Keratitiden ist es wichtig, nach der Verwendung von Kontaktlinsen (harte/weiche Kontaktlinsen, Tages- oder Monatslinsen) und der Dauer der Erkrankung zu fragen (Pseudomonas – schneller Verlauf vs. Akanthamöben – langsamer Verlauf). Auch die Familienanamnese (z. B. Hornhautdystrophien) sowie die Berufsanamnese (z. B. Fremdkörperverletzungen, Verätzungen, landwirtschaftliche Berufe) sind für die weitere Beurteilung von Hornhautpathologien von wesentlicher Relevanz.
Weiterhin wird erfragt, ob ähnliche Symptome früher an demselben Auge aufgefallen sind und ob auch das kontralaterale Auge betroffen ist und aktuell ähnliche Symptome aufweist oder früher aufgewiesen hat. Im Hinblick auf die weitere (operative) Therapie ist zum einen die Lebensqualität als auch die beste Sehschärfe in der Vergangenheit (Amblyopie) zur Entscheidungsfindung heranzuziehen.
Folgende Symptome sind möglich:
  • Schmerzen,
  • Visusminderung (morphologisch bedingt, z. B. Trübung, und/oder funktionell bedingt, z. B. Irregularität der Oberfläche),
  • Farbringe um Lichtquellen (bedingt durch Epithelödem z. B. beim akuten Glaukom),
  • Photophobie,
  • Epiphora,
  • Blepharospasmus.

Inspektion

Bei der Inspektion im Hinblick auf einen Herpes zoster wird auf die Kopfhaut (primäre/sekundäre Effloreszenzen) sowie auf das Vorhandensein eines Hutchinson-Zeichens (Effloreszenzen auf der Nasenspitze/dem Nasenrücken deuten auf eine Beteiligung des N. nasociliaris und damit auf eine okuläre Beteiligung hin) geachtet. Ebenso sollte auf weitere Hautveränderungen eingegangen werden, die beispielsweise in Verbindung mit Rosazea oder Neurodermitis auftreten können. Daneben werden die Lider und Zilien bezüglich Stellung (z. B. Ektropium, Entropium, Lagophthalmus, Trichiasis) und Blepharitis beurteilt. Eine Untersuchung im Abblick (z. B. Munson-Zeichen bei Keratokonus) oder in der Seitenansicht der Hornhaut (z. B. Keratoglobus) kann wegweisend sein.

Spaltlampenbiomikroskopie

Die Spaltlampenbiomikroskopie stellt noch immer den Goldstandard der augenärztlichen Untersuchung dar. Grundsätzlich sind immer beide Augen zu untersuchen – möglichst auch in Mydriasis, um beispielsweise diskrete Hornhautdystrophien besser zu erkennen.
Bei der Spaltlampenuntersuchung (Abb. 1) wird in direkter, indirekter und – wann immer möglich – in regredienter Beleuchtung bei weiter Pupille untersucht.
Es muss zum einen die horizontale Ausdehnung (Abb. 1a, b) der Läsion mit dem breiten, hellen Spalt untersucht werden. Die Trübung kann lokal begrenzt sein oder die ganze Hornhaut betreffen. Es kann auch eine Multifokalität auftreten. Das Trübungsmuster und die Trübungseinheit können variieren, und auch die Form sowie die Begrenzung der Trübung können unterschiedlich sein.
Zum anderen muss auch die sagittale Ausdehnung im dünnen, sehr hellen Spalt („Messerschnitt“, Abb. 1c) evaluiert werden. Hierbei ist zu unterscheiden, ob es sich um eine Auflagerung (z. B. Salzmann-Knoten, „Plus-Gewebe“), eine Läsion innerhalb einer normal dicken Hornhaut (z. B. Dystrophien) oder um eine abgesenkte Läsion (z. B. Hornhautnarben, „Minus-Gewebe“) handelt. Eine exakte Identifizierung der betroffenen Schicht(en) ist zur weiteren Einteilung notwendig. Ebenso sollte darauf geachtet werden, wie die Kornea „zwischen“ den Läsionen erscheint (Abb. 1d, e).
Die Spaltlampenbiomikroskopie wird ergänzt durch Vitalfärbungen. Fluoreszein und Blaulicht werden zur Detektion von Epitheldefekten, „late fluorescein staining“ der kornealen Oberfläche bei Limbusstammzellinsuffizienz mit Konjunktivalisierung der Hornhaut (z. B. kongenitale Aniridie) und in der Keratoplastiknachsorge (Epitheldefekte, Fadenlockerungen: „lockere Fäden nehmen Farbe an“, Seidel-Probe) verwendet [41].
Die selten durchgeführte Vitalfärbung mit Bengalrosa eignet sich zum Nachweis abgestorbener/geschädigter Zellen. Dies geschieht beispielsweise zur Einordnung der epithelialen herpetischen Keratitis sowie der Keratitis filiformis bei schwerer Keratoconjunctivitis sicca.
Die Charakterisierung der Epitheldefekte lässt sich gut anhand der Ränder beurteilen. Während gut heilende Epitheldefekte eine polygonale Begrenzung aufweisen, findet sich bei schlecht und sehr langsam abheilenden Epitheldefekten meist eine runde oder ellipsoide Begrenzung („kleinster Umfang bei gegebener Fläche“, Abb. 1f).
Grundsätzlich werden bei jeder Untersuchung auch die Bindehaut (Follikel?, Papillen?) und die Fornices oben und unten (Symblepharon?) mitbeurteilt. Die Spaltlampenfotografie (am besten digital – zum chronologischen Vergleich), der Schirmer-Test I (Reizsekretion) oder II (basale Sekretion) und die Break-up-Time zur Diagnostik der Keratoconjunctivitis sicca sowie die Ästhesiometrie nach Luneau zur qualitativen und quantitativen Prüfung der Hornhautsensibilität ergänzen die initiale Untersuchung.

Diagnostisch wegweisende Befunde

Eine Einteilung verschiedener „Hornhauttrübungen“ ist in Abb. 2 zusammengefasst.
Bei jeder Hornhautpathologie muss zunächst entschieden werden, ob ein entzündliches (infektiös vs. nichtinfektiös) oder nichtentzündliches Geschehen vorliegt. Definitionsgemäß gehen nichtentzündliche Keratopathien primär mit einem „weißen Auge“ ohne konjunktivale Injektion und ohne Vorderkammerreizzustand einher, und es finden sich zunächst keine kornealen Neovaskularisationen. Pathogenetisch kann es sich bei nichtentzündlichen Keratopathien um kongenitale (z. B. Dermoide), genetisch bedingte/hereditäre (z. B. Dystrophien), ektatische (z. B. Keratokonus), degenerative (z. B. Salzmannsche noduläre Degeneration), neoplastische (z. B. korneale intraepitheliale Neoplasie) oder traumatisch bedingte Krankheitsbilder (akzidentell, iatrogen oder Selbstschädigung) handeln. Die infektiösen Keratopathien sind in absteigender Häufigkeit meistens entweder bakteriell, viral (besonders Herpes-Viren), fungal oder parasitär (besonders durch Akanthamöben) bedingt. Bei den nichtinfektiösen entzündlichen Keratopathien dominieren Krankheitsbilder wie die immunologisch bedingten Randulzera (z. B. rheumatischer Genese) oder die Limbusstammzellinsuffizienz [3, 16].

Gerätegestützte Bildgebung der Hornhaut

In den letzten Jahren hat sich die Diagnostik des vorderen Augenabschnitts stetig weiterentwickelt, sodass heutzutage eine Vielzahl an apparativen Verfahren zur Verfügung steht. Dennoch müssen sämtliche Befunde der Funktionsdiagnostik immer in Zusammenschau mit der Anamnese und Spaltlampenbiomikroskopie interpretiert werden [22].
Im folgenden Abschnitt werden die wichtigsten gerätegestützten Untersuchungsmethoden der Hornhaut (Tab. 1) näher betrachtet.
Tab. 1
Gerätegestützte Untersuchungsmethoden
Placido-basierte Topographie
Hochauflösende Scheimpflug-Tomographie
Spiegelmikroskopie (inklusive Endothelzellzahl und -morphologie)
Optische Kohärenztomographie (OCT) des Vorderabschnitts
In-vivo-Konfokalmikroskopie
Corneal Visualization Scheimpflug Technology (CORVIS ST) mit „Homburg Biomechanical E‑Staging“ [18, 19]

Korneale Topo- und Tomographie

Bei der Placido-basierten Topographie wird die Hornhautbrechkraft anhand einer Reihe von konzentrischen Ringen bestimmt, die auf die Hornhautvorderfläche projiziert werden. Nachteil ist ein Fehlen von Ringen im Hornhautzentrum (Kamera in der Untersuchungsachse) und teilweise im nasalen Bereich (Nasenschatten), weshalb fehlende Krümmungswerte durch die Gerätesoftware kalkuliert werden. Ebenso ist die Untersuchungsmethode stark abhängig vom Tränenfilm und liefert allein keine Informationen über die Hornhautrückfläche und -dicke [36].
Die Scheimpflug-Tomographie bietet neben der Darstellung der Vorderfläche auch Daten der Rückfläche und eine vollständige Analyse der Hornhautdicke. Diese zusätzlichen Informationen verbessern die Erkennung subklinischer Hornhautektasien (Abb. 3).
Die optische Kohärenztomographie (OCT) des vorderen Augenabschnitts (VA-OCT) ist ein berührungsloses Bildgebungsverfahren, das hochauflösende Bilder des vorderen Augenabschnitts sowie seiner anatomischen Strukturen liefert und eine genaue morphologische Klassifizierung von Hornhauterkrankungen ermöglicht (Abb. 4). Einen besonderen Stellenwert bietet die VA-OCT in der präoperativen Tiefenlokalisation verschiedener Pathologien sowie in der postoperativen Nachsorge (Abb. 5) wie beispielsweise nach hinterer lamellärer Keratoplastik zur Detektion einer Transplantatdehiszenz. Des Weiteren hilft die sterile Spendertomographie in Homburg seit 2018 dabei, die Transplantation von Spendergewebe mit Dicken- und Krümmungsanomalien (z. B. Keratokonus oder Zustand nach refraktiver Chirurgie) zu verhindern [26, 27, 35].

Spiegelmikroskopie des Hornhautendothels

Die Spiegelmikroskopie (Abb. 6) ist ein nichtinvasives diagnostisches Verfahren, das eine In-vivo-Bewertung des Hornhautendothels im gesunden Zustand und bei verschiedenen Erkrankungen ermöglicht. Die morphologische Analyse der Endothelzellen wird durch Polymegalismus (Variation der Zellfläche einzelner Zellen), Pleomorphismus (Abweichung von der Hexagonalität), Zelldichte (Zellen/mm2) und Zellfläche ± Standardabweichung (μm2) charakterisiert. Die eher qualitative als quantitative Endothelzellanalyse im Rahmen der Spiegelmikroskopie (Endothelbild anschauen!) spielt unter anderem eine wichtige Rolle bei der Beurteilung des Risikos der kornealen Dekompensation nach Kataraktchirurgie bei fortgeschrittener Cornea guttata. Keineswegs macht es hier jedoch Sinn, die reine Anzahl der Endothelzellen automatisiert bestimmen zu lassen. Verlässliche Kriterien für die Progression einer Fuchs-Endotheldystrophie sind dagegen der bestkorrigierte Visus, die Zunahme der zentralen Pachymetrie und der Unterschied des Visus am Morgen und am Abend [47]. Die Endothelmikroskopie in Hornhautbanken nimmt inzwischen auch eine wichtige Bedeutung bei der Erkennung von Transplantaten mit Cornea guttata ein [32, 33].

In-vivo-Konfokalmikroskopie

Die In-vivo-Konfokalmikroskopie (Abb. 7) hat ihren klinischen Stellenwert im Wesentlichen bei der In-vivo-Diagnostik der Akanthamöben- oder Pilzkeratitis. Neben klassischen Diagnosemethoden wie einem direkten Erregernachweis (z. B. mikroskopisch, Kultur, Polymerasekettenreaktion) bietet die In-vivo-Konfokalmikroskopie eine sinnvolle Ergänzung, die zu einer schnellen empirischen Therapieeinleitung beitragen kann. Die In-vivo-Konfokalmikroskopie sollte vor einem diagnostischen oder therapeutischen Hornhautscraping durchgeführt werden.
Besonders bei therapierefraktären infektiösen Keratitiden ist eine Vorstellung in einem Hornhautzentrum mit Möglichkeit der In-vivo Konfokalmikroskopie angeraten, um eine zügige Diagnose zu stellen und eine effektive, erregeradaptierte Therapie einzuleiten [4, 5, 11, 24]. Auch in der Keratoplastiknachsorge ist die In-vivo-Konfokalmikroskopie zur Erkennung von frühen infektiösen Rezidiven geeignet [9, 12].
Bei nichtentzündlichen Hornhauterkrankungen (z. B. Darstellung des subbasalen Nervenplexus bei Keratokonus oder neurotropher Keratopathie) kann die In-vivo-Konfokalmikroskopie ebenfalls eingesetzt werden, nimmt jedoch nur eine untergeordnete Rolle ein [8, 17].

Biomechanik der Hornhaut

Für die moderne Keratokonusdiagnostik ist insbesondere bezüglich Frühestdiagnose und Beurteilung der Progression eine Zusammenschau aus Topographie, Tomographie (hochauflösende Scheimpflug-Bildgebung und VA-OCT) sowie „Corneal Visualisation Scheimpflug Technology“ (Corvis ST, OCULUS Optikgeräte GmbH, Wetzlar, Deutschland) (Abb. 8) (inklusive „Homburg Biomechanical E‑Staging“) [1820, 23, 38] unerlässlich. Das Corvis ST ist in der Lage, die Hornhautverformung nach Applikation eines standardisierten Luftstoßes zu messen, und kann nachweislich biomechanische Anomalien in ektatischen Früheststadien detektieren. Der Corvis Biomechanische Index (CBI) umfasst eine Reihe von 6 verschiedenen Parametern und ist zur Unterscheidung zwischen ektatischen und gesunden Hornhäuten geeignet. Der Tomographische Biomechanische Index (TBI), der tomographische Parameter der Pentacam® (OCULUS Optikgerät, Wetzlar, Deutschland) mit den biomechanischen Parametern durch Regressionsformeln kombiniert, gewährleistet eine noch bessere Erkennung.

Stadiengerechte Therapie, basierend auf differenzierter Hornhautdiagnostik

Grundlegendes

Die Indikation und Wahl des Operationsverfahrens wird im Allgemeinen auf Grundlage der Spaltlampenbiomikroskopie und der Zusammenschau der gerätegestützten Diagnostik getroffen. Neben einer klaren Definition der Patientenerwartungen ist die individuelle Hornhautpathologie selbst für die chirurgische Entscheidungsfindung am wichtigsten.
Es muss besonders betont werden, dass eine zentral klare Hornhaut nicht bedeutet, dass eine chirurgische Intervention nicht nötig wäre. Folgende nichtentzündliche Pathologien gehen typischerweise mit einer zentral klaren Hornhaut einher, bei der jedoch aufgrund mittelperipherer Prominenzen durch asymmetrisches Tränenfilm-Pooling ein hoher irregulärer Astigmatismus und eine deutliche Sehkraftherabsetzung resultieren [43]:
1.
Map-Dot-Fingerprint-Dystrophie und Salzmannsche noduläre Degeneration,
 
2.
Pterygium > 2,5 mm Höhe,
 
3.
solides Limbusdermoid (cave: Amblyopiegefahr spielt eine große Rolle!).
 

Abrasio corneae und Pannektomie

Bei sehr oberflächlichen Hornhauterkrankungen, die nur das Epithel betreffen wie beispielsweise eine Meesmann-Dystrophie (intraepitheliale Zysten) mit rezidivierenden Hornhauterosionen, kann eine Abrasio corneae zur Symptomminderung ausreichend sein. Eine karzinomatöse intraepitheliale Neoplasie (CIN) der Kornea sollte ausschließlich mittels Abrasio corneae behandelt werden. Eine Entfernung der Bowman-Lamelle sollte strikt unterbleiben, da diese eine natürliche anatomische Barriere darstellt und eine subepitheliale Ausbreitung von Tumorzellen verhindert. Bei unklaren oberflächlichen Trübungen sollte stets eine histologische Untersuchung des Hornhautabradats erfolgen und primär auf invasivere Eingriffe verzichtet werden.
Ein kornealer Pannus (subepithelialer fibrovaskulärer Pannus zwischen Epithel und Bowman-Lamelle) kann mittels Pannektomie entfernt werden. Bei einer Pannusbildung auf dem Transplantat ist eine Pannektomie vorzuziehen, da beispielsweise eine Excimerlaser-assistierte phototherapeutische Keratektomie (Excimer-PTK), insbesondere ohne intraoperative Mitomycin-C-Applikation, mit einer verstärkten Narbenbildung einhergehen kann [30].

Excimerlaser-assistierte phototherapeutische Keratektomie

Die Excimer-PTK zeigt eine vielversprechende Prognose bei prominenten, flächigen Läsionen und oberflächlichen Veränderungen, während lokalisierte Läsionen mit Stromaverdünnung oder tieferer Manifestation eine ungünstige Prognose aufweisen. Neben der exakten spaltlampenbiomikroskopischen Bestimmung der Tiefe der Ablagerungen ist eine präoperative Topographie- und – wenn möglich – Tomographieanalyse angeraten.
Subepitheliale Knötchen bei Keratokonus lassen sich mit einer Pannektomie und anschließender Excimer-PTK behandeln. Oft kann so Kontaktlinsentoleranz wiederhergestellt werden [15]. Auch die Salzmannsche noduläre Degeneration lässt sich meistens hervorragend mittels Pannektomie und Excimer-PTK behandeln [13, 14]. Hier muss unterschieden werden, ob der Pannus entsprechend der Lokalisation bereits Einfluss auf die zentrale Topographie genommen hat. Manchmal ist die Abgrenzung vom „akuten Keratokonus“ ohne Tomographie nicht trivial (Abb. 4e–h) [25].
Bei allen oberflächlichen Hornhautdystrophien (Abb. 9 und 10; [42, 44]) lässt sich mit gutem Erfolg eine Excimer-PTK durchführen, besonders bei der granulären Dystrophie Typ 2 und der Map-Dot-Fingerprint-Dystrophie. Das trifft allerdings nicht zu, wenn sich die Hyalineinlagerungen bei granulärer Dystrophie Typ 1 im mittleren und tiefen Stroma befinden. Bei der Schnyderschen Dystrophie liegen die Trübungen typischerweise oberflächlich und sind einer Excimer-PTK sehr gut zugänglich, wohingegen die Amyloideinlagerungen bei gittriger Dystrophie typischerweise tiefer im Stroma liegen. Bei der makulären Dystrophie sind saure Mukopolysaccharide von Limbus zu Limbus eingelagert und können vom Epithel bis zum Endothel alle Strukturen betreffen.

Hornhauttransplantation

Eine Transplantation ist oftmals die Ultima Ratio für viele Hornhauterkrankungen. Neben dem spaltlampenbiomikroskopischen Befund ist die Berücksichtigung der Funktionsdiagnostik ebenso wichtig. Die Wahl der Methode (perforierend/lamellär) richtet sich hierbei primär nach der Grunderkrankung. Dennoch müssen korneale Komorbiditäten präoperativ ausgeschlossen werden (z. B. Narben oder Guttae bei Keratokonus – keine DALK „deep anterior lamellar keratoplasty“ [21]). Bei sagittal lokalisierten Pathologien können lamelläre Keratoplastiktechniken wie eine „Descemet membrane endothelial keratoplasty“ (DMEK) oder eine DALK in Abhängigkeit der betroffenen Hornhautschichten durchgeführt werden [6, 10, 37]. Wenn es zu komplizierten Situationen kommt, bleibt die perforierende Keratoplastik (PKP), insbesondere mit Excimerlaser-assistierter Trepanation, mit mehr als 5000 erfolgreichen Eingriffen seit über 32 Jahren die Methode der Wahl [39].
Bei endothelialen Dystrophien wie der Fuchs-Hornhautdystrophie oder der hinteren polymorphen Hornhautdystrophie ist eine posteriore lamelläre Keratoplastik nur bei visueller Beeinträchtigung und/oder endothelialer Dekompensation notwendig [7, 47]. Im Rahmen der DMEK-Nachsorge ist die VA-OCT essenziell, um Ablösungen der transplantierten endothelialen Descemet-Lamelle darzustellen. Im Falle einer Transplantatablösung nach DMEK muss das Ausmaß mittels VA-OCT vor einem Re-Bubbling beurteilt werden. Bei Pneumopexie/Gaseingabe sollte der Operationszugang stets gegenüber dem abgelösten Transplantatbereich erfolgen, um eine weitere Ablösung zu vermeiden.
Selbst nach PKP kann eine spontane Descemetolyse aufgrund einer fortgeschrittenen Transplantatektasie („Keratokonusrezidiv“) nach Jahrzehnten auftreten, die primär ein nichtimmunologisches Transplantatversagen oder eine Abstoßungsreaktion vortäuschen kann. Hierbei ist die VA-OCT-Untersuchung bei reduziertem Einblick (ausgeprägtes Stromaödem) zur Darstellung der abgelösten Descemet-Membran die Methode der Wahl [2]. Bei endothelialer Dekompensation nach PKP empfiehlt es sich, vor der Indikationsstellung einer DMEK routinemäßig eine VA-OCT durchzuführen, um posteriore Stufen des Transplantats auszuschließen. Dies setzt voraus, dass die Krümmung des Transplantats nicht zu hoch ist und keine Narbe besteht, ansonsten empfiehlt sich eine Re-PKP [1, 40].
Nach PKP können immunologisch bedingte sterile Fadeninfiltrate auftreten, insbesondere wenn auf eine lokale Steroidtherapie primär verzichtet wird (z. B. bei mykotischer Keratitis). Nach Zugabe von Steroidaugentropfen im Verlauf bilden sich diese in der Regel vollständig zurück (Abb. 11a–d). Häufig findet sich im peripheren Bereich des Transplantats eine subepitheliale Fibrose, die bei initialer Betrachtung der Pachymetriekarte zunächst auf ein beginnendes Transplantatversagen hindeuten könnte, jedoch durch die Spaltlampenmikroskopie eindeutig ausgeschlossen werden kann (Abb. 11e, f). Auch entzündliche Komplikationen müssen von einer subepithelialen Fibrose unterschieden werden. Jeder Tyndall und jede Zelle in der Vorderkammer oder gar eine (fokale) Transplantatdekompensation nach Keratoplastik sollten bis zum Beweis des Gegenteils als eine beginnende Immunreaktion angesehen werden.

Amnionmembrantransplantation

Die Amnionmembrantransplantation (AMT) kann als Patch (Onlay), Graft (Inlay) oder „Sandwich“ (Kombination) in Abhängigkeit von der Tiefenausdehnung (präoperative VA-OCT!) erfolgen [34].
Das Ziel der AMT als Graft ist es, eine langfristige Stabilität durch Integration der Amnionschichten in die Hornhaut zu erreichen (sog. „stromale Integration“) [34]. An der Spaltlampe ist oft nicht sicher zu entscheiden, ob die Amnionmembran integriert ist oder ob es sich um eine reguläre Narbe nach einem Ulcus corneae handelt. Hier kann VA-OCT bzw. eine histologische Untersuchung nach PKP helfen.

Keratokonus

Die stadiengerechte Therapie des Keratokonus wurde in einem früheren Beitrag ausführlich dargelegt [38]. Bei Keratokonus können intrakorneale Ringsegmente (ICRS) und bei progressivem Befund ein Riboflavin-UV-A-Crosslinking [45, 46] durchgeführt werden. Dagegen wird der akute Keratokonus primär mit tiefstromalen prädescemetalen Kompressionsnähten (sog. „Muraine-Nähte“) und Pneumopexie/Gaseingabe versorgt [31, 38]. Im Falle einer Gaseingabe ist eine prophylaktische periphere Iridotomie wie bei der DMEK-Routine sinnvoll. Fortgeschrittene Befunde erfordern entweder eine Excimerlaser-DALK oder eine Excimerlaser-PKP.

Fazit für die Praxis

  • Die moderne korneale Bildgebung ist heute für eine differenzierte Diagnosefindung unerlässlich und geht mittlerweile bei Weitem über Endothelmikroskopie, Keratometrie und zentrale Pachymetrie hinaus.
  • Neben „Krümmungsanomalien“ müssen insbesondere verschiedenste Formen von Hornhaut-„Trübungen“ als Ursachen kornealer Visusminderung durch moderne Hornhautdiagnostik exakt klassifiziert werden.
  • Die exakte morphologische Klassifikation einer kornealen Läsion an der Spaltlampe lässt zusammen mit den klassischen und modernen Hornhautspezialuntersuchungen die differenzialdiagnostischen Überlegungen richtungsweisend leiten und erleichtert somit die Indikation zur stadiengerechten mikrochirurgischen Intervention an der Hornhaut.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

T. Berger, E. Flockerzi, L. Daas, L. Hamon, Z. Khattabi, M. Berger und B. Seitz geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Literatur
3.
Zurück zum Zitat Berger T, Daas L, Käsmann-Kellner B et al (2023) Kann man die Aniridie-assoziierte Keratopathie operieren? Ophthalmologe 35:129–136 Berger T, Daas L, Käsmann-Kellner B et al (2023) Kann man die Aniridie-assoziierte Keratopathie operieren? Ophthalmologe 35:129–136
6.
12.
Zurück zum Zitat Daas L, Viestenz A, Schnabel PA et al (2018) Confocal microscopy as an early relapse marker for acanthamoeba keratitis. Clin Anat 31:60–63CrossRefPubMed Daas L, Viestenz A, Schnabel PA et al (2018) Confocal microscopy as an early relapse marker for acanthamoeba keratitis. Clin Anat 31:60–63CrossRefPubMed
Metadaten
Titel
Moderne Hornhautdiagnostik als Schlüssel für die korrekte Einordnung der Erkrankung und optimale Therapieentscheidung
verfasst von
Dr. Tim Berger
Elias Flockerzi
Loay Daas
Loïc Hamon
Zaynab Khattabi
Maximilian Berger
Berthold Seitz
Publikationsdatum
14.09.2023
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Die Ophthalmologie / Ausgabe 12/2023
Print ISSN: 2731-720X
Elektronische ISSN: 2731-7218
DOI
https://doi.org/10.1007/s00347-023-01919-0

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