Erschienen in:
01.04.2004 | Originalien
Innenohrschäden durch Freizeitlärm und Breitbandrauschen
Eine experimentelle Studie zu initialen und permanenten funktionellen und morphologischen Schäden
verfasst von:
Prof. Dr. K. Lamm, C. Michaelis, K. Deingruber, R. Scheler, H.-J. Steinhoff, I. Gröber, M. Huth, C. Kutscher, W. Arnold
Erschienen in:
HNO
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Ausgabe 4/2004
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Zusammenfassung
Ziel
Lärmbelastungen in der Freizeit und dadurch bedingte Hörschäden haben bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Meist handelt es sich um Innenohrschäden nach Knalltraumata mit Spielzeugpistolen und Impulsschallbelastungen mit Rockmusik. Das Ziel der vorliegenden Arbeit war, die initialen und permanenten funktionellen und morphologischen Schäden nach solchen Schalltraumata erstmals systematisch an Meerschweinchen zu erarbeiten.
Methoden
Die Knalltraumata haben wir mit Spielzeugpistolen (163 bis 188 dB[lin], 8 Schüsse, 1/min, 10 cm Abstand zum linken Ohr, n=25) erzeugt, für die Impulsschallbelastungen verwendeten wir Rockmusik (Mittelungspegel 106 dB[A], 2×2,5 h, n=17). Zum Vergleich wurden auch Schallbelastungen mit einem Breitbandrauschen (115 dB[A], 2×2,5 h, n=18) durchgeführt. Die Hörschwellen haben wir mit der Hirnstammaudiometrie (f-BERA) bei 1,5; 2; 3; 4; 6; 8; 12 und 16 kHz vor und unmittelbar nach den Schallexpositionen sowie am 1., 2., 3., 5., 7. und 21. Tag bestimmt. Zudem wurden Zytokochleogramme mit Hilfe der Fluoreszenzmikroskopie erstellt, um die Haarzellschäden in 8 Frequenzregionen (<0,4 kHz; 0,4–0,8 kHz; 0,8–1,5 kHz; 1,5–3 kHz; 3–5 kHz; 5–11,5 kHz, 11,5–26 kHz und >26 kHz) unmittelbar nach den Schallbelastungen und am 1., 7. und 21. Tag zu quantifizieren.
Ergebnisse
Nach den Knalltraumata waren jeweils 55% der äußeren Haarzellen (ÄHZ) in allen drei Reihen und 15–18% der inneren Haarzellen (IHZ) in der 3–5 kHz-Region irreversibel geschädigt. Bis zum 3. Tag kam es zu einer partiellen Erholung des Gehörs, danach persisierte ein permanenter maximaler Hörverlust um 32–34 dB bei 3–4 kHz. Nach den Beschallungen mit Breitbandrauschen kam es nur innerhalb von 24 Stunden zu einer partiellen Hörerholung, danach verblieb ein permanenter Hörverlust um 24–32 dB bei 1,5–8 kHz, ohne dass in diesem Frequenzbereich morphologische Schäden sichtbar waren. Auch nach den Impuls-Schallbelastungen mit Rockmusik kam es nur innerhalb von 24 Stunden zu einer partiellen Hörerholung, danach verblieb ein permanenter Hörverlust um 28–42 dB bei 6–16 kHz, wiederum ohne morphologische Schäden. Alle Versuchsergebnisse waren hochsignifikant (p<0,001).
Schlussfolgerungen
Ab dem 3. Tag nach einem Knalltrauma und ab dem 1. Tag nach den Beschallungen mit Breitbandrauschen oder Rockmusik kam es zu keiner weiteren spontanen Erholung des Gehörs. Den permanenten Hörverlusten nach Schallbelastungen mit Breitbandrauschen und Rockmusik liegen keine morphologisch sichtbaren Zilien- und Haarzellschäden zugrunde, was auf neue Aspekte permanenter zellulärer Funktionsstörungen im Hörsystem deutet.