Zusammenfassung
Führen Depression, Angst und chronischer/traumatischer Stress zu erhöhten somatischen Krankheitsrisiken, und umgekehrt, bewirken klinisch manifeste somatische Erkrankungen ein höheres Inzidenzrisiko für koexistente affektive und Stress-bezogene Störungen? Und wie wirken sich diese psychischen Komorbiditäten auf die Dynamik des Krankheitsgeschehens, auf die Morbidität und die gesundheitsbezogene Lebensqualität, auf das Mortalitäts- und das Suizidrisiko aus? Depression, Angst und chronischer/traumatischer Stress sind als systemische Störungen der evolutionären Stresssysteme einer Organismus-internen Regulation von Homöostase und Allostase zu konzipieren. Auf einer Verhaltensebene sind sie häufig mit gesundheitsschädlichen Lebensstilen verbunden, die ebenfalls somatische Krankheitsrisiken vermitteln. Körperliche Erkrankungen erfordern wiederum komplexe psychologische Prozesse der Auseinandersetzung mit existentiellen Krisen, belastenden körperlichen Symptomen und nachteiligen Krankheitsfolgen. Dieser Bewältigungsprozess kann adaptiv, aber auch maladaptiv verlaufen. Somatische Krankheiten und ihre spezifischen Therapien wirken in ihren systemischen Auswirkungen eigenständig auf zentralnervöse Regelkreise zurück und können affektive sowie kognitive Vulnerabilitätsrisiken induzieren. Es ist eine „psycho-somatische“ und auch eine „somato-psychische Perspektive“ innerhalb eines biopsychosozialen Modells einzunehmen.