Erschienen in:
21.04.2016 | Leichenschau | Originalien
Medico-legale Aspekte der (not-)ärztlichen Leichenschau
Medizinrechtliche Untersuchung von Bußgeldverfahren in den Bundesländern Berlin und Brandenburg
verfasst von:
M. Peters, M. Tsokos, C. Buschmann
Erschienen in:
Rechtsmedizin
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Ausgabe 3/2016
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Zusammenfassung
In Berlin waren in den Jahren 2009–2012 (Untersuchungszeitraum) 127.545 und im Land Brandenburg 111.457 Todesfälle zu verzeichnen (insgesamt 239.002 Verstorbene). Dieses bedeutet zugleich, dass für diese Verstorbenen auch eine den Bestattungsgesetzen der beiden Bundesländer entsprechende Todesbescheinigung von einem Arzt ausgestellt werden musste. Aufgrund der Gesetzgebungskompetenz der Länder ist die Regelung des Bestattungs- und damit des Leichenschaurechts Ländersache mit der Folge, dass in Berlin und Brandenburg für den hier untersuchten Teil erhebliche gesetzliche Unterschiede bestehen.
Eine – bedauerlicherweise – unbekannte Anzahl dieser Todesbescheinigungen wurde durch Notärzte im Rettungsdienst ausgestellt. Dabei gelangt der Notarzt im Rettungsdienst regelmäßig in ein Spannungsverhältnis zwischen seiner Garantenstellung zur Erhaltung von Leben und Gesundheit der Notfallpatienten, den möglichen Ermittlungsinteressen der (Kriminal-)Polizei und ggfs. der unteren Gesundheitsbehörde. Dieses Spannungsverhältnis endet möglicherweise in einem Bußgeldverfahren bei der unteren Gesundheitsbehörde.
Um die diesbezügliche Bußgeldrelevanz zu ermitteln, wurden alle 12 Berliner Gesundheitsämter und die 18 Gesundheitsämter der Brandenburger Landkreise und kreisfreien Städte mittels eines strukturierten Fragebogens um Auskunft über Bußgeldverfahren im Zusammenhang mit der ärztlichen Leichenschau und/oder der Ausstellung von Leichenschauscheinen in den Jahren 2009–2012 gebeten.
Es wurden im Untersuchungszeitraum insgesamt (nur) 15 Bußgeldverfahren geführt, davon 9 in Berlin und 6 in Brandenburg; dies entspricht einem Anteil von 0,0062 % bezogen auf alle Sterbefälle in beiden Bundesländern in den Jahren 2009–2012 (n = 239.002). In beiden Bundesländern war nur je 1 Notarzt betroffen. Gravierende Mängel bei der (not-)ärztlichen Leichenschau wurden im Rahmen der Untersuchung nicht gefunden.
Die Ergebnisse zeigen, dass Befürchtungen der Notärzte, im Zusammenhang mit einer fehlerhaften (not-)ärztlichen Leichenschau juristischen Weiterungen ausgesetzt zu sein, aktuell gering sind. Allerdings offenbarte die Studie zum Teil erhebliche strukturelle Probleme bei der Durchführung der (not-)ärztlichen Leichenschau. Sie zeigt aber auch, dass Bußgeldverfahren als Instrument der Qualitätssicherung nicht geeignet sind, da eine Überprüfung der Leichenschauscheine durch die Gesundheitsämter, bis auf wenige Ausnahmen, nur formal erfolgt bzw. erfolgen kann.