Erschienen in:
10.02.2023 | Autopsie | Originalien
Antikoagulanzienassoziierte Sterbefälle
Eine Analyse Münchner Todesbescheinigungen
verfasst von:
PD Dr. med. habil. S. Gleich, M. Englmaier, O. Peschel, M. Graw, B. Schäffer
Erschienen in:
Rechtsmedizin
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Ausgabe 4/2023
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Zusammenfassung
Hintergrund
Eine Antikoagulation ist Bestandteil einer leitliniengerechten Therapie zahlreicher Krankheiten. Gemäß Fachinformationen der Hersteller liegt das Risiko schwerwiegender Blutungen zwischen 0,1 und 1 %.
Methode
Es wurden die Todesbescheinigungen aller Fälle analysiert, die in München im Zeitraum vom 01.04.2014 bis zum 30.09.2014 mit einem Alter ≥ 40 Jahren verstarben. Es erfolgte eine standardisierte, anonymisierte Dateneingabe. Die erhobenen Daten wurden deskriptiv ausgewertet.
Ergebnisse
Das untersuchte Kollektiv umfasste 5976 Fälle, davon verstarben 57 Personen (0,9 %) infolge einer Antikoagulation. Bei den antikoagulanzienassoziierten Sterbefällen (AKA) gaben die leichenschauenden Ärzte in 35 Fällen (61,4 %) eine natürliche Todesart an. Sie nannten Marcumar® als häufigsten Arzneistoff (22 Fälle, 39 %) und Hirnblutungen als häufigste Komplikation (26 Fälle, 45 %). Diesen waren in 16 Fällen (28 %) Stürze vorausgegangen. Bei den AKA-Fällen ergaben sich in 5 Fällen Hinweise auf eine absolute und in 6 Fällen auf eine relative Kontraindikation für eine Antikoagulation. Weitere 31 Fälle (1,4 %), bei denen aufgrund bestehender Grunderkrankungen eine Antikoagulation wahrscheinlich war, verstarben infolge einer Blutung.
Diskussion
Die Studie ergab Hinweise auf höhere Raten schwerwiegender Komplikationen einer Antikoagulation, als in den Fachinformationen der Hersteller aufgeführt werden. Bei einer Antikoagulanzientherapie handelt es sich um eine Hochrisikomedikation. Der sorgfältigen ärztlichen Indikationsstellung und der Beachtung von Kontraindikationen kommt eine sehr große Bedeutung zu. Auch diese Studie stellt eindrücklich und wiederholt die mangelhafte Qualität ausgefertigter Todesbescheinigungen dar.