Erschienen in:
14.10.2020 | Psychotherapie | Schwerpunkt: Psychotherapieforschung – Originalien
(Kunst)Fehler in der Psychotherapie
Pilotstudie zur Erfassung von Fehlhandlungen in der Psychotherapie aus TherapeutInnensicht
verfasst von:
Dr. Dominique Frenzl, Romina Gawlytta, Andrea Schleu, Bernhard Strauß
Erschienen in:
Die Psychotherapie
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Ausgabe 6/2020
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Zusammenfassung
Hintergrund
Eine psychotherapeutische Behandlung kann mit unerwünschten Wirkungen einhergehen, insbesondere dann, wenn die Therapie unsachgemäß durchgeführt wird. Therapiefehler werden bisher noch unzureichend erfasst und beschränken sich fast immer auf extreme Ereignisse wie z. B. sexuelle oder körperliche Übergriffe. Zudem wird meist nur die Sicht der PatientInnen berücksichtigt.
Ziel der Arbeit
Ziel der vorliegenden Pilotstudie war der erstmalige Einsatz eines Fragebogens zur Erfassung von (Kunst)Fehlern in einer Stichprobe von BehandlerInnen, die aktuell oder in der Vergangenheit psychotherapeutisch tätig sind oder waren. Die Häufigkeit, mit der solche Ereignisse in der Therapie auftreten, sollte erfasst sowie Merkmale identifiziert werden, die mit der Auftretenshäufigkeit zusammenhängen.
Methoden
Basierend auf Beschwerdeschilderungen, die vom Ethikverein e. V. – Ethik in der Psychotherapie dokumentiert sind, wurde ein Fragebogen mit 100 verschiedenen, potenziell schädigenden Verhaltensweisen aus 12 Beschwerdekategorien erstellt. In einer anonymen Onlinebefragung machten insgesamt 555 therapeutisch Tätige Angaben dazu, wie häufig die einzelnen Situationen in ihrer bisherigen Arbeit vorgekommen sind.
Ergebnisse
Im Mittel gaben die TherapeutInnen 24 verschiedene (Kunst)Fehler an, die mindestens einmal im Verlauf ihrer therapeutischen Tätigkeit vorgekommen sind. Vor allem Fehler aus den Bereichen Verletzung therapeutischer Basisvariablen, mangelhafte Diagnostik/Technikanwendung und mangelhafte Rahmenbedingungen wurden von vergleichsweise vielen TherapeutInnen berichtet. In den meisten Fällen handelte es sich aber um seltene Ereignisse. Je mehr negative oder romantische Gefühle im Zusammenhang mit der Therapie erlebt wurden, umso häufiger wurden (Kunst)Fehler berichtet.
Schlussfolgerung
Das Konzept der (Kunst)Fehler – die Fehlerbeschreibung und -systematisierung – bedarf weiterer Überarbeitungen. Nicht immer lassen sich die Situationen zweifelsfrei auf eine unsachgemäß durchgeführte Psychotherapie zurückführen oder können ohne Berücksichtigung des Kontextes beurteilt werden. Dennoch könnte sich der vorgestellte Fragebogen insbesondere in der psychotherapeutischen Aus‑, Fort- und Weiterbildung als nützlich erweisen, um das Bewusstsein für grenzverletzende und -überschreitende Verhaltensweisen, Technikfehler oder Pflichtverletzungen zu schärfen sowie zur Reflexion des eigenen Handelns und der eigenen Definition ethischer Grenzen in der psychotherapeutischen Tätigkeit beizutragen.