Erschienen in:
01.09.2012 | Schwerpunkt
Antidepressiva zur Behandlung der Depression bei Palliativpatienten
Eine systematische Literaturübersicht
verfasst von:
Dr. M. Ujeyl, B. Müller-Oerlinghausen
Erschienen in:
Der Schmerz
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Ausgabe 5/2012
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Zusammenfassung
Hintergrund
Die Therapie der Depression bei Palliativpatienten erfordert die Abwägung des erwarteten Nutzens und Schadens von Antidepressiva (AD) bei ggf. kurzer Lebenserwartung, reduziertem Allgemeinzustand, fortgeschrittenem Alter und erhöhtem Risiko für Nebenwirkungen und Medikamenteninteraktionen. Die vorliegende systematische Übersicht stellt die Evidenz zur Wirksamkeit und Verträglichkeit unterschiedlicher Wirkstoffklassen in Abhängigkeit von der Art und Schwere der Grunderkrankung dar.
Methode
Es wurde eine systematische Datenbanksuche (Medline und EMBASE) nach klinischen Studien durchgeführt und die Literaturverzeichnisse der identifizierten relevanten Literatur gesichtet. Für den Einschluss mussten Patienten eine im Suchstring definierte Erkrankung (wie multiple Sklerose, Morbus Parkinson, Alzheimer-Demenz, HIV/AIDS, Krebs, COPD, Herzinsuffizienz) aufweisen. Berücksichtigt wurden Studien, welche die Wirksamkeit von AD im Vergleich mit Placebo, einem anderen AD, einem Benzodiazepin, Psychostimulans oder einer Psychotherapie geprüft hatten. Im 1. Schritt wurden nur Studien an Patienten eingeschlossen, deren Depression mittels etablierter Diagnosekriterien diagnostiziert wurden und bei denen die Veränderung der Depression als primärer Endpunkt erhoben wurde. In einem 2. Schritt wurden auch Studien eingeschlossen, die die beiden letztgenannten Kriterien nicht erfüllten, aber Patienten am Lebensende untersuchten.
Ergebnisse
Vierzig Studien (die vorwiegend von SSRI oder NSMRI einsetzten) wurden eingeschlossen. Sechzehn Studien untersuchten Antidepressiva bei neurologischen, 24 bei internistischen Erkrankungen. Neun Studien untersuchten Patienten am Lebensende bzw. in weit fortgeschrittenen Erkrankungsstadien. Aus den heterogenen Studiendesigns lässt sich nicht ableiten, inwieweit Wirksamkeit und Verträglichkeit der AD von der Krankheitsschwere abhängig sind. Die Studien waren für die Erhebung begrenzter Behandlungseffekte vermutlich häufig zu klein. Dass AD gerade in den größeren Studien nicht wirksamer als Placebo waren, weist auf einen möglichen Publikationsbias hin. Bei den internistischen Erkrankungen stehen sich zumeist heterogene Ergebnisse gegenüber. Entgegen der gern geübten Verordnungspraxis verweisen die Studienergebnisse bei Alzheimer-Demenz auf fehlende Wirksamkeit der SSRI. Bei Morbus Parkinson liegen nur Studien an kleinen Populationen vor, sodass aus dem fehlenden Nachweis der Überlegenheit von SSRI in der Mehrzahl der Studien nicht sicher auf das Fehlen eines Effektes geschlossen werden kann.
Schlussfolgerung
Die Übersicht über die Datenlage erlaubt nur begrenzte Rückschlüsse für den Einsatz von AD bei unterschiedlichen körperlichen Erkrankungen am Ende des Lebens. Eindeutige Konsequenzen für die Behandlung mit AD in Abhängigkeit von der Schwere der Grunderkrankung oder im Vergleich mit anderen Behandlungsoptionen (Psychotherapie, Benzodiazepine etc.) können aus den eingeschlossenen Studien nicht direkt abgeleitet werden.