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2021 | Buch

Arzneiverordnungs-Report 2021

herausgegeben von: Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig, Prof. Dr. Bernd Mühlbauer, Prof. Dr. Roland Seifert

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Der Arzneiverordnungs-Report ist seit 1985 eine gemeinsame Publikation von Autoren aus Pharmakologie, Klinik, Praxis, Gesundheitsökonomie und Krankenversicherung. Basis sind die Verordnungsdaten von Arzneimitteln für ambulante Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Datenbasis des Jahres 2020 sind ca. 820 Mio. Verordnungen von 150.363 Vertragsärzten und 62.876 Vertragszahnärzten für 73,4 Mio. GKV-Versicherte.

Die allgemeine Verordnungs- und Marktentwicklung wird in 6 Kapiteln behandelt, in denen u.a. neue Arzneimittel des Jahres 2020, die Kosten-Nutzen-Analyse von onkologischen Arzneimitteln, Marktsteuerungsmechanismen und Preise von Biologika bzw. Biosimilars sowie die Klassifizierung von Arzneistoffgruppen diskutiert werden.

Die Nettokosten für Arzneimittel in der GKV sind 2020 weiter um 5 % auf rund 46 Mrd. € gestiegen, vor allem durch neue, hochpreisige Patentarzneimittel. Hauptkostentreiber waren Onkologika (9,5 Mrd. €, + 12,4 %) und Antidiabetika (2,8 Mrd. €, + 16,8 %). Ein wesentlicher Grund für die Kostenprobleme ist der seit Jahren beobachtete Anstieg der Jahrestherapiekosten neu eingeführter Arzneimittel. Dieser Trend zu hochpreisigen Patentarzneimitteln ist durch das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) sogar 10 Jahre nach seiner Einführung nicht genügend abgeschwächt worden, auch wenn mit der Vereinbarung von Erstattungsbeträgen 2020 insgesamt 3,7 Mrd. € an Einsparungen erzielt werden konnten.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Allgemeine Verordnungs- und Marktentwicklung

Frontmatter
1. Arzneiverordnungen 2020 im Überblick
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Ausgabenprofil Die Arzneimittelausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) mit Zuzahlungen der Versicherten (V) sind auch 2020 erneut um 5,1 % auf 45.579 Mrd. € (+2,216 Mrd. €, Konto 04399V) gegenüber dem Vorjahr angestiegen und liegen damit weiterhin bei 17,2 % der Leistungsausgaben der GKV (Bundesministerium für Gesundheit 2021a, KV45). Die GKV-Gesamtausgaben stiegen auf 262,90 Mrd. € (Bundesministerium für Gesundheit 2021b, KF2). Den größten Block in den GKV-Ausgaben bilden weiterhin mit großem Abstand die Kosten für Krankenhausbehandlung mit 82,151 Mrd. € (+1,6 %, Konto 04699V). Danach folgen die bereits genannten Arzneimittelausgaben, die Ausgaben für die vertragsärztliche Versorgung mit 44,049 Mrd. € (+7,3 %, Konto 04099P) und die Ausgaben für zahnärztliche Behandlung mit 14,862 Mrd. € (−1,0 %, Konto 04299Z). Die GKV-Ausgaben haben sich gegenüber der Gesamtzahl der GKV-Versicherten im Zeitraum von Juli 2019 bis Juli 2020 mit 73.426 Mio. (Vorjahr 73.195 Mio. +0,3 %, Konto 09996) nur geringfügig verändert. Dem Ausgabenanstieg stehen Einnahmen der Krankenkassen in Höhe von 259,99 Mrd. € gegenüber, woraus ein Defizit von 2,91 Mrd. € resultiert (Bundesministerium für Gesundheit 2021b).
Wolf-Dieter Ludwig, Bernd Mühlbauer
2. Neue Arzneimittel 2020
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Im Jahr 2020 wurden 36 neue Arzneimittel in Deutschland auf den Markt gebracht und damit etwas mehr als im Vorjahr (31 Arzneimittel). Wie schon in den Vorjahren stehen Neueinführungen in den Indikationsbereichen onkologische Erkrankungen (12 Arzneimittel), seltene Erkrankungen (6) sowie Autoimmunerkrankungen (5) im Vordergrund. Ein Fokus der Arzneimittelzulassungen liegt nach wie vor bei den monoklonalen Antikörpern und Proteinkinase-Inhibitoren. Exemplarisch werden Bempedoinsäure (Indikation Hypercholesterinämie), Bulevirtid (Hepatitis D), Givosiran (akute hepatische Porphyrie), Onasemnogen-Abeparvovec (spinale Muskelatrophie) sowie Romosozumab (Osteoporose) als neue Wirkprinzipien vorgestellt.
Bewertung Im Rahmen der frühen Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss konnte für die Hälfte (18 von 36) der neuen Arzneimittel ein Zusatznutzen konstatiert werden. Ein erheblicher Zusatznutzen wurde für die Kombination von Ivacaftor, Tezacaftor und Eloxacaftor zur Behandlung der zystischen Fibrose festgestellt. Ein beträchtlicher Zusatznutzen wurde für die vier neuen Arzneimittel (mit den Indikationen) Darolutamid (Prostatakarzinom), Givosiran (akute hepatische Porphyrie), Glasdegib (akute myeloische Leukämie) und Talazoparib (Mammakarzinom) festgestellt.
Lutz Hein, Roland Seifert
3. Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Sowohl die Arzneimittelausgaben als auch die Anzahl zugelassener Arzneimittel auf dem Markt haben in den letzten Jahren stetig zugenommen, wobei weniger als ein Drittel dieser neuen Arzneimittel einen hohen therapeutischen Nutzen aufweisen. Die Nutzenbewertungen von neuen Arzneimitteln klären Patienten und Ärzte über den therapeutischen Nutzen auf und dienen in zahlreichen Ländern als maßgebende Determinante für die Preisfestsetzung. Ihre Bedeutung und praktische Implementierung haben in den letzten Jahren erfreulicherweise weiterhin zugenommen. Vor dem Hintergrund der nach wie vor steigenden Arzneimittelausgaben und der zunehmenden Anzahl von Arzneimitteln, die auf den Markt dringen, ist diese Entwicklung zu begrüßen. Es gibt jedoch noch verschiedene Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. So gilt etwa in Deutschland bei Orphan-Arzneimitteln der Zusatznutzen per se grundsätzlich als belegt, was ein gewisses Missbrauchspotential birgt. Wird der Zusatznutzen eines neuen Arzneimittels im Vergleich zu Placebo anstatt zur Standardtherapie berechnet, kann dies ebenfalls zur Verzerrung des Ergebnisses führen. Verbesserungsbedarf gibt es auch in Bezug auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Arzneimitteln, d. h. der Priorisierung finanzieller Ressourcen für Arzneimittel mit einem hohen therapeutischen Nutzen, sodass der Zugang von Patienten zu diesen innovativen Arzneimitteln gewährleistet ist und auch Anreize für Arzneimittel mit hohem therapeutischen Nutzen geschaffen werden. Studien haben gezeigt, dass ein Zusammenhang zwischen Kosten und Nutzen bei Onkologika in den USA und in Europa fehlt – dies sowohl zum Zeitpunkt nach der Zulassung als auch nach der Preisfestsetzung bzw. Preisüberprüfung.
Kerstin Noëlle Vokinger
4. Aktualität der Evidenz in der Nutzenbewertung und ihre Bedeutung für die Erstattungsbetragsverhandlungen am Beispiel der Rheumatologie und des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über die Bedeutung der zum Zeitpunkt der Bewertung des Zusatznutzens vorliegenden Evidenz und der Einführung neuer Anwendungsgebiete für die Zusatznutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen sowie deren Auswirkung auf die Erstattungsbetragsverhandlung nach dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG). Exemplarisch werden die komplexen Konsequenzen auf die Nutzenbewertung anhand des dynamischen Therapiegebiets der Rheumatologie sowie die Auswirkungen auf Preisbildung und Marktpotenzial in der Onkologie anhand des nicht kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) dargestellt. Insgesamt ist festzustellen, dass das AMNOG-Verfahren die vorhandene Evidenz zwar sachgerecht bewertet, allerdings eine adäquate Berücksichtigung dieser Evidenz bei der Festlegung des am Patientennutzen orientierten Erstattungsbetrags nur teilweise funktioniert, da das Ausmaß des Zusatznutzens im Vergleich zu anderen Einflussgrößen nur einen begrenzten Einfluss auf den Erstattungsbetrag hat. Daher müssen weitere gesetzliche bzw. rahmenvertragliche Anpassungen folgen, die den Nachweis von Patientenzusatznutzen stärken gegenüber den anderen Kriterien der Preisbildung. Zudem wäre es wichtig, die mit den Markteinführungsstrategien verbundenen tatsächlichen Mengen- und Kostenausweitungen im Erstattungsbetrag zu berücksichtigen.
Anja Tebinka-Olbrich, André Marx, Norbert Hahn, Matthias Müller
5. Biologika und Biosimilars in Deutschland und im europäischen Vergleich – Marktsteuerungsmechanismen und Preisvergleich
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Biosimilars gelten als ein vielversprechender Ansatz, um leistbaren und nachhaltigen Zugang zu biologischen Arzneimitteln zu ermöglichen. Um den Einsatz von preisgünstigeren Biosimilars zu fördern, wenden europäische Länder unterschiedliche Marktsteuerungsmechanismen an, die zum einen an den Preisen und zum anderen an der Nachfrage nach Biosimilars (an Ärztinnen/Ärzte, Apotheker/innen und Patient/innen gerichtete Maßnahmen) ansetzen. Ein Vergleich mit 15 europäischen Ländern zeigt meist ähnliche Zugänge bei den gewählten Maßnahmen. Bei der Preis-Link Regelung und bei der Substitution von Biosimilars auf der Apothekenebene zeigen sich allerdings zwei zentrale Ausnahmen: Nur wenige Länder (neben Deutschland so auch Dänemark, Großbritannien, die Niederlande und Schweden) wenden keine Preis-Link-Politik an, bei welcher die Preise von Biosimilars (wie auch Generika) als Abschlag des Preises des Referenz-Arzneimittels festgelegt werden, und Deutschland zählt zu den wenigen Ländern, welche die Substitution von Biologika auf Apothekenebene in näherer Zukunft anwenden werden. Auch Norwegen führte mittlerweile im Sommer 2021 die Biosimilarsubstitution ein. Im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern sind die kaufkraftbereinigten Listenpreise Deutschlands im biosimilarfähigen Markt (sowohl bei den Referenz-Arzneimitteln als auch bei den Biosimilars) relativ hoch: Bei 49 Arzneispezialitäten von zehn Wirkstoffen sind die Preise in Deutschland in einem Drittel der Fälle die höchsten im Ländervergleich und liegen in über drei Viertel der Fälle über dem oberen Quartil. Auffällig sind vergleichsweise geringe Preisabstände zwischen dem Referenz-Arzneimittel und den Biosimilars.
Sabine Vogler, Dimitra Panteli, Reinhard Busse
6. Arzneistoffgruppen-Nomenklatur
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Im Pharmakologie-Unterricht, in den Lehrbüchern und dementsprechend auch in der medizinischen deutschsprachigen Literatur und den im Internet abrufbaren Informationen hat sich eine Vielzahl von pharmakologischen Begriffen etabliert, die in der Kommunikation unter Ärzten und in der Kommunikation mit Patienten gewohnheitsmäßig verwendet werden, ohne dass sie in Hinsicht auf ihre wissenschaftliche Aktualität reflektiert werden. Jeder Arzt wird sich schon einmal gedacht haben, dass der eine oder andere Begriff etwas ungenau ist, aber im täglichen Sprachgebrauch hat sich dennoch nichts geändert.
Bei der Entwicklung der Arzneistoffliste für den Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin und den neuen Gegenstandskatalog Medizin des Instituts für Medizinische und Pharmazeutische Prüfungsfragen wurden nun erstmals mechanistische und chemische Begriffe für Arzneistoffgruppen implementiert. Damit ist ein erster Schritt zu einer zeitgemäßen, präzisen Arzneistoffgruppen-Nomenklatur erfolgt, die in zukünftigen Auflagen des Arzneiverordnungs-Reports ebenfalls Eingang finden soll. Mit diesem Artikel soll ein Beitrag dazu geleistet werden, dass es zu keinen Kommunikationsproblemen zwischen jungen Ärzten und bereits langjährig tätigen Ärzten kommt, die die neue Arzneistoffgruppen-Nomenklatur im Studium noch nicht kennengelernt haben. Langfristig wird die neue Arzneistoffgruppen-Nomenklatur auch die Arzt-Patient-Kommunikation präzisieren und erleichtern.
Bastian Schirmer, Roland Seifert

Indikationsgruppen

Frontmatter
7. Hemmstoffe des Renin-Angiotensin-Systems
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Hemmstoffe des Renin-Angiotensin-Systems (RAS) gehören zu den erfolgreichsten Arzneimitteln zur Behandlung von Hypertonie, Herz- und Nierenkrankheiten. ACE-Hemmer dominieren weiterhin die Substanzgruppe, steigern ihren Marktanteil jedoch nur gering im Vergleich zum Vorjahr (1,4 %), während Angiotensinrezeptorantagonisten größere Gewinne verbuchen (7,6 %).
Trend Die Verordnungen der Hemmstoffe des Renin-Angiotensin-Systems waren zusammen so hoch, dass sie 59,6 % des Verordnungsvolumens der Antihypertensiva ausmachen. Die günstigsten Tagestherapiekosten für Monopräparate haben weiterhin die ACE-Hemmer (0,04 €), deutlich höher liegen Sartane (0,09 €).
Bewertung ACE-Hemmer und Sartane werden nach aktuellen Leitlinien als Mittel der Wahl zur antihypertensiven Therapie empfohlen. Eine Überlegenheit der Angiotensinrezeptorantagonisten im Vergleich zu ACE-Hemmern ist bei den unerwünschten Wirkungen (insbesondere Husten und Angioödem) belegt, für die Verhinderung koronarer Ereignisse deutet sich in kontrollierten Studien eine leichte Unterlegenheit, bei der Vermeidung zerebraler Ereignisse eine geringe Überlegenheit an. Eine Kombination von ACE-Hemmern und Angiotensinrezeptorantagonisten wird wegen besonderer Gefahren nicht empfohlen.
Franz Weber, Manfred Anlauf
8. Analgetika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Die ärztliche Verordnung von Schmerzmitteln hat in den letzten 25 Jahren eine bemerkenswerte Trendwende vollzogen. Nichtopioide Analgetika wurden immer weniger zu Lasten der GKV verordnet, Opioidanalgetika dagegen zunehmend häufiger. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass nicht verschreibungspflichtige, nichtopioide Analgetika nur in Sonderfällen zu Lasten der GKV verschrieben werden können. Über die Hälfte der Opioidverordnungen entfällt auf die beiden ohne BtM-Rezept verschreibungsfähigen Tramadol und Tilidin/Naloxon. Führende Mittel der starkwirksamen Opioide sind Fentanylpflaster und Oxycodon sowie Hydromorphon, während die Verordnung von Morphin seit Jahren rückläufig ist. Einige Opioide (Methadon, Levomethadon, Buprenorphin) werden in der Substitutionsbehandlung opioidabhängiger Personen eingesetzt.
Bei den nichtopioiden Analgetika ist ein auffälliger Wandel eingetreten. Acetylsalicylsäure und Paracetamol werden nur noch selten ärztlich verordnet, während etwa 95 % aller Verordnungen nicht-opioider Analgetika auf das rezeptpflichtige Metamizol entfallen, obwohl dieses Medikament ein epidemiologisch relevantes Agranulozytoserisiko hat.
Rainer H. Böger, Jürgen Brockmöller
9. Antiallergika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Größte Gruppe der Antiallergika sind die allergenspezifischen Immuntherapeutika bei allergisch bedingten Atemwegskrankheiten mit einem Verordnungsanteil von 57 %. Danach folgen H1-Antihistaminika, die vor allem zur Behandlung des Heuschnupfens, der allergischen Bindehautentzündung und der Urtikaria eingesetzt werden.
Trend Die Verordnungsvolumina der wenig sedierenden H1-Antihistaminika haben deutlich zugenommen, während die Verordnungen sedierender H1-Antihistaminika rückläufig sind. Das Einsparpotenzial bei den wenig sedierenden H1-Antihistaminika durch preisgünstige Generika beträgt 33 Mio. €. Bei der allergenspezifischen Immuntherapie entfällt der größte Teil auf Präparate mit Allergenen aus Gräser- und Getreidepollen. Im Jahr 2020 sind immer noch 7 Präparate mit Nettokosten von 92 Mio. € ohne reguläre Zulassung unter den 3.000 häufigsten verordneten Arzneimitteln vertreten. Der starke Anstieg der Epinephrin-Injektoren für die Selbsttherapie des anaphylaktischen Schocks ist begrüßenswert.
Anette Zawinell, Roland Seifert
10. Antianämika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Der größte Teil der Verordnungen von Antianämika entfällt weiterhin auf Eisenpräparate, gefolgt von Folsäure und Epoetinpräparaten mit jeweils deutlich geringeren Verordnungsvolumina. Seit 2013 nahmen die Verordnungszahlen aller drei Gruppen der Antianämika zu. Bei den Epoetinpräparaten waren sie zuvor leicht zurückgegangen. Die Verordnungszahlen der Eisenpräparate stagnierten vor 2013 und sind nach einem deutlichen Zuwachs jetzt im Vergleich zu 2019 wieder unverändert.
Jan Matthes
11. Antibiotika und Antiinfektiva
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Die Antibiotikaverordnungen zeigen 2020 gegenüber dem Vorjahr von der Gesamtmenge her eine Abnahme, die deutlich über die Schwankungen der letzten Jahre hinausgeht. Vor allem sind die Verordnungen von Betalactamantibiotika, Makroliden und Fluorchinolonen deutlich gesunken. Diese Veränderungen sind höchstwahrscheinlich auf die Folgen der SARS-CoV-2-Pandemie mit weniger Atemwegsinfektionen und Grippe im ersten Halbjahr 2020 zurückzuführen. Ein leichter Anstieg findet sich bei den Substanzen, die typischerweise bei Harnwegsinfektionen verordnet werden. Bei den Antimykotika zeigt sich ein leichter Rückgang der Verordnungsmenge, nicht so bei den antiviralen Arzneistoffen.
Winfried V. Kern
12. Antidementiva
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Größte Gruppe der Antidementiva sind die Acetylcholinesterase-Inhibitoren (Cholinesterasehemmer) gefolgt von dem NMDA-Rezeptorantagonisten Memantin, der aber nur etwa halb so viel verordnet wird. In beiden Gruppen sind nur noch Generika vertreten. Traditionelle Antidementiva (Piracetam, Ginkgoextrakt, Nicergolin) ohne gesicherten Nutzen werden immer noch verschrieben; bei Ginkgoextrakt sogar mit steigender Tendenz. Erstmalig vertreten ist Riluzol, das in der Therapie der amyotrophen Lateralsklerose eingesetzt wird.
Bewertung Der symptomatische Nutzen der besprochenen Arzneistoffe ist insgesamt begrenzt. In der S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde und Deutschen Gesellschaft für Neurologie 2016 wird bei leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz die Gabe eines Cholinesterasehemmers in der höchsten verträglichen Dosis empfohlen; ebenso wird bei Krankheitsprogredienz eine Beibehaltung der Therapie empfohlen (Off-Label-Gebrauch).
Roland Seifert, Susanne Petri
13. Antidiabetika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Die Arzneitherapie des Diabetes mellitus hat in den letzten zehn Jahren weiter zugenommen. Insulinverordnungen stagnieren seit 2014 trotz des ungebrochenen Anstiegs der Insulinanaloga auf Grund des kontinuierlichen Rückgangs der Humaninsuline. Die Metforminverordnungen stagnierten seit 2011, sind aber in den letzten drei Jahren wieder angestiegen. Die Sulfonylharnstoffverordnungen haben seit 2011 sehr stark abgenommen und machen mittlerweile nur noch knapp ein Drittel der Verordnungen der DPP-4-Hemmer aus, die trotz einschränkender Therapiehinweise 2020 erneut etwas angestiegen sind. Glinide sind nach der Verordnungseinschränkung nur noch mit einer Substanz vertreten. SGLT-2-Inhibitoren und GLP-1-Agonisten werden in aktuellen Leitlinien aufgrund der Ergebnisse kardiovaskulärer Endpunktstudien für Typ-2-Diabetespatienten mit kardiovaskulären Risiken empfohlen, bei Patienten mit hohen oder sehr hohen kardiovaskulären Risiken sogar als Erstlinientherapie. Die Studiendaten haben vermutlich dazu beigetragen, dass sowohl SGLT-2-Inhibitoren als auch GLP-1-Agonisten 2020 jeweils erneut um fast 30 % mehr verordnet wurden.
Kosten Die Antidiabetika stehen mit 2.794 Mio. € wie im Vorjahr auf Rang 4 der umsatzstärksten Arzneimittelgruppen. Erstmals haben die oralen Antidiabetika einen höheren Kostenanteil als die Insulinpräparate. Dies liegt eindeutig an den teuren Präparaten der neueren Wirkstoffgruppen der SGLT2-Inhibitoren und der GLP-1-Agonisten.
Marc Freichel, Klaus Mengel
14. Antiemetika und Antivertiginosa
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Antiemetika und Antivertiginosa werden zur Behandlung von Erbrechen und Schwindel eingesetzt. Der weitaus größte Teil der Verordnungen entfällt auf Betahistin für Patienten mit Morbus Menière. Schwerpunkt der H1-Antihistaminika sind Prophylaxe und symptomatische Therapie von Übelkeit und Erbrechen. Während die Verordnungen von 5-HT3-Antagonisten sehr deutlich und von Betahistin geringfügig zugenommen haben, waren die von H1-Antihistaminika und Neurokinin-1-Antagonisten rückläufig. Kaum verändert haben sich die Verordnungen der Dopaminrezeptorantagonisten und von Scopolamin.
Bewertung Es gibt keine überzeugende Evidenz für die Verschreibung von Betahistin für Patienten mit Morbus Menière. Hochwirksame Antiemetika zur Behandlung des zytostatikainduzierten Erbrechens sind 5-HT3-Antagonisten und Neurokinin-1-Antagonisten.
Roland Seifert, Karl-Friedrich Hamann
15. Antiepileptika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Auffallend ist das weiter steigende Verordnungsvolumen der neueren Antiepileptika, das sich seit 2011 verdoppelt hat. Sie werden inzwischen fast viermal so häufig wie traditionelle Antiepileptika (z. B. Valproinsäure, Carbamazepin, Phenytoin) verordnet. Die Verordnungen von Valproinsäure sind seit einigen Jahren weitgehend konstant, während das früher führende Carbamazepin in den letzten 10 Jahren um 40 % abgenommen hat. Mit Abstand führende Vertreter der neueren Antiepileptika sind Pregabalin (allerdings weit überwiegend in Indikationen außerhalb der Epilepsie; siehe Kap. 6) und Levetiracetam.
Bewertung Die Belege für die Überlegenheit neuer Antiepileptika bezüglich der Wirksamkeit gegenüber älteren Vertretern sind relativ spärlich, so dass ihre Anwendung in der Leitlinie des britischen National Institute of Health and Care Excellence (NICE) nur bei Versagen oder Unverträglichkeit älterer Mittel sowie für Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter empfohlen wird. Unter Berücksichtigung von Verträglichkeit und Interaktionsprofil nehmen die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) teilweise eine andere Bewertung vor. Pregabalin wird ganz überwiegend für die Behandlung neuropathischer Schmerzen angewendet, ohne dass eine ausreichende Evidenz für einen Zusatznutzen gegenüber Amitriptylin oder Gabapentin verfügbar ist.
Roland Seifert, Christian Brandt
16. Antihypertonika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil In diesem Kapitel zu speziellen Antihypertonika werden neben den Empfehlungen zur antihypertensiven Therapie Alpharezeptorenblocker und zentral wirkende Antisympathotonika sowie Kombinationspräparate von Betarezeptorenblockern und Calciumantagonisten dargestellt.
Trend Auf diese meist älteren Präparate entfällt im Vergleich zu den fünf wichtigen Gruppen der Antihypertonika (Diuretika, Betarezeptorenblocker, ACE-Hemmer, Angiotensinrezeptorantagonisten, Calciumantagonisten) nur ein kleiner Anteil der Verordnungen. Monopräparate eingeschlossen zeigt sich bei den Antihypertonika eine Zunahme der Verordnungen von 3,4 % im Vergleich zum Vorjahr. Sie ist fast ausschließlich eine Folge der Verordnungszunahme von Sartanen um 7,6 %. Von den hier auch besprochenen Vasodilatatoren gegen pulmonale Hypertonie sind in dieser Liste wieder zwei Präparate statt einem im Vorjahr vertreten.
Manfred Anlauf, Franz Weber
17. Antithrombotika und Antihämorrhagika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Die Gesamtverordnungen der Thrombozytenaggregationshemmer sind 2020 gegenüber dem Vorjahr minimal, die der oralen Antikoagulantien dagegen erneut deutlich angestiegen. Die Verordnungen der Vitamin-K-Antagonisten nahmen auch 2020 weiter ab, während die der Thrombin- und Faktor Xa-Antagonisten erneut massiv zugenommen haben und jetzt das 3,8fache der Verordnungen der Vitamin-K-Antagonisten betragen. Die Kosten der Antithrombotika sind 2020 auf 2.829 Mio. € gestiegen. Der Anstieg gegenüber 2019 um 6,1 % ist allein durch die neuen direkten oralen Antikoagulantien bedingt. Bei den Antihämorrhagika sind die Faktor-VIII-Präparate die umsatzstärkste Gruppe. Modifizierte rekombinante Gerinnungsfaktoren sowie ein monoklonaler Antikörper (Emicizumab) erweitern die Therapieoptionen bei Patienten mit angeborener Hämophilie A oder B.
Hans Wille
18. Antirheumatika und Antiphlogistika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Bei den Verordnungen der Antirheumatika und Antiphlogistika dominieren auch 2020 mit klarem Abstand die nichtsteroidalen Antiphlogistika. Unter diesen steht Ibuprofen weiterhin, inzwischen mit sehr großem Vorsprung, an erster Stelle vor Diclofenac in der Verordnungshäufigkeit. Die Verordnungen der zwei auf dem Markt verbliebenen selektiven Cyclooxygenase-2-Hemmer haben deutlich zugenommen, sie machen jedoch nur 16 % der Gesamtverordnungen bei den nichtsteroidalen Antiphlogistika aus.
Krankheitsmodifizierende Antirheumatika haben in der Verordnung erneut weiter zugenommen. Größte Gruppe sind die synthetischen krankheitsmodifizierenden Antirheumatika mit dem bevorzugt eingesetzten Methotrexat. Inzwischen sind zwei Januskinaseinhibitoren vertreten, die einen Verordnungszuwachs aufweisen. Bei den biologischen krankheitsmodifizierenden Antirheumatika dominieren seit vielen Jahren die TNFα-Inhibitoren, deren Verordnungen allerdings nur noch leicht zunehmen. Nur Adalimumab zeigt noch einen deutlichen Verordnungszuwachs durch einen weiteren Anstieg der Biosimilars. Auf niedrigerem Niveau zeigten der Interleukin-6-Rezeptorantagonist Tocilizumab und Kostimulationsinhibitor Abatacept wieder geringe Zunahmen. Die Bedeutung der umstrittenen Externa („Rheumasalben“) ist weiter rückläufig.
Rainer H. Böger, Jürgen Brockmöller
19. Antitussiva und Expektorantien
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Seit 1995 sind die Verordnungen der Antitussiva und der Expektorantien stark zurückgegangen. Hauptgrund des rückläufigen Trends ist die zweifelhafte Wirksamkeit dieser Substanzen. Auch der Ausschluss rezeptfreier Arzneimittel aus der Erstattung hat die Abnahme des Verordnungsvolumens seit 2004 weiter beschleunigt. Im Jahre 2020 ist eine deutliche zusätzliche Abnahme der Verordnungen festzustellen.
Kosten Die Verordnungskosten sind 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 23 % eingebrochen. Antitussiva und Expektorantien werden bei Husten im Rahmen einer akuten oder chronischen Bronchitis angewendet. Dieses Symptom kann bei einer Reihe ätiologisch unterschiedlicher Krankheiten auftreten, die häufigste Ursache ist eine Virusinfektion in den oberen Atemwegen, wie sie bei Erkältungskrankheiten und Grippe vorkommt. Chronischer Husten ist häufig durch Rauchen bedingt. Atemnot unter Belastung, chronischer Husten und vermehrte Schleimbildung (Auswurf) sind Leitsymptome (AHA-Symptome) bei der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD), ein Krankheitsbild mit weltweit steigender Morbidität und Mortalität und zunehmender sozioökonomischer Bedeutung (Celli et al. 2015).
Björn Lemmer
20. Betarezeptorenblocker
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Betarezeptorenblocker spielen eine wichtige Rolle bei der Behandlung kardiovaskulärer Krankheiten. Hauptindikationen sind arterielle Hypertonie, koronare Herzkrankheit, tachykarde Herzrhythmusstörungen und chronische Herzinsuffizienz. Wichtigste Gruppe sind die β1-selektiven Betarezeptorenblocker, die seit 30 Jahren kontinuierlich zugenommen haben. Nichtselektive Wirkstoffe sind dagegen seit mehreren Jahren rückläufig und liegen unter 5 % der Verordnungen. Der Generikaanteil hat inzwischen bei den meisten Wirkstoffen über 95 % erreicht. Frühere Preisunterschiede zwischen den Präparaten sind weitgehend verschwunden.
Betarezeptorenblocker hemmen die Funktion des sympathischen Nervensystems in allen Organen, die mit adrenergen Betarezeptoren (β1-/β2-) ausgestattet sind. Dazu gehören insbesondere das Herz, die Nieren und die glatte Muskulatur von Bronchien und Muskelgefäßen. Therapeutisch bedeutsam sind die Senkung der Herzfrequenz, des kardialen Sauerstoffverbrauchs, der Reninausschüttung aus der Niere und die Erniedrigung des Augeninnendrucks (Kap. 36). Nachteilig kann sich die Betarezeptorenblockade auf die Herzkraft, die kardiale Erregungsleitung, die Bronchialfunktion (Gefahr des Bronchospasmus) und die Gefäßmuskulatur (Durchblutungsstörungen) auswirken.
Björn Lemmer
21. Bronchospasmolytika und Antiasthmatika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Die inhalativen Glucocorticosteroide haben sich seit einigen Jahren zur größten Arzneimittelgruppe in der Asthmatherapie entwickelt. Eine weitere wichtige Arzneimittelgruppe sind die Betasympathomimetika, die überwiegend in Kombination mit inhalativen Glucocorticosteroiden verordnet werden. Bei chronisch obstruktiver Lungenkrankheit (COPD) werden bevorzugt inhalative Muscarinrezeptorantagonisten eingesetzt.
Trend Die Verordnungen der inhalativen Glucocorticosteroide nahmen in den letzten 10 Jahren weiter zu und haben inzwischen die Betasympathomimetika überflügelt. Dieser Trend ist begleitet von einer Präferenz der Kombinationspräparate von inhalativen Glucocorticosteroiden mit langwirkenden Betasympathomimetika, während auf die Monopräparate nur noch ein Viertel der Verordnungen entfällt. Betasympathomimetika zeigen in den letzten 10 Jahren ein leicht rückläufiges Verordnungsniveau. Kurzwirkende Betasympathomimetika sind die Domäne der inhalativen Akutbehandlung des Asthmas, wobei sie entsprechend den aktuellen Therapieleitlinien als Bedarfsmedikation angewendet werden. Langwirkende Betasympathomimetika sollen wegen Hinweisen auf erhöhte Mortalität unter einer Monotherapie nur in Kombination mit inhalativen Glucocorticosteroiden gegeben werden.
Björn Lemmer
22. Calciumkanalblocker
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Hauptgruppen der Calciumkanalblocker sind die Dihydropyridine und die relativ stärker kardiodepressiv wirkenden Substanzen Verapamil und Diltiazem. Das Gesamtverordnungsvolumen steigt weiterhin langsam an und ist unverändert mit einem Trend zu langwirkenden Dihydropyridinen und einer Abnahme der Calciumkanalblocker vom Verapamiltyp verbunden. Die Verordnung von Kombinationspräparaten aus Calciumkanalblocker und ACE-Inhibitoren steigt relativ stark an, was leitliniengerecht ist.
Kosten Amlodipin und Lercanidipin sind die kostengünstigsten Calciumkanalblocker und liegen in einem ähnlichen Bereich wie die generischen ACE-Inhibitoren.
Thomas Eschenhagen
23. Corticosteroide
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Corticosteroide werden überwiegend als Glucocorticoide zur Entzündungshemmung und Immunsuppression eingesetzt, während die Hormonsubstitution mit dem Nebennierenrindenhormon Cortisol und dem Mineralocorticoid Fludrocortison nur einen kleinen Teil der Verordnungen betrifft. Während die Corticosteroidverordnungen insgesamt rückläufig waren, fallen erhöhte Verordnungszahlen von Dexamethason auf. Dies ist wahrscheinlich auf den Einsatz des Arzneistoffs bei COVID-19-Patienten zurückzuführen.
Roland Seifert
24. Dermatika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Seit Jahren verändert sich das Verordnungsspektrum der zahlreichen dermatologischen Wirkstoffklassen nur marginal. Wie in den Vorjahren werden topische Glukokortikoide am häufigsten verordnet. Auf sie entfallen 43 von 100 Dermatikatagesdosen. Antimykotika (11 %), Psoriasismittel (10 %), Mittel bei aktinischer Keratose (7 %), Aknemittel, Antiinfektiva und Warzenmittel (jeweils 6 %), Wundbehandlungsmittel (4 %) sowie Rosazeamittel und Antipruriginosa (jeweils 3 %) werden deutlich seltener verordnet.
Trend Die Verordnungen in den einzelnen Marktsegmenten werden weitgehend durch nationale und internationale Therapieempfehlungen gestützt. Die Gesamtverordnungsmenge bezogen auf DDD stieg 2020 im Vergleich zum Vorjahr lediglich um 2 %, mit deutlicheren Zuwächsen bei den Psoriasismitteln, den Aknemitteln und den Glukokortikoidtopika. Wesentliche Veränderungen in der Therapie chronisch entzündlicher Hauterkrankungen werden vor allem bei Betrachtung der Kostenentwicklung deutlich: So entfällt 2020 in etwa die Hälfte der gesamten dermatologischen Verordnungskosten von 2.254 € auf die drei hier berücksichtigten Biologika Ustekinumab, Secukinumab, Guselkumab.
Hans Merk, Judith Günther
25. Diuretika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Von den Diuretika werden hauptsächlich Schleifendiuretika und Thiazide verordnet. Aldosteronantagonisten folgen mit deutlichem Abstand. Schleifendiuretika sind die dominierende Gruppe der Diuretika und machen auch 2020 fast zwei Drittel der verordneten Tagesdosen dieser Gruppe aus. Ihre Verordnungszahl war gegenüber dem Vorjahr praktisch unverändert, während die Thiazidkombinationen ihren seit 10 Jahren zu beobachtenden Rückgang weiter fortsetzten. Der Einsatz von Spironolacton und dem zehnfach teureren Eplerenon nahm weiter zu, während die einzige noch hier gelistete Spironolacton-Furosemidkombination etwas Boden gutmachen konnte.
Bewertung Die Verordnung von Diuretika ist nach wie vor ein fester Bestandteil der Therapie von Hypertonie, Herzinsuffizienz und Ödemen. Die Abnahme der Verordnungen von fixen Kombinationen von Thiaziden mit kaliumsparenden Diuretika spiegelt den Fortschritt der Pharmakotherapie der Herz-Kreislauferkrankungen wieder. Auch Aldosteronantagonisten gehören zur Standardtherapie der Herzinsuffizienz, wobei es keinen Beleg für einen patientenrelevanten Vorteil von Eplerenon gegenüber Spironolacton gibt.
Hartmut Oßwald, Bernd Mühlbauer
26. Gichtmittel
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Die spezifische Arzneitherapie der Gicht umfasst Xanthinoxidasehemmer, Colchicin und Benzbromaron. Standardmittel für die chronische Gicht ist Allopurinol, auf das 86 % aller Verordnungen entfallen. Der zweite, deutlich teurere Xanthinoxidasehemmer Febuxostat weist keine relevanten Vorteile gegenüber dem bewährten Allopurinol auf. Ein 2019 erschienener Rote-Hand-Brief mit Warnung vor kardiovaskulären Risiken führte in 2020 zu dem erwarteten Verordnungsrückgang. Beim akuten Gichtanfall wird Colchicin eingesetzt und ist 2020 ähnlich häufig verordnet worden wie im Vorjahr. Dies gilt auch für das Verordnungsvolumen des Urikosurikums Benzbromaron, sowohl als Monopräparat als auch in der Kombination mit Allopurinol.
Bernd Mühlbauer
27. Herztherapeutika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Herzglykoside gehen in ihren Verordnungszahlen unvermindert zurück, während sich Antiarrhythmika auf niedrigem Niveau stabilisiert haben. Für beide Gruppen fehlt eine klare Evidenz für prognostisch günstige Wirkungen, dazu haben Antiarrhythmika und Herzglykoside eine geringe therapeutische Breite mit potentiell lebensbedrohlichen Nebenwirkungen. Die Verordnung von Nitraten und Molsidomin geht ebenfalls zurück, was wahrscheinlich zum Teil einer Abnahme von Patienten mit stabiler Angina pectoris geschuldet ist. Die Kombination aus Sacubitril und Valsartan ist seit Ende 2015 zur Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz zugelassen und wird inzwischen etwa doppelt so häufig verschrieben wie Ivabradin.
Thomas Eschenhagen
28. Hypnotika und Sedativa
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Schlafstörungen kommen in vielfältigen Formen und Ausprägungen vor. Zunehmend setzt sich bei ihrer Behandlung die Erkenntnis durch, dass nichtmedikamentöse Strategien im Vordergrund stehen sollten. Zahlreiche Studien und Metaanalysen zeigen, dass verhaltenstherapeutische Verfahren wirksam und insgesamt der Behandlung mit Hypnotika überlegen sind. Eine Therapie mit Hypnotika ist in aller Regel nur kurzfristig oder bei Versagen oder mangelnder Verfügbarkeit anderer Verfahren indiziert. Entsprechend dieser Erkenntnis ist seit 25 Jahren ein starker Verordnungsrückgang um 80 % zu beobachten. Die Rückgänge betrugen im vergangenen Jahr bei den Benzodiazepinen wiederum über 10 % und bei den Benzodiazepinagonisten Zolpidem und Zopiclon 4 %. Die Verordnungen von Melatonin haben wiederum sehr deutlich zugenommen. Pflanzliche Hypnotika sind nur noch mit einem homöopathischen Präparat vertreten.
Bewertung Insgesamt zeigen die Zahlen, dass nur ein Bruchteil der Patienten mit Schlafstörungen Hypnotika verordnet bekommt. Die Umschichtung zu den kurzwirksamen Z-Substanzen ist durch ihre selektivere hypnotische Wirkung und das vermutlich geringere Abhängigkeitspotenzial gerechtfertigt.
Martin J. Lohse
29. Hypophysen- und Hypothalamushormone
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Die Verordnungszahlen von Gonadorelin- und Gonatropinpräparaten blieben 2020 auf einem sehr niedrigen Niveau. Ähnliches gilt für Wachstumshormone, Somatostatinanaloga und Vasopressinanaloga. Ausgehend von einem sehr niedrigen Ausgangswert hat die Verordnung des sehr teuren Vasopressinantagonisten Tolvaptan deutlich zugenommen. Die Verordnungszahlen von Prolakinhemmern sind rückläufig.
Roland Seifert
30. Immunglobuline und Immunsuppressiva
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Humane Immunglobuline sind präformierte Antikörper zur Substitutionstherapie bei Immunmangelkrankheiten und zur Immunmodulation bei speziellen seltenen Krankheiten. Die Verordnungen sind relativ niedrig, da die Versorgung weitgehend über Direktlieferverträge der Krankenkassen mit Krankenhäusern und Spezialambulanzen erfolgt. Trotzdem muss ein hoher Off-Label-Use angenommen werden.
Immunsuppressiva werden zur Prophylaxe der Abstoßungsreaktion nach Organtransplantation und bei verschiedenen Autoimmunkrankheiten eingesetzt. Größte Gruppe sind die zytotoxischen Immunsuppressiva (Azathioprin, Mycophenolsäure) gefolgt von den Calcineurininhibitoren und mTOR-Inhibitoren. Weitere selektive Immunsuppressiva sind Biologika (Belimumab, Eculizumab, Ravulizumab, Belatacept) mit speziellen Indikationen und kleinen Verordnungsmengen, aber sehr hohen Therapiekosten.
Bernd Mühlbauer, Wolf-Dieter Ludwig
31. Lipidsenkende Mittel
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Die Verordnungen der Statine haben auch 2020 weiter zugenommen. Hierzu dürften die in Evidenz-basierten Leitlinien empfohlenen immer niedrigeren LDL-Cholesterinzielwerte oder intensivere Statintherapie beigetragen haben. Führender Wirkstoff ist wieder Atorvastatin, das bereits 2019 den langjährigen Marktführer Simvastatin überrundet hatte. Ebenso haben die Verordnungen von Rosuvastatin stark zugenommen. Auf niedrigerem Niveau wurden auch Ezetimibpräparate deutlich mehr verordnet, insbesondere preisgünstige Generika. Fibrate und Colestyramin spielen nur eine untergeordnete Rolle.
Bewertung Nach weiteren Zunahmen haben Statine 2020 ein Verordnungsvolumen erreicht, das die tägliche Behandlung von 7,6 Mio. Patienten mit Standarddosierungen ermöglicht. Der Cholesterinresorptionshemmer Ezetimib verstärkt die Cholesterinsenkung durch Statine und reduziert kardiovaskuläre Ereignisse, was jedoch nicht mit einer Abnahme der kardiovaskulären Mortalität verbunden war Zur erheblichen Verordnungszunahme des PCSK9-Inhibitors Evolocumab dürfte die vorübergehende Marktrücknahme von Alirocumab beigetragen haben.
Gerald Klose, Bastian Schirmer
32. Magen-Darm-Mittel und Lebertherapeutika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Bedeutsamste Gruppe der Magen-Darm-Mittel sind wie in den vergangenen Jahren die Protonenpumpeninhibitoren (PPI), die auch 2020 weiterhin mit großem Abstand vor allen anderen Präparategruppen liegen. Seit dem Aussetzen der Zulassung von Ranitidin durch die EMA im Frühjahr 2020 spielen H2-Rezeptor-Antagonisten nur noch eine vernachlässigbare Rolle in diesem Therapiegebiet. Die Verordnungen der Medikamente, mit denen eine chronische Hepatitis C geheilt werden kann, sind so weit zurückgegangen, dass diese nicht mehr aufgeführt sind. Verordnungen der klassischen Prokinetika sind weiter rückläufig. Bei Medikamenten gegen chronisch-entzündliche Darmkrankheiten ist eine weitere Zunahme der Verschreibung des Integrin-Inhibitors Vedolizumab und Interleukin 12/23 monoklonalen Antikörpers Ustekinumab zu verzeichnen. Die Verschreibung von Infliximab ist stabil, die von Adalimumab etwas gestiegen, wobei hier eine Verlagerung auf Biosimilars zu beobachten ist. Die Verordnung der Pankreatinpräparate ist leicht gestiegen. Kleinere Verordnungsvolumina entfallen auf Spasmolytika, Antidiarrhoika und Laxantien.
Ansgar W. Lohse, Samuel Huber
33. Migränemittel
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Unter den 3.000 meistverordneten Mitteln finden sich mittlerweile wieder Migränemittel, die nicht zur Gruppe der Triptane gehören, nämlich für die Migräneprophylaxe zugelassene Antagonisten gegen CGRP (Fremanezumab) bzw. den CGRP-Rezeptor (Erenumab). Unter den zur Behandlung von akuten Migräneattacken zugelassenen Serotoninrezeptoragonisten („Triptanen“) hat die Leitsubstanz Sumatriptan mit > 60 % aller Verordnungen immer noch das höchste Verordnungsvolumen, das für die Triptane insgesamt weiter zugenommen hat. Sumatriptan zeichnet sich durch seine gut belegte therapeutische Wirksamkeit und sein breites Applikationsspektrum aus. Andere Triptane haben nur geringe klinische Vorteile, sind aber immer noch teurer als Sumatriptangenerika.
Zur Migräneprophylaxe sollten zunächst β-Adrenozeptor-Antagonisten (Propranolol, Metoprolol), Flunarizin, Topiramat, Amitriptylin, Valproinsäure oder Onabotulinumtoxin A eingesetzt werden.
Jan Matthes, Katja Kollewe
34. Pharmakologische Behandlung der multiplen Sklerose
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Spektrum Zur Behandlung der multiplen Sklerose werden krankheitsmodifizierende Immuntherapeutika und symptomatisch wirkende Arzneistoffe eingesetzt. Die Verordnung von Beta-Interferonen für die Behandlung der schubförmig-remittierenden multiplen Sklerose geht seit Jahren zu Gunsten anderer Arzneistoffe (insbesondere Dimethylfumarat, Glatirameracetat und Teriflunomid) zurück. Den stärksten Verordnungsschub verzeichnet Ocrelizumab. Neu vertreten ist der sehr teure Immunmodulator Siponimod.
Als Muskelrelaxanzien (Antispastika) stehen Baclofen, Tizanidin und Botulinumtoxin bei der symptomatischen Behandlung der multiplen Sklerose im Vordergrund. Die Verordnungszahlen für das Cannabinoidpräparat Nabiximols sind deutlich angestiegen. Erstaunlicherweise wurden auch Muskelrelaxanzien mit unzureichender Beleglage (z. B. Chininsulfat, Methocarbamol, Pridinol) wie auch schon 2019 deutlich häufiger verordnet. Dies ist kritikwürdig.
Kosten Der weitaus größte Teil der Kosten entfällt auf die Immuntherapeutika.
Roland Seifert, Friedemann Paul
35. Onkologika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Das höchste Verordnungsvolumen unter den Onkologika haben weiterhin Hormonantagonisten zur Behandlung des Mammakarzinoms und des Prostatakarzinoms, auf die 62 % der definierten Tagesdosen (DDD) entfallen. An zweiter Stelle stehen die klassischen Zytostatika mit der führenden Gruppe der Antimetabolite, was vor allem auf den häufigen Verordnungen von 5-Fluorouracil beruht. Als nächste Gruppen folgen monoklonale Antikörper und Proteinkinaseinhibitoren, deren Verordnungsvolumen um 13 % bzw. 17 % gegenüber 2019 zugenommen hat. Führende Gruppe der monoklonalen Antikörper sind erstmals Antikörper gegen PD-1-Rezeptoren und PD-L1-Liganden, die für ein stetig wachsendes Spektrum von onkologischen Indikationen zugelassen sind, gefolgt von HER2-Antikörpern zur Behandlung des HER2-positiven Mammakarzinoms. Die inzwischen verfügbaren 4 Biosimilars zu Trastuzumab übertreffen 2020 deutlich das Verordnungsvolumen des Originalpräparats (Herceptin). Führende Vertreter der Proteinkinaseinhibitoren sind fast gleichauf die CDK-Inhibitoren für die Behandlung des hormonrezeptorpositiven, fortgeschrittenen Mammakarzinoms, und die BCR-ABL-Tyrosinkinaseinhibitoren zur Behandlung der chronischen myeloischen Leukämie, bei denen insbesondere zwei Generika von Imatinib deutliche Zuwächse im Verordnungsvolumen aufweisen. Weitere Proteinkinaseinhibitoren werden eingesetzt vor allem zur Behandlung der primären Myelofibrose (MF) und nach Polycythämia Vera bzw. Essenzieller Thrombozythämie auftretenden MF, des nicht-kleinzeilligen Lungenkarzinoms, des Nierenzellkarzinoms und von gynäkologischen Tumoren (Mamma- bzw. Ovarialkarzinom).
Wolf-Dieter Ludwig, Arnold Ganser, Georg Maschmeyer
36. Ophthalmika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Im Jahre 2020 hat es bei den Verordnungen von Ophthalmika einige deutliche Veränderungen ergeben, die z. T. langfristigen Trends entsprechen, vor allem bei der Glaukomtherapie, und z. T. deutliche Abnahmen der Verordnungen von Antiinfektiva und in geringerem Ausmaß von Glucocorticoiden und Antiallergika, die vermutlich durch eine Reduktion von Arztbesuchen als Konsequenz der Covid19-Pandemie zu deuten sind. Seit vielen Jahren dominieren unter den Ophthalmika die Glaukommittel, bei denen sich in den letzten Jahren einige Therapieprinzipien durchgesetzt haben, nämlich vor allem Prostaglandinderivate sowie selektive Alpha2-Rezeptoragonisten und lokal wirkende Carboanhydrasehemmer. Neuerdings sind mit dem Rho-Kinase-Inhibitor Netarsudil (Rhokiinsa) und Latanoprostene Bunod (Vyzulta – Zulassung in USA und Brasilien) erstmals wieder zwei neue Wirkprinzipien hinzugekommen. Daneben spielen die ophthalmologischen Antiinfektiva mit einer Vielzahl von Substanzen eine größere Rolle. Bei den meisten übrigen Gruppen von Ophthalmika sind die Verordnungen auf Kassenrezept durch das GKV-Modernisierungsgesetz 2004 drastisch gesunken. Als Neuentwicklungen für die antineovaskuläre Therapie haben sich neben den viel diskutierten antineovaskulären Antikörpern Bevacizumab (Avastin – off label) und Ranibizumab (Lucentis) mit Aflibercept (Eylea) und Brolicizumab (Beovu) zwei weiterere VEGF-Antagonisten sowie ein Dexamethason-Implantat (Ozurdex) unter den verordnungshäufigsten Arzneimitteln etabliert. Die Behandlung des trockenen Auges (Keratokonjunktivitis sicca) durch Tränenersatzmittel spielen in der Augenheilkunde wegen der hohen Prävalenz dieser Störung im Alter eine große Rolle, obwohl die meisten hierfür in Frage kommenden Mittel nicht verschreibungspflichtig sind und auch nicht mehr auf Kassenrezept verordnet werden.
Martin J. Lohse, Franz Grehn
37. Mittel für Osteoporose und Calcium-Phosphat-Homöostase
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Hauptvertreter der Osteoporosemittel sind Bisphosphonate, die in der Onkologie auch dem Schutz vor Knochenmetastasen dienen. Seit mehreren Jahren zeichnet sich ein Rückgang der Bisphosphonatverordnungen ab. Leitsubstanz der Bisphosphonate ist Alendronsäure, auf die jetzt 65 % des Verordnungsvolumens dieser Stoffgruppe entfallen, während Risedronsäure, Ibandronsäure und Zoledronsäure deutlich kleinere Anteile haben. Mit weitem Abstand folgt das weiterhin aufsteigende Denosumab, sowie Teriparatid und das erst 2020 zugelassene Romosozumab.
Calciumpräparate werden mit leichter Abnahme weiterhin als Basistherapeutika vor allem in Kombination mit Vitamin D eingesetzt, auch wenn sie nur einen bescheidenen Effekt auf die Frakturrate haben und vor allem bei Vitamin-D-Mangel wirksam sind. Weitere Calciumpräparate sind als Phosphatbinder zur Behandlung der Hyperphosphatämie bei Hämodialysepatienten von Bedeutung.
Hans Christian Kasperk
38. Parkinsonmittel
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Levodopapräparate sind die führenden Vertreter der Parkinsonmittel. An zweiter Stelle folgen die Dopaminrezeptoragonisten. Insgesamt ist eine erfreuliche Fokussierung auf preiswerte und wirksame Präparate zu beobachten, was auch von leicht sinkenden Gesamttherapiekosten begleitet wird.
Bewertung Die Langzeittherapie mit Levodopa kann Dyskinesien und motorische Fluktuationen verursachen, die durch Dosisfraktionierung und adjuvante Therapie reduziert werden können. Alternativ werden bei jüngeren Patienten Dopaminrezeptoragonisten und bei leichteren Symptomen MAO-B-Inhibitoren als initiale Monotherapie empfohlen. Muscarinrezeptorantagonisten werden wegen der Beeinträchtigung kognitiver Fähigkeiten leitliniengerecht bei älteren Patienten immer seltener eingesetzt.
Roland Seifert, Günter Höglinger
39. Psychopharmaka
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Zusammenfassung Mit weit über 2 Milliarden DDD stellen die Psychopharmaka eine der größten Arzneimittelgruppen dar. Dabei sind die seit vielen Jahren beobachteten Zuwächse vor allem auf steigende Verordnungen und Indikationsausweitungen von Antidepressiva zurückzuführen sowie geringere Zunahmen bei den Neuroleptika (Antipsychotika). Dagegen nehmen die Verordnungen von Arzneimitteln mit sedierender und anxiolytischer Wirkung (Tranquillantien) seit langem kontinuierlich ab.
Trend Im Durchschnitt haben die Verordnungen von Antidepressiva (Noradrenalin/Serotonin-Verstärker) in der letzten Dekade um mehr als 40 % zugenommen. Dieser Anstieg wurde vor allem von den selektiven Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SSRI) und den selektiven Serotonin-Noradrenalin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SNRI) getragen, während die älteren nichtselektiven Monoamin-Rückaufnahme-Inhibitoren (NSMRI, sog. trizyklischen oder heterozyklischen Antidepressiva) seit 2010 in ihrer Verordnung rückläufig waren.
Martin J. Lohse, Johanna Seifert, Stefan Bleich
40. Rhinologika und Otologika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Rhinologika werden lokal zur symptomatischen Behandlung der behinderten Nasenatmung bei Nasenschleimhautentzündungen und bei Rhinosinusitiden eingesetzt. Die weitaus größte Gruppe bilden die schleimhautabschwellenden Alphasympathomimetika (α1-Adrenorezeptoragonisten). Otologika werden zur lokalen antientzündlichen Therapie im Bereich des äußeren Ohres eingesetzt, ferner in Kombination mit einem Lokalanästhetikum in der symptomatischen Therapie von Ohrenschmerzen.
Bewertung Die topischen Sympathomimetika gehören zu den nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und werden daher fast nur noch bei Kindern verordnet. Topische Glucocorticoide sind bei allergischer Rhinitis zuverlässig wirksam, ferner sind sie Bestandteil der konservativen Therapie der chronischen Rhinosinusitis mit und ohne Nasenpolypen. Für die Lokaltherapie der bakteriell bedingten Otitis externa diffusa steht mit dem Fluorchinolon Ciprofloxacin ein gut wirksames Antibiotikum (antibaterieller Arzneistoff) zur Verfügung. Die lediglich symptomatisch wirksamen Lokalanästhetikakombinationen zeigen weiter Verordnungsabnahmen.
Horst Luckhaupt, Karl-Friedrich Hamann
41. Schilddrüsentherapeutika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Krankheiten der Schilddrüse werden mit Schilddrüsenhormonen, Iodsalzen und Thyreoperoxidaseinhibitoren behandelt. Die größte Gruppe der Schilddrüsentherapeutika sind Schilddrüsenhormone, die bei Schilddrüsenunterfunktion und beim Iodmangelkropf eingesetzt werden. Als zweitgrößte Gruppe folgen Iodsalze zur Strumaprophylaxe. Wesentlich seltener und weiter langsam abnehmend werden Thyreoperxidasehemmer zur Hemmung der Hormonproduktion bei Schilddrüsenüberfunktion eingesetzt.
Trend Seit 2010 sind die Verschreibungen für Schilddrüsenhormone kontinuierlich weiter um fast 40 % angestiegen. Der frühere Einbruch bei den Iodsalzen ist immer noch nicht zum Stillstand gekommen. Zwei Komponenten können eine Rolle spielen: (a) die Anerkennung des fortbestehenden therapeutischen Bedarfs, (b) vermehrte Selbstmedikation bei Iodsalzen.
Hans Christian Kasperk
42. Sexualhormone
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Die wichtigsten Gruppen der Sexualhormone sind Östrogenpräparate und Kontrazeptiva. Danach folgen mit weitem Abstand Gestagene. Die Verordnungen aller Östrogenpräparate zur Hormontherapie in der Postmenopause (systemische und topische Präparate) sind seit 1999 stark zurückgegangen und zeigen seit 2018 ein stabiles Niveau insbesondere bei Östrogenmonopräparaten. Kontinuierlich nehmen Östrogen-/Gestagenkombinationen zur HRT ab. Damit wird auch 2020 der Effekt der Leitlinienempfehlungen zur postmenopausalen Hormontherapie sichtbar. Die Verordnungen der hormonalen Kontrazeptiva zeigen auch 2020 eine deutliche Zunahme, insbesondere bei den Gestagenmonopräparaten und den vaginalen Kontrazeptiva. Androgenverordnungen nehmen wie schon in den letzten Jahren weiter zu.
Bewertung Die Verordnungen zur postmenopausalen Hormontherapie reflektieren eine gute Beachtung der Indikationsstellung basierend auf einer sorgfältigen Nutzen-Risiko-Bewertung, die leitlinienbasiert erfolgt (überarbeitete deutsche S3-Leitlinie 2020). Hormonale Kontrazeption in jeder Variante behält weite Akzeptanz.
Thomas Strowitzki
43. Urologika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Mit weit über 70 % der Verordnungen bleiben Prostatamittel die überwiegende Gruppe der Urologika. Urologische Spasmolytika repräsentieren weiterhin etwa ein Viertel des Verordnungsvolumens, während Urolithiasis- und Kathetermittel nur sehr geringe Verordnungszahlen erreichen.
Trend Die langjährige Zunahme des Verordnungsvolumens von Alpha1-Rezeptorenblockern zur Behandlung von Miktionsstörungen hat sich 2020 besonders deutlich fortgesetzt, während die 5α-Reduktasehemmer zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms eher stagnierten. Die Verordnungen anticholinerg wirkender Spasmolytika zur Behandlung der Harninkontinenz verzeichnen nach jahrelanger Plateauphase wieder einen leichten Anstieg; an der kontroversen Diskussion zum Ausmaß des therapeutischen Nutzens dieser Substanzen hat sich jedoch nichts geändert.
Bernd Mühlbauer, Hartmut Oßwald
44. Vitamine und Mineralstoffpräparate
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Die Vitamin-D-Verordnungen haben im Jahr 2020 deutlich zugenommen, was in erster Linie mit dem vermuteten Nutzen gegen eine SARS-CoV-2-Infektion zusammenhängt. Der Einsatz von Vitamin B12-Präparaten ist leicht rückläufig. Die Verordnung von Kalium- und Magnesiumpräparaten ist auf einem stabilen Niveau.
Bewertung Colecalciferol wird zur Rachitisprophylaxe und zur Behandlung der Osteoporose eingesetzt, während die Metaboliten Alfacalcidol und Calcitriol insbesondere bei Dialysepatienten indiziert sind. Der Nutzen von Vitamin-D-Präparaten bei der SARS-CoV-2-Infektion ist nicht belegt. Vitamin B12 wird vorwiegend in der parenteralen Therapie schwerwiegender Vitaminmangelzustände wie der perniziösen Anämie eingesetzt. Kaliumpräparate dienen der Korrektur eines höhergradigen Kaliummangels. Magnesiumpräparate sind bei Magnesiummangel indiziert, der aber bei der weiten Verbreitung von Magnesium in der Nahrung bei üblicher Kost selten ist.
Roland Seifert
45. Zahnärztliche Arzneiverordnungen
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Zahnärztliche Verordnungen nehmen nur einen Anteil von 1,1 % an der Gesamtverordnungszahl in Deutschland ein. Dies entspricht etwa 1,1 % der gesamten DDD in D und trägt zu 0,2 % der gesamten Nettokosten in Deutschland bei. Zahnärztlich verordnet werden hauptsächlich Arzneistoffe aus den Gruppen der Antibiotika (antibakterielle Arzneistoffe) und Antiinfektiva, gefolgt von den Antiphlogistika und mit Abstand die Gruppen der Fluoridpräparate und Analgetika. Betrachtet man die DDD, dann handelt es sich dabei hauptsächlich um topische Fluoridpräparate, welche einen Anteil von ca. 84 % an der DDD ausmachen. Dabei sind fast ausschließlich natriumfluoridhaltige Zahngele von Bedeutung. Danach folgt die Arzneimittelgruppe der Antibiotika und Antiinfektiva mit einem DDD-Anteil von ca. 6,4 % an der Gesamtzahl zahnärztlicher Verordnungen, wobei insbesondere Amoxicillin und Clindamycin eine prominente Rolle haben. Bei den ähnlich starken Antiphlogistika (DDD-Anteil von 6,2 %) ist Ibuprofen der mit Abstand wichtigste Arzneistoff. Der Anteil der Analgetika und oralen Lokalanästhetika an der DDD ist mit 0,4 % sehr klein. Etwa 60 % entfallen dabei auf den Arzneistoff Metamizol, der in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat.
Monika Daubländer, Klaus Höcherl
Backmatter
Metadaten
Titel
Arzneiverordnungs-Report 2021
herausgegeben von
Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig
Prof. Dr. Bernd Mühlbauer
Prof. Dr. Roland Seifert
Copyright-Jahr
2021
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-63825-5
Print ISBN
978-3-662-63824-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-63825-5

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