Klinische Präsentation
Enzephalitis mit Antikörpern gegen intrazelluläre Antigene
Antikörper | Assoziierte klinische Syndrome | Tumorassoziation |
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Amphiphysin | Limbische Enzephalitis, Enzephalomyelitis, sensible Neuropathie, Stiff-Person-Syndrom, zerebelläre Degeneration | > 90 %, meist Mammakarzinom oder kleinzelliges Bronchialkarzinom (SCLC) |
ANNA‑3 | Limbische Enzephalitis, Kleinhirndegeneration, Enzephalomyelitis, sensible Neuropathie | ≈ 60 % SCLC |
CV2 (CRMP-5) | Limbische Enzephalitis, Bewegungsstörungen, Opsoklonus, Optikusneuritis, Enzephalomyelitis, zerebelläre Degeneration, NMOSD | > 90 %, meist SCLC oder Thymome |
GADa | Stiff-Person-Syndrom, zerebelläre Ataxie, limbische Enzephalitis, therapierefraktäre epileptische Anfälle Seltener paraneoplastisch, dann meist verbunden mit Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom und Enzephalomyelitis Häufig assoziiert mit weiteren Autoimmunerkrankungen (z. B. Typ 1-Diabetes) | Selten; Thymom, neuroendokriner Tumor oder Lungen‑/Mammakarzinom möglich |
GFAP | Meningoenzephalitis, Meningoenzephalomyelitis (in 10–20 % zusätzlich NMDAR-Ak nachweisbar) | ≈ 10–20 %, meist Ovarialteratom wenn NMDAR-Ak nachweisbar (sonst mit diversen Tumorentitäten assoziiert) |
Hu (ANNA-1) | Limbische Enzephalitis, Hirnstammenzephalitis, zerebelläre Degeneration, Denny-Brown-Syndrom, Dysautonomie, Myelitis, seltener motorische Neuropathie, vereinzelt Chorea, LEMS, Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom (bei pädiatrischem Neuroblastom) | > 90 %, meist SCLC (besonders bei LEMS), auch bei Neuroblastom oder Prostatakarzinom |
Ma2 | Limbische Enzephalitis, zerebelläres Syndrom, Ataxie | > 90 %, meist testikulärer oder Lungentumor |
Ri (ANNA-2) | Hirnstammenzephalitis, Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom, zerebelläre Ataxie | > 90 %, meist Mammakarzinom, gynäkologische Tumoren oder SCLC |
Sox‑1 (AGNA) | Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom (LEMS), zerebelläre Ataxie, Polyneuropathie | > 90 %, meist SCLC (v. a. bei LEMS) |
Yo (PCA-1) | Zerebelläres Syndrom mit Ataxie, Dysarthrie, Nystagmus; mögliche Begleitsymptome: Diplopie, Dysphagie, periphere Neuropathie | > 90 %, meist Mammakarzinom oder andere gynäkologische Tumoren, SCLC |
Zic4 | Zerebelläre Degeneration, Ataxie | > 90 %, meist SCLC |
Enzephalitis mit Antikörpern gegen neuronale Oberflächenantigene
Enzephalitiden mit Antikörpern gegen Oberflächenantigene | ||||
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Neuronale Oberflächenantikörper gegen: | Symptomatik/assoziiertes Syndrom | MRT-Befunde | Mögliche Tumorassoziation | Erkrankungsalter und Geschlecht |
NMDA-Rezeptor [12] | Unspezifisches Prodrom (≈ 70 % mit Kopfschmerzen oder Fieber), gefolgt von Verhaltensveränderungen, Psychose, affektiven Störungen, Gedächtnisstörungen, epileptische Anfälle, Bewegungsstörungen wie orofaziale Dyskinesien, autonome Instabilität, Bewusstseinsstörungen | Meist unauffällig; kleinere, unspezifische Läsionen der weißen Substanz im T2/FLAIR-gewichteten MRT in 25–50 % der Fälle, seltener Veränderungen der Basalganglien, des Hirnstamms und Zerebellums, im PET frontotemporaler Hypermetabolismus und okzipitaler Hypometabolismus, im Follow-up Hippokampusatrophie möglich | ≈ 40 % in jüngerem Erkrankungsalter (12–45 Jahre, meist Ovarialteratome), ≈ 25 % bei älterem Erkrankungsalter (ab 45 Jahre, vorrangig Karzinome) | w > m (3:1) Jeden Alters, häufig Kindheit oder frühes Erwachsenenalter |
In der Frühphase pathognomonische faziobrachiale dystone Anfälle (FBDS), gefolgt von limbischer Enzephalitis mit Gedächtnisdefiziten, Temporallappenanfällen, Schlafstörungen und Hyponatriämie | Während der FBDS zumeist unauffällig, bei limbischer Enzephalitis typischerweise mesiotemporale T2-FLAIR-Signalanhebungen und häufig PET-Hypermetabolismus der Basalganglien und des medialen Temporallappens, im Follow-up ist eine Hippokampusatrophie typisch (häufig auch Hinweis auf Hippokampussklerose) | Selten (< 10 %), meist Thymome | m > w (2:1) > 40 Jahre | |
CASPR2 [39] | Limbische Enzephalitis, Morvan-Syndrom, Neuromyotonie | Typischerweise unauffälliges MRT bei Morvan-Syndrom, in einigen Fällen frontale und mesiotemporale T2-FLAIR-Signalanhebungen oder unspezifische periventrikuläre Läsionen, seltener Entwicklung einer Hippokampusatrophie, im PET sind auch bei unauffälligem MRT Veränderungen in frontotemporalen Bereichen und den Basalganglien möglich | Selten, Thymom möglich | m > w (9:1) Spätes Erwachsenenalter |
AMPA-Rezeptor [33] | Limbische Enzephalitis mit ausgeprägten Gedächtnisstörungen und Konfabulationen, seltener rein psychiatrische Symptomatik Bei ≈ 30 % Nachweis weiterer Antikörper | Typischerweise mesiotemporale Signalanhebungen im T2-FLAIR-MRT in 90 % der Fälle, im Follow-up können sich Hinweise auf eine Hippokampussklerose zeigen | ≈ 70 %, meist Lungenkarzinom, Mammakarzinom oder Thymom | w > m (2,3:1) Spätes Erwachsenenalter |
GABA-A-Rezeptor [55] | Häufig therapieresistente epileptische Anfälle und Status epilepticus, kognitive Defizite, Desorientierung, Gedächtnisstörungen, Depression, Psychose, Mutismus | Ausgeprägte multifokale oder diffuse kortikale und subkortikale T2-FLAIR-Signalanhebungen, schnelle Progression zu Atrophie und bilateralen Läsionen in einigen Fällen | Selten, Hodgkin-Lymphom möglich | m > w (1,5:1) Frühes Erwachsenenalter |
GABA-B-Rezeptor [40] | Limbische Enzephalitis mit häufigen epileptischen Anfällen, seltener zerebelläre Ataxie oder Hirnstammbeteiligung | Typischerweise mesiotemporale T2-FLAIR-Signalanhebungen, in einzelnen Fällen verbunden mit frontotemporaler Leukenzephalopathie oder extensiveren Läsionen (einschließlich Hirnstamm, Zerebellum und Basalganglien), im Follow-up können sich eine frontotemporale und Hippokampusatrophie entwickeln | ≈ 70 %, meist kleinzelliges Bronchialkarzinom oder neuroendokrine Tumoren | m = w Spätes Erwachsenenalter |
mGluR5 [56] | Limbische Enzephalitis, Ophelia-Syndrom Verhaltensveränderungen, Gedächtnisdefizite, Depression, Wahnvorstellungen | Auffälliges MRT bei ≈ 50 % mit T2-FLAIR-Signalanhebungen mit in limbischen und extralimbischen Arealen | Häufig, meist Hodgkin-Lymphom | m > w (1,5:1) Frühes Erwachsenenalter |
DPPX [29] | Limbische Enzephalitis, Tremor, Myoklonus, Halluzinationen, Desorientierung, Agitation, epileptische Anfälle, therapierefraktäre Diarrhö | Typischerweise unauffälliges MRT, in einigen Fällen unspezifische T2-FLAIR-Signalanhebungen in der periventrikulären oder subkortikalen weißen Substanz | Keine bekannte Tumorassoziation | m > w (2,3:1) Spätes Erwachsenenalter |
PERM, Stiff-Person-Syndrom, Dysautonomie, kognitive Defizite, Halluzinationen, Depression, Ängstlichkeit | Häufig unauffällige Bildgebung, in einigen Fällen T2-hyperintense Läsionen der weißen Substanz, spinale Läsionen oder mesiotemporale Signalanhebungen/Atrophie | < 10 %, meist Thymome | m = w Spätes Erwachsenenalter | |
IgLON5 [24] | Schlafstörungen, Schlafapnoe, Stridor, Dysarthrie, Dysphagie, Dysautonomie, Bewegungsstörungen, kognitive Defizite | Typischerweise unauffälliges MRT | Keine bekannte Tumorassoziation | m = w Spätes Erwachsenenalter |
NMDA-Rezeptor-Enzephalitis
LGI1-Enzephalitis
CASPR2-Enzephalitis
AMPA-Rezeptor-Enzephalitis
GABAA-Rezeptor-Enzephalitis
GABAB-Rezeptor-Enzephalitis
mGluR5-Enzephalitis
DPPX-Enzephalitis
Glycin-Rezeptor-Enzephalitis
GFAP-Meningoenzephalitis
IgLON5-assoziierte Enzephalopathie
Diagnostik
Kriterien für eine mögliche Autoimmunenzephalitis | |
Alle drei genannten Kriterien müssen erfüllt sein: | |
1) | Subakuter Beginn innerhalb von 3 Monaten: Einschränkungen des Kurzzeitgedächtnisses, Bewusstseinsveränderungen oder psychiatrische Symptome |
2) | Mindestens einer der folgenden Punkte: – Neue fokale ZNS-Symptomatik – Epileptische Anfälle ohne bekannte Ursache – Liquorpleozytose (Leukozytenzahl > 5/mm3) – MRT-Befund suggestiv für Enzephalitis |
3) | Ausschluss alternativer Ursachen (infektiologisch, vaskulär, neoplastisch, metabolisch) |
Kriterien für eine definitive limbische Autoimmunenzephalitis | |
Alle vier genannten Kriterien müssen erfüllt sein: | |
1) | Subakuter Beginn innerhalb von 3 Monaten: Einschränkungen des Kurzzeitgedächtnisses, epileptische Anfälle oder psychiatrische Symptome, die eine Beteiligung des limbischen Systems vermuten lassen |
2) | Bilaterale Auffälligkeiten begrenzt auf die medialen Temporallappen im MRT (T2/FLAIR-Wichtung) |
3) | Mindestens einer der folgenden Punkte – Liquorpleozytose (Leukozytenzahl > 5/mm3) – EEG: epileptische/slow-wave-Aktivität im Temporallappen |
4) | Ausschluss alternativer Ursachen (infektiologisch, vaskulär, neoplastisch, metabolisch) |
Kriterien für eine antikörpernegative, wahrscheinliche Autoimmunenzephalitis | |
Alle vier genannten Kriterien müssen erfüllt sein: | |
1) | Subakuter Beginn innerhalb von 3 Monaten: Einschränkungen des Kurzzeitgedächtnisses, Bewusstseinsveränderungen oder psychiatrische Symptome |
2) | Ausschluss gut beschriebener autoimmuner enzephalitischer Syndrome (z. B. typische limbische Enzephalitis, Bickerstaff-Hirnstammenzephalitis, ADEM) |
3) | Abwesenheit gut charakterisierter Autoantikörper in Serum und Liquor sowie mindestens zwei der folgenden Punkte: – MRT-Befund suggestiv für Autoimmunenzephalitis – Liquor: Pleozytose, Nachweis isolierter oligoklonaler Banden und/oder erhöhter IgG-Index – Hirnbiopsie mit inflammatorischen Infiltraten unter Ausschluss anderer Ursachen (z. B. Tumor) |
4) | Ausschluss alternativer Ursachen (z. B. infektiologisch, vaskulär, neoplastisch, metabolisch) |
MRT
Liquor
EEG
Antikörperdiagnostik
Therapie
Langzeitverlauf
Fazit für die Praxis
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Für die meisten Autoimmunenzephalitiden sind die klinischen Manifestationen mittlerweile gut charakterisiert und international konsentierte diagnostische Kriterien etabliert.
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MRT, Liquor und EEG können unauffällig sein und Normalbefunde schließen eine Autoimmunenzephalitis daher nicht aus.
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Auch zur Therapie gibt es konsentierte Empfehlungen; randomisierte klinische Therapiestudien (z. B. zu Bortezomib, IVIG, Inebulizumab, Sartralizumab und Rozanolixizumab) laufen jedoch gerade erst an, in Deutschland vor allem koordiniert durch das Enzephalitis-Netzwerk GENERATE
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Eine frühzeitige und adäquate Therapie ist einer der wichtigsten Prädiktoren für ein gutes Outcome.
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Zum Langzeitverlauf gibt es bisher erst unzureichende Daten. Viele Patienten leiden jedoch an persistierenden kognitiven Defiziten, die bisher meist nur unzureichend rehabilitiert werden.
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Aufgrund der dynamischen Entwicklung des Autoimmunenzephalitis-Feldes ist auch in Zukunft mit der Charakterisierung zahlreicher neuer, pathogenetisch relevanter Antikörper, neuer klinischer Entitäten und neuer Assoziationen von Antikörpern und klinischen Korrelaten zu rechnen.