Rechtsherzkatheteruntersuchung
Für die Rechtsherzkatheteruntersuchung
bestehen zwei große Indikationsgruppen. Einerseits ermöglicht der
Pulmonaliskatheter ein erweitertes
hämodynamisches Monitoring und wird daher vor allem auf Intensivstationen und auch perioperativ in der Herzchirurgie eingesetzt (Tab.
1). Sinnvoll ist die dies vor allem bei akuter Linksherzinsuffizienz
, schweren Schockzuständen und akutem Lungenversagen aus differenzialdiagnostischen Gründen (septischer Schock versus
kardiogener Schock) sowie zur Therapiesteuerung. In diesem klinischen Kontext kommen aber zunehmend auch alternative Verfahren zum Einsatz, die beispielsweise auf der Pulswellenkonturanalyse basieren.
Tab. 1
Indikation Rechtsherzkatheteruntersuchung
Rechtsherzkatheteruntersuchung
| |
| Ätiologisch unklares Schockgeschehen Differenzierung/Monitoring/Therapiesteuerung |
Herzchirurgie | Perioperatives Monitoring |
| Quantifizierung der Widerstandserhöhung, medikamentöse Testung der Reagibilität |
Kombinierte Links-/Rechtsherzkathteteruntersuchung
| |
| Differenzierung links-/rechtskardial oder pulmonale Genese |
| Exakte Berechnung der Klappenöffnungsfläche falls diskrepante nicht invasive Befunde |
Invasive Abklärung Mitralklappenstenose | Exakte Bestimmung der Klappenöffnungsfläche falls diskrepante nichtinvasive Befunde oder Inkongruenz zwischen klinischem Bild und nichtinvasiver Diagnostik |
Invasive Abklärung Mitralklappeninsuffizienz | Quantifizierung der hämodynamischen Relevanz bei nichtkonklusiven nichtinvasiven Befunden, Untersuchung ggf. unter Belastung |
Andererseits wird die Rechtsherzkatheteruntersuchung aus differenzialdiagnostischen Erwägungen (Abgrenzung: primär kardiale versus primär pulmonale Genese) bei unklarer
Rechtsherzinsuffizienz durchgeführt. Hierbei kann durch die Messung und Analyse der Drücke und Widerstände in der Lungenstrombahn eine prä-kapilläre (primär pulmonale) von einer post-kapillären (primär kardialen) Druckerhöhung abgegrenzt werden. In diesem Zusammenhang kommt dem pulmonalarteriellen Verschlussdruck (pulmonary capillary wedge pressure, PCWP) eine besondere Bedeutung zu. Der PCWP bildet in Annäherung den linksatrialen Druck und damit – bei normal öffnender Mitralklappe – auch den linksventrikulär enddiastolischen Druck ab. Ist dieser bei gleichzeitig erhöhtem pulmonalarterielle Druck erhöht, weist dies auf eine primär kardiale
pulmonale Hypertonie hin. Dies kann beispielsweise Folge einer Linksherzinsuffizienz sein. In diesem Fall ist auch der pulmonale Widerstand nicht erhöht. Bei normalem PCWP und erhöhtem pulmonalarteriellem Druck kommt es somit in der Lungenstrombahn zum Druckanstieg, was auf eine primär pulmonale Ursache hinweist. In diesem Fall ist der pulmonalarterielle Widerstand pathologisch erhöht.
Sinnvoll ist die kombinierte Links-/Rechtsherzkatheteruntersuchung
auch bei Klappenvitien zur Quantifizierung des Insuffizienz-/Stenosegrades. Shuntvitien können heutzutage auch sehr gut mit der kardialen Magnetresonanztomographie evaluiert werden, jedoch stellt die Rechtsherzkatheteruntersuchung
mit Stufenoxymetrie den
Goldstandard zur Quantifizierung von Shuntvitien dar.
Linksherzkatheteruntersuchung
Die Indikationskriterien zur Linksherzkatheteruntersuchung
sind sehr gut in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung abgebildet (Tab.
2; Hamm et al.
2008).
Tab. 2
Indikation Linksherzkatheteruntersuchung bei stabiler Klinik (nur Klasse-I- oder -IIa-Empfehlung)
Angina pectoris CCS III/IV |
De novo oder unter Therapie | I |
Hochrisikomerkmale bei nichtinvasiver Testung | Unabhängig des klinischen Bildes | I |
Angina pectoris CCS I/II | Fehlende Beschwerdefreiheit | IIa |
Verschlechterung der Ergebnisse des Ischämietests | Gleiche Technik | IIa |
Patient mit typischer Angina und hoher Vortestwahrscheinlichkeit | Fehlende Möglichkeit eines Belastungstests | IIa |
Verdacht auf hochgradige Stenose proximaler Koronarsegmente in der Computertomografie | CT der Koronarien stellt jedoch keine Screeningmethode dar | IIa |
Berufsbedingt (Fremdgefährdung) notwendiger sicherer Ausschluss einer KHK bei Risikomerkmalen (Ischämietest, Klinik) | z. B. Taxi-/Busfahrer, Kranführer | IIa |
Asymptomatische Männer/postmenopausale Frauen mit ≥ 2 Risikofaktoren und pathologischem Ischämienachweis | Falls Ergometrie als Ischämienachweis ggf. Durchführung eines alternativen Stresstests (z. B. c-MRT) | IIa |
Asymptomatischer Patient nach Myokardinfarkt und pathologischem Ischämienachweis | Falls Ergometrie als Ischämienachweis ggf. Durchführung eines alternativen Stresstests (z. B. c-MRT) | IIa |
Die Linksherzkatheteruntersuchung ist kein Screeningverfahren zur Diagnostik der
koronaren Herzerkrankung. Die große Mehrzahl von Linksherzkatheteruntersuchungen wird im Sinn einer
Stufendiagnostik bei entsprechend hoher Vortestwahrscheinlichkeit zur Evaluation einer stenosierenden koronaren Herzerkrankung durchgeführt. Die Indikation ergibt sich in diesem Zusammenhang prinzipiell bei bestehenden typischen klinischen Symptomen und/oder einem positiven Ischämienachweis. Weiterhin ist aufgrund des invasiven Charakters der Untersuchung zu fordern, dass die aus der Untersuchung resultierenden therapeutischen Konsequenzen (z. B. PTCA oder Bypassoperation) entweder die
Lebensqualität oder die Prognose des Patienten verbessern (Bonzel et al.
2008). Die Indikation zur Katheteruntersuchung sollte daher bei einer stark prognoselimitierenden malignen Erkrankung gut überdacht und bei Ablehnung therapeutischer Konsequenzen durch den Patienten nicht durchgeführt werden.
Den größten Nutzengradienten zeigt die Linksherzkatheteruntersuchung bei Patienten mit
akutem Koronarsyndrom und hierbei vor allem beim ST-Streckenelevations-Myokardinfarkt
(Roffi et al.
2015). Die zeitgerechte direkte (sofortige) perkutane koronare Revaskularisation der verschlossenen Infarktarterie führt im Gegensatz zur Thrombolysetherapie zu einer weiteren Reduktion der Sterblichkeit sowie der Inzidenz intrakranieller Blutungen. Auch Patienten mit akutem Koronarsyndrom aber ohne ST-Streckenelevation profitieren prognostisch von einer frühen invasiven Vorgehensweise im Vergleich zu einer primär konservativen Strategie.
Bei Patienten mit stabiler klinischer Symptomatik besteht der höchste Empfehlungsgrad (Klasse-I-Indikation) zur Durchführung einer Linksherzkatheteruntersuchung für Patienten mit einer neu aufgetretenen Angina-
pectoris
-Symptomatik der Funktionsklasse CCS III/IV oder Patienten, die unter Medikation keine Beschwerdebesserung erfahren. Ebenso wird für Patienten mit dem gleichen hohen Evidenzgrad eine Linksherzkatheteruntersuchung empfohlen, wenn Hochrisikomerkmale in der nichtinvasiven Risikostratifizierung vorliegen. Als Hochrisiko-Konstellation werden beispielsweise auch unabhängig vom klinischen Bild eine echokardiographisch hochgradig reduzierte linksventrikuläre Pumpfunktion oder ein pathologischer Belastungstest definiert.
Weiterhin gibt es eine Reihe von Klasse-II-Empfehlungen, die aus einer typischen Klinik entsprechend der Funktionsklassen CCS I/II unter Medikation oder auch der Verschlechterung eines nichtinvasiven Belastungstest resultieren (Tab.
2). Im Rahmen einer präoperativen Risikostratifizierung ergibt sich für Patienten
vor großen vaskulären Eingriffen ebenfalls eine Klasse-IIa-Indikation für eine Linksherzkatheteruntersuchung.
Für den Großteil der Patienten mit akutem Koronarsyndrom
konnte ein prognostischer Vorteil für eine invasive Vorgehensweise gezeigt werden. Abhängig vom Akutrisiko werden jedoch unterschiedliche Zeitintervalle bis zur invasiven Diagnostik empfohlen (Tab.
3).
Tab. 3
Indikation zur invasiven Diagnostik und Therapie bei akutem Koronarsydnrom
Notfallindikation
|
Sofortige Intervention (PCI)
| |
ST-Elevations-Myokardinfarkt ( STEMI, ESC Leitlinie 2012) | Zeitliche Verzögerung maximal 90 Min. von erstem medizinischen Kontakt bis Gefäßeröffnung | I |
Dringliche Indikation („sehr hohes Risiko“)
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Verzögerung maximal 120 Min.
| |
Nicht-ST-Elevations-akutes-Koronarsyndrom (NSTE-ACS) mit Hochrisikomerkmalen | Assoziierte Herzinsuffizienz, hämodynamische Instabilität, refraktäre Angina, schwere ventrikuläre Rhythmusstörungen | I |
Frühe Indikation („hohes Risiko“)
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Verzögerung maximal 24 h
| |
NSTE-ACS mit GRACE-Risikoscore > 140 oder 1 Hochrisikomerkmal | Troponin-Anstieg/-Abfall oder dynamische EKG-Veränderungen | I |
Frühe elektive Indikation („intermediäres Risiko“)
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Verzögerung maximal 72 h
| |
NSTE-ACS mit erneuten Symptomen | Falls dann Beschwerden persistent, dringliche Indikation | I |
NSTE-ACS mit 1 Risikomerkmal | Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz (GFR < 30 ml/min), z. B. CABG oder PCI, eingeschränkte LV-Funktion (LVEF < 40 %), GRACE-Score 109–140 | IIa |