Definition
Als Lebermetastasen bezeichnet man Absiedlungen von extrahepatischen Tumorzellverbänden in die Leber.
Pathophysiologie
Lebermetastasen können hämatogen über das portalvenöse oder über das arterielle System entstehen und richtet sich nach dem entsprechendem Abflussgebiet der Primärneoplasie, gelegentlich ist auch eine Erstmanifestation der Lebermetastasen vor dem Primärtumor möglich. Weitere Entstehungswege sind lymphogen oder seltener per continuitatem. Bei extrahepatischen Malignomen treten in ca. 40 % der Fälle Lebermetastasen auf. Bei Patienten mit einer
Leberzirrhose sind seltener Metastasen zu erwarten. Die häufigsten Metastasen
der Leber sind Karzinome,
Lymphome und
Sarkome in absteigender Reihenfolge. Die häufigsten Lebermetastasen der Karzinome entstammen vom Kolon/Rektum, vom Pankreas, von der Lunge, der Mamma, vom Ösophagus und Magen, dem Urogenitaltrakt und von neuroendokrinen Neoplasien (Ishak et al.
2001). Vor allem gastrointestinale Tumoren metastasieren in die Leber aufgrund der portalvenösen Drainage und der ersten Filterung in der Leber durch das sinusoidale Kapillarbett (Pickren und TsukadaY
2005).
Epidemiologie
Lebermetastasen sind die häufigsten bösartigen Tumoren der Leber und neben den Lymphknoten der häufigste Ort einer Metastasierung (Eder und Weiss
1991). Weltweit zeigen sich hier deutliche Unterschiede, so liegt das Verhältnis von sekundären zu den primären Lebertumoren in der westlichen Welt (Europa und Nordamerika) bei 40:1 und in Japan 2,6:1 (Hamilton
2000).
Klinik
Häufig entwickelt sich im Laufe einer Lebermetastasierung als Zeichen einer progredienten Erkrankung ein zunehmendes Krankheitsgefühl, Gewichtsverlust, Oberbauchbeschwerden und
Schmerzen sowie eine zunehmende Hepatomegalie. Ein
Ikterus kann auftreten und je nach Schweregrad der Metastasierung unterschiedlich stark ausfallen, ebenso ein begleitender
Pruritus. Darüber hinaus finden sich zumeist
Ödeme,
Aszites und Pleuraergüsse. Selten kann es als Ausdruck einer großen Tumormasse und einem damit einhergehenden erhöhten Glukoseverbrauch zu einer
Hypoglykämie kommen. Metastasen von neuroendokrinen Tumoren können durch eine charakteristische Flush-Symptomatik klinisch sichtbar werden.
Diagnostik
Labordiagnostik
Spezifische Laborparameter zum Nachweis einer Lebermetastasierung existieren nicht. Als erstes Zeichen kommt es jedoch häufig zu einem Anstieg der Gamma-Glutamyltransferase (γ-GT). Darüber hinaus findet man häufig eine Erhöhung der
Laktatdehydrogenase (LDH) und der Aminotransferasen. Das Gesamtbilirubin steigt meist mit zunehmender Metastasierung an, ebenso kann als Ausdruck einer hohen Tumorlast die Lebersyntheseleistung abnehmen.
Tumormarker sind zur Primärdiagnostik nicht geeignet, können jedoch je nach Primärlokalisation als Verlaufsparameter herangezogen werden.
Bildgebende Verfahren
Der Bildgebung kommt bei der Diagnostik von Lebermetastasen eine entscheidende Bedeutung zu, da hierdurch über Ausmaß und Lokalisation der Metastasen die therapeutische Strategie festgelegt werden kann. Als primäre Diagnostik dient hier v. a. die konventionelle Abdomensonographie. Die Sensitivität liegt hierbei jedoch bei nur 71 %, eine Steigerung der Sensitivität kann z. B. durch den Einsatz einer kontrastmittelgestützten
Sonographie erreicht werden.
Aufgrund der vergleichsweise geringen Sensitivität der
Sonographie ist v. a. die Computertomographie (CT) mit Kontrastmittel (KM-CT) die am weitesten verbreitete Diagnostik. In Abhängigkeit von der Schichtdicke lässt sich hiermit bei 2–4 mm eine Sensitivität von ca. 89 % erreichen. Angewandt wird v. a. eine mehrphasische CT mit arterieller und portalvenöser Phase. Ein weiterer Vorteil der CT ist die damit einhergehende Durchführung einer extrahepatischen Ausbreitungsdiagnostik, da diese der Magnetresonanztomographie (MRT) hierbei überlegen ist.
Der Vorteil der MRT liegt in der Verabreichung eines organspezifischen Kontrastmittels, so können Leberläsionen mit höchster Sensitivität beurteilt werden. Daher ist die MRT insbesondere für die intrahepatische Ausbreitungsdiagnostik vor einer geplanten Resektion oder
Radiofrequenzablation die Methode der Wahl.
Differenzialdiagnostik
Differenzialdiagnostisch müssen v. a. benigne Lebertumoren (Kap. Benigne Lebertumoren
) und primäre Lebertumoren von Lebermetastasen abgegrenzt werden.
Therapie
Im Wesentlichen unterscheidet man bei der Therapie von Lebermetastasen zwischen lokoregionären und systemischen Therapien. Zu den lokoregionären Therapien gehören die Resektion und interventionelle Verfahren wie die
Radiofrequenzablation, transarterielle Therapieverfahren wie die transarterielle Chemoembolisation (TACE) oder die selektive interne Radiotherapie (SIRT) und die
Strahlentherapie. Die systemischen Therapien bestehen aus klassischen Zytostatika sowie aus neueren sog. „Targeted Therapies“ mit
Antikörpern und „Small Molecules“ und ggf. Hormontherapien und richtet sich nach der Primärlokalisation des Tumors.
Chirurgie
Als
Goldstandard gilt die chirurgische Resektion von Lebermetastasen, da durch die angestrebte R0-Resektion die größten Heilungschancen erreicht werden können. Das Ausmaß der Resektion richtet sich dabei nach der Metastasenlokalisation (peripher, zentral, unilobär, bilobär), der Beziehung zu den Gallenwegen und den Gefäßen sowie nach der Leberfunktion und den Begleiterkrankungen des Patienten. Als klassische chirurgische Verfahren gelten atypische Resektionen, anatomische Segment- oder Lappenresektionen, Hemihepatektomien oder erweitere Resektionen. Auch multiple Lebermetastasen sind keine Kontraindikation für eine chirurgische Resektion, sondern die Indikation zur Operation richtet sich nach der technischen und funktionellen Resektabilität, jedoch ist die Prognose bei bilobärem Befall, zentraler Lokalisation und ggf. extrahepatischer Manifestation schlechter. Auch primär nicht resektable Lebermetastasen können in einigen Fällen durch eine Vorbehandlung mit einer Chemotherapie oder durch eine Induktion einer Hypertrophie durch Pfortaderembolisation resektabel werden. In manchen Situationen, wie ausgeprägten
Schmerzen oder bei unterer Einflussstauung, kann auch eine Resektion und palliative Intention sinnvoll sein. Eine weitere Ausnahme bilden neuroendokrine Tumoren, bei denen durch ein Tumordebulking eine Besserung der klinischen Symptomatik erreicht werden kann.
Interventionelle Verfahren
Chemoablative Verfahren
Hierzu zählen die perkutane Ethanolinjektion (PEI), die transarterielle Chemotherapie (TAC) mit oder ohne Embolisation (TACE). Erstere spielt bei der Behandlung von Lebermetastasen kaum eine Rolle. Bei der TACE wird ein Lipiodol-Chemotherapie-Gemisch in die Arteria hepatica appliziert mit anschließender Embolisation des Gefäßes, die zu einer ischämischen und zytotoxischen Zerstörung der Tumorzellen unter Schonung des normalen Leberparenchyms führt. Eine Weiterentwicklung hiervon sind mit Chemotherapeutika beladene Partikel („drug-eluting beads“).
Thermoablative Verfahren
Bei thermoablativen Verfahren
unterscheidet man zwischen hyperthermen und hypothermen Verfahren. Das am häufigsten angewandte Verfahren ist die
Radiofrequenzablation (RFA), bei der durch hochfrequenten Wechselstrom im Radiofrequenzbereich von 300–500 kHz eine Gewebeerhitzung und dadurch eine Koagulationsnekrose in der Metastase induziert wird. Der Zugang kann perkutan, laparoskopisch oder offen chirurgisch gewählt werden. Drei bis fünf Tumoren bis etwa 3 cm Durchmesser können mit einem umgebenden Sicherheitssaum von 1 cm sicher abladiert werden. Bei größeren oder mehreren Tumoren sind hierfür ggf. mehrfache Sondenplatzierungen erforderlich. Die Ergebnisse nach RFA sind denen nach Resektion vergleichbar. Die laserinduzierte Thermotherapie (Litt)
ist mit der RFA vergleichbar und erzeugt eine Gewebeerhitzung durch einen Nd-YAG-Laser. Bei der Mikrowellenablation
erzeugen Mikrowellen mit einer Frequenz von 2450 MHz eine entsprechende Gewebeerhitzung. Ein modernes Verfahren ist der hochintensitätsfokussierte Ultraschall (HIFUS)
mit kurzer Ablationsdauer und jedoch einem nur sehr kleinen Ablationsareal von 2–3 mm, sodass hier mehrere Sitzungen erforderlich sind.
Die Kryoablation gehört zu den hypothermen Verfahren, wobei hierfür mit Stickstoff beladene Sonden die Tumoren tieffrieren und durch Eiskristallbildung einen raschen, irreversiblen Zellschaden hervorrufen. Tumoren bis zu 3 cm Durchmesser können sicher behandelt werden. Problematisch ist allerdings in der Auftauphase ein gesteigertes Blutungsrisiko.
Radioablative Verfahren
Zu den radioablativen Verfahren
gehören die selektive interne
Strahlentherapie (SIRT
) und die perkutane Brachytherapie
. Die SIRT ist eine Kombination aus lokaler Radiotherapie und transarterieller Embolisation vergleichbar mit der TACE. Im Gegensatz hierzu werden jedoch Yttrium-90-Partikel transarteriell in die Leber eingeschwemmt, die zu Mikroembolisationen im Tumorbett führen. Über die von den β-Partikeln erzeugte Strahlung mit einer Eindringtiefe von 2–4 mm wird eine Tumornekrose induziert. Das Verfahren kommt v. a. in der Palliativsituation zum Einsatz, hauptsächlich bei kolorektalen, auf die Leber beschränkten Metastasen. Ein Nachteil des Verfahrens ist die Induktion einer Strahlenhepatitis. Bei der perkutanen CT-gesteuerten Brachytherapie wird ein Katheter mit einer Iridium-192-Strahlenquelle in den Tumor eingebracht. Hierdurch können Dosen bis 50 Gy zentral in dem Tumor appliziert werden, wobei der Vorteil zu den lokal ablativen Verfahren darin liegt, dass auch größere Tumoren mit Nähe zu den Gefäßen („heat-sinking effect“) behandelt werden können.
Weitere Strahlentherapeutische Behandlungsmethoden kommen v. a. bei zentral gelegenen, nicht operablen Tumoren zum Einsatz. Hierbei werden nicht invasive stereotaktische Bestrahlungstechniken auch in kurativer Intention bei geringen Nebenwirkungen angewendet. Bei dieser bildgesteuerten Radiotherapie („image-guided radiotherapy“) kann die Bestrahlung entweder als Einzeitbestrahlung oder als hypofraktionierte Bestrahlung in wenigen Sitzungen angewendet werden.
Verlauf und Prognose
Hinsichtlich der Prognose und des Krankheitsverlaufs ist das Auftreten von Fernmetastasen, wie z. B. den Lebermetastasen bei soliden Tumorerkrankungen, ein entscheidender negativer Faktor und beeinflusst maßgeblich die zur Option stehenden Therapiemöglichkeiten. Darüber hinaus hängt die Prognose im Wesentlichen von der Lokalisation des Primärtumors, der Ausdehnung der Lebermetastasierung und den Therapiemöglichkeiten ab.
Bei kolorektalen Lebermetastasen, die reseziert worden sind, liegt das 5-Jahres-Überleben nach R0-Resektion bei 20–45 % Malafosse et al. (
2001), jedoch sind bei Diagnosestellung nur 15–20 % resektabel. Bei Patienten mit Lebermetastasen von neuroendokrinen Lebermetastasen kann nach kurativer Resektion ein 5-Jahres-Überleben von bis zu 70 % erreicht werden, ggf. können diese Patienten aber auch von einem Tumordebulking profitieren, da durch Senkung der Tumorlast eine Symptomkontrolle erreicht werden kann. Bei Lebermetastasen von Pankreas oder
Magenkarzinomen sowie Bronchialkarzinomen liegt das Überleben bei Auftritt von Lebermetastasen im Schnitt bei ca. 6 Monaten, sodass diese auch nicht von einer Resektion profitieren. Bei isoliert hepatisch metastasierten
Mammakarzinomen liegen die 5-Jahres-Überlebensraten bei ca. 15–60 %, wenn die Patienten weiterhin systemisch behandelt werden.