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Die Ärztliche Begutachtung
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Publiziert am: 28.12.2022

Vaskulitiden – Begutachtung

Verfasst von: Melanie Hagen
Unter einer Vaskulitis versteht man eine Entzündung von Blutgefäßen. Dabei erfolgt die Unterteilung primär anhand der Gefäßgröße: Großgefäßvaskulitiden, Vaskulitis mittelgroßer Gefäße und die Kleingefäßvaskulitis.
Je nach Entität unterscheiden sich die Endorganschäden. So führen Großgefäßvaskulitiden zu Ischämien und Nekrosen, Entzündungen mittelgroßer Gefäße zu Störungen von Organdurchblutungen und die Kleingefäßvaskulitiden zu Blutungen und Entzündungen.
Die Riesenzellarteriitis ist eine häufige Großgefäßvaskulitis und tritt häufig mit proximalen Myalgien und Allgemeinsymptomen auf. Die bekannteste Kleingefäßvaskulitis ist die Granulomatose mit Polyangiitis (GPA), früher als Morbus Wegener bezeichnet. Kleingefäßvaskulitiden können nach ihrem ANCA-Antikörperprofil differenziert werden.

Einleitung

Unter einer Vaskulitis versteht man eine Entzündung von Blutgefäßen. Dabei erfolgt die Unterteilung primär anhand der Gefäßgröße: Großgefäßvaskulitiden, Vaskulitis mittelgroßer Gefäße und die Kleingefäßvaskulitis. Je nach Entität unterscheiden sich die Endorganschäden. So führen Großgefäßvaskulitiden zu Ischämien und Nekrosen, Entzündungen mittelgroßer Gefäße zu Störungen von Organdurchblutungen und die Kleingefäßvaskulitiden zu Blutungen und Entzündungen. Die Riesenzellarteriitis ist eine häufige Großgefäßvaskulitis und tritt häufig mit proximalen Myalgien und Allgemeinsymptomen auf. Die Polymyalgia rheumatica ist zwar keine Gefäßentzündung, ihre Klinik ähnelt aber sehr der Großgefäßvaskulitis und ist eine wichtige Differentialdiagnose. Dabei stellt die PMR eine der häufigsten rheumatologischen Erkrankungen dar.
Ist die Arteria temporalis betroffen, muss sofort eine Therapie eingeleitet werden, da sonst eine irreversible Erblindung droht.
Die bekannteste Kleingefäßvaskulitis ist die Granulomatose mit Polyangiitis (GPA), früher als Morbus Wegener bezeichnet. Kleingefäßvaskulitiden können nach ihrem ANCA-Antikörperprofil differenziert werden.

Polymyalgia rheumatica (PMR) und Arteritiden

Eine der häufigsten rheumatologischen Erkrankungen ist die Polymyalgia rheumatica mit einer Inzidenz von 13–50/100.000 die mit zunehmendem Alter deutlich an Häufigkeit zunimmt. Die genaue Ursache ist nicht geklärt, es zeigen sich Entzündungen der Gelenke und Bursen vornehmlich des Schulter- und Beckengürtels (Kermani und Warrington 2013).
Klinisch präsentieren sich PatientInnen mit starken proximalen Myalgien im Schulter- und Beckengürtel. Haare kämmen, über Kopfarbeiten, Ein- und Aussteigen aus dem Auto werden als plötzlich problematisch geschildert. Allgemeinsymptome und Arthritis der kleinen Gelenke können ebenfalls auftreten. Bei Auftreten einer Arthritis kann die PMR in eine late onset Rheumatoide Arthritis übergehen.
Entzündungsparameter sind häufig deutlich erhöht, dagegen findet sich die CK im Vergleich zur Myositis normwertig, das Antikörperprofil ist meist unauffällig (Buttgereit et al. 2016; Dejaco et al. 2015).
Die Arthrosonographie kann zur Detektion von Bursitiden und Tenosynovitiden beitragen, bei unklaren Befunden kann auch ein Positronen Emissions Tomographie/CT (PET/CT) weiterhelfen.
Als Leitfaden dienen die EULAR/ACR-Kritierien (Sivakumar et al. 2020).
Charakteristisch für die PMR ist ein rasches (teils innerhalb 24 h) Ansprechen auf eine moderate Glukokortikoiddosis. Wichtig ist ein sehr langsames Ausschleichen im Verlauf. Weiterhin kann Methotrexat zur Remissionserhaltung eingesetzt werden.
Eine der wichtigsten Differentialdiagnosen der PMR ist die Riesenzellarteriitis, deren Prävalenz ebenfalls mit steigendem Alter zunimmt. Die klinischen Symptome ähneln sich häufig, da Myalgien und Muskelschwäche der proximalen Muskulatur auftreten können. Allerdings sind bei der Riesenzellarteriitis Kopfschmerz, Sehstörungen, Kau-Claudicatio und Auftreten von vegetativen Symptomen charakteristischer, da diese mit der Entzündung von der Aorta und ihren Abgängen zusammenhängt. Eine gefährliche Komplikation ist die Amaurosis fugax, welche einen absoluten Notfall darstellt und sofortiger Behandlung bedarf, da es sonst zur Erblindung kommen kann. Bei Befall der Temporalarterie ist diese oft druckschmerzhaft und teils verhärtet. Es können Blutdruckdifferenzen zwischen linker und rechter Körperhälfte auftreten (Dejaco et al. 2018).
Entzündungszeichen sind meist deutlich erhöht. Antikörper unauffällig.
Gefäßultraschall ist ein wichtiges Diagnostikum genauso wie die PET-CT (Weinrich et al. 2020). Bei fehlendem bildmorphologischen Nachweis ist eine Biopsie noch bis 2 Wochen nach Therapiebeginn möglich. Die Diagnostik sollte nie einen Therapiebeginn verhindern (Stone et al. 2017). Weiterer Leitfaden zur Diagnostik sind die EULAR/ACR-Klassifikationskriterien.
Therapie der Wahl sind hochdosierte Glukokortikoide. Zur Remissionserhaltung dienen Interleukin-6-Rezeptor-Inhibitoren, seltener Methorexat.

Vaskulitis kleiner und mittelgroßer Gefäße (PAN, ANCA, MPA, GPA, EGPA)

Die Polyarteriitis nodosa (PAN) ist eine nekrotisierende Vaskulitis mittelgroßer Gefäße. Männer sind häufiger betroffen und die Erstmanifestation liegt um das 70. Lebensjahr.
Klinisch treten oft Allgemeinsymptome und Haumanifestationen wie eine Livedo racemosa (gekennzeichnet durch eine verzweigte Struktur livider Verfärbungen mit dem Erscheinungsbild unterbrochener Kreise), knotige Veränderungen oder Ulcerationen auf. Darüberhinaus treten Organischämien wie Darm- oder Nierenischämien auf. Auch Mononeuritiden können vorhanden sein. Bei männlichen Patienten findet sich häufig eine Orchitis. Eine Assoziation mit Hepatitiden ist bekannt (Hernández-Rodríguez et al. 2014).
Entzündungszeichen sind erhöht, weitere Laborparameter je nach Endorganschaden. Sonographie und Angiographie sind maßgebliche Diagnostika. In der Angiographie zeigen sich charakteristische durch Stenosen verursachte „Perlschnurartige“ Darstellung der betroffenen Arterien.
Remissionsinduktion erfolgt mit Prednisolon, bei schweren Verläufen mit Cyclophosphamid. csDAMRD-Therapie (conventional synthetic disease-modifying anti-rheumatic drug) bei milderen Verläufen.
Die häufigsten Vaskulitiden (Jennette et al. 2013; Salvador 2020) vor allem kleiner Gefäße sind die ANCA-assoziierten Vaskulitiden. Hierbei entsteht die Entzündung durch Antikörper gegen Antigene des Neutrophilen-Cytoplasmas, anti-neutrophil cytoplasma antibodies (ANCA) (Nakazawa et al. 2019; Domínguez-Quintana et al. 2021; Hunter et al. 2020). Je nach ANCA-Profil werden die Mikroskopische Polyangiitis (MPA) von der Granulomatose mit Polyangiitis (GPA) oder der Eosinophilen Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA) unterschieden. Mikroskopische Polyangiitis und Granulomatose mit Polyangiitis scheinen dabei häufiger aufzutreten als die Eosinophile GPA (Pyo et al. 2022).
Das klinische Bild kann, bedingt durch die das ubiquitäre Vorkommen kleiner Gefäße, sehr unterschiedlich sein.
Häufig beginnt die Erkrankung mit Allgemeinsymptomen. HNO-Symptomatik wie chronische Sinusitiden, nasale Knorpeldestruktion („Sattelnase“) oder Otitiden manifestieren sich häufig. Pulmonale und renale Beteiligungen sind prognostisch eher ungünstig.
Bei der MPA ist die Lungenblutung eine schwerwiegende Komplikation.
Sowohl MPA, GPA und EGPA verursachen Glomerulonephritiden, welche ebenfalls zum irreversiblen Endorganschaden führen können.
Weitere Manifestationen umfassen kutane Manifestationen (palpable Purpura), Arthritiden und neurologische Symptome. Patienten mit einer EGPA können ein Asthma bronchiale in der Vorgeschichte aufweisen und haben ein hohes Risiko für eine kardiale Beteiligung in Form einer eosinophilen Myokarditis.
Laborchemisch zeigen sich meist erhöhte Entzündungszeichen, weitere allgemeine Laborpathologien je nach Organbeteiligung. In der Immunserologie finden sich positive pANCA bei der MPA, cANCA bei der GPA und meist eine hohe Eosionophilie bei der EGPA. Weiterhin können bei der EGPA ebenfalls pANCA auftreten.
Neben dem Organscreening ist die Biopsie wichtiger Bestendteil der Diagnosefindung.
Therapeutisch werden bei allen drei Formen hochdosierte Glukokortikoide in der Akutphase genutzt, bei Lungen- oder Nierenbeteiligung wird Cyclophosphamid begonnen, bei MPA und GPA auch Rituximab. Zur Remissionserhaltung kommen csDMARD zum Einsatz (Mahr et al. 2016).
Literatur
Buttgereit F, Dejaco C, Matteson EL, Dasgupta B (2016) Polymyalgia rheumatica and giant cell arteritis: a systematic review. JAMA 315(22):2442–2458CrossRef
Dejaco C, Singh YP, Perel P et al (2015) European League Against Rheumatism; American College of Rheumatology. 2015 Recommendations for the management of polymyalgia rheumatica: a European League Against Rheumatism/American College of Rheumatology collaborative initiative. Ann Rheum Dis 74(10):1799–1807. https://​doi.​org/​10.​1136/​annrheumdis-2015-207492CrossRef
Dejaco C, Ramiro S, Duftner C et al (2018) EULAR recommendations for the use of imaging in large vessel vasculitis in clinical practice. Ann Rheum Dis 77(5):636–643CrossRef
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Kermani TA, Warrington KJ (2013) Polymyalgia rheumatica. Lancet 381(9860):63–72CrossRef
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Nakazawa D, Masuda S, Tomaru U, Ishizu A (2019 Feb) Pathogenesis and therapeutic interventions for ANCA-associated vasculitis. Nat Rev Rheumatol 15(2):91–101CrossRef
Pyo JY, Ahn SS, Song JJ, Park YB, Lee SW (2022) The reclassification of patients with previously diagnosed eosinophilic granulomatosis with polyangiitis based on the 2022 ACR/EULAR criteria for antineutrophil cytoplasmic antibody-associated vasculitis. J Rheumatol. https://​doi.​org/​10.​3899/​jrheum.​220560. Epub ahead of print. PMID: 36109070
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Weinrich JM, Lenz A, Adam G et al (2020) Radiologic imaging in large and medium vessel vasculitis. Radiol Clin N Am 58(4):765–779CrossRef