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Die Anästhesiologie
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Publiziert am: 18.05.2017

Neuromuskuläres Monitoring

Verfasst von: Thomas Fuchs-Buder und Sebastian Schulz-Stübner
Zum Standardmonitoring während einer Narkose zählen das EKG, die nichtinvasive Blutdruckmessung, die Pulsoxymetrie und die Kapnographie. Trotz erwiesenen Nutzens findet das neuromuskuläre Monitoring jedoch nach wie vor nicht die klinische Anwendung, die man eigentlich erwarten würde. Die Wirkdauer äquipotenter Repetitionsdosen einzelner Relaxanzien variiert deutlich. Daher sind Überdosierung und Kummulation bzw. Unterdosierung und insuffiziente Relaxierung vorprogrammiert. Dies kann zuverlässig vermieden werden, wenn die Nachinjektionen bedarfsadaptiert auf Basis der Relaxometrie erfolgen.

Stellenwert des neuromuskulären Monitorings

Zum Standardmonitoring während einer Narkose zählen das EKG, die nichtinvasive Blutdruckmessung, die Pulsoxymetrie und die Kapnographie. Trotz erwiesenen Nutzens findet das neuromuskuläre Monitoring jedoch nach wie vor nicht die klinische Anwendung, die man eigentlich erwarten würde. Aus diesem Grund werden einleitend die wesentlichen Argumente für seine routinemäβige Anwendung zusammengefasst.

Interindividuelle Variabilität der Relaxanzienwirkung

Muskelrelaxanzien weisen eine ausgeprägte interindividuelle Variabilität auf. Dies berichtete R. Katz [9] bereits in den 1960er-Jahren, als er die Wirkung von d-Tubocurarin (0,1 mg/kg) an insgesamt 100 Patienten untersuchte (Abb. 1). Während es bei 7 Patienten zu einer vollständigen neuromuskulären Blockade kam, konnte bei 6 kein messbarer Effekt festgestellt werden. Bei den restlichen Patienten konnten alle Übergangsstadien zwischen diesen beiden Extremwerten beobachtet werden. Diese ausgeprägte Variabilität ist keineswegs auf d-Tubocurarin beschränkt, sie findet sich auch noch bei den aktuell eingesetzten Relaxanzien: In einer deutsche Multicenterstudie variierte die Wirkdauer äquipotenter Repetitionsdosen von Rocuronium und Cisatracurium zwischen 7 und 20 min. (Abb. 2). Abhängig von der Empfindlichkeit des einzelnen Patienten sind daher Überdosierung und Kummulation bzw. Unterdosierung und insuffiziente Relaxierung vorprogrammiert. Dies kann zuverlässig vermieden werden, wenn die Nachinjektionen bedarfsadaptiert auf Basis der Relaxometrie erfolgen [10].

Restblockaden

Der Einsatz von Muskelrelaxanzien ist mit dem Risiko unvollständiger neuromuskulärer Erholung verbunden. Restblockaden können zu einer erheblichen Gefährdung des Patienten führen. Bereits wenige Jahre nach Einführung von Muskelrelaxanzien erkannten dies Christie u. Churchill-Davidson und stellten einen Nervenstimulator vor, mit dem ein Relaxanzienüberhang diagnostiziert werden konnte [4]. Es gab also schon sehr früh Hinweise, dass neuromuskuläres Monitoring eine wesentliche Voraussetzung zur überlegten und sicheren Anwendung von Relaxanzien ist.
Während lange Zeit davon ausgegangen wurde, dass Restblockaden in erster Linie zu einer funktionellen Beeinträchtigung der Atemmuskulatur führen, haben in den letzten 15 Jahren zahlreiche neue Erkenntnisse zu einem besseren Verständnis der pathophysiologischen Konsequenzen von Restblockaden beigetragen. So gilt mittlerweile als gesichert, dass durch Restblockaden auch die Atemregulation, insbesondere unter hypoxischen Bedingungen, eingeschränkt wird. Ferner wird auch die Koordination der Pharynxmuskulatur und die Integrität des oberen Atemweges beeinträchtigt [6]. Dies kann zu pulmonaler Inhalation sowie inspiratorischer Atemwegsobstruktion führen.
Baillard et al. untersuchten den Einfluss von neuromuskulärem Monitoring und Reversierung auf die Inzidenz von Restblockaden [1]: Anfänglich betrug die Inzidenz von Restbockaden rund 60 %. Wobei lediglich 10 % der Patienten überwacht und ggf. reversiert wurden; im Laufe der Jahre stieg dieser Anteil auf über 70 %, Restblockaden traten hingegen nur noch bei <3 % der Patienten auf (Abb. 3). Dies zeigt eindrücklich, dass durch eine routinemäβige Anwendung des neuromuskulären Monitorings und ggf. eine Reversierung Restblockaden zuverlässig vermieden werden können.
Klinische Zeichen
Zur Beurteilung der neuromuskulären Erholung werden häufig auch klinische Zeichen herangezogen. Einer Erhebung zufolge sind sie in Deutschland gar das beliebteste Kriterium, um Restblockaden zu erkennen. Folgende Zeichen sind in diesem Zusammenhang von Bedeutung [5]:
„Schaukelatmung“ und „ruckartige, unkoordinierte Bewegungen der Extremitäten“
Beide Zeichen sind wichtige klinische Hinweise zum Erkennen einer schweren Restblockade; der Patient ist in dieser Situation akut gefährdet. Als Kriterium zur Überwachung der neuromuskulären Erholung eignen sich beide Zeichen somit nicht – vielmehr sind sie Ausdruck unzureichender Überwachung.
„Kopfanheben
Wird häufig angewendet um die neuromuskuläre Erholung zu beurteilen. Durch Kopfanheben von 5 s wird ein Bereich entsprechend einer TOF-ratio von 0,5–0,8 erfasst, d. h. kein Patient mit einer TOF-Ratio <0,5 und alle mit einer TOF >0,8 konnten dieses Manöver ausführen. Durch Verlängerung auf 10 s kann die Aussagekraft des Tests nicht weiter gesteigert werden. Der Stellenwert dieses Tests wird dadurch eingeschränkt, dass er in den seltensten Fällen tatsächlich 5 s lang durchgeführt wird, sich bei einem kürzeren Zeitintervall seine Aussagekraft jedoch deutlich reduziert.
„Zungenspateltest
Dabei wird der Patient aufgefordert, mit der Zunge einen Holzspatel gegen den Gaumen zu drücken, während der Untersucher versucht, den Spatel zurückzuziehen. Um das Zurückziehen zu verhindern ist eine neuromuskuläre Erholung entsprechend einer TOF-Ratio >0,8 notwendig. Die Aussagekraft wird jedoch dadurch relativiert, dass dieser Test nicht beim (oral) intubierten Patienten durchgeführt werden kann; auβerdem kann er zu Würgen und Erbrechen führen.
Klinische Zeichen liefern somit zwar wichtige Informationen, die in die Entscheidung zur Extubation mit einfließen sollten. Sie sind aber nicht geeignet, das Ausmaβ der neuromuskulären Erholung spezifisch zu beurteilen. Darüber hinaus erlauben sie kein vorausschauendes Management der neuromuskulären Blockade, da die Mitarbeit des Patienten notwendig ist.

Grundlagen des neuromuskulären Monitorings

Nervenstimulation

Die Relaxometrie beurteilt die muskuläre Antwort auf die elektrische Stimulation des entsprechenden motorischen Nervs. Während die Reaktion einer einzelnen Muskelfaser auf diese Stimulation dem „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ folgt, bestimmt die Zahl der insgesamt aktivierten Muskelfasern das Ausmaß der Antwort des Muskels. Der betroffene Muskel entwickelt seine maximale Kraft, sobald die Stärke des Reizstroms ausreicht, um alle Muskelfasern zu stimulieren. Mit Erreichen dieses Plateauwertes führt auch eine weitere Zunahme der Stromstärke nicht mehr zu einer Steigerung der Kraft (Abb. 4). Diese Schwelle wird als maximale Stromstärke bezeichnet; für den N. ulnaris liegt sie erfahrungsgemäß bei 40–50 mA.
Im Rahmen des neuromuskulären Monitorings wird der maximale Reizstrom nochmals um 15–25 % erhöht. Durch diese supramaximale Stromstärke wird trotz möglicher intraoperativer Veränderungen des Hautwiderstands eine konstante Stimulation aller Muskelfasern eines Muskels sichergestellt. Üblicherweise wird deshalb mit 50–60 mA stimuliert
Hingegen beeinträchtigt die Verwendung einer submaximalen Reizstromstärke die Genauigkeit des neuromuskulären Monitorings und sollte deshalb im klinischen Alltag nicht angewendet werden.

Stimulationselektroden

Die Stimulationselektroden leiten den am Nervenstimulator gewählten Strom gegen den Hautwiderstand an die darunter liegenden Gewebestrukturen weiter und haben so einen wesentlichen Anteil daran, dass der Nerv auch tatsächlich mit der gewählten Stromstärke stimuliert wird. Um ein möglichst optimales Weiterleiten des Reizstroms zu gewährleisten, empfiehlt es sich, den Bereich der Haut in dem die Elektroden geklebt werden zuvor zu reinigen bzw. zu entfetten und ggf. zu rasieren. Die Elektroden werden in einem Abstand von 2–4 cm auf beiden Seiten des angenommenen Verlaufs des Nervs platziert. Sowohl ein deutlich größerer als auch ein deutlich geringerer Abstand zwischen den beiden Stimulationselektroden sollte vermieden werden, da sich dadurch die Eindringtiefe des Reizstroms verändern kann und der Nerv möglicherweise nicht mehr optimal stimuliert wird.
Die perioperativ zur EKG-Ableitung benutzten Ag-AgCl-Elektroden eignen sich auch zum neuromuskulären Monitoring.

Stimulationsort und Testmuskel

Der ideale Stimulationsort sollte intraoperativ leicht zugänglich und die Muskelantwort klar definiert sein. Darüber hinaus gilt es, eine direkte Muskelstimulation zu vermeiden und eine Nerv-Muskel-Einheit zu wählen, die es erlaubt, die Reizantwort aufzuzeichnen. Im klinischen Alltag werden der N. ulnaris und der M. adductor pollicis, der N. tibialis posterior und der M. flexor hallucis brevis sowie der N. facialis und der M. orbicularis occuli bzw. der M. corrugator supercilii zur Relaxometrie herangezogen. Diese vier Nerven-Muskel-Einheiten erfüllen das eingangs gestellte Anforderungsprofil in unterschiedlichem Maße.
Direkte Muskelstimulation erkennt man an den schwachen Kontraktionen des Muskels, ohne dass es dabei, wie nach nichtdepolariserenden Relaxanzien üblich, zu einem Ermüdungsphänomen kommt. Diese schwachen Kontraktionen sind auch bei tiefen Muskelblockaden noch unverändert nachweisbar.
Die Gefahr einer direkten Muskelstimulation ist immer dann gegeben, wenn die Stimulationselektrode direkt über den zu beurteilenden Muskel geklebt wird. Um dies zu verhindern, empfiehlt es sich, die Nerven-Muskel-Einheit so zu wählen, dass die Nervenstimulation und die nachfolgende Muskelantwort topographisch eindeutig voneinander getrennt sind.

N. ulnaris/M. adductor pollicis

Der N. ulnaris und der M. adductor pollicis ist die am häufigsten zum neuromuskulären Monitoring verwendete Nerv-Muskel-Einheit. Dies liegt u. a. daran, dass diese Nerv-Muskel-Einheit intraoperativ meist gut erreichbar ist und die Reizantwort sich sowohl zur taktilen/visuellen als auch zur objektiven Beurteilung eignet. Das Risiko einer direkten Muskelstimulation kann hier weitestgehend ausgeschlossen werden, da der M. adductor pollicis auf der lateralen Seite und der N. ulnaris auf der medianen Seite des Arms verläuft [6].
Entsprechend seines Innervationsgebiets kommt es nach Stimulation des N. ulnaris neben einer Beugung in den Fingergrundgelenken auch zur Adduktion von Daumen und Kleinfinger. Zum neuromuskulären Monitoring wird jedoch üblicherweise die Adduktion des Daumens herangezogen. Die motorische Antwort des Daumens kann besser beurteilt werden, wenn die restlichen vier Finger fixiert werden.

N. tibialis posterior/M. flexor hallucis brevis

Analog zur Nerv-Muskel-Einheit N. ulnaris und M. adductor pollicis der oberen Extremität kann an der unteren Extremität der N. tibialis posterior und der M. flexor hallucis brevis zur Relaxometrie verwendet werden. Dazu wird der N. tibialis posterior im Bereich des „malleolus medialis“ stimuliert (Abb. 5) und das Ausmaß der neuromuskulären Blockade anhand der Flexion der Groβzehe beurteilt. Der Verlauf der neuromuskulären Blockade des M. flexor hallucis brevis stimmt weitgehend mit dem am M. adductor pollicis überein.

N. facialis/M. orbicularis occuli bzw. N. facialis/M. corrugator supercilii

Auch Teile der mimischen Muskulatur bieten sich zum neuromuskulären Monitoring an. Dies sind der M. orbicularis occuli und der M. corrugator supercilii. Die entsprechende Muskulatur wird vom N. facialis versorgt (Abb. 6).
Der M. orbicularis occuli umschließt das Auge ringförmig; nach seiner Stimulation kommt es zum Schluss der Lidspalte. Der M. corrugator supercilii zieht die mediane Seite der Augenbrauen nach unten, wodurch es zum typischen Stirnrunzeln kommt. Das Hauptargument für den N. facialis als Stimulationsort liegt in dem für den Anästhesisten unbeeinträchtigten intraoperativen Zugang zum Kopfbereich. Aufgrund der unmittelbaren Nähe des Nervengeflechts zu verschiedenen mimischen Muskeln ist bei diesem Stimulationsort jedoch die Gefahr der direkten Muskelstimulation besonders groß. Es muss daher sorgfältig darauf geachtet werden, auch tatsächlich die entsprechende Reizantwort („Schluss der Lidspalte“ oder „Stirnrunzeln“) zu beurteilen und nicht etwa fälschlicherweise irgendein „Muskelzucken“ in direkter Nähe der Stimulationselektrode als Ausmaß der neuromusulären Blockade interpretiert wird. Darüber hinaus gilt es zu beachten, dass bereits deutlich geringere Stromstärken als beim N. ulnaris zur supramaximalen Stimulation genügen, erfahrungsgemäß 25–30 mA.

Anästhesierelevante Muskelgruppen

Verschiedene Muskelgruppen unterscheiden sich in ihrer Empfindlichkeit gegenüber der Wirkung von Muskelrelaxanzien (Abb. 7). Insbesondere das Zwerchfell und die Larynxmuskulatur sind deutlich resistenter gegenüber der Wirkung von Muskelrelaxanzien als der Referenzmuskel M. adductor pollicis. Aufgrund ihrer guten Durchblutung setzt die neuromuskuläre Blockade jedoch an diesen Muskeln früher als an den Extremitätenmuskeln ein. Hingegen reagieren die meisten am Schluckakt beteiligten Muskelgruppen sensibler auf Muskelrelaxanzien, entsprechend hinkt ihre neuromuskuläre Erholung hinter der des M. adductor pollicis her.
Cave
Selbst bei vollständiger Erholung am M. adductor pollicis kann es so noch zu einer relevanten Beeinträchtigung der am Schlucken beteiligten Muskeln kommen.
Bei unzureichender Erholung der äußeren Zungenmuskulatur kann es darüber hinaus zu inspiratorischer Obstruktion der oberen Atemwege kommen. Diese Muskelgruppe ist ebenfalls deutlich sensibler gegenüber nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien als der M. adductor pollicis und ihre neuromuskuläre Erholung entsprechend verzögert.

Neuromuskuläre Sicherheitsreserve

Als neuromuskuläre Sicherheitsreserve („safety margin“) bezeichnet man den Anteil der Azetylcholinrezeptoren an der motorischen Endplatte, der mit dem Muskelrelaxans besetzt sein muss, bevor erste Zeichen einer neuromuskulären Blockade wahrnehmbar sind; dieser Anteil beträgt ca. 70–75 %. Für die neuromuskuläre Erholung folgt daraus jedoch, dass bereits bei 25–30 % freier Rezeptoren weder mit klinischen Zeichen noch mit den üblichen Stimulationsmuster Restblockaden nachgewiesen werden können. In dieser Situation kommt es aber bereits bei geringsten Verschiebungen des Verhältnisses von Muskelrelaxans und Acetylcholin erneut zu einer klinisch manifesten Blockade. In diesem Zusammenhang konnte nachgewiesen werden, dass z. B. bereits geringe Mengen Magnesium, die normalerweise keine neuromuskulär blockierende Wirkung haben, zu ausgeprägter Rerelaxierung führen [7]. Dadurch werden besonders extubierte Patienten in der unmittelbar postoperativen Phase gefährdet. Durch Reversierung kann die Sicherheitsreserve zumindest teilweise wieder hergestellt werden und solche Medikamenteninteraktionen vermieden werden.

Stimulationsmuster

Zu den wichtigsten Stimulationsmustern zählen der Single Twitch (Einzelreize), die Train-of-four-Stimulation (Vierfachreizung), die Double-Burst-Stimulation, die tetanische Stimulation und der Post-Tetanic-Count [5]. Mit Ausnahme des Single Twitch und der tetanischen Reizung handelt es sich dabei um zusammengesetzte Stimulationsformen. Die einzelnen Stimulationsmuster unterscheiden sich hauptsächlich in der Stimulationsfrequenz und dem Intervall zwischen den einzelnen Komponenten des jeweiligen Reizmusters. Allen Reizmustern gemeinsam sind Form und Dauer des einzelnen Reizes, d. h. ein rechteckiges Signal von 200 μs Dauer sowie die Tatsache, dass sie zur supramaximalen Stimulation entwickelt wurden.
Im folgenden Abschnitt werden die einzelnen Reizmuster beschrieben, ihre klinische Anwendung definiert und ihre Aussagekraft bewertet (Tab. 1).
Tab. 1
Anwendungsempfehlung der einzelnen Stimulationsmuster
Stimulationsform
Wirkungseintritt
Tiefe Blockade
Moderate Blockade
Neuromuskuläre Erholung
TOF
Geeignet
Ungeeignet
Geeignet
Bedingt geeigneta
Geeignetb
DBS
Bedingt geeignet
Ungeeignet
Ungeeignet
Bedingt geeignet
PTC
Bedingt geeignet
Geeignet
Ungeeignet
Ungeeignet
Tetanus (50/100 Hz)
Ungeeignet
Ungeeignet
Ungeeignet
Bedingt geeignet
Tiefe Blockade: TOF-Count = 0
Moderate Blockade: TOF-Count >0
aTOF visuell/taktil beurteilt
bTOF objektiv gemessen

Einzelstimulation

Einzelreiz („Single Twitch“) ist die einfachste Stimulationsform; es werden Einzelreize mit einer Frequenz zwischen 1,0 Hz (eine Stimulation/sec) und 0,1 Hz appliziert.
Als eigenständiges Stimulationsmuster kommt der Single-Twitch-Stimulation keine klinische Bedeutung mehr zu; sie findet lediglich noch als Komponente der Train-of-four-Stimulation bzw. des Post-Tetanic-Count Anwendung.
In Verbindung mit einem Aufzeichnungsgerät findet dieses Stimulationsmodus jedoch nach wie vor zu wissenschaftlichen Untersuchungen Anwendung.

Tetanische Stimulation

Hier wird mit hoher Frequenz (50–200 Hz) stimuliert, wobei die Dauer üblicherweise 5 s beträgt. Die Einzelreizantworten verschmelzen und werden von Untersucher lediglich als eine kräftige kontinuierliche Kontraktion wahrgenommen. Bei unvollständiger Erholung eines Nichtdepolarisationsblocks kommt es initial zur Zunahme der Muskelkontraktion mit anschließender deutlicher Ermüdung.
Klinisch findet der 50-Hz-Tetanus nur noch im Rahmen des „Post-Tetanic-Count“ Anwendung.

Serienstimulation

Train-of-four (TOF)

Die Train-of-four-Stimulation ist seit ihrer Einführung in den frühen 1970er-Jahren der Standard für die perioperative Überwachung der neuromuskulären Wirkung von nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien. Sie ist der Stimulationsmodus mit dem breitesten Anwendungsprofil.
Reizmuster
Während der TOF-Stimulation (Abb. 8) werden vier supramaximale Stimuli (Impulsdauer 0,2 ms) im Abstand von 0,5 s (2 Hz) ausgelöst. Jeder Stimulus in der TOF-Serie führt zu einer Muskelkontraktion.
Beim Wirkungseintritt nichtdepolarisierender Muskelrelaxanzien kommt es – beginnend mit der vierten Reizantwort (T4) – zu einer Ermüdung aller vier Antworten und schließlich zu ihrem vollständigen Erlöschen. Anschließend folgt eine Phase ohne wahrnehmbare Antwort, bevor es dann zum Wiederauftreten der Muskelkontraktionen kommt. Dabei kommen die einzelnen Reizantworten in umgekehrter Reihenfolge ihres Verschwindens zurück, d. h. die erste Antwort in der Viererserie kehrt am frühesten zurück, bevor dann sukzessive die zweite, dritte und schließlich auch die vierte Antwort wieder wahrgenommen werden können.
Die Antwort nach TOF Stimulation kann subjektiv (taktil oder visuell) abgeschätzt oder objektiv aufgezeichnet werden.
Anwendung
Die TOF Stimulation ist das am häufigsten genutzte Stimulationsmuster zur Überwachung nichtdepolarisierender Muskelrelaxanzien.
Aussagekraft
Der TOF gilt als „Universalstimulationsmuster“ und kann sowohl zur Bestimmung des Intubationszeitpunkts, intraoperativ zur Steuerung der Muskelrelaxation und zur Überwachung der neuromuskulären Erholung eingesetzt werden. Intraoperativ kann das Ausmaß der neuromuskulären Blockade durch Abzählen der nach TOF-Stimulation wahrnehmbaren Muskelantworten beurteilt werden (TOF-Count). Sobald alle vier Reizantworten wieder wahrnehmbar sind, beginnt die neuromuskuläre Erholung. Hier gilt, dass die erste der vier Kontraktionen am deutlichsten wahrgenommen wird, die Intensität der nachfolgenden drei Muskelantworten nimmt sukzessive ab. Die vierte Reizantwort ist dementsprechend am schwächsten ausgeprägt. Das Ausmaß dieses Fadings dient als Grundlage zur Beurteilung der neuromuskulären Erholung. Dazu wird die vierte Antwort innerhalb einer TOF-Serie mit der ersten verglichen (T4/T1); dieser Quotient wird als TOF-Quotient bzw. TOF-Ratio bezeichnet. Die Intensität der zweiten und dritten Antwort fließt nicht in die Beurteilung mit ein.
Cave
Einschränkend gilt es jedoch zu beachten, dass die TOF-Stimulation nicht geeignet ist, tiefe neuromuskuläre Blockaden zu überwachen.
Darüber hinaus ist ihre Aussagekraft bei subjektiver Beurteilung der neuromuskulären Erholung – sei es taktil oder visuell – ebenfalls deutlich reduziert:
Tiefe Muskelblockaden
Nach einer üblichen Intubationsdosis (2-mal ED95) eines nichtdepolarisierenden Muskelrelaxans dauert es je nach verwendeter Substanz zwischen 20–40 Minuten, bis die erste TOF-Antwort wieder wahrgenommen werden kann. Während dieses Zeitraums kann mit dem TOF-Modus keine Information über die Tiefe der Muskelblockade gewonnen werden. Wegen der größeren Resistenz des Zwerchfells gegenüber nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien, können aber gerade bei Oberbaucheingriffen bereits in dieser Phase die Operationsbedingungen durch Husten oder Pressen beeinträchtigt werden. Um in dieser Situation kontrolliert nachrelaxieren zu können und so Überdosierungen und Kumulation zu vermeiden, muss neuromuskuläres Monitoring auch Informationen über tiefe Blockaden liefern können. Hier stößt der TOF-Modus an seine Grenzen, lediglich mit dem Post-Tetanic-Count (PTC) kann auch in dieser Situation klinisch relevante Information über die Blockadetiefe gewonnen werden.
Eingeschränkte subjektive Beurteilung
Die zweite Schwäche des TOF ist seine mangelnde Aussagekraft bei subjektiver – taktiler bzw. visueller – Beurteilung der neuromuskulären Erholung. Während durch objektive Messung der TOF-Ratio die neuromuskuläre Erholung exakt beurteilt werden kann, kommt ihr nach subjektiver Beurteilung deutlich weniger Aussagekraft zu. Sobald kein Fading mehr wahrnehmbar ist, kann die neuromuskuläre Erholung auch nicht mehr weiter beurteilt werden; selbst erfahrene Untersucher sind nicht in der Lage, eine TOF-Ratio jenseits von 0,5 zuverlässig zu erkennen. Die taktile bzw. visuelle Beurteilung der TOF-Ratio überschätzt das Ausmaß der tatsächlichen neuromuskulären Erholung deutlich.
Begrenzte Beurteilung eines Depolarisationsblocks
Ferner ist der TOF nur begrenzt zur Beurteilung eines Depolarisationsblocks geeignet. Nach Succinylcholin kommt es zu keinem Fading, vielmehr sind alle vier Reizantworten gleichermaßen reduziert und die TOF-Ratio ist folglich immer 1,0. Darüber hinaus erlöschen auch alle vier TOF-Antworten gleichzeitig, der TOF-Count ist somit entweder „vier“ oder aber „null“. Lediglich Nervenstimulatoren, die nicht nur die TOF-Ratio berechnen sondern auch graphisch anzeigen (z. B. NMT-Modul oder TOFscan) erlauben eine Beurteilung der Erholung eines Depolarisationsblocks.
Nach Succinylcholin kommt es zu keinem Fading-Phänomem. Die TOF-Ratio ist somit nicht zur Beurteilung von Depolarisationsblöcken geeignet.
Zum Phase-2-Block (Dualblock) kann es bei Patienten mit atypischer Plasmacholinesterase und/oder nach Gabe hoher Succinylcholindosen wie z. B. nach repetitiven Boli oder Dauerinfusion kommen. Im Gegensatz zum typischen Depolarisationsblock verhält sich der Phase-2-Block ähnlich einem Nichtdepolarisationsblock, und es kann erneut ein Fading beobachtet werden. Deshalb kann hier die TOF-Stimulation klinisch nützliche Informationen liefern.

Double-Burst-Stimulation (DBS)

Ziel der Entwicklung des DBS war es, ein Stimulationsmuster zu konzipieren, das sich zur taktilen oder visuellen Beurteilung von Restblockaden besser eignete als der TOF.
Reizmuster
Der DBS-Modus setzt sich aus zwei 50 Hz-Salven („burst“) zusammen. Zwischen beiden Salven liegt ein Intervall von 750 ms. Beim DBS 3,3 bestehen beide Salven aus je drei einzelnen Reizen. Beim DBS-3,2-Modus hingegen bestehen lediglich die erste Salve aus drei Reizen, während die zweite nur noch aus zwei einzelnen Reizen besteht (Abb. 9). Aufgrund der hohen Reizfrequenz von 50 Hz verschmelzen die einzelnen Reize einer Salve miteinander und werden als jeweils eine Muskelkontraktion wahrgenommen. Dies trägt dazu bei, dass das Fading der Reizantwort nach DBS besser wahrgenommen wird als nach TOF-Stimulation.
Anwendung
Die subjektive – taktil oder visuell – Beurteilung der neuromuskulären Erholung bleibt die wesentliche Indikation für die Double-Burst-Stimulation. Hier hat sie inzwischen den TOF weitgehend abgelöst.
Aussagekraft
Das Ermüdungsphänomen ist nach DBS deutlich ausgeprägter als nach TOF-Stimulation. Dadurch ermöglicht die Double-Burst-Stimulation auch Restblockaden entsprechend einer TOF-Ratio von 0,6 bis 0,7 noch zuverlässig taktil oder visuell zu erkennen. Restblockaden jenseits dieses Grenzwerts sind jedoch auch mit der Double-Burst-Stimulation nicht mehr wahrnehmbar.
Nach Succinylcholin kommt es nicht zu einem Fading-Phänomem. Zur Beurteilung von Depolarisationsblöcken sind somit weder TOF noch DBS geeignet.

Post-Tetanic-Count (PTC)

Ziel der Entwicklung des PTC war es, eine leistungsfähigere Alternative zum TOF zur Überwachung tiefer Muskelblockaden zu finden. Dieses Stimulationsmuster basiert auf der sog. „posttetanischen Potenzierung“: Durch die tetanische Reizung kommt es kurzfristig zu einer vermehrten Acetylcholinfreisetzung, wodurch sich vorübergehend das Verhältnis von Acetylcholin und Muskelrelaxans an der motorischen Endplatte zugunsten von Acetylcholin verschiebt. Auch wenn zuvor keine Reizantwort mehr wahrnehmbar war, kommt es nach der tetanischen Stimulation kurzfristig wieder zu wahrnehmbaren Muskelkontraktionen.
Reizmuster
Der PTC setzt sich aus einem 50-Hz-Tetanus, der während 5 s appliziert wird sowie – je nach Nervenstimulator – 10–20 Einzelreizen von je 1 Hz zusammen. Die Einzelreize beginnen drei Sekunden nach Ende des Tetanus (Abb. 10). Zwischen zwei PTC-Stimulationen muss mindestens ein Intervall von drei Minuten liegen, anderenfalls kann die nachfolgende PTC-Stimulation beeinflusst werden und die neuromuskuläre Erholung überschätzt werden. Beurteilt wird die Anzahl der taktil oder visuell wahrnehmbaren Einzelreize.
Mit dem Post-Tetanic-Count können tiefe neuromuskuläre Blockaden auch dann noch überwacht werden, wenn mit dem TOF bereits keine Antwort mehr wahrgenommen werden kann. Dies ist dann von klinischer Bedeutung, wenn Reaktionen der resistenten Zwerchfell- bzw. Larynxmuskulatur zuverlässig vermieden werden sollen. Typisches Beispiel hierfür sind Oberbaucheingriffe.
Sobald wieder 12–15 Antworten nach PTC wahrgenommen werden können, steht die Rückkehr der ersten TOF-Antwort unmittelbar bevor.
Anwendung
Der PTC dient zur Überwachung tiefer Muskelblockaden, die mit dem TOF-Modus nicht mehr erfasst werden können.
Aussagekraft
Der PTC ist den anderen Stimulationsmustern bei der Überwachung tiefer Muskelblockaden nach der Gabe von nichtdepolarisierenden Relaxanzien deutlich überlegen.
Nach depolarisierenden Muskelrelaxanzien kommt es hingegen nicht zum Phänomen der posttetanischen Potenzierung. Depolarisationsblöcke nach Succinylcholin können folglich auch mit diesem Stimulationsmuster nicht überwacht werden.

Beurteilung der Reizantwort

Abhängig von der Art der Beurteilung der Reizantwort können zwei Typen von Nervenstimulatoren unterschieden werden: „Einfache“ Nervenstimulatoren und „quantitative“ bzw. „objektive“ Nervenstimulatoren.

Einfacher Nervenstimulator

Die Erfassung der Reizantwort erfolgt mit den Sinnen des Untersuchers, sei es taktil oder visuell. Die klinische Aussagekraft ist zumindest bezüglich Wirkungseintritt und intraoperativem Management der neuromuskulären Blockade zufriedenstellend:
  • Als geeigneter Intubationszeitpunkt kann das vollständige Verschwinden aller vier Reizantworten nach TOF -Stimulation angesehen werden. Einfaches Zählen der Reizantworten genügt, ein Aufzeichnungsgerät ist nicht notwendig.
  • Tiefe neuromuskuläre Blockaden, wie z. B. bei (laparoskopischen) Eingriffen im Oberbauch häufig angewendet, können bis zum Wiedererscheinen der ersten TOF-Antwort mit dem PTC-Modus überwacht werden. Folglich wird auch hier kein Aufzeichnungsgerät benötigt, einfaches Zählen der PTC-Antworten genügt.
  • Das Wiedererscheinen der vierten TOF-Antwort gilt als Ende der chirurgischen Relaxation und geeigneter Zeitpunkt zur Nachrelaxation.
  • Zum Timing und Dosierung von Acetylcholinesterasehemmer wird üblicherweise ebenfalls die Anzahl der TOF-Antworten herangezogen. Timing und Dosierung von Sugammadex basieren auf der PTC-Antwort (tiefer Block) bzw. TOF-Antwort (moderater Block).
Bei der Beurteilung der neuromuskulären Erholung stoßen diese einfachen Geräte jedoch an ihre Grenzen:
  • Bei taktiler bzw. visueller Beurteilung erkennen selbst erfahrene Untersucher jenseits einer TOF-Ratio von 0,5 kein Ermüdungsphänomen mehr. Mit Hilfe der DBS lässt sich diese Grenze zwar in Richtung 0,7 verschieben, der aktuelle Grenzwert für ausreichende neuromuskuläre Erholung von 0,9 ist aber auch damit nicht zu erreichen. Aufgrund dieser eingeschränkten Aussagekraft sollte bei der Verwendung „einfacher“ Nervenstimulatoren die Indikation zur Antagonisierung entsprechend großzügig gestellt werden.

Quantitativer Nervenstimulator

Im Gegensatz zu den einfachen Nervenstimulatoren erlauben quantitative Nervenstimulatoren, die Reizantwort objektiv zu messen (d. h. zu „quantifizieren“). Daraus ergibt sich eine deutlich verbesserte Aussagekraft, insbesondere bei der Beurteilung der neuromuskulären Erholung mit dem TOF-Modus. Während nach subjektiver Beurteilung bereits ab einer TOF-Ratio von 0,4 kein Ermüdungsphänomen mehr wahrgenommen werden kann, erlauben quantitative Nervenstimulatoren das Ausmaß der neuromuskulären Erholung exakt zu bestimmen.
Verschiedene Messverfahren ermöglichen es, die neuromuskuläre Blockade objektiv zu messen; dies sind im Wesentlichen die Mechanomyographie, Elektromyographie, Akzeleromyographie und Kinemyographie.
Mechanomyographie
Bei der Mechanomyographie wird die Kraft der isometrischen Kontraktion des Testmuskels gemessen. Diese Untersuchungsmethode findet aufgrund ihrer Komplexität keine Anwendung im klinischen Alltag. Für wissenschaftliche Fragestellungen ist sie jedoch nach wie vor die Referenzmethode.
Elektromyographie
Die Elektromyographie misst die durch Nervenstimulation ausgelösten Aktionspotenziale über dem Testmuskel. Die Aktionspotenziale werden anschließend elektronisch aufbereitet und als numerischer Wert angegeben. Die Quantifizierung erfolgt entweder durch Berechnung der Amplituden oder der Fläche unter der Kurve des EMG-Signals.
Zur Überwachung der neuromuskulären Transmission werden Oberflächenelektroden über Ansatz und Bauch des Testmuskels geklebt, die Platzierung der Neutralelektrode ist variabel. Routinemäßig wird die Handmuskulatur für das intraoperative neuromuskuläre Monitoring genutzt. Dabei können die EMG-Signale sowohl über dem M. adductor pollicis, dem M. abductor digiti minimi (Hypothenarmuskulatur) als auch über dem M. interosseus dorsalis abgeleitet werden. Die Elektromyographie ist deutlich weniger aufwändig als die Mechanomyographie. Neben dem Einsatz zu wissenschaftlichen Untersuchungen wird diese Technik daher auch im klinischen Alltag angewendet.
Cave
Bei der Stimulation des M. adductor pollicis und der Hypothenarmuskulatur kann das EMG-Signal durch Kontraktionen weiterer Handmuskeln beeinflusst werden. Daher ist eine Immobilisierung der Hand und des Unterarms ratsam. Weiterhin kann die Qualität des EMG durch ungünstige Elektrodenplatzierung, Hypothermie, elektrische Artefakte sowie Störungen der neuromuskulären Übertragung nachhaltig beeinflusst werden.
Kinemyographie
Die Kinemyographie basiert auf dem sog. Piezo-Effekt, dabei wird die elektrische Spannung, die nach Verformung eines Mechanosensors entsteht, gemessen. Der Mechanosensor wird zwischen Daumen und Zeigefinger geklemmt. Durch Stimulation des N. ulnaris kommt es zur Adduktion des Daumens mit nachfolgender Verformung des Mechanosensors. Die Hand des Patienten kann grundsätzlich in jeder beliebigen Position gelagert werden, solange die Bewegung des Daumens nicht beeinträchtigt ist; eine strikte Supination ist nicht notwendig. Diese Art der Relaxometrie ist zur Anwendung im klinischen Alltag verfügbar, u. a. basiert das NMT-Modul von „GE Healthcare“ auf dieser Technik.
Akzeleromyographie
Die Akzeleromyographie (AMG) basiert ebenfalls auf dem Piezo-Effekt, die elektrische Spannung wird jedoch nicht durch mechanische Verformung, sondern mit Hilfe der Beschleunigung gemessen. Aufgrund des 2. Newton-Gesetzes gilt, dass Kraft = Masse × Beschleunigung ist. Bei konstanter Masse kann aus der gemessenen Beschleunigung und der dadurch aufgebauten Spannung auf die Kraft des stimulierten Muskels geschlossenen werden. Die AMG kann somit an Muskeln, deren Beschleunigung gut messbar ist, durchgeführt werden.
Mit dem „TOF-Guard“ wurde 1994 erstmals ein tragbares Gerät, das auf dem AMG-Prinzip basiert, in die Klinik eingeführt. 1997 wurde mit der „TOF-Watch“-Serie eine komplett überarbeitete Version dieser Relaxometer vorgestellt. Inzwischen bieten verschiedene Hersteller Nervenstimulatoren, die auf dieser Technik basieren, an.
Um aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen gilt es jedoch einige Besonderheiten zu beachten:
  • Bisher wurde empfohlen die Hand in Supinationsstellung zu fixieren und sicherzustellen, dass die Bewegung des Daumens streng horizontal erfolgt. Durch die Verwendung 3-dimensionaler Piezo-Elemente in der jüngsten Generation von Akzelerometern (z. B. TOF Scan) ist davon auszugehen, dass das Messverfahren robuster im Bezug auf Bewegungsartefakte wird und eine strikte Supination nicht mehr erforderlich ist.
  • Neuere Geräte haben z. T. das Piezo-Element in einem Handadapter integriert, was ebenfalls dazu beiträgt, dass intraoperative Lageänderungen das Messergebnis nicht weiter beinträchtigen.
  • Ferner beeinflusst die Art der Anwendung – kalibriert, kontinuierlich während der gesamten Anästhesie oder lediglich punktuell am Ende des Eingriffs – ebenfalls das Messergebnis. Um mit den TOF-Watch-Geräten auch bei unkalibrierter, punktueller Messung Restblockaden zuverlässig ausschließen zu können, wird eine TOF-Ratio von 1,0 als Grenzwert empfohlen [2].
Um in unterschiedlichen klinischen Situationen die neuromuskuläre Blockade jeweils bestmöglich überwachen zu können, sollte ein „einfacher“ Nervenstimulator über folgende Stimulationsmuster verfügen:
  • Train-of-four-Stimulation,
  • Double-Burst-Stimulation,
  • Post-Tetanic-Count.
Die TOF-Stimulation ist das am häufigsten verwendete Stimulationsmuster; es kann sowohl zur Bestimmung des Intubationszeitpunkts, intraoperativ zur Nachrelaxation sowie zur Überwachung der neuromuskulären Erholung bzw. zum Timing und zur Dosisbestimmung der Reversierung eingesetzt werden.
Der DBS findet lediglich zur taktilen oder visuellen Beurteilung der neuromuskulären Erholung Anwendung. Hier ist er der TOF-Stimulation überlegen.
Der PTC kommt zur Beurteilung tiefer Blockaden, die mit dem TOF nicht mehr nachweisbar sind, zum Einsatz.
Quantitative Nervenstimulatoren können die Reizantwort objektiv messen. Dadurch verbessert sich insbesondere die Aussagekraft der TOF-Stimulation zur Beurteilung der neuromuskulären Erholung.
Mit der Kinemyographie und der Akzeleromyographie stehen zwei speziell für den klinischen Einsatz entwickelte Methoden zum quantitativen Monitoring zur Verfügung.

Klinische Anwendung

Im Folgenden wird die Anwendung des neuromuskulären Monitorings während der Anästhesieeinleitung, zur kontrollierten intraoperativen Nachrelaxation sowie zur Reversierung bzw. Überwachung der neuromuskulären Erholung beschrieben.

Anästhesieeinleitung

Folgende Fragen sind in diesem Zusammenhang relevant:
Welcher Muskel ist am besten geeignet, den Wirkungseintritt von Muskelrelaxanzien zu überwachen?
Weder der M. orbicularis oculi nach der M. corrugator supercilli sind dem M. adductor pollicis zur Festlegung des Intubationszeitpunkts überlegen. Bei der Verwendung quantitativer Nervenstimulatoren sollte darauf verzichtet werden, intraoperativ den Testmuskel zu wechseln, da dadurch die Kalibration verloren geht. Deshalb sollte von Anfang an der M. adductor pollicis als Testmuskel gewählt werden.
Welches Stimulationsmuster ist am besten geeignet, den Wirkungseintritt von Muskelrelaxanzien zu überwachen?
Während der Anästhesieeinleitung wird meistens die TOF-Stimulation verwendet. Dabei wird typischerweise mit der Intubation begonnen, sobald am M. adductor pollicis keine TOF-Antwort mehr wahrnehmbar ist. Sind zuverlässig sehr gute Intubationsbedingungen gefordert, sollte erst eine Minute nach dem vollständigen Verschwinden der TOF-Antworten intubiert werden. Alternativ kann in dieser Situation auch der DBS- oder PTC-Modus angewendet werden und mit der Intubation begonnen werden, sobald keine Reizantwort mehr wahrnehmbar ist.
Welche Blockadetiefe sollte zur Intubation angestrebt werden?
Da neben der Tiefe der neuromuskulären Blockade auch das Ausmaß der Hypnose bzw. der Analgesie die Intubationsbedingungen mit beeinflussen, kann eine generelle Blockadetiefe zur Intubation empfohlen werden. Bei entsprechender Anästhesietiefe können bereits bei unvollständiger neuromuskulärer Blockade gute Intubationsbedingungen erzielt werden. In dieser Situation genügt es, dass die Wirkung des Muskelrelaxans deutlich fortgeschritten ist.
Die klinische Bedeutung von neuromuskulärem Monitoring zum Festlegung des Intubationszeitpunkts ist nach wie vor umstritten. Vergleichbar gute bis sehr gute Intubationsbedingungen lassen sich auch dann erzielen, wenn erst nach einem angemessenen Zeitintervall intubiert wird. Dennoch sollte mit der Relaxometrie bereits von Anfang an begonnen werden. Dies gilt insbesondere bei der Verwendung quantitativer Nervenstimulatoren. Um mit diesem Geräten aussagekräftige Daten erheben zu können, müssen sie kalibriert werden. Das geht jedoch nur vor Injektion des Muskelrelaxans, ein Wechsel des Testmuskels während des Eingriffs ist nicht mehr möglich; dies würde zum Verlust der initialen Kalibrierung führen. Lediglich der M. adductor pollicis ist geeignet sowohl den Wirkungseintritt, den intraoperativen Verlauf und die neuromuskuläre Erholung zu beurteilen.
Intraoperativ lassen sich durch das neuromuskuläre Monitoring die Nachinjektionen an den individuellen Bedarf des Patienten anpassen. Die klinisch relevanten Fragen in diesem Zusammenhang sind:
Lässt sich durch die Relaxometrie die Kumulation von Muskelrelaxans, insbesondere nach multiplen Nachinjektionen, verhindern?
Weder feste Zeitintervalle noch klinische Zeichen sind geeignete Kriterien, den Zeitpunkt zur Nachrelaxation festzulegen. Ein auf ihnen basierendes Konzept führt unweigerlich zu Fehldosierungen, inadäquater Blockadetiefe bzw. einem Relaxansüberhang am Operationsende. Neuromuskuläres Monitoring erlaubt eine Anpassung der Nachinjektionen an den individuellen Bedarf des Patienten und trägt so dazu bei Über- bzw. Unterdosierung zu verhindern.
Wie können tiefe Blockaden am besten überwacht werden?
Insbesondere bei Oberbaucheingriffen können Zwerchfellbewegungen die Operationsbedingungen nachhaltig beeinträchtigen und sollten daher möglichst vermieden werden. Dazu sind jedoch besonders tiefe neuromuskuläre Blockaden, die mit dem TOF nicht mehr erfasst werden können, erforderlich. Der PTC am M. addutor pollicis erlaubt auch diese tiefen Blöcke zu überwachen und so bei Bedarf kontrolliert nachzurelaxieren. Außerdem muss im weiteren Verlauf der Testmuskel nicht gewechselt werden, was beim Einsatz von quantiativem Monitoring wichtig ist.
Nur wenn aufgrund relaxometrischer Daten nachrelaxiert wird, kommt es selbst bei multiplen Repetitionsdosen zu keiner nennenswerten Kumulation. Für die Mehrzahl der Eingriffe ist die TOF-Stimulation am M. adductor pollicis das geeignete Verfahren die Indikation zur Nachrelaxation zu stellen. Insbesondere bei Oberbaucheingriffen sind jedoch häufig tiefere neuromuskuläre Blockaden erforderlich, um optimale Operationsbedingungen herzustellen. In dieser Situation ist der PTC das geeignete Verfahren [11].

Überwachung der neuromuskulären Erholung

Durch die Relaxometrie kann festgestellt werden, ob ausreichende Spontanerholung vorliegt oder ob der Patient reversiert werden muss. In letzterem Fall erlaubt die Relaxometrie Timing und Dosis der Reversierung festzulegen. Klinisch relevante Fragen in diesem Zusammenhang sind:
An welchem Testmuskel soll die neuromuskuläre Erholung überwacht werden?
Der ideale Testmuskel zum Beurteilen der neuromuskulären Erholung sollte möglichst sensibel auf Muskelrelaxanzien reagieren. Sobald dann selbst an diesem Muskel keine Restblockaden mehr vorliegen, kann davon ausgegangen werden, dass auch die resistenteren Muskeln ausreichend erholt sind.
Der M. corrugator supercilli zählt zu den resistenten Muskeln. Deshalb können an anderen, klinisch relevanten Muskelgruppen noch Restblockaden vorliegen, auch wenn er schon ausreichend neuromuskulär erholt ist. Er ist deshalb nicht geeignet die neuromuskuläre Erholung zu beurteilen.
Der M. adductor pollicis ist am besten geeignet, die neuromuskulären Erholung im klinischen Kontext zu überwachen. Aber auch er erfüllt die eingangs gestellten Anforderungen nur teilweise. Er ist zwar deutlich sensibler als das Zwerchfell oder die Interkostalmuskulatur, sodass bei ausreichender Erholung des M. adductor pollicis mit hinreichender Sicherheit eine Restblockade dieser beiden wichtigen Atemmuskeln ausgeschlossen werden kann. Gleichzeitig ist der M. adductor pollicis deutlich resistenter als die Pharynxmuskulatur und die äußere Zungenmuskulatur bzw. die Mundbodenmuskulatur. Dementsprechend kann es in Einzelfällen trotz ausreichender Erholung des M. adductor pollicis unmittelbar postoperativ zu Schluckstörungen und zur inspiratorischen Obstruktion des oberen Atemwegs kommen. Dies gilt es bei der Interpretation der neuromuskulären Erholung des M. adductor pollicis zu beachten, um ggf. den Patienten trotz vermeintlich suffizienter Spontanerholung zu antagonisieren.
Erlaubt neuromuskuläres Monitoring auf die Antagonisierung zu verzichten?
Einfache Nervenstimulatoren sind nicht in der Lage Restblockaden jenseits einer TOF-Ratio von 0,7 zu erkennen, entsprechend groβzügig sollte hier die Indikation zum Antagonisieren gestellt werden. Quantitative Nervenstimulatoren hingegen erlauben zwar bei korrekter Anwendung Restblockaden zuverlässig auszuschließen; dies setzt jedoch eine Kalibrierung bzw. das Erfassen eines Referenzwerts vor Injektion des Muskelrelaxanses voraus. Wenn dies nicht gegeben ist, sollte auch bei Verwendung quantitativer Nervenstimulatoren die Indikation zur Antagonisierung großzügig gestellt werden.
Kann auf das Monitoring verzichtet werden, wenn antagonisiert wird?
Neostigmin kann erst ab einem gewissen Maß an Spontanerholung verwendet werden. Idealerweise sollten wieder alle vier, mindestens jedoch zwei der TOF-Antworten wahrnehmbar sein. Ferner unterliegt die Wirkung einer gewissen Variabilität und sollte deshalb überwacht werden. Im Gegensatz zu Neostigmin bedarf es keines Mindestmaßes an Spontanerholung bevor Sugammadex eingesetzt werden kann. Abhängig von Ausmaß der Spontanerholung unterscheiden sich die empfohlen Dosen jedoch erheblich, sodass auch bei Verwendung von Sugammadex zumindest ein einfaches qualitatives, neuromuskuläres Monitoring notwendig ist.
Nur durch neuromuskuläres Monitoring und – wenn nötig – Antagonisierung lassen sich Restblockaden erfolgreich vermeiden [1, 3, 8, 12].
Literatur
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