Die Induktionschemotherapie
für ältere Patienten, die sich für eine intensive Behandlung eignen, unterscheidet sich im Wesentlichen nicht von der jüngerer AML-Patienten. Die überwiegende Mehrheit der behandelnden Zentren in Europa applizieren auch bei älteren Patienten eine Induktionstherapie nach dem „7 + 3“-Schema. Hierbei wird Cytarabin intravenös an sieben aufeinanderfolgenden Tagen in einer Dosis von 100–200 mg/m
2 und parallel an 3 Tagen nacheinander zusätzlich ein Anthrazyklin appliziert. Eine Vielzahl von klinischen Studien haben unterschiedliche Anthrazyklin-Derivate
miteinander verglichen, jedoch wurden mit allen Substanzen vergleichbare Raten an kompletten Remissionen (CR
) erzielt und durch keines der Medikamente konnte eine Verlängerung des Gesamtüberlebens erreicht werden (Mandelli et al.
2009). Einschränkend muss jedoch hinzugefügt werden, dass diese Studien überwiegend im Kollektiv der jüngeren Patienten durchgeführt wurden. Daunorubicin ist das zur Zeit am häufigsten eingesetzte Anthrazyklin. Die Klärung der Frage nach der optimalen Daunorubicin-Dosis stand ebenfalls bereits im Mittelpunkt mehrerer klinischer Untersuchungen. In einer 2009 publizierten Studie konnte gezeigt werden, dass eine Verdopplung der Daunorubicin-Dosis von 45 mg/m
2 Körperoberfläche auf 90 mg/m
2 zu einer signifikanten Verbesserung der CR-Rate (52 % in der 90 mg/m
2-Kohorte gegenüber 35 % in der 45 mg/m
2-Kohorte) führte. Dabei konnte ein Vorteil dieser Dosiserhöhung jedoch nur für die Subgruppe der Patienten 60–65 Jahre, nicht jedoch für die Gesamtkohorte gezeigt werden (Löwenberg et al.
2009). Eine Bestätigung dieser Resultate aus mindestens einer weiteren randomisierten Studie steht allerdings noch aus. Im vergangenen Jahr veröffentlichte der britische
Medial Research Council (MRC) die Ergebnisse der randomisierten Prüfung von Daunorubicin in einer in Europa üblichen Dosis von 60 mg/m
2 versus 90 mg/m
2. Hinsichtlich Ansprechrate und Gesamtüberleben zeigten sich keine Unterschiede zwischen beiden Gruppen (Burnett et al.
2015b), sodass unter Berücksichtigung der aktuellen Datenlage 60 mg/m
2 Daunorubicin als Standard für die Induktionstherapie älterer Patienten angesehen werden kann. Standardmäßig erhalten ältere Patienten einen Zyklus der Induktionstherapie. Für den Fall einer Persistenz der Erkrankung kann in Abhängigkeit des Allgemeinzustandes des Patienten ein zweiter Induktionstherapiezyklus verabreicht werden. Die unzureichende Datenlage lässt jedoch hinsichtlich der Auswahl eines Therapieschemas für eine zweite Induktionstherapie keine wissenschaftlich fundierte Aussage zu. Die Anwendung eines Schemas, das hochdosiertes Cytarabin (üblicherweise in einer Dosis von 1000 mg/m
2) beinhaltet, ist ebenso möglich wie die Kombination anderer zytotoxischer Substanzen (z. B. FLAG-Ida, ICE etc.). Möglicherweise kann eine neuartige Formulierung der bislang standardmäßig eingesetzten Substanzen Cytarabin und Daunorubicin die Ansprechraten der intensiven Induktionstherapie bei älteren Patienten mit sekundärer AML verbessern. Kürzlich wurden die ersten sehr vielversprechenden Resultate einer Phase III-Studie zum Einsatz von CPX-351 präsentiert (Lancet et al.
2016). Hierbei handelt es sich um eine liposomale, verkapselten Darreichungsform, die Cytarabin und Daunorubicin in einem fixen Verhältnis von 5:1 enthält. In die Studie wurden insgesamt 309 Patienten im Alter von 60 Jahren oder älter mit einer sekundären AML eingeschlossen und in einen der beiden Behandlungsarme randomisiert. Die Patienten im Interventionsarm erhielten CPX-351 (100 Units/m
2; Tag 1, 3 und 5), im Kontrollarm wurde mit Cytarabin (100 mg/m
2 Tag 1–7) und Daunorubicin (60 mg/m
2 an Tag 1–3) therapiert. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 13,7 Monaten konnten in der Gruppe der mit CPX-351 behandelten Patienten eine höhere Ansprechrate (komplette Remission und inkomplette Remission 47,7 % gegenüber 33,3 %) und längeres Gesamtüberleben (9,56 Monate gegenüber 5,95 Monaten) dokumentiert werden. Gleichzeitig waren die Raten an unerwünschten Nebenwirkungen (92 % gegenüber 91 %) und die Mortalitätsrate innerhalb 60 Tage nach Therapiestart (13,7 % gegenüber 21,2 %) vergleichbar. Es bleibt allerdings noch die Vollpublikation abzuwarten. Eventuell könnte diese Substanz zum neuen Standard für die intensive Induktionstherapie älterer Patienten mit sekundärer AML avancieren.
Keine eindeutige Datenlage gibt es hinsichtlich einer Empfehlung zur Postremissionstherapie
für ältere AML-Patienten. Ein internationales Expertengremium konnte auf Grundlage der hierzu veröffentlichten Daten lediglich feststellen, dass für Patienten ohne zytogenetische Risikofaktoren, die sich in einem guten Allgemeinzustand befinden, eine konsolidierende Chemotherapie (z. B. 2 Zyklen intermediär dosiertes Cytarabin) eine akzeptable Therapieoption darstellt (Döhner et al.
2010). Patienten mit einer zyto-/molekulargenetischen Hochrisikokonstellation haben nach Applikation einer intensiven Induktions- und anschließenden Konsolidierungschemotherapie selbst bei zwischenzeitlichem Erreichen einer kompletten Remission eine 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit von bestenfalls 10 % (Appelbaum et al.
2006). Aus diesem Grund sollte dieses Patientenkollektiv, soweit es der Allgemeinzustand sowie eventuell bestehende Komorbiditäten erlauben, einer allogenen Stammzelltransplantation ggf. mit reduzierter Konditionierung zugeführt werden. Auf diese Therapieoption wird im kommenden Abschnitt näher eingegangen.
Im Verlauf der vergangenen Jahre sind eine Vielzahl von molekulargenetische Aberrationen identifiziert worden, die bei jüngeren Patienten von prognostischer Bedeutung sind. Mittlerweile konnte für eine Vielzahl dieser Veränderungen (z. B. Flt3-ITD, NPM1-, DNMT3a-, TP53-Mutation, Expressionsstatus von BAALC und ERG) nachgewiesen werden, dass sie auch für ältere Patienten eine prognostische Relevanz haben (Becker et al.
2010; Schwind et al.
2010; Tsai et al.
2016; Whitman et al.
2010). Somit ist davon auszugehen, dass diese Faktoren zukünftig ebenfalls in die Entscheidungsfindung hinsichtlich der optimalen Postremissionstherapie einfließen werden.