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Klinische Angiologie
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Publiziert am: 17.12.2022

Bypass- und Protheseninfektionen

Verfasst von: Anton Köhler und Barbara Rantner
Bypass- und Protheseninfektion stellen in der Gefäßchirurgie schwerwiegende Komplikationen mit hoher Morbidität und Mortalität dar. Die Diagnostik erfolgt primär klinisch, unterstützt durch bildgebende und mikrobiologische Untersuchungen. Die Durchführung einer Kontrastmittel-unterstützen Schnittbildgebung ist obligat und kann durch Sonographie und PET-Untersuchung ergänzt werden. Der Erregernachweis ist häufig erschwert. Für den Erregernachweis wird empfohlen, mehrere Proben von der Infektionsstelle zu gewinnen. Das therapeutische Vorgehen sollte in einem interdisziplinären Team an spezialisierten Zentren erfolgen. Therapeutische Schritte sind unter anderem abhängig vom verwendeten Bypassmaterial, der Art des Erregers, der Lokalisation des Protheseninfekts und dem Zustand des Patienten. Neben einer kompletten Entfernung der infizierten Gefäßprothesen, einer aseptischen extraanatomischen Transplantatumgehung oder der in Situ Rekonstruktion mit verschiedenen Materialien, kann auch durch lokale Maßnahmen versucht werden, das Prothesenmaterial (teilweise) zu erhalten. Die antibiotische Therapie ist ein wesentlicher therapeutischer Bestandteil und sollte nach Möglichkeit erregerspezifisch erfolgen. Patienten mit stattgehabter Protheseninfektion sollten alle 6–12 Monate Verlaufskontrollen erhalten.

Einleitung

Bypass- und Protheseninfektion stellen in der modernen Gefäßchirurgie eine der am meisten gefürchteten Komplikationen mit hoher Morbidität und Mortalität dar. Die European Society for Vascular Surgery (ESVS) publizierte im Jahr 2020 die „Clinical Practice Guidelines on the Managmement of Vascular Graft and Endograft Infections“, die evidenzbasierte Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie von Bypassinfektionen geben (Chakfé et al. 2020). Einschränkend haben die verwendeten Studien kleine Patientenzahlen, sind bezüglich der Therapieregime schlecht vergleichbar und sehr inhomogen bezüglich der Patientenpopulationen. Die abzuleitenden Empfehlungsgrade und das Evidenzlevel sind entsprechend niedrig.

Inzidenz

Die Inzidenz vaskulärer Protheseninfektionen beträgt in Abhängigkeit der Art des Eingriffs, der Lokalisation und des Stadiums einer begleitenden arteriellen Verschlusskrankheit 0,5–6 % (Chakfé et al. 2020). In der VASGRA-Kohorte (Vascular Graft Cohort Study) wurde die Inzidenz mit 7,0/100 Personenjahre beschrieben (Anagnostopoulos et al. 2019). Das Infektionsrisiko bei Eingriffen an der unteren Extremität und der Leiste ist deutlich höherer als bei Operationen im aortalen oder zervikalen Bereich. Bei aortalen Protheseninfektionen können in 1–2 % der Fälle aortoenterale Fisteln nachgewiesen werden. Die Inzidenz von Stentgraftinfektionen nach endovaskulärer Therapie eines Aortenaneurysmas beträgt 0,5–1 % (Mussa et al. 2007).

Pathogenese

Es gibt mehrere Faktoren, die eine Protheseninfektion begünstigen. Die Ausdehnung des infizierten Wundgebietes sowie die Virulenz und Adhärenzfähigkeit der Mikroorganismen sind neben der Immunkompetenz des Patienten hierbei von besonderer Bedeutung. Zudem erhöhen die Dauer des operativen Eingriffs, die Menge des Blutverlustes, Eingriffe in voroperierten Gewebsarealen und große Schnittführungen die Kontaminationswahrscheinlichkeit.
Durch die Nähe zur stark kontaminierten Anogenitalregion, die dünne Weichteildecke und die direkt unter der Haut verlaufenden Lymphkollektoren besteht ein erhöhtes Infektionsrisiko für Prothesenmaterial im Bereich der Leistenregion (Zühlke et al. 1994).
Eine Zusammenstellung pathogener Faktoren für Wund- und Protheseninfektionen zeigt Tab. 1.
Tab. 1
Faktoren die eine Protheseninfektion begünstigen. (Chakfé et al. 2020)
Präoperative Risikofaktoren
Intraoperative Risikofaktoren
Postoperative Risikofaktoren
Patientenbezogene Risikofaktoren
Verlängerte präoperative Hospitalisierung
Verletzung der aseptischen Technik
Wundkomplikationen (Infektionen, Hautnekrosen, Lymphozelen, Serome, Hämatome)
Tumorerkrankung
Infektion an einer entfernten oder angrenzenden Stelle
Verlängerte Operationszeit
Thrombosierung der Prothese
Lymphoproliferative Störung
Erfolgter perkutaner arterieller Zugang an der Implantatseite
Begleitender gastrointestinale oder urogenitaler Eingriff
 
Immundefekte
Immunsupression
Notfalleingriff
  
Corticosteroidtherapie
Reintervention
  
Chemotherapie
Unteren Extremitäteninfektion (Ulcus, Gangrän)
  
Malnutrition
Leistenschnitt
  
Diabetes mellitus/perioperative Hyperglykämie
   
   
Bei Protheseninfektionen kann ein breites Spektrum von Bakterien ursächlich sein. In bis zu 58 % der Fälle sind grampositive Bakterien (S. aureus, Enterokokken und koagulasengative Staphylokokken), in 34 % gramnegative Bakterien und in 8 % Anaerobier ursächlich für die Protheseninfektion (Batt et al. 2018; Erb et al. 2014). Der Nachweis multiresistenter Erreger verringert die Wahrscheinlichkeit einer Ausheilung. Staphylococcus aureus, Enterobakterien, Pseudomonas aeruginosa und beta hämolysierende Streptokokken wurden in einer Metaanalyse als hoch infketiöse Bakterien mit einer erhöhten Rate an Reinfektionen beschrieben auf (Batt et al. 2018).
Neben Bakterien können auch Pilze (z. B. Candida albicans) auf infizierten Prothesen nachgewiesen werden. Auf der anderen Seite gibt es manifeste Protheseninfekte, in denen kein Erregernachweis gelingt. Dies ist insbesondere bei Spätinfektionen der Fall, die durch niedrig virulente Erreger oder durch Biofilmbildung und Einbettung der Erreger in diesen Strukturen entstehen.
Komplizierend besitzen die Erreger Virulenzfaktoren, die es ihnen ermöglichen, einen Infekt zu etablieren und gegen den Einsatz antimikrobieller Wirkstoffe resistent zu sein (Kujath und Scheele 2006). Um ihre Wirkung zu entfalten, benötigen die Erreger verschiedene Virulenzfaktoren, die nach ihrer Wirkungsweise in funktionelle Klassen unterteilt werden (Tab. 2)
Tab. 2
Funktionelle Klassen der Virulenzfaktoren nach Kujath und Scheele (2006)
Funktionelle Klassen der Virulenzfaktoren
Adhärenz – Adhäsine vermitteln durch die Wechselwirkung mit Rezeptoren der Wirtszelle die Anheftung der Mikroorganismen, Dies stellt die Voraussetzung für die Infektion dar
Invasion – Invasine ermöglichen den Erregern das Eindringen durch die Schutzbarrieren des menschlichen Körpers
Etablierung der Infektion – Etabline sind in der Lage die Immunantwort des Wirtes zu verändern, auszuschalten oder zu umgehen
Aggressine/Toxine: Meist handelt es sich um sog. Exotoxine, die jede Art von Gewebe angreifen und zerstören
Moduline greifen in die Entzündungsreaktion des Wirtes ein, so dass über die Induktion von körpereigenen Zytokinen inflammatorische Kaskaden initiiert werden
Die Adhärenzfähigkeit der Mikroorganismen wiederum ist abhängig von Erregerspezies und vom verwendeten Bypassmaterial.
Venentransplantate weisen aufgrund der epithelialisierten Neointima eine geringere Infektionsrate auf.
Bei alloplastischen Bypässen dagegen besteht die Neointima v. a. aus Fibrin und lässt keine vollständige Endothelialisierung zu, was die bakterielle Kolonisation erleichtert und die höheren Inzidenzen tiefer Protheseninfektionen erklärt. Eine weiterer relevanter Virulenzfaktor ist die Fähigkeit der Biofilmbildung. Die Entwicklung eines Biofilms beginnt mit dem Anheften der Bakterien auf dem prothetischen Material durch zusätzliche Bildung eines gallertartigen Schleims, der wiederum die Adhärenz unterstützt. Durch die Kolonisation in vielschichtigen Zelllagen, die in einer amorphen extrazellulären Matrix eingebettet sind und keine hämatogene oder lymphogene Perfusion zulassen, ist der Organismus nicht in der Lage die Bakterien zu eliminieren (von Eiff et al. 1999).

Klinischer Befund und Einteilung

Bei der Protheseninfektion kann es zur Ausbildung klassischer Infektionszeichen wie Fieber (oft intermittierend), Wundrötung und Schmerzen aber auch zu einer Anastomosenblutung, Fistelung, oder gar freiliegendem Prothesenmaterial kommen. Das Spektrum reicht von milden Symptomen mit einem nur dezenten lokalen Befund (Schwellung ohne Rötung, periprothetische Flüssigkeitsansammlung) bis hin zu schweren Komplikationen (u. a. partielle oder komplette Graftthrombose, Pseudoanaeurysma, Anastomosendilatation, Fistelbildung, Blutung).
Das Fehlen von Entzündungsparametern (CRP, PCT und Leukozytose) schließt eine Graftinfektion nicht aus.
Frühinfekte zeigen eher das gewohnte Bild einer bakteriellen Infektion (Fieber, CRP- und PCT-Erhöhung, Leukozytose) wohingegen Spätinfektionen oft ohne klinische Infektionszeichen auftreten können.
In der Literatur sind mehrere Einteilungen der Protheseninfektion etabliert. Die Unterteilung der tiefen Protheseninfektionen durch Zühlke et al. (1994) berücksichtigt die Beteiligung der Anastomosen und das Auftreten zusätzlicher Komplikationen (Tab. 3).
Tab. 3
Klassifikation postoperativer Infektionen bei gefäßrekonstruktiven Eingriffen unter therapeutischen Gesichtspunkten (Zühlke et al. 1994)
Stadium
Zühlke et al. (1994)
I
Protheseninfektionen ohne Beteiligung einer Anastomose
II
Protheseninfektionen mit Beteiligung mindestens einer Anastomose ohne weitere Komplikationen
III
Protheseninfektionen mit Beteiligung mindestens einer Anastomose und Komplikationen wie Anastomosenblutung oder Implantatverschluss
Im Gegensatz zu Zühlke unterscheidet die Klassifikation nach Szilagyi et al. (1972) oder nach Samson et al. (1988) Infektionen mit oder ohne Prothesenbeteiligung (Tab. 4). Dabei berücksichtigt Samson zusätzlich die Beteiligung der Anastomosen und das Auftreten von Komplikationen.
Tab. 4
Einteilung der Gefäßprotheseninfektion nach Szilagyi und Samson (Szilagyi et al. 1972; Samson et al. 1988)
Gruppe
Szilagyi et al. (1972)
Samson et al. (1988)
I
Infektion auf Dermis beschränkt
Infektion auf Dermis beschränkt
II
Infektion auf subkutanes Gewebe beschränkt, ohne Beteiligung der Prothese
Infektion auf subkutanes Gewebe beschränkt, ohne offensichtliche Beteiligung der Prothese
III
Infektion involviert die Prothese
Infektion involviert den Prothesenkörper, nicht jedoch an einer Anastomose
IV
 
Infektion betrifft eine Anastomose, wobei weder Bakteriämie noch Anastomosenblutungen aufgetreten sind
V
 
Infektion betrifft eine Anastomose, und zum Zeitpunkt der Präsentation bestehen Sepsis und/oder Blutung

Diagnostik

Die Evaluation der klinischen Symptome sowie mikrobiologische und bildgebende Verfahren führen zum Nachweis einer Protheseninfektion.
Die MAGIC-Kriterien (Management of Aortic graft Infection Group, Lyons et al. 2016) sind hilfreich zur Bestätigung der Diagnose. Bei Nachweis eines Majorkriteriums oder zweier Minorkriterien aus 3 verschiedenen Kategorien besteht der Verdacht auf eine Protheseninfektion.
Die Diagnose gilt als gesichert bei gleichzeitigem Vorliegen eines Majorkriteriums und eines weiteren Kriteriums jedweder Kategorie (s. Tab. 5).
Tab. 5
MAGIC-Kriterien: klinische und bildgebende laborchemische Kriterien zur Beurteilung einer Protheseninfektion (Lyons et al. 2016)
Kriterien
Klinisch
Radiologie
Labor/Mikrobiologie
Major
Putrides Sekret aus der Prothesenumgebung bzw. aus dem Aneurysmasack
Perigraft Flüssigkeit im CT> 3 Monate post implantationem
Erregernachweis an der explantierten Prothese
Freiliegende Prothese oder kommunizierender Fistelgang
Perigraft Lufteinschlüsse im CT> 7 Wochen post implantationem
Intraoperativer Erregernachweis
Aortobronchiale Fistel, Aortopulmonale Fistel, Aortoenterische Fistel
Progrediente Lufteinschlüsse um die Prothese in der Bildgebung
Erregernachweis aus perkutaner radiologisch gesteuerter Punktion; Aspirat aus periprothetischer Flüssigkeit
Einbringen des Transplantats in eine infizierte Stelle, z. B. eine Fistel, ein mykotisches Aneurysma oder ein infiziertes Pseudo-Aneurysma
Minor
Klinische Infektzeichen
– Rötung
– Schwellung
– Überwärmung
– PutrideSekretion
Verdächtige periprothetische Luft- oder Flüssigkeitsansammlung-Weichgewebsinfektion
– Pseudoaneurysma
– Progredientes Aneurysma
– Lokale Diszitis/Osteomyelitis
– Darmwandverdickung
– Auffällige metabolische Aktivität im FDG-PET/CT
– Nuklearmedizinischemarkierte Leukozytenaufnahme
Positive Blutkulturen
Bei Verdacht auf Protheseninfektion und Ausschluss anderer Infektherde
Fieber >38 °C mit Protheseninfektion als wahrscheinlichste Ursache
Pathologisch erhöhte serologische Infektparameter (BSG, Leukozytose, CRP) und Protheseninfektion als wahrscheinlichste Ursache
Das vorrangige Ziel ist ein mikrobiologischer Erregernachweis mit Erstellung eines Antibiogramms.
Vor Einleitung einer antibiotischen Therapie sollten mindestens 3 Proben aus der vermuteten Infektionsstelle gewonnen werden. Nach Möglichkeit sollten dabei Prothesenmaterial, Proben des umgebenden Gewebes oder periprothetische Flüssigkeit (Abstrich/Punktat) gewonnen werden (Osmon et al. 2013). Gewebeproben und Prothesenproben sind einem Abstrich in Bezug auf den Erregernachweis überlegen. Periprothetische Flüssigkeit kann mittels CT- oder sonographisch gesteuerter Direktpunktion gewonnen werden. Aufgrund der Ausbildung von Biofilmen können sich die Erreger der konventionellen Diagnostik durch Blutkulturen entziehen, so dass päoperative Blutkulturen in nur etwa 35 % der Fälle zum Erregernachweis führen. Die Aussagekraft von Abstrichen ist durch eine häufig Begleitkolonisation und somit eine Kontamination der Probe meist stark eingeschränkt. Der diagnostische Wert mikrobieller Kulturen aus Niederdruckwundtherapie-Schwämmchen ist schlecht (Scherrer et al. 2016), daher sollte von diesen Proben abgesehen werden. Ein Erregernachweis gelingt jedoch auch bei konsequenter und methodisch optimaler Suche in bis zu 25 % der Fälle nicht (Chakfé et al. 2020).
In der bildgebenden Diagnostik gilt die Sonographie als Basisuntersuchung. Sonographisch können Bypassthrombosen, Pseudoaneurysmen, Abszesse und periprothetische Flüssigkeitsansammlungen lokalisiert und gegebenenfalls diagnostisch punktiert werden (Abb. 1 und 2). Eine Schnittbildgebung mittels CT-Angiographie (bei Kontraindikation mittels MR-Angiographie) wird zur Diagnosestellung empfohlen (Reinders Folmer et al. 2018). Das CT liefert dabei wichtige Informationen wie beispielsweise Flüssigkeitsansammlungen um die Prothese oder Nachweis von Lufteinschlüssen und bietet die Möglichkeit einer CT-gesteuerten Punktion (periprothetische Flüssigkeit/Gewebe, Abszess, Prothesenmaterial). Des Weiteren können aorto-enterale Fisteln nachgewiesen werden. Bei unklaren Situationen kann eine PET-CT-Untersuchung ergänzt werden. Die Kombination von PET-CT und CTA scheint der Einzelbildgebung überlegen zu sein. Mit Hilfe des PET-CTs können metabolisch aktive Herde detektiert und mittels Angio-CT anatomische Veränderungen erkannt werden (Husmann et al. 2018).

Therapie und Prävention von Bypassprotheseninfektionen

Da Gefäßprotheseninfektionen eine hohe Herausforderung darstellen und mit einer hohen Mortalität einhergehen sollte die Behandlung an Zentren mit großer Expertise und etablierten interdisziplinären Behandlungskonzepten erfolgen.
Bei nachgewiesener Protheseninfektion ist eine Antibiotikatherapie obligat, wobei diese initial intravenös mit einem Breitbandantibiotikum und nachfolgend entsprechend des Antibiogramms angepasst werden sollte. Art und Dauer der Antibiotikatherapie sind individuell anzupassen und sollten interdisziplinär unter Einbezug eines erfahrenen Infektiologen festgelegt werden.

Prävention

Der Prävention postoperativer Infektionen im Operationsgebiet kommt eine immense Bedeutung zu. So sollten potenzielle Infektionsherde (insbesondere ein Zahnfokus) bereits präoperativ saniert werden. Neben generellen Hygienemaßnahmen ist eine perioperative Antibiotikaprophylaxe durch Gabe eines 1. oder 2. Generations Cephalosporin bzw. Vancomycin, am besten etwa 30 Minuten vor Operationsbeginn, in den europäischen Leitlinien empfohlen (Chakfé et al. 2020). Da eine Protheseninfektion auch erst postoperativ erfolgen kann, sollte analog der Empfehlung für Patienten mit künstlichen Herzklappen, bei jeder Form der Zahnsanierung eine antibiotische Prophylaxe in Erwägung gezogen werden.

Chirurgische Therapiemaßnahmen

Für die Behandlung von Gefäßprotheseninfektion existiert lediglich eine schwache Evidenzlage. Sie folgt den allgemeinen Grundsätzen der Infektionschirurgie. Die Entscheidung zur Rekonstruktion und das Rekonstruktionsverfahren sind jedoch maßgeblich von der Lokalsituation des Infektgeschehens und der Gesamtkonstellation des Patienten abhängig. Sehr hohe Morbiditäts- und Mortalitätsraten einer konservativen, grafterhaltenden alleinigen antibiotischen Therapie haben dazu geführt, dass standardmäßig auch chirurgische Infektsanierung betrieben wird. Das Spektrum hierfür reicht von einer lokalen Infektbehandlung mit Abszesseröffnung, Debridement und Spülung bis hin zur radikalen Prothesenentfernung mit In-situ- oder extraanatomischer Rekonstruktion. Der septische Gefäßersatz stellt immer einen komplexen Eingriff dar und ist zumeist mit einer hohen Morbidität und gerade im Aortenbereich auch mit einer hohen Mortalität vergesellschaftet. Für in situ Rekonstruktionen im infizierten Areal sollte wann immer möglich auf autologe Materialien (Vene, Perikardrekonstruktionen, Homografts) zurückgegriffen werden. Speziell imprägnierte Gefäßprothesen (Silber beschichtet) können als Bail out Prozedur bei sonst fehlenden Rekonstruktionsmöglichkeiten angewendet werden, weisen allerdings hohe Re-Infektionsraten auch (Chakfé).
Ergänzend kommt in der Behandlung der lokalen Weichteilinfektion der Unterdruckwundbehandlung (VAC Therapie) eine große Bedeutung zu. Es wird empfohlen vor allen bei abdominellen und thorakalen Eingriffen die Rekonstruktion durch biologische Materialen zu decken (z. B. Omentum, Muskellappen). Prinzipiell wird allen Patienten nach einer Protheseninfektion lebenslange (alle 6–12 Monate) Kontrolluntersuchungen empfohlen. Spezifische gefäßchirurgische Therapieoptionen und relevante Aspekte je nach anatomischer Lokalisation sind im Folgenden dargestellt.

Protheseninfektionen supraaortaler Prothesen

Die Inzidenz supraaortaler Gefäßprotheseninfektion ist niedrig und wird mit 0,25–0,5 % angegeben. Etwa die Hälfte der in der Literatur beschriebenen Fälle trat innerhalb von 4 Monaten nach Patchplastik der Carotiden auf. Klinisch äußern sich diese Infektionen zumeist durch Abszessbildung, Zunahme des Halsumfanges und septische Arrosionsblutungen. Ein postoperatives Hämatom ist ein Risikofaktor für eine Protheseninfektion. Bei Spätinfektionen kann es zur Ausbildung sezernierender Fisteln kommen. Stent- oder Stentgraftinfektionen treten seltener auf und präsentieren sich klinisch mit überwiegend unspezifischen Symptomen wie Fieber, Abgeschlagenheit, und lokalen Schmerzen. Therapeutisch ist generell eine vollständige Explantation des Fremdmaterials und eine Rekonstruktion mit autologem Material anzustreben. Meist kommt die V. saphena magna als Interponat zum Einsatz. Die Implantation eines Stentgrafts zur Überbrückung des infizierten Bereichs, oder bei Blutungskomplikationen, sowie eine sekundäre Wundheilung durch lokale Unterdrucktherapie kann bei inoperablen Patienten angewendet werden. Eine rein antibiotische Therapie geht mit erhöhter Gefahr von Arrosionsblutungen einher und sollte daher nur bei nicht operationsfähigen Patienten in Betracht gezogen werden.

Infektionen thorakaler und thorakoabdomineller Prothesen

Die Inzidenz thorakaler Gefäßprotheseninfektionen (heutzutage zumeist bei stattgehabter endovaskulärer Versorgung einer Aortenpathologie mittels Stentgraft) liegt bei etwa 6 % mit einer Mortalitätsrate von bis zu 75 %. Das Auftreten von aortoösophagealen, -bronchialen und -pulmonalen Fisteln ist mit einem schlechteren Outcome verbunden. Klinische Symptome reichen von Fieber, septischem Krankheitsbild, Hämatemesis und Hämoptoe bis hin zum hämorrhagischen Schock. Bei Nachweis einer Prothesen- oder Stentgraftinfektion wird die vollständige Entfernung des Prothesenmaterials mit nach Möglichkeit in-situ-Rekonstruktion mit kryokonservierten Aortentransplantaten empfohlen. Das Transplantat sollte dabei nach Möglichkeit mit vaskularisiertem Gewebe gedeckt werden um das Risiko einer erneuten Infektion zur reduzieren. Bei Vorliegen einer aortoösophagealen Fistel werden zusätzlich eine radikale Fistelexzision mit Rekonstruktion des Ösophagus empfohlen. Auch bei aortobronchialen und -pulmonalen Fisteln wird eine radikale Explantation der infizierten Prothese mit in-situ-Rekonstruktion angestrebt.

Infektion abdomineller Prothesen

Gefäßprotheseninfektion der abdominellen Aorta stellen eine große Herausforderung dar mit einer Früh-Letalität von 16–22 %, Amputationsraten von 3–18 % und Re-Infektionsraten von 6–20 % (Chakfé et al. 2020). Nach offener Rekonstruktion beträgt die Inzidenz etwa 0,19–4,5 %, wohingegen nach EVAR die Inzidenz mit unter 1 % angegeben wird. Das klinische Bild reicht von unspezifischen Symptomen wie Fieber, Schmerzen und Leukozytose bis hin zu schweren Blutungen und einem septischen Krankheitsbild. Bei operationsfähigen Patienten wird eine vollständige Entfernung des Fremdmaterials und des umgebenden Gewebes empfohlen. In Einzelfällen kann eine partielle Resektion in Betracht gezogen werden. Rekonstruktion sollten dabei mit autologen Venen, kryokonservierten Allografts (Abb. 3456 und 7) oder alternativ mit Rifampicin oder Silber beschichteten Prothesen erfolgen. Unbeschichtete Prothesen sollten bei Protheseninfektionen nicht verwendet werden. Extraanatomische Rekonstruktionen (insb. Axillofemorale Rekonstruktionen) zeigen zwar schlechtere Ergebnisse aufgrund geringerer Offenheitsraten, erhöhten Amputationsraten sowie höherer Reinfektions- und Sterblichkeitsraten, dienen aber gerade bei vorerkrankten Patienten als Behandlungsalternative zum radikalen in situ Gefäß-Ersatz. Konservative Therapieansätze mit alleiniger antibiotischer Therapie sind nur im Rahmen von palliativen Situationen zu erwägen, da eine 30-Tage Mortalitätsrate von 100 % mehrfach in kleinen Fallserien beschrieben wurde.

Graftinfektionen der peripheren Arterien

Bei inguinaler Beteiligung beträgt die Inzident von Graftinfektionen bis zu 6 % (femorofemorale Rekonstruktionen 2,5 %, femoro-popliteale Rekonstruktionen 2,8 %). Risikofaktoren für Graftinfektionen der peripheren Arterien sind neben postoperativen Wundinfektionen, v. a. im Bereich der Leiste, eine kritische Extremitätenischämie und Majoramputationen (v. a. innerhalb der ersten 4 Wochen nach Bypassanlage) sowie frühe Rezidiveingriffe und Notfalleingriffe. Das klinische Bild reicht von der Ausbildung klassischer Infektionszeichen (Rötung, Schwellung, Schmerz, Fieber) bis hin zu Extremitätenischämien und Blutungskomplikationen (Abb. 8). Therapeutisch wird die vollständige Explantation des infizierten Prothesenmaterials sowie eine in-situ-Rekonstrukion mit autologer Vene empfohlen. Alternativ können kryokonservierte Allografts und Silber bzw. Rifampicin beschichtete Prothesen verwendet werden. Die Datenlage zu xenogenen und biosynthetischen Gefäßersatzmaterialien ist noch unzureichend. Bei gut inkorporierten Prothesenanteilen kann auch eine partielle Resektion der infizierten Prothesenanteile in Erwägung gezogen werden. Bei ausgedehnten Weichgewebedefekten wird eine Deckung mit einem Muskellappen empfohlen. Unterstützend kann eine lokale antiseptische Wundspülung und eine lokale Unterdruckwundtherapie erfolgen. Extraanatomische Rekonstruktionen finden ihren Einsatz vor allem bei multipel voroperierten Patienten und beim Vorliegen multiresistenter Keime als Verursacher des Protheseninfekts. Konservative Behandlungen bei nicht operationsfähigen Patienten gehen mit hohen Amputations- und Mortalitätsraten bis 45 % innerhalb von 5 Jahren einher (Chakfé).
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