Endogene reaktive Sauerstoffspecies werden intrazellulär an Zellmembranen, in Mitochondrien, Peroxisomen und im endoplasmatischen Retikulum (ER) vorwiegend durch NADPH-Oxidase-Komplexe (NOX1-4 und „dual oxidase 1“ und „2“) gebildet. Mutationen der NADPH-Oxidase-Gene verursachen mehrere chronische Granuloma-Krankheiten (
CDG) und das neutrophile Immundefizienzsyndrom. In der Atemkette werden in den Komplexen I und III etwa 0,5–2,5 % des O
2 nicht zu Wasser, sondern nur zum Superoxidradikal (·O
2−) reduziert, das bei physiologischem pH als Anion vorliegt. Die mitochondriale ROS-Emission ist vom Redoxstatus (NADH/NAD
+ und GSH/GSSG) abhängig. Ein exzessiver Einfluss von mitochondrialem
Glutathion und Thioredoxin-Reduktasen (s. Thioredoxin) oder
Hypoxie mit erhöhtem NADH/NAD wird auch als reduktiver Stress bezeichnet. Bei maximalem Sauerstoffverbrauch und ATP-Synthese sinkt die ROS-Produktion auf ein
Minimum, während gestresste Mitochondrien verstärkt ROS bilden (Cortassa et al.
2014). Entkopplungen der mitochondrialen Elektronentransportkette (
Entkopplungsproteine) und der NO-Synthetase steigern die Produktion von ROS. Bei der oxidativen
Proteinfaltung im ER durch die Proteindisulfid-Isomerase werden die entstandenen SH-Gruppen mittels des FAD-abhängigen Ero1p-Proteins reoxidiert und dabei ROS produziert (
Endoplasmatischer Retikulumstress). An Mitochondrienmembranen wird durch Hyperglykämie der Elektronentransport verzögert und die Bildung von Superoxid begünstigt sowie die Expression von antioxidativen
Enzymen reduziert. Xanthinoxidase (
Xanthin) bildet neben den primären Oxidationsprodukten auch Superoxidanionen und Wasserstoffperoxid. Superoxidanionen und weitere ROS entstehen auch durch Autoxidation mithilfe von Chinonen, Flavinen und
Übergangsmetallen (beispielsweise durch Cytochrom-P450-Reduktase) sowie durch Glykoxidation von Proteinen (
Advanced glycation end products) und Lipiden (ALE). In Granulozyten wird mit einer membranständigen NADPH-Oxidase und
Myeloperoxidase/Laktoperoxidase extrazelluläres bakterizides Superoxid, Hypochlorit und Peroxynitrit in einem oxidativen Burst (
Oxidativer Burst) erzeugt. Die gebildeten ROS werden spontan oder enzymatisch ineinander umgewandelt oder abgebaut:
Superoxid-Dismutase katalysiert die Disproportionierung von ·O
2− mit H
2O in O
2 und H
2O
2. In Peroxisomen zerlegt Katalase H
2O
2 in H
2O und O
2, wie es auch durch Peroxiredoxine in Mitochondrien und im Zellkern geschieht. H
2O
2 kann in Gegenwart von Fe
2+ in ein Hydroxylanion (OH
−) und das aggressive Hydroxylradikal (·OH) gespalten werden (
Fenton-Reaktion). Durch Reaktion des Superoxidanions mit
Stickstoffmonoxid entsteht Peroxynitrit, ein Vertreter der reaktiven Stickstoffspezies (RNS), der weitere reaktive Sauerstoff-Stickstoff-Spezies (RONS) bilden kann. Auch reaktive Schwefelspecies (RSS, Thiylradikale, Sulfen- und Sulfinsäuren und Hypothiocyansäure aus Thiocyansäure und Laktoperoxidase) stehen in enger redoxaktiver Wechselwirkung mit den ROS.
Exogene reaktive Sauerstoffspecies entstehen durch Herbizide,
Umweltgifte, Nitrate/Nitrite, Elektrosmog (?), Quarz, Asbest, Nanopartikel, Tabakrauch, Hyperoxie, Ozon und viele Medikamente. Durch ionisierende Strahlung werden im Wasser durch Entfernung von Elektronen (Radiolyse) neben Wasserstoffperoxid auch Hydroxylradikale und Superoxidanionen gebildet.
Antioxidantien können unter bestimmten Bedingungen (
Fenton-Reaktion) auch als Prooxidantien wirken, wie
Harnsäure und Askorbinsäure.
Als unspezifische ROS-Indikatoren werden verschiedene
Fluoreszeine, wie Dichlordihydrofluoreszeindiazetat, benutzt, die jedoch keine spezifische Aussage über einzelne ROS erlauben. Höhere
Spezifität wird durch Kopplung der
Fluorophore mit Redox-sensitiven Proteinen oder Transkriptionsfaktoren erreicht: HyPer oder roGFP als Varianten des grün fluoreszierenden Proteins für H
2O
2 oder „circular permutated yellow fluorescent protein“ (cpYFP) für Superoxidanionen. Arylboronate werden durch H
2O
2 in
Phenole überführt und mit Fluoreszenz-, Biolumineszenz- oder MRT-Techniken detektiert. Quantitativ kann die Boronat-Modifizierung durch Massenspektroskopie analysiert werden. Elektronenspinresonanz ist für Radikale geeignet, wobei für Makromoleküle und besonders kurzlebige Radikale Spinmarker angeknüpft werden.