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Vasoaktives intestinales Polypeptid

Verfasst von: A. M. Gressner und O. A. Gressner
Vasoaktives intestinales Polypeptid
Synonym(e)
VIP
Englischer Begriff
vasoactive intestinal polypeptide
Definition
Niedermolekulares, mit höchsten Konzentrationen in ZNS und Gastrointestinaltrakt vorkommendes Neuropeptid, das ein breites Spektrum systemischer und gastrointestinaler Wirkungen und klinische Relevanz für die Differenzialdiagnose persistierender profuser Diarrhoe, Verner-Morrison-Syndrom und VIP-Tumoren (VIPom) besitzt.
Molmasse
3,326 kDa.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Das ubiquitär verteilte VIP ist ein saures, lineares Polypeptid von 28 Aminosäuren (Molmasse 3,326 kDa), das aufgrund N-terminaler, struktureller Homologien Mitglied der Sekretin-Glukagon-Peptid-Familie (Sekretin; Glukagon) ist. Es kommt mit höchsten Konzentrationen in ZNS und Gastrointestinaltrakt vor, dort in Nervenfasern vom Ösophagus bis zum Kolon in allen Gewebsschichten. Höchste Gewebekonzentrationen im distalen Dünndarm und Kolon. Weiteres Vorkommen in Herz, Lunge, Hypophyse, Niere und Milz. Synthese in neuroendokrinen Zellen und pankreatischen D-Zellen. Regulationsmechanismen sind nicht genau bekannt, wahrscheinlich führen Nahrungsaufnahme (salz-, fettreiche Kost, Alkohol) und Vagusreizung zur Freisetzung. Inaktivierung während einer Leberpassage.
Halbwertszeit
Ca. 1 Minute.
Funktion – Pathophysiologie
VIP besitzt ein breites Spektrum parakriner und neuroendokriner, intestinaler und extraintestinaler Wirkungen, die folgende Tabelle fasst die Stoffwechselwirkungen des vasoaktiven intestinalen Polypeptids zusammen:
Intestinal
Extraintestinal
↑ Wasser- und Ionensekretion
↑ Pankreassekretion
↑ Gallefluss
↑ Chloridsekretion
↓ Gastrinsekretion
↓ Magensäuresekretion
↓ Natriumresorption
↑ Lipolyse
↑ Glykogenolyse
↑ Relaxation der glatten Muskulatur der Gefäße, des Darm- und Urogenitaltrakts
↑ Immunglobulinsynthese
↑ Hormonsekretion
Neurotransmitterfunktion (Kotransmitter von Acetylcholin)
Überproduktion bei VIP-sezernierenden Tumoren (VIPome) führt zu persistierenden profusen Durchfällen mit Stuhlmengen von 1–10 L und Hypokaliämie, dem Verner-Morrison-Syndrom (bekannt als pankreatische Cholera oder WDHA = Wasserdiarrhoe mit Hypokaliämie und Achlorhydrie).
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
EDTA-Plasma mit Proteaseinhibitor-(Aprotinin-)Zusatz (0,5 mL Trasylol auf 10 mL Blut), eisgekühlt.
Präanalytik
Nüchternplasma, sofortige Kühlung in Eis, Zentrifugation unmittelbar nach Blutentnahme bei 4 °C und Lagerung bei −20 °C.
Analytik
Referenzbereich – Erwachsene
<50 ng/L (<15 pmol/L), im Liquor etwa 10-fach höhere Konzentration.
Referenzbereich – Kinder
S. Erwachsene
Indikation
  • Differenzialdiagnose der persistierenden profusen Diarrhoe mit Hypokaliämie
  • Diagnose des Verner-Morrison-Syndroms (WDHA-Syndrom)
  • Diagnostik und therapeutische Verlaufskontrolle des VIPoms
Interpretation
Extreme Erhöhung der Plasmakonzentration bei VIPomen (0,6–9,0 μg/L), Konzentrationserhöhungen bei Verner-Morrison-Syndrom (WDHA-Syndrom), Ganglioneuroblastom, pankreatischer Inselzellhyperplasie, medullärem Schilddrüsenkarzinom, multipler endokriner Neoplasie, Leberzirrhose.
Diagnostische Wertigkeit
VIP-Plasmakonzentration hat die bestmöglichen diagnostischen Kriterien für die Diagnostik des Verner-Morrison-Syndroms (WDHA-Syndrom) bzw. des VIPoms. In der Differenzialdiagnostik der profusen, permanenten wässrigen Diarrhoe in Verbindung mit Hypokaliämie, Hypochlorhydrie, Dehydratation, Hypotonie und Haut-Flushing (Vasodilatation) kommt der VIP-Bestimmung entscheidende Bedeutung zu. Das sehr seltene VIPom ist zu über 80 % im Pankreas lokalisiert, der Rest hat ein Glioneuroblastom oder VIP-sezernierende Phäochromozytome, Neurofibrome und kleinzellige Bronchialkarzinome zur Ursache.
Literatur
Deng G, Jin L (2017) The effect of vasoactive intestinal peptide in neurodegenerative disorders. Neurol Res 39(1):65–72CrossRefPubMed
Mekhjian HS, O’Dorisio TM (1987) VIPoma Syndrome. Semin Oncol 14:282–291PubMed