Indikation nach BMI-Klassen
Die
Adipositas ist eine chronische Erkrankung und von der WHO als diese anerkannt. Sie wird nach wie vor in folgende Stadien anhand des
Body-Mass-Index (BMI) der sich aus Körpergewicht dividiert durch Körpergröße im Quadrat (kg/m
2) errechnet, eingeteilt. Die Zusatzbezeichnung „morbide“ Adipositas wird international weggelassen, da die chronische Erkrankung zum Anstieg der Morbidität und Mortalität beiträgt.
-
Adipositas Grad 1: (BMI 30–34,9 kg/m
2, ICD-10 E66.00)
-
Adipositas Grad 2: (BMI 35–39,9 kg/m2, ICD-10 E66.01)
-
Adipositas Grad 3: (BMI ≥40 kg/m2, ICD-10 E66.02)
Die Indikation zum Eingriff, die eine Entscheidung über einen irreversiblen Zustand nach sich zieht, muss sich nach den aktuellen Leitlinien der Fachgesellschaften richten. Danach gibt es die „Super-Adipositas“ mit einem (BMI ≥50 kg/m2), die eine primäre Indikation darstellt. Konservative Therapieversuche machen in diesem Fall keinen Sinn mehr.
Eine weitere primäre Indikation ist eine metabolische Situation, also ein unzureichend einzustellender
Diabetes mellitus Typ 2 mit einem BMI ≥40 kg/m
2. Auch hier kann die Indikation rasch gestellt werden.
Adipositas wirkt über das metabolische Syndrom und die chronische Inflammation im Körper. Es erzeugt eine Vielzahl von Folge- und Begleiterkrankungen.
Vor einem adipositaschirurgischen Eingriff müssen hormonelle Ursachen für eine Fettleibigkeit ausgeschlossen werden. Dies ist relativ einfach und schnell zu realisieren. Ein Hyperkortizismus ist bereits klinisch erkennbar und sollte durch Kortisol-Bestimmungen ausgeschlossen werden. Eine
Hypothyreose kann die Entwicklung von Übergewicht und
Adipositas begünstigen. Sie stellt jedoch keine Kontraindikation dar. Die medikamentöse Einstellung der Hypothyreose führt bekanntermaßen zu keiner Gewichtsreduktion. Sie sollte jedoch unbedingt vor einem Eingriff erfolgen. Die Dosierung muss allerdings nach einem Gewichtsverlust angepasst werden. Die aktuellen S3-Leitlinien spezifizieren die Indikationsstellungen
(S3 Leitlinie Adipositaschirurgie
2018).
Indikationen aus metabolischer Sicht
Die LSG hat wie andere bariatrische Operationen einen metabolischen Effekt. Speziell beim
Diabetes mellitus Typ 2 als eine sehr häufige Komorbidität, die die
Lebensqualität und die Lebenserwartung beeinträchtigt, wird AC sehr effektiv und langanhaltend beeinflusst, sodass eine unzureichende oder schwierige Einstellung des DMT2 zu einer eigenständigen Indikation führen kann (Schauer et al.
2017). Neben dem chirurgisch induzierten Gewichtsverlust erscheint die Duodenalausschaltung und der ileale Stimulus ein wesentlicher pathophysiologischer Mechanismus zur Herstellung der glykämischen Kontrolle darzustellen. . Dieser Mechanismus werden durch andere Verfahren als der LSG realisiert (wie RNYGB, BPD-DS, MGB/OAGB;…)
Die LSG ist eine„Magenoperation,“ die den Dünndarm intakt lässt und das Duodenum nicht ausschaltet. Das hat einige Chirurgen dazu veranlasst, die LSG als weniger metabolisch aktiv zu klassifizieren, deren Effekte nur am Gewichtsverlust hängen. Aber es gibt große Studien, die eine gleiche Effektivität von LSG und RNYGB hinsichtlich der Diabetes-Kontrolle nachweisen können:
Die STAMPEDE-Studie, eine Fünf-Jahres randomisierte Studie, war ursprünglich konfiguriert, um die Effekte einer intensivierten medizinischen Therapie allein mit denen einer kombiniert medizinisch-chirurgischen Behandlung (RNYGB oder LSG) eines DMT2 zu untersuchen.
Das Ziel einer Hba1c-Senkung(−2,1 %), Nüchternblutzucker (RYGB: −72 mg/dL; LSG: −49 mg/dL; nicht signifikant), und mittlerer Insulinbedarf(−35 %) war identisch zwischen beiden OP-Verfahren (Schauer et al.
2017).
Das „SLEEVEPASS Randomized Clinical Trial“, ebenfalls eine multizentrische randomisierte klinische Vergleichsstudie, zeigte keine signifikanten Unterschiede in der kompletten oder partiellen Remission eines DTMT2 zwischen adipösen Patienten nach fünf Jahren nach einer LSG (37 %; 15/41) oder einem RYGB (45 %; 18/40) erhielten. Interessanterweise war der Gewichtsverlust nach RYGB gering und nicht signifikant höher (57 % versus 49 %) als nach LSG (Salminen et al.
2018).
Die „SM-BOSS Randomized Clinical Trial“ (8), eine Zwei-Gruppen (LSG vs. RYGB) randomisierte Studie, fand als Baseline, dass 25,7 % (26/101) und 26,9 % (28/104) der Patienten DMT2 hatte. Von diesen waren 23,1 % (LSG; 6/26) und 21,4 % (RYGB; 6/24) unter Insulintherapie. Nach fünf Jahren betrug der Anteil kompletter DMT2-Remissionen 61,5 % nach LSG und 67,9 % nach RYGB. Dies sind nicht signifikanten Unterschiede in der glykämischen Kontrolle, gemessen am NBZ (LSG = 114,1 mg/dl; RYGB = 101,1 mg/dL) und Hba1c-Wert (LSG = 6,2 %; RYGB = 5,9 %) (Peterli et al.
2018).
Die „Longitudinal Assessment of Bariatric Surgery (LABS-2) study“ (Ahmed et al.
2018) ist eine Langzeit-Vergleichsstudie zwischen LSG und RNYGB mit einem vergleichbaren Anteil von Diabetikern, deren Werte sich gleichzeitig in beiden Gruppen nach fünf Jahren signifikant verringerten (Ahmed et al.
2018).
Die Vergleichbarkeit von LSG versus RYGB kann auch in Review-Arbeiten verfolgt werden (Li et al.
2016). In 29 Studien einer
Metaanalyse fanden sich geringe, aber nicht signifikante Unterschiede (Li et al.
2016).
Auf jeden Fall ist der Gewichtsverlust nach RNYGB für eine Verfahrenswahl von Bedeutung. Von einer nationalen Sammelstudie aus Deutschland, die 435 Patienten mit einer LSG in den Jahren von 2005–2011 untersuchte, wurden die Remissionsraten nach fünf Jahren (Follow-up-Rate 64 %) genauer betrachtet (Gärtner et al.
2019). Danach reduzierte sich die
Prävalenz des insulinpflichtigen DMT2 von 10,8 % (47/435) auf 5,8 % (25/435) und die des mit oralen medikamentösen behandelten Diabetikern von 23,6 % (102/435) auf 6,4 % (28/435). Die Gesamtmortalität in der Studie (n = 21,525) betrug 0,11 % (Gärtner et al.
2019).
In einer Langzeitstudie eines einzelnen Operateurs wurden 116 LSG mit einer Diabetes-Prävalenz von 19,8 % (23/116) analysierte. Nach acht Jahren FU zeigte sich eine Voll-Remission in 43,4 % (10/23) (Noel et al.
2017).
Eine andere Fünf-Jahres-Studie mit 39 LSG erzielte zunächst eine 20 % vollständige Remission des DTM2. Das war deutlich weniger, als nach einem Jahr (50,7 %) beobachtet worden war.
Diese Verschlechterung des Ergebnisses war mit einer Gewichtszunahme verbunden (Golomb et al.
2015).
Ein systematisches Review zum Diabeteseffekt nach LSG umfasste 27 Studien und 673 Patienten. Eine Remission fand sich in 66,2 % der Fälle, dazu kamen eine verbesserte Stoffwechsellage in 26,9 % und eine unveränderte Situation in 13,1 %, mit einem mittleren Hba1c-Abfall von 1,7 %. Hier war allerdings das maximale FU 36 Monate und die meisten Studien berichteten über Ein-Jahres-Ergebnisse (Gill et al.
2010).
In prospektiven Studien zeigten Ergebnisse bei 30 Fällen eines DMT2, dass der NBZ auf weniger als 126 mg/dl und der HbA1c-Spiegel in den Normbereich ohne antidiabetische Medikation in 63 % (19/30) während des Sechs-Monate-FU gesenkt werden konnte (Rosenthal et al.
2009).
In einem systematischen Review von ausschließlich randomisierten kontrollierten Studien (RCT) zum Vergleich des antidiabetischen Effektes von LSG und RNYGB in sieben Studien mit gesamt 732 Teilnehmern (davon LSG n = 365) wurden Hba1c, NBZ,
Insulin Sekretion und -intoleranz und Reduktion der antidiabetischen Medikation miteinander verglichen. Für beide OP-Verfahren konnten gleiche Effekte postoperative nachgewiesen werden (Osland et al.
2017).
Analog zu den schwedischen Studien der SOS konnte auch für den LSG eine signifikante Reduktion für eine Diabetes-Entstehung bei Adipösen nachgewiesen werden. Nach einem Jahr betrug die Risikosenkung 74,2 % (Frauen und Männer) und erreichte damit annährend den Risikowert für Normalgewichtige (Gutierrez-Blanco et al.
2019).
Gegenanzeigen und Limitationen
Ein grundlegender Aspekt einer jeden AC ist die Stabilität des Gewichtsverlustes im Langzeitverlauf. Der SM kann sein Volumen im Laufe der Jahre vergrößern (Daskalakis und Weiner
2009). Das trifft besonders auf nicht optimal ausgeführte Operationen zu, insbesondere, wenn Fundusanteile belassen werden, die sich ausdehnen können. Das Antrum kann sich ebenfalls zu einem neuen Reservoir ausdehnen, wenn die Resektion weitab vom Pylorus angesetzt wurde (Abb.
2). Diese Faktoren führen zum Gewichtswiederanstieg und zu
GERD (Weiner et al.
2007).
Beim Typ 2-Diabetes
hat man gesehen, dass Patienten, die sich einem Bypassverfahren (RNY-Magenbypass oder BPD-DS) unterzogen hatten, einen größeren Vorteil im Langzeitverlauf haben, als nach einer SM-Operation (Koliaki et al.
2017). SM sind effektiv im kurz- und mittelfristigen Verlauf (1–3 Jahre) mit einer guten Risiko-Benefit-Balance (Daskalakis und Weiner
2009).
Eine besondere Situation stellt die axiale Hiatushernie dar, deren Existenz unbedingt verifiziert und bei Vorhandensein verschlossen werden sollte.
Sie ist also keine Kontraindikation für SM/LSG. Ihr Verschluss kann eine spätere Sleeve-Migration in das Mediastinum nicht zuverlässig verhindern.
Dagegen werden große paraösophageale Hernien als Kontraindikation von den meisten Chirurgen angesehen (Koliaki et al.
2017). Patienten mit schweren Refluxerkrankung sollten nicht für eine LSG ausgewählt werden (Crawford et al.
2017).
Andere Autoren sehen die
GERD nicht als absolute Kontraindikation für eine LSG (Gagner et al.
2016; Felsenreich et al.
2017), solange keine Langzeitstudien vorliegen. GERD ist als eine „de novo“ Erkrankung nach LSG beschrieben worden (Himpens et al.
2006). Betrachtet man die späteren Umwandlungsoperationen, so erfolgen diese zu fast einem Drittel wegen GERD, zu einem Drittel wegen Wiederzunahme an Gewicht und zu einem Drittel zeigt aufgrund beider negativer Folgen.